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Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 10. Lieferung, Nr. 5. Berlin, 31. Oktober 1874.

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Zur Unterhaltung und Belehrung. 291
[Beginn Spaltensatz] als von tausend Zufälligkeiten abhängig, außer Berechnung jeder
normalen Börsenkotirung liegt.

Die großen Juwelier von Paris, wie Fossin, Marlet, Bayst,
Lemonnier und Andere haben ihre Spezialagenten, welche indeß
lieber in Rio de Janeiro oder London kaufen als in Paris, wo
noch kurz vor dem Kriege meist die höchsten Preise gezahlt wer-
den mußten. Jetzt freilich ist's anders und man kauft selbst
seltene Steine " paragons " als Pendantstücke um 10 Procent
billiger als zur Zeit der großen Diamantendebauche, die ja immer
weiter um sich griff, je mehr das Kaiserreich auf die Neige ging.

Gegen drei Uhr sind die großen Geschäfte gemacht, die
Matadore entfernen sich und es bleibt nur der Schofel, die
"Kamelots", wie man sie hier nennt. Es wird nun mehr in
"Altem" als in "Neuem" gemacht, mehr in Fassung, als in
Edelsteinen; die Zähne sind heraus, der Kinnbacken wird nun
verschachert.

Jn diesen Nachbörsestunden finden sich jedoch mitunter Kunst-
und Bildertrödler ein: man hört dann hie und da hebräisch re-
den, und die Geschäfte, die mit Einzelnen aus dem anscheinenden
"Schofel" gemacht werden, sind wahre Brillantgeschäfte bezüglich
des Werthes des Verhandelten wenigstens.

Mit immer wachsendem Erstaunen lernt man die Unergründ-
lichkeit gewisser Taschen kennen. Was da zu Tage gefördert wird,
erinnert an die Zauberhüte Bosko's und Hamilton's; alle Zonen
der entdeckten Welt sind durch ein eigenartiges Produkt vertreten,
und wo die Jllusion nicht stark genug ist, hilft die dreiste, phan-
tasieartige Geschwätzigkeit des Exhibenten gehörig nach. Diese
Bursche leisten in der That das fabelhafteste an Abgefeimtheit,
um sich gegenseitig zu überlisten.

Verlangt von dem Burschen, was ihr wollt, und wären es
die Mamelukenhosen des Fabelprinzen Kramal=Zeman oder der
güldene Zahnstocher des Konfuzius aus dem pekinger Winterpa-
last=Museum, und er schafft's euch mit derselben Dreistigkeit wie
irgend eine Tabackdose, und behauptet noch dazu, Montoban=Pa-
likao habe diese Kuriositäten vor Kurzem erst im Harem des
Mandschukaisers gestohleu und selbst an ihn verschachert.

Als der große Krieg ausbrach, nahm die ganze " Diaman-
ten=Koulisse " mit dem Schwarm von Raritätenverschacherern ihren
Flug in die Fremde; die ersten gingen nach London, die anderen
auf die Schlachtfelder, um in den blutigen Furchen nach "Rarem"
Lese zu halten. Manchem bekam's schlecht, denn er ward wie
ein Raubthier niedergeschossen und lag ruhig, wie gleichberechtigt,
neben den braven Soldaten. Doch viele kamen zurück und brach-
ten aus den Villen und Schlössern eine reiche Ausbeute heim,
wovon manches Prachtstück auf wunderlichen Umwegen wieder in
die Hände des wirklichen Eigenthümers zurückkehrt.

Zur Zeit der Kommune war das ganze saubere Völkchen
wie mit Zauberschlag verschwunden und man hörte im rauchigen
Lokale nur die Kommunarden fluchen, daß ihnen den ehrlichen
Lenten, die ganze Bande, die hier ihren Hexensabbath zu treiben
pflegte, entwischt war. Heute sind sie wieder da, zahlreicher als
vordem, und je rarer das Geld in Paris wird, desto billiger
kaufen sie die schönen "raren" Dinge, welche heute in manchen
Familien die letzten Ueberbleibsel früherer Opulenz bilden. Doch
wer sein letztes Familienstück für einen Bissen Brod hingiebt,
der kauft keine Brillanten und Edelsteine, deshalb geht's auf der
eigentlichen Diamantenbörse recht geschäftsstill her.



Ein Kampf zwischen einem Löwen und einem Gorilla.

Nach einer mehrwöchentlichen Windstille gingen wir an der
Westküste von Afrika vor Anker, und da sich der Scharbock
unter der Mannschaft gezeigt hatte, so wollten wir so lange an
der Küste verweilen, bis das Uebel verschwunden wäre. Es war
an einem prachtvollen Junimorgen, ein wenig nach Sonnenauf-
gang, als wir den Anker fallen ließen und das große Boot in
Bereitschaft setzten, um an's Land zu gehen. Die Mannschaft
bestand aus dem ersten Steuermann und sechs Matrosen, unter
denen auch ich mich befand. Das Land, mit Ausnahme einiger
Meilen längs der Küste, war mit dichter Waldung bedeckt und,
soviel wir nach einem mehrstündigen Herumstreifen wahrnehmen
konnten, ganz unbewohnt.

Wir waren Alle mit Flinten bewaffnet und gut mit Munition
versehen, weil wir nicht wissen konnten, welche Gefahren uns in
dem unbekannten Lande aufstoßen könnten. Wir hatten vom
[Spaltenumbruch] Kapitän den Auftrag erhalten, Wasser aufzusuchen, aber, obgleich
es nahe an Mittag war, noch keins gefunden. Wir beschlossen
deshalb uns zu trennen und in zwei Abtheilungen nach verschiedenen
Richtungen auszuziehen. Diejenige, welche die gewünschte Ent-
deckung machte, sollte durch einen Flintenschuß die andere davon
in Kenntuiß setzen.

Wir hatten bereits in mehreren Plätzen und Gräben Wasser
gefunden, aber kein solches, wie man es für ein Schiff brauchen
kann. Unsere Abtheilung, bei der sich der Steuermann befand,
trenute sich deshalb zum zweiten Mal, indem Jack Wilson und
ich eine südliche Richtung einschlugen. Wir waren noch nicht
weit gegangen, als wir an einen dichtverwachsenen, fast undurch-
dringlichen Jungle eine Quelle antrafen, welche vollkommen helles,
frisches und wohlschmeckendes Wasser enthielt. Da wir beide in
den letzten zwei Stunden von brenneudem Durste verzehrt worden
waren, so warfen wir uns sogleich nieder und tranken das er-
frischende Element in vollen Zügen. Kaum aber hatten wir
uns wieder erhoben, als das Rasseln und Knacken der dürren
Aeste und Zweige in dem Jungle das Herannahen eines großen
wilden Thieres verkündete.

Jn einer Entfernung von zwanzig bis fünfundzwanzig Schritte
von der Quelle stand auf einem freien Platze ein prächtiger Palm-
baum mit ausgebreiteten Aesten, wovon die untersten etwa zwölf
Fuß vom Boden entfernt waren. Ohne uns einen Augenblick
zu besinnen, nahmen wir unsere Zuflucht zu diesem Baume.
Wilson stieg zuerst hinauf und ich folgte nach, nachdem ich ihm
die Gewehre gereicht hatte. Kaum hatten wir uns zwischen den
Aesten festgesetzt, als eine riesenhafte Gestalt wenigsten fieben
Fuß hoch und von gewaltigem, muskulösem Bau aus dem Jungle
hervorkam. Es war das häßlichste und grimmigst aussehende
Geschöpf, daß sich jemals meinen Blicken darbot.

Sein Gesicht das große Aehnlichkeit mit dem eines Menschen
besaß, hatte einen schrecklichen Ausdruck, der dadurch noch erhöht
wurde, daß aus seiner untern, stark hervortretenden Kinnlade zwei
Fangzähne, welche denen eines Ebers glichen, drohend hervor-
standen. Sein ganzer Körper war mit Ausnahme eines Theils
des Gesichts mit kurzen braunen Haaren bedeckt. Es ging auf-
recht auf zwei Füßen, aber mit ziemlich unsicherem und watscheln-
dem Gang, und es hatte ganz den Anschein, als ob es sich auf
allen Vieren heimischer fühlte. Jn der Hand hielt es einen
gewaltigen Knüttel, einer schweren Keule nicht unähnlich.

Dieses seltsame und schreckliche Geschöpf, Mensch oder Thier,
schaute sich vorsichtig um, blickte aber zum guten Glück nicht auf
den Baum, wo wir uns versteckt hatten. Dann ging es zur
Quelle, warf den Knüttel weg und ließ sich auf alle Viere nieder,
um zu trinken. Nachdem es seinen Durst gelöscht hatte, nahm
es eine sitzende Stellung ein und begann mit seinen handähnlichen
Füßen im Wasser herumzuplätschern. Wie wir so das Treiben des
riesigen Waldmenschen beobachteten, jeden Augenblick fürchtend,
daß er unser Versteck endecken könnte, ließen sich von dem Jungke
her neue Tritte vernehmen. Das wilde Ungeheuer an der Quelle
schien zu wissen, daß ein furchbarer Feind im Anzuge sei, denn
es sprang mit der Beweglichkeit eines Affen empor, ergriff den
Knüttel und richtete seine wilden Blicke nach dem Orte, wo die
Fußtritte herkamen.

Einen Augenblick darauf wurde das braungelbe Fell und
die zottige Mähne eines ausgewachsenen afrikanischen Löwen in
einer Oeffnung des Jungle sichtbar. Bei seinem Anblicke stieß
der Waldmensch ein furchtbares Geheul aus. Zuerst schien der
Löwe unschlüssig zu sein, ja, es hatte einen Augenblick den An-
schein, als ob wieder umkehren wolle. Wahrscheinlich aber über-
wand der Durst sein Bedenken, denn gleich darauf schickte er sich
an, seinem furchtbaren Gegner das Terrain streitig zu machen.
Seine Augen fest auf denselben gerichtet, schlich er vorsichtig aus
dem Jungle hervor, und als er dasselbe hinter sich hatte, duckte
er sich nieder wie eine Katze, wenn sie einen Sprung machen
will, und peitschte die Erde mit seinem Schweif.

Unterdessen stand das Ungeheuer mit emporgehobenen Knüttel
da und stieß ein Geschrei aus, das wie Khi=yah Khi=yah lautete
und eine Herausforderung an den König der Wälder zu enthalten
schien. Seinerseits war der Löwe jetzt augenscheinlich zum An-
griffe bereit. Er knirschte mit den Zähnen, seine Mähne sträubte
sich empor, und ein kurzes Gebrüll ausstoßend, machte er plötzlich
einen Sprung vorwärts. Sobald sein riefiger Feind diese Be-
wegung wahrnahm, sprang er mit einem gewaltigen Satz auf
die Seite, und als sein Gegner die Erde berührte, versetzte er
ihm mit seinem Knüppel einen furchtbaren Schlag auf den Kopf.
[Ende Spaltensatz]

Zur Unterhaltung und Belehrung. 291
[Beginn Spaltensatz] als von tausend Zufälligkeiten abhängig, außer Berechnung jeder
normalen Börsenkotirung liegt.

Die großen Juwelier von Paris, wie Fossin, Marlet, Bayst,
Lemonnier und Andere haben ihre Spezialagenten, welche indeß
lieber in Rio de Janeiro oder London kaufen als in Paris, wo
noch kurz vor dem Kriege meist die höchsten Preise gezahlt wer-
den mußten. Jetzt freilich ist's anders und man kauft selbst
seltene Steine „ paragons “ als Pendantstücke um 10 Procent
billiger als zur Zeit der großen Diamantendebauche, die ja immer
weiter um sich griff, je mehr das Kaiserreich auf die Neige ging.

Gegen drei Uhr sind die großen Geschäfte gemacht, die
Matadore entfernen sich und es bleibt nur der Schofel, die
„Kamelots“, wie man sie hier nennt. Es wird nun mehr in
„Altem“ als in „Neuem“ gemacht, mehr in Fassung, als in
Edelsteinen; die Zähne sind heraus, der Kinnbacken wird nun
verschachert.

Jn diesen Nachbörsestunden finden sich jedoch mitunter Kunst-
und Bildertrödler ein: man hört dann hie und da hebräisch re-
den, und die Geschäfte, die mit Einzelnen aus dem anscheinenden
„Schofel“ gemacht werden, sind wahre Brillantgeschäfte bezüglich
des Werthes des Verhandelten wenigstens.

Mit immer wachsendem Erstaunen lernt man die Unergründ-
lichkeit gewisser Taschen kennen. Was da zu Tage gefördert wird,
erinnert an die Zauberhüte Bosko's und Hamilton's; alle Zonen
der entdeckten Welt sind durch ein eigenartiges Produkt vertreten,
und wo die Jllusion nicht stark genug ist, hilft die dreiste, phan-
tasieartige Geschwätzigkeit des Exhibenten gehörig nach. Diese
Bursche leisten in der That das fabelhafteste an Abgefeimtheit,
um sich gegenseitig zu überlisten.

Verlangt von dem Burschen, was ihr wollt, und wären es
die Mamelukenhosen des Fabelprinzen Kramal=Zeman oder der
güldene Zahnstocher des Konfuzius aus dem pekinger Winterpa-
last=Museum, und er schafft's euch mit derselben Dreistigkeit wie
irgend eine Tabackdose, und behauptet noch dazu, Montoban=Pa-
likao habe diese Kuriositäten vor Kurzem erst im Harem des
Mandschukaisers gestohleu und selbst an ihn verschachert.

Als der große Krieg ausbrach, nahm die ganze „ Diaman-
ten=Koulisse “ mit dem Schwarm von Raritätenverschacherern ihren
Flug in die Fremde; die ersten gingen nach London, die anderen
auf die Schlachtfelder, um in den blutigen Furchen nach „Rarem“
Lese zu halten. Manchem bekam's schlecht, denn er ward wie
ein Raubthier niedergeschossen und lag ruhig, wie gleichberechtigt,
neben den braven Soldaten. Doch viele kamen zurück und brach-
ten aus den Villen und Schlössern eine reiche Ausbeute heim,
wovon manches Prachtstück auf wunderlichen Umwegen wieder in
die Hände des wirklichen Eigenthümers zurückkehrt.

Zur Zeit der Kommune war das ganze saubere Völkchen
wie mit Zauberschlag verschwunden und man hörte im rauchigen
Lokale nur die Kommunarden fluchen, daß ihnen den ehrlichen
Lenten, die ganze Bande, die hier ihren Hexensabbath zu treiben
pflegte, entwischt war. Heute sind sie wieder da, zahlreicher als
vordem, und je rarer das Geld in Paris wird, desto billiger
kaufen sie die schönen „raren“ Dinge, welche heute in manchen
Familien die letzten Ueberbleibsel früherer Opulenz bilden. Doch
wer sein letztes Familienstück für einen Bissen Brod hingiebt,
der kauft keine Brillanten und Edelsteine, deshalb geht's auf der
eigentlichen Diamantenbörse recht geschäftsstill her.



Ein Kampf zwischen einem Löwen und einem Gorilla.

Nach einer mehrwöchentlichen Windstille gingen wir an der
Westküste von Afrika vor Anker, und da sich der Scharbock
unter der Mannschaft gezeigt hatte, so wollten wir so lange an
der Küste verweilen, bis das Uebel verschwunden wäre. Es war
an einem prachtvollen Junimorgen, ein wenig nach Sonnenauf-
gang, als wir den Anker fallen ließen und das große Boot in
Bereitschaft setzten, um an's Land zu gehen. Die Mannschaft
bestand aus dem ersten Steuermann und sechs Matrosen, unter
denen auch ich mich befand. Das Land, mit Ausnahme einiger
Meilen längs der Küste, war mit dichter Waldung bedeckt und,
soviel wir nach einem mehrstündigen Herumstreifen wahrnehmen
konnten, ganz unbewohnt.

Wir waren Alle mit Flinten bewaffnet und gut mit Munition
versehen, weil wir nicht wissen konnten, welche Gefahren uns in
dem unbekannten Lande aufstoßen könnten. Wir hatten vom
[Spaltenumbruch] Kapitän den Auftrag erhalten, Wasser aufzusuchen, aber, obgleich
es nahe an Mittag war, noch keins gefunden. Wir beschlossen
deshalb uns zu trennen und in zwei Abtheilungen nach verschiedenen
Richtungen auszuziehen. Diejenige, welche die gewünschte Ent-
deckung machte, sollte durch einen Flintenschuß die andere davon
in Kenntuiß setzen.

Wir hatten bereits in mehreren Plätzen und Gräben Wasser
gefunden, aber kein solches, wie man es für ein Schiff brauchen
kann. Unsere Abtheilung, bei der sich der Steuermann befand,
trenute sich deshalb zum zweiten Mal, indem Jack Wilson und
ich eine südliche Richtung einschlugen. Wir waren noch nicht
weit gegangen, als wir an einen dichtverwachsenen, fast undurch-
dringlichen Jungle eine Quelle antrafen, welche vollkommen helles,
frisches und wohlschmeckendes Wasser enthielt. Da wir beide in
den letzten zwei Stunden von brenneudem Durste verzehrt worden
waren, so warfen wir uns sogleich nieder und tranken das er-
frischende Element in vollen Zügen. Kaum aber hatten wir
uns wieder erhoben, als das Rasseln und Knacken der dürren
Aeste und Zweige in dem Jungle das Herannahen eines großen
wilden Thieres verkündete.

Jn einer Entfernung von zwanzig bis fünfundzwanzig Schritte
von der Quelle stand auf einem freien Platze ein prächtiger Palm-
baum mit ausgebreiteten Aesten, wovon die untersten etwa zwölf
Fuß vom Boden entfernt waren. Ohne uns einen Augenblick
zu besinnen, nahmen wir unsere Zuflucht zu diesem Baume.
Wilson stieg zuerst hinauf und ich folgte nach, nachdem ich ihm
die Gewehre gereicht hatte. Kaum hatten wir uns zwischen den
Aesten festgesetzt, als eine riesenhafte Gestalt wenigsten fieben
Fuß hoch und von gewaltigem, muskulösem Bau aus dem Jungle
hervorkam. Es war das häßlichste und grimmigst aussehende
Geschöpf, daß sich jemals meinen Blicken darbot.

Sein Gesicht das große Aehnlichkeit mit dem eines Menschen
besaß, hatte einen schrecklichen Ausdruck, der dadurch noch erhöht
wurde, daß aus seiner untern, stark hervortretenden Kinnlade zwei
Fangzähne, welche denen eines Ebers glichen, drohend hervor-
standen. Sein ganzer Körper war mit Ausnahme eines Theils
des Gesichts mit kurzen braunen Haaren bedeckt. Es ging auf-
recht auf zwei Füßen, aber mit ziemlich unsicherem und watscheln-
dem Gang, und es hatte ganz den Anschein, als ob es sich auf
allen Vieren heimischer fühlte. Jn der Hand hielt es einen
gewaltigen Knüttel, einer schweren Keule nicht unähnlich.

Dieses seltsame und schreckliche Geschöpf, Mensch oder Thier,
schaute sich vorsichtig um, blickte aber zum guten Glück nicht auf
den Baum, wo wir uns versteckt hatten. Dann ging es zur
Quelle, warf den Knüttel weg und ließ sich auf alle Viere nieder,
um zu trinken. Nachdem es seinen Durst gelöscht hatte, nahm
es eine sitzende Stellung ein und begann mit seinen handähnlichen
Füßen im Wasser herumzuplätschern. Wie wir so das Treiben des
riesigen Waldmenschen beobachteten, jeden Augenblick fürchtend,
daß er unser Versteck endecken könnte, ließen sich von dem Jungke
her neue Tritte vernehmen. Das wilde Ungeheuer an der Quelle
schien zu wissen, daß ein furchbarer Feind im Anzuge sei, denn
es sprang mit der Beweglichkeit eines Affen empor, ergriff den
Knüttel und richtete seine wilden Blicke nach dem Orte, wo die
Fußtritte herkamen.

Einen Augenblick darauf wurde das braungelbe Fell und
die zottige Mähne eines ausgewachsenen afrikanischen Löwen in
einer Oeffnung des Jungle sichtbar. Bei seinem Anblicke stieß
der Waldmensch ein furchtbares Geheul aus. Zuerst schien der
Löwe unschlüssig zu sein, ja, es hatte einen Augenblick den An-
schein, als ob wieder umkehren wolle. Wahrscheinlich aber über-
wand der Durst sein Bedenken, denn gleich darauf schickte er sich
an, seinem furchtbaren Gegner das Terrain streitig zu machen.
Seine Augen fest auf denselben gerichtet, schlich er vorsichtig aus
dem Jungle hervor, und als er dasselbe hinter sich hatte, duckte
er sich nieder wie eine Katze, wenn sie einen Sprung machen
will, und peitschte die Erde mit seinem Schweif.

Unterdessen stand das Ungeheuer mit emporgehobenen Knüttel
da und stieß ein Geschrei aus, das wie Khi=yah Khi=yah lautete
und eine Herausforderung an den König der Wälder zu enthalten
schien. Seinerseits war der Löwe jetzt augenscheinlich zum An-
griffe bereit. Er knirschte mit den Zähnen, seine Mähne sträubte
sich empor, und ein kurzes Gebrüll ausstoßend, machte er plötzlich
einen Sprung vorwärts. Sobald sein riefiger Feind diese Be-
wegung wahrnahm, sprang er mit einem gewaltigen Satz auf
die Seite, und als sein Gegner die Erde berührte, versetzte er
ihm mit seinem Knüppel einen furchtbaren Schlag auf den Kopf.
[Ende Spaltensatz]

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[291/0007] Zur Unterhaltung und Belehrung. 291 als von tausend Zufälligkeiten abhängig, außer Berechnung jeder normalen Börsenkotirung liegt. Die großen Juwelier von Paris, wie Fossin, Marlet, Bayst, Lemonnier und Andere haben ihre Spezialagenten, welche indeß lieber in Rio de Janeiro oder London kaufen als in Paris, wo noch kurz vor dem Kriege meist die höchsten Preise gezahlt wer- den mußten. Jetzt freilich ist's anders und man kauft selbst seltene Steine „ paragons “ als Pendantstücke um 10 Procent billiger als zur Zeit der großen Diamantendebauche, die ja immer weiter um sich griff, je mehr das Kaiserreich auf die Neige ging. Gegen drei Uhr sind die großen Geschäfte gemacht, die Matadore entfernen sich und es bleibt nur der Schofel, die „Kamelots“, wie man sie hier nennt. Es wird nun mehr in „Altem“ als in „Neuem“ gemacht, mehr in Fassung, als in Edelsteinen; die Zähne sind heraus, der Kinnbacken wird nun verschachert. Jn diesen Nachbörsestunden finden sich jedoch mitunter Kunst- und Bildertrödler ein: man hört dann hie und da hebräisch re- den, und die Geschäfte, die mit Einzelnen aus dem anscheinenden „Schofel“ gemacht werden, sind wahre Brillantgeschäfte bezüglich des Werthes des Verhandelten wenigstens. Mit immer wachsendem Erstaunen lernt man die Unergründ- lichkeit gewisser Taschen kennen. Was da zu Tage gefördert wird, erinnert an die Zauberhüte Bosko's und Hamilton's; alle Zonen der entdeckten Welt sind durch ein eigenartiges Produkt vertreten, und wo die Jllusion nicht stark genug ist, hilft die dreiste, phan- tasieartige Geschwätzigkeit des Exhibenten gehörig nach. Diese Bursche leisten in der That das fabelhafteste an Abgefeimtheit, um sich gegenseitig zu überlisten. Verlangt von dem Burschen, was ihr wollt, und wären es die Mamelukenhosen des Fabelprinzen Kramal=Zeman oder der güldene Zahnstocher des Konfuzius aus dem pekinger Winterpa- last=Museum, und er schafft's euch mit derselben Dreistigkeit wie irgend eine Tabackdose, und behauptet noch dazu, Montoban=Pa- likao habe diese Kuriositäten vor Kurzem erst im Harem des Mandschukaisers gestohleu und selbst an ihn verschachert. Als der große Krieg ausbrach, nahm die ganze „ Diaman- ten=Koulisse “ mit dem Schwarm von Raritätenverschacherern ihren Flug in die Fremde; die ersten gingen nach London, die anderen auf die Schlachtfelder, um in den blutigen Furchen nach „Rarem“ Lese zu halten. Manchem bekam's schlecht, denn er ward wie ein Raubthier niedergeschossen und lag ruhig, wie gleichberechtigt, neben den braven Soldaten. Doch viele kamen zurück und brach- ten aus den Villen und Schlössern eine reiche Ausbeute heim, wovon manches Prachtstück auf wunderlichen Umwegen wieder in die Hände des wirklichen Eigenthümers zurückkehrt. Zur Zeit der Kommune war das ganze saubere Völkchen wie mit Zauberschlag verschwunden und man hörte im rauchigen Lokale nur die Kommunarden fluchen, daß ihnen den ehrlichen Lenten, die ganze Bande, die hier ihren Hexensabbath zu treiben pflegte, entwischt war. Heute sind sie wieder da, zahlreicher als vordem, und je rarer das Geld in Paris wird, desto billiger kaufen sie die schönen „raren“ Dinge, welche heute in manchen Familien die letzten Ueberbleibsel früherer Opulenz bilden. Doch wer sein letztes Familienstück für einen Bissen Brod hingiebt, der kauft keine Brillanten und Edelsteine, deshalb geht's auf der eigentlichen Diamantenbörse recht geschäftsstill her. Ein Kampf zwischen einem Löwen und einem Gorilla. Nach einer mehrwöchentlichen Windstille gingen wir an der Westküste von Afrika vor Anker, und da sich der Scharbock unter der Mannschaft gezeigt hatte, so wollten wir so lange an der Küste verweilen, bis das Uebel verschwunden wäre. Es war an einem prachtvollen Junimorgen, ein wenig nach Sonnenauf- gang, als wir den Anker fallen ließen und das große Boot in Bereitschaft setzten, um an's Land zu gehen. Die Mannschaft bestand aus dem ersten Steuermann und sechs Matrosen, unter denen auch ich mich befand. Das Land, mit Ausnahme einiger Meilen längs der Küste, war mit dichter Waldung bedeckt und, soviel wir nach einem mehrstündigen Herumstreifen wahrnehmen konnten, ganz unbewohnt. Wir waren Alle mit Flinten bewaffnet und gut mit Munition versehen, weil wir nicht wissen konnten, welche Gefahren uns in dem unbekannten Lande aufstoßen könnten. Wir hatten vom Kapitän den Auftrag erhalten, Wasser aufzusuchen, aber, obgleich es nahe an Mittag war, noch keins gefunden. Wir beschlossen deshalb uns zu trennen und in zwei Abtheilungen nach verschiedenen Richtungen auszuziehen. Diejenige, welche die gewünschte Ent- deckung machte, sollte durch einen Flintenschuß die andere davon in Kenntuiß setzen. Wir hatten bereits in mehreren Plätzen und Gräben Wasser gefunden, aber kein solches, wie man es für ein Schiff brauchen kann. Unsere Abtheilung, bei der sich der Steuermann befand, trenute sich deshalb zum zweiten Mal, indem Jack Wilson und ich eine südliche Richtung einschlugen. Wir waren noch nicht weit gegangen, als wir an einen dichtverwachsenen, fast undurch- dringlichen Jungle eine Quelle antrafen, welche vollkommen helles, frisches und wohlschmeckendes Wasser enthielt. Da wir beide in den letzten zwei Stunden von brenneudem Durste verzehrt worden waren, so warfen wir uns sogleich nieder und tranken das er- frischende Element in vollen Zügen. Kaum aber hatten wir uns wieder erhoben, als das Rasseln und Knacken der dürren Aeste und Zweige in dem Jungle das Herannahen eines großen wilden Thieres verkündete. Jn einer Entfernung von zwanzig bis fünfundzwanzig Schritte von der Quelle stand auf einem freien Platze ein prächtiger Palm- baum mit ausgebreiteten Aesten, wovon die untersten etwa zwölf Fuß vom Boden entfernt waren. Ohne uns einen Augenblick zu besinnen, nahmen wir unsere Zuflucht zu diesem Baume. Wilson stieg zuerst hinauf und ich folgte nach, nachdem ich ihm die Gewehre gereicht hatte. Kaum hatten wir uns zwischen den Aesten festgesetzt, als eine riesenhafte Gestalt wenigsten fieben Fuß hoch und von gewaltigem, muskulösem Bau aus dem Jungle hervorkam. Es war das häßlichste und grimmigst aussehende Geschöpf, daß sich jemals meinen Blicken darbot. Sein Gesicht das große Aehnlichkeit mit dem eines Menschen besaß, hatte einen schrecklichen Ausdruck, der dadurch noch erhöht wurde, daß aus seiner untern, stark hervortretenden Kinnlade zwei Fangzähne, welche denen eines Ebers glichen, drohend hervor- standen. Sein ganzer Körper war mit Ausnahme eines Theils des Gesichts mit kurzen braunen Haaren bedeckt. Es ging auf- recht auf zwei Füßen, aber mit ziemlich unsicherem und watscheln- dem Gang, und es hatte ganz den Anschein, als ob es sich auf allen Vieren heimischer fühlte. Jn der Hand hielt es einen gewaltigen Knüttel, einer schweren Keule nicht unähnlich. Dieses seltsame und schreckliche Geschöpf, Mensch oder Thier, schaute sich vorsichtig um, blickte aber zum guten Glück nicht auf den Baum, wo wir uns versteckt hatten. Dann ging es zur Quelle, warf den Knüttel weg und ließ sich auf alle Viere nieder, um zu trinken. Nachdem es seinen Durst gelöscht hatte, nahm es eine sitzende Stellung ein und begann mit seinen handähnlichen Füßen im Wasser herumzuplätschern. Wie wir so das Treiben des riesigen Waldmenschen beobachteten, jeden Augenblick fürchtend, daß er unser Versteck endecken könnte, ließen sich von dem Jungke her neue Tritte vernehmen. Das wilde Ungeheuer an der Quelle schien zu wissen, daß ein furchbarer Feind im Anzuge sei, denn es sprang mit der Beweglichkeit eines Affen empor, ergriff den Knüttel und richtete seine wilden Blicke nach dem Orte, wo die Fußtritte herkamen. Einen Augenblick darauf wurde das braungelbe Fell und die zottige Mähne eines ausgewachsenen afrikanischen Löwen in einer Oeffnung des Jungle sichtbar. Bei seinem Anblicke stieß der Waldmensch ein furchtbares Geheul aus. Zuerst schien der Löwe unschlüssig zu sein, ja, es hatte einen Augenblick den An- schein, als ob wieder umkehren wolle. Wahrscheinlich aber über- wand der Durst sein Bedenken, denn gleich darauf schickte er sich an, seinem furchtbaren Gegner das Terrain streitig zu machen. Seine Augen fest auf denselben gerichtet, schlich er vorsichtig aus dem Jungle hervor, und als er dasselbe hinter sich hatte, duckte er sich nieder wie eine Katze, wenn sie einen Sprung machen will, und peitschte die Erde mit seinem Schweif. Unterdessen stand das Ungeheuer mit emporgehobenen Knüttel da und stieß ein Geschrei aus, das wie Khi=yah Khi=yah lautete und eine Herausforderung an den König der Wälder zu enthalten schien. Seinerseits war der Löwe jetzt augenscheinlich zum An- griffe bereit. Er knirschte mit den Zähnen, seine Mähne sträubte sich empor, und ein kurzes Gebrüll ausstoßend, machte er plötzlich einen Sprung vorwärts. Sobald sein riefiger Feind diese Be- wegung wahrnahm, sprang er mit einem gewaltigen Satz auf die Seite, und als sein Gegner die Erde berührte, versetzte er ihm mit seinem Knüppel einen furchtbaren Schlag auf den Kopf.

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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 10. Lieferung, Nr. 5. Berlin, 31. Oktober 1874, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social1005_1874/7>, abgerufen am 21.11.2024.