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Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 10. Lieferung, Nr. 5. Berlin, 31. Oktober 1874.

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Zur Unterhaltung und Belehrung. 290
[Beginn Spaltensatz]

Aber -- wenn auch sie mich liebte! -- Neulich war ich im
Zimmer ihres Bruders, sie kam herein und eilte sogleich wieder
weg, als hätte sie nicht gewußt, daß ich dort säße; sie war blaß
und verstört; und sie mußte es wissen. Sonderbar! und bei
alle dem weigert sie, Walmor zu heirathen, ist kalt und ängstlich
gegen mich -- und doch weigert sie sich erst, seit sie mich ge-
sehen. -- Das ist schlimm.

So besprach ich mich mit mir selbst; den ganzen Tag war
ich in großer Aufgeregtheit. Jch gerieth in einen wahren Schwin-
del, ich wußte nicht, was thun, was festsetzen: einerseits war ihre
Liebe ein Unglück. anderseits ertappte ich mich auf dem jubelnden
Gedanken, es könne sein, daß sie mich liebe. Darnach kam die
[Spaltenumbruch] Verständigkeit; ich erinnerte mich der leidenschaftlichen Neigung
Walmor's für das junge Mädchen, und ich malte mir grell seine
Schmerzen aus und die Vorwürfe, die man mir machen würde,
er und Korilla und die übrigen Familienglieder. Diese Betrach-
tung siegte; der Schweiß stand mir vor der Stirn, meine Adern
pochten und ich sagte zu mir: "wohlan, auf! du mußt abreisen."
Weil indessen für heute Abend eine Zusammenkunft im Walmor-
schen Zirkel festgesetzt worden, wo der Großvater, der noch le-
bende Zeuge der Revolution, Eugen und mir über Jkar Mit-
theilungen zu machen versprochen hatte, hielt ich es für zweck-
mäßig, noch ein Mal nebst Eugen hinzugehen.

[Ende Spaltensatz]

( Fortsetzung folgt ) .



[Beginn Spaltensatz]
Die pariser Diamantenbörse.

Unter den Caffeehäusern des Boulevard Montmartre in Paris
giebt's ein bescheidenes, namenloses, welches zu manchen Stunden
größere Schätze in seinen schmucklosen Räumen birgt, als die
goldverschnörkelten Prachtspiegelhallen der Caffee Pierron und
Cardinal.

Es ist ein tiefes, rauchgeschwärztes Mezzanin=Lokal mit tief-
hängendem, braunem Deckengebälk und langen Tischreihen mit
trüben Marmorplatten. Hier wird tagtäglich um 1 Uhr Mittags
mit Diamanten und sonst Werthvollen geschachert, wobei die
zwölf Stämme des Gottesvolkes in auserwählten Musterexemplaren
vertreten sind, man findet da typisch Kostümirte aus den hinteren
Weichselländern, holländischen Altglauber mit feisten, hängebackigen
Gesichtern, orientalische Gentlemen aus der londoner City mit
"stick"= und untadelhafter Wäsche, annektirte Trödeljuden vom
Oberrhein, livorneser Steinmäkler und tuneser Agenten in blauem
Turban und zitronengelben Babuschen, alle, zwar bunt zusammen-
gewürfelt in der Erscheinung, doch durchaus gleichartig durch den
Racenzug.

Jm ganzen geht's hier still, fast ängstlich zu; in den Ecken
krabbelts und webt's geheimnißvoll und scheue Blicke fahren aus
den Gruppen, die eben so sachte, wie sie sich gebildet, wieder Zer-
fließen. Die Taschen öffnen sich, tiefe, unergründliche Taschen,
wie jene der diebischen Tempelwächter in Mekka. Was da alles
zum Vorschein kommt, kann mehr errathen, als gesehen werden;
schmutzig abgerissene Brieftaschen gleiten durch die vorsichtigen
Hände, dazwischen wunderliche Kapseln, versiegelte Päckchen, fest-
geschnürte Beutel.

Alles, was sich kauft, verkauft und wieder kauft, ist hier
eines mehr oder weniger vortheilhaften Absatzes sicher.

Der Diamant ist der Vorwand, unter seiner Firma geht
Alles durch: Perlsträhne, Juwelen, bizarres Geschmeide, Rokoko-
taschenuhren aus Br e quets Zeiten, alte Siegel, seltene Stoffe,
japanesische Schnurrpfeifereien, obscöne Bilder, zweifelhafte Schuld-
briefe und kostbare Versatzamtszettel, kurz, ein bunter Trödel
jeder Art, der sich aus den Tiefen der Rockschöße entwickelt. Es
ist eine wahre Jnternationale des complicirten Raritätenschachers.

Aus jener wispernden Gruppe dort dringen Laute des
Zweifels, der Betheuerung, der Entrüftung; man nähert sich dem
Fenster, läßt etwas Funkelndes an der Sonne spielen, das von
einer siebernden Hand zur andern wandert, dann gehts zum
nächsten Tische, wo Einer die winzige Goldwage aus der Tasche
zieht, um den streitigen Gegenstand abzuwägen. Hier fallen
halblaute verbissene Worte; die Gesichter röthen sich zornig; man
mustert sich mit argwöhnlichen Blicken, doch bald legt sich die
Aufregung, und der eben noch seinem Nachbar Betrug vorge-
worfen, geht hin seinen Gevatter zu betrügen. Und so schlimmer
für die Armen im Geiste!

Jene behäbige Herren von der Amsterdamer Judengemeinde
sind die Koryphäen des Diamantenhandels. Was Jndien, Borneo,
Brasilien und die neuen Diamantenfelder Australiens an kost-
baren seltenen Kieseln liefern, geht durch ihre Hände. Die
Wunder der amsterdamer Brillant=Schleifmühlen werden von
ihnen gehandelt und seit B e rquem's Zeiten der zuerst am Zuy-
[Spaltenumbruch] dersee Diamanten schliff, kennen sie jedes hervorragende Produkt
jenes geheimnißvollen Jndustriezweiges, dessen Traditionen sich
im Stillen in einzelnen Familien forterben. Mancher von diesen
Herren trägt zu Zeiten in seiner Brieftasche eine Anzahl bunter
Päckchen, die wohl eine Million werth sein mögen und das
Steigen und Fallen des Juwelenkourses hängt von der spekula-
tiven Laune dieses Diamantenfürsten ab.

Der Diamant hat nämlich nicht allein einen Lokalwerth,
sondern einen allgemeinen Weltkours, welcher in London, Paris,
Konstantinopel, Kalkutta und Rio=Janeiro kotirt und bestimmt wird.

Man muß Einen von diesen Matadoren beim Geschäfte
beobachten, wie er mit feierlicher Miene aus seiner Brieftasche
ein farbiges Papierkouvert hervorzieht, dasselbe langsam entfaltete,
nachdem er vorher einen mysteriösen, forschenden Blick ringsum
geworfen; die ganze Gruppe hält den Athem zurück und neigt
sich mit scheinheiligem Auge, worin jede Begierde durch Selbst-
beherrschung für den Moment erloschen scheint, über die winzigen
Kiesel, welche der profane Mensch nicht zu schätzen weiß. Daß
Niemand huste oder nieße, denn er würde ganze Schätze hinweg-
husten oder in die Luft niesen, und unwillkürlich dacht' ich mir, daß
eigentlich weder ein Brustkranker, noch ein mit dem Stockschnupfen
Behafteter in den Räumen der Diamantenbörse Zulaß finden
sollte.

Doch was geht dort in der Ecke vor? Eine fieberhaft zit-
ternde Hand hat ein mit Diamanten gefülltes Papier hinab-
gleiten lassen, und die kostbaren Kiesel haben sich auf dem Boden
verstreut.... Große Bewegung! Die Einen werfen sich wild
hastig nieder und tasten mit krampfigen Fingern auf dem Estrich
herum, indeß die Andern starr und unbeweglich blieben, aus
Furcht, durch unzeitigen Eifer Argwohn zu erregen. Der Eigen-
thümer, an allen Gliedern zitternd, wischt sich die großen Schweiß-
tropfen von der Stirne, ist indeß so schreckgelähmt, daß er am
wenigsten daran denkt, sich nach dem verstreuten Schatze zu
bücken. Endlich hat er seine winzigen funkelnden Körnlein wie-
der, und von der Gemüthsbewegung erschüttert, sinkt er auf
einen Sessel.

Der eigentliche lokale pariser Diamantenmäkel liegt meist in
den Händen von Frauen und hat eine Menge von Specialitä-
ten; die Einen machen nur in brasilianischen " cascalhos ", von
denen im Durchschnitt etwa 6 bis 7 Kilogramm jährlich auf den
europäischen Markt kommen, Andere vermitteln die Geschäfte mit
den großen Stücken, den " diamants paragons " Jndiens, wie-
der Andere führen nur "Demantbord", wie man die Abfall-
schliche aus den Brillant=Schleifmühlen nennt, womit wieder Dia-
manten geschliffen werden.

Jene mäkeln mit farbigen Brillanten, diese mit Rauten jeder
Größe bis herab zu den Glasrauten, die sich gegen jeden Schleif-
versuch rebellisch erwiesen haben. Gemeiniglich werden die Brillan-
ten in fünf Klassen kotirt, deren Werth sehr verschieden ist, in-
dem die Steine der ersten Klasse durchschnittlich 250 Francs das
Karat notiren, während die der fünften Klasse sich auf circa 3500
Francs stellen. Die in der Mitte liegenden Ziffern für die drei
anderen Klassen sind meist 700, 1800 und 2600 Francs. Selbstver-
ständlich ergiebt sich in vielen Fällen, insbesondere bei einzelnen
Assortirungsstücken, ein Gelegenheitspreis, dessen Bestimmung,
[Ende Spaltensatz]

Zur Unterhaltung und Belehrung. 290
[Beginn Spaltensatz]

Aber — wenn auch sie mich liebte! — Neulich war ich im
Zimmer ihres Bruders, sie kam herein und eilte sogleich wieder
weg, als hätte sie nicht gewußt, daß ich dort säße; sie war blaß
und verstört; und sie mußte es wissen. Sonderbar! und bei
alle dem weigert sie, Walmor zu heirathen, ist kalt und ängstlich
gegen mich — und doch weigert sie sich erst, seit sie mich ge-
sehen. — Das ist schlimm.

So besprach ich mich mit mir selbst; den ganzen Tag war
ich in großer Aufgeregtheit. Jch gerieth in einen wahren Schwin-
del, ich wußte nicht, was thun, was festsetzen: einerseits war ihre
Liebe ein Unglück. anderseits ertappte ich mich auf dem jubelnden
Gedanken, es könne sein, daß sie mich liebe. Darnach kam die
[Spaltenumbruch] Verständigkeit; ich erinnerte mich der leidenschaftlichen Neigung
Walmor's für das junge Mädchen, und ich malte mir grell seine
Schmerzen aus und die Vorwürfe, die man mir machen würde,
er und Korilla und die übrigen Familienglieder. Diese Betrach-
tung siegte; der Schweiß stand mir vor der Stirn, meine Adern
pochten und ich sagte zu mir: „wohlan, auf! du mußt abreisen.“
Weil indessen für heute Abend eine Zusammenkunft im Walmor-
schen Zirkel festgesetzt worden, wo der Großvater, der noch le-
bende Zeuge der Revolution, Eugen und mir über Jkar Mit-
theilungen zu machen versprochen hatte, hielt ich es für zweck-
mäßig, noch ein Mal nebst Eugen hinzugehen.

[Ende Spaltensatz]

( Fortsetzung folgt ) .



[Beginn Spaltensatz]
Die pariser Diamantenbörse.

Unter den Caffeehäusern des Boulevard Montmartre in Paris
giebt's ein bescheidenes, namenloses, welches zu manchen Stunden
größere Schätze in seinen schmucklosen Räumen birgt, als die
goldverschnörkelten Prachtspiegelhallen der Caffee Pierron und
Cardinal.

Es ist ein tiefes, rauchgeschwärztes Mezzanin=Lokal mit tief-
hängendem, braunem Deckengebälk und langen Tischreihen mit
trüben Marmorplatten. Hier wird tagtäglich um 1 Uhr Mittags
mit Diamanten und sonst Werthvollen geschachert, wobei die
zwölf Stämme des Gottesvolkes in auserwählten Musterexemplaren
vertreten sind, man findet da typisch Kostümirte aus den hinteren
Weichselländern, holländischen Altglauber mit feisten, hängebackigen
Gesichtern, orientalische Gentlemen aus der londoner City mit
„stick“= und untadelhafter Wäsche, annektirte Trödeljuden vom
Oberrhein, livorneser Steinmäkler und tuneser Agenten in blauem
Turban und zitronengelben Babuschen, alle, zwar bunt zusammen-
gewürfelt in der Erscheinung, doch durchaus gleichartig durch den
Racenzug.

Jm ganzen geht's hier still, fast ängstlich zu; in den Ecken
krabbelts und webt's geheimnißvoll und scheue Blicke fahren aus
den Gruppen, die eben so sachte, wie sie sich gebildet, wieder Zer-
fließen. Die Taschen öffnen sich, tiefe, unergründliche Taschen,
wie jene der diebischen Tempelwächter in Mekka. Was da alles
zum Vorschein kommt, kann mehr errathen, als gesehen werden;
schmutzig abgerissene Brieftaschen gleiten durch die vorsichtigen
Hände, dazwischen wunderliche Kapseln, versiegelte Päckchen, fest-
geschnürte Beutel.

Alles, was sich kauft, verkauft und wieder kauft, ist hier
eines mehr oder weniger vortheilhaften Absatzes sicher.

Der Diamant ist der Vorwand, unter seiner Firma geht
Alles durch: Perlsträhne, Juwelen, bizarres Geschmeide, Rokoko-
taschenuhren aus Br é quets Zeiten, alte Siegel, seltene Stoffe,
japanesische Schnurrpfeifereien, obscöne Bilder, zweifelhafte Schuld-
briefe und kostbare Versatzamtszettel, kurz, ein bunter Trödel
jeder Art, der sich aus den Tiefen der Rockschöße entwickelt. Es
ist eine wahre Jnternationale des complicirten Raritätenschachers.

Aus jener wispernden Gruppe dort dringen Laute des
Zweifels, der Betheuerung, der Entrüftung; man nähert sich dem
Fenster, läßt etwas Funkelndes an der Sonne spielen, das von
einer siebernden Hand zur andern wandert, dann gehts zum
nächsten Tische, wo Einer die winzige Goldwage aus der Tasche
zieht, um den streitigen Gegenstand abzuwägen. Hier fallen
halblaute verbissene Worte; die Gesichter röthen sich zornig; man
mustert sich mit argwöhnlichen Blicken, doch bald legt sich die
Aufregung, und der eben noch seinem Nachbar Betrug vorge-
worfen, geht hin seinen Gevatter zu betrügen. Und so schlimmer
für die Armen im Geiste!

Jene behäbige Herren von der Amsterdamer Judengemeinde
sind die Koryphäen des Diamantenhandels. Was Jndien, Borneo,
Brasilien und die neuen Diamantenfelder Australiens an kost-
baren seltenen Kieseln liefern, geht durch ihre Hände. Die
Wunder der amsterdamer Brillant=Schleifmühlen werden von
ihnen gehandelt und seit B é rquem's Zeiten der zuerst am Zuy-
[Spaltenumbruch] dersee Diamanten schliff, kennen sie jedes hervorragende Produkt
jenes geheimnißvollen Jndustriezweiges, dessen Traditionen sich
im Stillen in einzelnen Familien forterben. Mancher von diesen
Herren trägt zu Zeiten in seiner Brieftasche eine Anzahl bunter
Päckchen, die wohl eine Million werth sein mögen und das
Steigen und Fallen des Juwelenkourses hängt von der spekula-
tiven Laune dieses Diamantenfürsten ab.

Der Diamant hat nämlich nicht allein einen Lokalwerth,
sondern einen allgemeinen Weltkours, welcher in London, Paris,
Konstantinopel, Kalkutta und Rio=Janeiro kotirt und bestimmt wird.

Man muß Einen von diesen Matadoren beim Geschäfte
beobachten, wie er mit feierlicher Miene aus seiner Brieftasche
ein farbiges Papierkouvert hervorzieht, dasselbe langsam entfaltete,
nachdem er vorher einen mysteriösen, forschenden Blick ringsum
geworfen; die ganze Gruppe hält den Athem zurück und neigt
sich mit scheinheiligem Auge, worin jede Begierde durch Selbst-
beherrschung für den Moment erloschen scheint, über die winzigen
Kiesel, welche der profane Mensch nicht zu schätzen weiß. Daß
Niemand huste oder nieße, denn er würde ganze Schätze hinweg-
husten oder in die Luft niesen, und unwillkürlich dacht' ich mir, daß
eigentlich weder ein Brustkranker, noch ein mit dem Stockschnupfen
Behafteter in den Räumen der Diamantenbörse Zulaß finden
sollte.

Doch was geht dort in der Ecke vor? Eine fieberhaft zit-
ternde Hand hat ein mit Diamanten gefülltes Papier hinab-
gleiten lassen, und die kostbaren Kiesel haben sich auf dem Boden
verstreut.... Große Bewegung! Die Einen werfen sich wild
hastig nieder und tasten mit krampfigen Fingern auf dem Estrich
herum, indeß die Andern starr und unbeweglich blieben, aus
Furcht, durch unzeitigen Eifer Argwohn zu erregen. Der Eigen-
thümer, an allen Gliedern zitternd, wischt sich die großen Schweiß-
tropfen von der Stirne, ist indeß so schreckgelähmt, daß er am
wenigsten daran denkt, sich nach dem verstreuten Schatze zu
bücken. Endlich hat er seine winzigen funkelnden Körnlein wie-
der, und von der Gemüthsbewegung erschüttert, sinkt er auf
einen Sessel.

Der eigentliche lokale pariser Diamantenmäkel liegt meist in
den Händen von Frauen und hat eine Menge von Specialitä-
ten; die Einen machen nur in brasilianischen „ cascalhos “, von
denen im Durchschnitt etwa 6 bis 7 Kilogramm jährlich auf den
europäischen Markt kommen, Andere vermitteln die Geschäfte mit
den großen Stücken, den „ diamants paragons “ Jndiens, wie-
der Andere führen nur „Demantbord“, wie man die Abfall-
schliche aus den Brillant=Schleifmühlen nennt, womit wieder Dia-
manten geschliffen werden.

Jene mäkeln mit farbigen Brillanten, diese mit Rauten jeder
Größe bis herab zu den Glasrauten, die sich gegen jeden Schleif-
versuch rebellisch erwiesen haben. Gemeiniglich werden die Brillan-
ten in fünf Klassen kotirt, deren Werth sehr verschieden ist, in-
dem die Steine der ersten Klasse durchschnittlich 250 Francs das
Karat notiren, während die der fünften Klasse sich auf circa 3500
Francs stellen. Die in der Mitte liegenden Ziffern für die drei
anderen Klassen sind meist 700, 1800 und 2600 Francs. Selbstver-
ständlich ergiebt sich in vielen Fällen, insbesondere bei einzelnen
Assortirungsstücken, ein Gelegenheitspreis, dessen Bestimmung,
[Ende Spaltensatz]

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[290/0006] Zur Unterhaltung und Belehrung. 290 Aber — wenn auch sie mich liebte! — Neulich war ich im Zimmer ihres Bruders, sie kam herein und eilte sogleich wieder weg, als hätte sie nicht gewußt, daß ich dort säße; sie war blaß und verstört; und sie mußte es wissen. Sonderbar! und bei alle dem weigert sie, Walmor zu heirathen, ist kalt und ängstlich gegen mich — und doch weigert sie sich erst, seit sie mich ge- sehen. — Das ist schlimm. So besprach ich mich mit mir selbst; den ganzen Tag war ich in großer Aufgeregtheit. Jch gerieth in einen wahren Schwin- del, ich wußte nicht, was thun, was festsetzen: einerseits war ihre Liebe ein Unglück. anderseits ertappte ich mich auf dem jubelnden Gedanken, es könne sein, daß sie mich liebe. Darnach kam die Verständigkeit; ich erinnerte mich der leidenschaftlichen Neigung Walmor's für das junge Mädchen, und ich malte mir grell seine Schmerzen aus und die Vorwürfe, die man mir machen würde, er und Korilla und die übrigen Familienglieder. Diese Betrach- tung siegte; der Schweiß stand mir vor der Stirn, meine Adern pochten und ich sagte zu mir: „wohlan, auf! du mußt abreisen.“ Weil indessen für heute Abend eine Zusammenkunft im Walmor- schen Zirkel festgesetzt worden, wo der Großvater, der noch le- bende Zeuge der Revolution, Eugen und mir über Jkar Mit- theilungen zu machen versprochen hatte, hielt ich es für zweck- mäßig, noch ein Mal nebst Eugen hinzugehen. ( Fortsetzung folgt ) . Die pariser Diamantenbörse. Unter den Caffeehäusern des Boulevard Montmartre in Paris giebt's ein bescheidenes, namenloses, welches zu manchen Stunden größere Schätze in seinen schmucklosen Räumen birgt, als die goldverschnörkelten Prachtspiegelhallen der Caffee Pierron und Cardinal. Es ist ein tiefes, rauchgeschwärztes Mezzanin=Lokal mit tief- hängendem, braunem Deckengebälk und langen Tischreihen mit trüben Marmorplatten. Hier wird tagtäglich um 1 Uhr Mittags mit Diamanten und sonst Werthvollen geschachert, wobei die zwölf Stämme des Gottesvolkes in auserwählten Musterexemplaren vertreten sind, man findet da typisch Kostümirte aus den hinteren Weichselländern, holländischen Altglauber mit feisten, hängebackigen Gesichtern, orientalische Gentlemen aus der londoner City mit „stick“= und untadelhafter Wäsche, annektirte Trödeljuden vom Oberrhein, livorneser Steinmäkler und tuneser Agenten in blauem Turban und zitronengelben Babuschen, alle, zwar bunt zusammen- gewürfelt in der Erscheinung, doch durchaus gleichartig durch den Racenzug. Jm ganzen geht's hier still, fast ängstlich zu; in den Ecken krabbelts und webt's geheimnißvoll und scheue Blicke fahren aus den Gruppen, die eben so sachte, wie sie sich gebildet, wieder Zer- fließen. Die Taschen öffnen sich, tiefe, unergründliche Taschen, wie jene der diebischen Tempelwächter in Mekka. Was da alles zum Vorschein kommt, kann mehr errathen, als gesehen werden; schmutzig abgerissene Brieftaschen gleiten durch die vorsichtigen Hände, dazwischen wunderliche Kapseln, versiegelte Päckchen, fest- geschnürte Beutel. Alles, was sich kauft, verkauft und wieder kauft, ist hier eines mehr oder weniger vortheilhaften Absatzes sicher. Der Diamant ist der Vorwand, unter seiner Firma geht Alles durch: Perlsträhne, Juwelen, bizarres Geschmeide, Rokoko- taschenuhren aus Br é quets Zeiten, alte Siegel, seltene Stoffe, japanesische Schnurrpfeifereien, obscöne Bilder, zweifelhafte Schuld- briefe und kostbare Versatzamtszettel, kurz, ein bunter Trödel jeder Art, der sich aus den Tiefen der Rockschöße entwickelt. Es ist eine wahre Jnternationale des complicirten Raritätenschachers. Aus jener wispernden Gruppe dort dringen Laute des Zweifels, der Betheuerung, der Entrüftung; man nähert sich dem Fenster, läßt etwas Funkelndes an der Sonne spielen, das von einer siebernden Hand zur andern wandert, dann gehts zum nächsten Tische, wo Einer die winzige Goldwage aus der Tasche zieht, um den streitigen Gegenstand abzuwägen. Hier fallen halblaute verbissene Worte; die Gesichter röthen sich zornig; man mustert sich mit argwöhnlichen Blicken, doch bald legt sich die Aufregung, und der eben noch seinem Nachbar Betrug vorge- worfen, geht hin seinen Gevatter zu betrügen. Und so schlimmer für die Armen im Geiste! Jene behäbige Herren von der Amsterdamer Judengemeinde sind die Koryphäen des Diamantenhandels. Was Jndien, Borneo, Brasilien und die neuen Diamantenfelder Australiens an kost- baren seltenen Kieseln liefern, geht durch ihre Hände. Die Wunder der amsterdamer Brillant=Schleifmühlen werden von ihnen gehandelt und seit B é rquem's Zeiten der zuerst am Zuy- dersee Diamanten schliff, kennen sie jedes hervorragende Produkt jenes geheimnißvollen Jndustriezweiges, dessen Traditionen sich im Stillen in einzelnen Familien forterben. Mancher von diesen Herren trägt zu Zeiten in seiner Brieftasche eine Anzahl bunter Päckchen, die wohl eine Million werth sein mögen und das Steigen und Fallen des Juwelenkourses hängt von der spekula- tiven Laune dieses Diamantenfürsten ab. Der Diamant hat nämlich nicht allein einen Lokalwerth, sondern einen allgemeinen Weltkours, welcher in London, Paris, Konstantinopel, Kalkutta und Rio=Janeiro kotirt und bestimmt wird. Man muß Einen von diesen Matadoren beim Geschäfte beobachten, wie er mit feierlicher Miene aus seiner Brieftasche ein farbiges Papierkouvert hervorzieht, dasselbe langsam entfaltete, nachdem er vorher einen mysteriösen, forschenden Blick ringsum geworfen; die ganze Gruppe hält den Athem zurück und neigt sich mit scheinheiligem Auge, worin jede Begierde durch Selbst- beherrschung für den Moment erloschen scheint, über die winzigen Kiesel, welche der profane Mensch nicht zu schätzen weiß. Daß Niemand huste oder nieße, denn er würde ganze Schätze hinweg- husten oder in die Luft niesen, und unwillkürlich dacht' ich mir, daß eigentlich weder ein Brustkranker, noch ein mit dem Stockschnupfen Behafteter in den Räumen der Diamantenbörse Zulaß finden sollte. Doch was geht dort in der Ecke vor? Eine fieberhaft zit- ternde Hand hat ein mit Diamanten gefülltes Papier hinab- gleiten lassen, und die kostbaren Kiesel haben sich auf dem Boden verstreut.... Große Bewegung! Die Einen werfen sich wild hastig nieder und tasten mit krampfigen Fingern auf dem Estrich herum, indeß die Andern starr und unbeweglich blieben, aus Furcht, durch unzeitigen Eifer Argwohn zu erregen. Der Eigen- thümer, an allen Gliedern zitternd, wischt sich die großen Schweiß- tropfen von der Stirne, ist indeß so schreckgelähmt, daß er am wenigsten daran denkt, sich nach dem verstreuten Schatze zu bücken. Endlich hat er seine winzigen funkelnden Körnlein wie- der, und von der Gemüthsbewegung erschüttert, sinkt er auf einen Sessel. Der eigentliche lokale pariser Diamantenmäkel liegt meist in den Händen von Frauen und hat eine Menge von Specialitä- ten; die Einen machen nur in brasilianischen „ cascalhos “, von denen im Durchschnitt etwa 6 bis 7 Kilogramm jährlich auf den europäischen Markt kommen, Andere vermitteln die Geschäfte mit den großen Stücken, den „ diamants paragons “ Jndiens, wie- der Andere führen nur „Demantbord“, wie man die Abfall- schliche aus den Brillant=Schleifmühlen nennt, womit wieder Dia- manten geschliffen werden. Jene mäkeln mit farbigen Brillanten, diese mit Rauten jeder Größe bis herab zu den Glasrauten, die sich gegen jeden Schleif- versuch rebellisch erwiesen haben. Gemeiniglich werden die Brillan- ten in fünf Klassen kotirt, deren Werth sehr verschieden ist, in- dem die Steine der ersten Klasse durchschnittlich 250 Francs das Karat notiren, während die der fünften Klasse sich auf circa 3500 Francs stellen. Die in der Mitte liegenden Ziffern für die drei anderen Klassen sind meist 700, 1800 und 2600 Francs. Selbstver- ständlich ergiebt sich in vielen Fällen, insbesondere bei einzelnen Assortirungsstücken, ein Gelegenheitspreis, dessen Bestimmung,

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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 10. Lieferung, Nr. 5. Berlin, 31. Oktober 1874, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social1005_1874/6>, abgerufen am 06.06.2024.