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Social-politische Blätter. 4. Lieferung. Berlin, 9. April 1873.

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Zur Unterhaltung und Belehrung. 94
[Beginn Spaltensatz] auch die öffentlichen Beamten bestimmen, die davon die Scheine
abzunehmen und zu verwahren haben.

Art. 8. Die französischen Bürger, betrachtet in Rücksicht
auf ihre Lokalverhältnisse, die aus ihrer Vereinigung in den
Städten und gewissen Bezirken des ländlichen Bodens entstehen,
bilden die Gemeinen.

Die gesetzgebende Macht kann die Größe des Bezirks einer
jeden Gemeine bestimmen.

Art. 9. Die Bürger, welche eine Gemeine ausmachen,
haben das Recht, zur bestimmten Zeit nach den vom Gesetz fest-
gesetzten Formen, diejenigen aus ihren Mitteln zu erwählen, wel-
chen, unter dem Titel von Munizipalbeamten, aufgetragen wird,
die besondern Geschäfte der Gemeine zu besorgen.

Den Munizipalbeamten können einige Verrichtungen, die sich
auf das allgemeine Wohl des Staats beziehen, aufgetragen
werden.

Art. 10. Die Regeln, welchedie Munizipalbeamten bei Aus-
übung sowohl ihrer Munizipalverrichtungen, als derjenigen, welche
das allgemeine Wohl des Staats betreffen, zu beobachten ver-
bunden sind, sollen durch die Gesetze bestimmt werden.

( Fortsetzung folgt. )



Wie Lykurg den Spartanern sociale Gesetze gab.
( Aus des Plutarch Lebensbeschreibung des Lykurg. )

Die kühnste Verfügung des Lykurg war die Eintheilung des
Grundbesitzes. Die Ungleichheit war nämlich in Sparta zu
jener Zeit ungemein groß; eine Menge unbegüterter und armer
Leute belästigte die Stadt, der Reichthum war in wenige Häuser
zusammengeflossen. Um nun Uebermuth, Neid, Ungerechtigkeit
und die noch tiefer liegenden und größeren Gebrechen bürger-
licher Gesellschaft, Reichthum und Armuth, zu verbannen, be-
redete er die Bürger, das gesammte Grundeigenthum zum Ge-
meingute
zu machen, und dann von Neuem zu theilen und in
völliger Gleichheit des Vermögens und der Unterhaltsmittel mit
einander zu leben, damit sie nur in der Tugend einen Vorzug
suchten und kein Unterschied, keine Ungleichheit gälte, als nur sofern
sich Schande und Laster von Tugend und Ehre scheiden.

Diesen Vorschlag setzte er denn auch in's Werk und ver-
theilte das übrige Lakonien unter die Bewohner der Landstädte
( Periöken genannt ) in dreißigtausend Loose, die Markung von
Sparta in neuntausend unter die Bürger dieser Stadt. So
hoch belief sich die Zahl der Letztern; doch sagen mehrere Schrift-
steller, Lykurg habe nur sechstausend Theile gemacht und später
erst Polydor dreitausend hinzugesetzt; nach Andern kommt blos
die eine Hälste von Lykurg, die andere von Polydor. Jedes
einzelne Loos hatte die Größe, daß es für den Mann siebenzig
Scheffel Gerste, für die Frau zwölf, und einen verhältnißmäßigen
Ertrag an flüssigen Früchten ( Wein und Oel ) brachte. So
viele Nahrungsmittel glaubte er, seien zureichend, sie bei Kraft
und gesund zu erhalten; weiter fordere das Bedürfniß nichts.
Später soll er einmal von einer Reise her durch die frischge-
schnittenen Felder gekommen sein, und bei'm Anblick der Getreide-
schober, wie sie gleich und gleich einander gegenüber standen, ge-
lächelt und zu den Anwesenden gesagt haben: man meine, ganz
Lakonien gehöre vielen Brüdern, die eben getheilt hätten.

Nun wollte er, um überall jeden Unterschied und jede Un-
gleichheit zu tilgen, auch die bewegliche Habe theilen. Als er
aber sah, daß sie sich dieselbe nicht so geradezu nehmen ließen,
so kam er ihnen von einer andern Seite bei und gewann über
die Neigung, im Besitze solcher Dinge Andere zu übertreffen,
durch Staatsklugheit den Sieg. Zuvörderst schaffte er alle Gold-
und Silbermünzen ab und befahl, blos eiserne zu gebrauchen,
welchen er bei großer Schwere und Masse einen so kleinen Werth
gab, daß um zehn Minen ( 240 Thaler ) im Hause aufzubewahren,
eine große Kammer, und um sie fortzuschaffen, ein zweispänniger
Wagen erfordert wurde. Sobald diese neue Münze in Gebrauch
gekommen war, verschwanden viele Arten von Verbrechen aus
Sparta. Denn wer mochte durch Stehlen, Bestechlichkeit, Be-
trügerei und Raub an sich bringen, was weder zu verbergen,
noch sonst ein wünschenswerther Besitz, ja selbst in Stücke ge-
schlagen zu Nichts nütze war? Denn Lykurg ließ das Eisen
glühend in Essig tauchen und benahm ihm dadurch seine Zähig-
[Spaltenumbruch] keit, so daß es ganz spröde wurde und zu keinem andern Ge-
brauche verarbeitet werden konnte.

Sodanu verbannte er alle unnützen und überflüssigen
Künste. Wohl mußten auch ohne Acht und Bann die meisten
mit dem Gelde sich entfernen, da sie jetzt keinen Absatz mehr
fanden; denn die eiserne Münze ließ sich bei den übrigen Griechen
nicht anbringen, sie war ohne Werth und verspottet. Daher
konnte man auch in Sparta keine fremden Flitterwaaren kaufen,
kein Handelsschiff kam in die Häfen; kein Lehrer der Beredsam-
keit oder herumziehender Wahrsager, kein Dirnenhändler, kein
Verfertiger von Gold= oder Silberschmuck betrat das von Geld
entblößte Land. So wurde dem Luxus allmählig aller Saft
und Nahrungsstoff entzogen und er mußte von selbst ersterben.
Der Reichthum gewährte nun keinen Vorzug mehr, denn er
hatte keinen Weg, sich öffentlich zu zeigen, sondern mußte als
ein todtes Kapital im Hause verschlossen bleiben. Daher denn
auch die gewöhnlichen und nothwendigen Geräthe, als Betten,
Stühle, Tische bei ihnen auf's beste verfertigt wurden, und der
lakonische Becher, Kothou genannt, wie Kritias bemerkt, besonders
im Feldlager beliebt war. Wenn man nämlich unreines Wasser
trinken mußte, so entzog er dem Auge durch seine Farbe den
widrigen Anblick; auch setzten sich die erdigen Theile an den ein-
wärts gebogenen Rand, so daß man das Getränke reiner zum
Munde brachte. Auch dies war ein Verdienst des Gesetzgebers,
denn da die Künstler von den unnützen Arbeiten abgezogen
wurden, so zeigten sie nun in den nothwendigen ihre Ge-
schicklichkeit.

Um den Luxus noch wirksamer zu bekämpfen, und dem
Reichthum seinen verführerischen Glanz vollends zu neh-
men, fügte er eine dritte, die trefflichste Einrichtung hinzu,
nämlich die gemeinschaftlichen Mahle. Dieser zu Folge
mußten sich alle Spartaner täglich zum gemeinschaftlichen Genusse
der gleichen vorgeschriebenen Speisen versammeln. Keinem war
es erlaubt, für sich zu essen und sich in seinem Hause auf ein
kostbares Polster und an einen prächtigen Tisch zu legen, um sich
gleich gefräßigen Thieren in der Dunkelheit von Kunstbäckern und
Köchen mästen zu lassen, und mit den Sitten zugleich auch den
Körper zu verderben, der sich dabei der Völlerei und allen Aus-
schweifungen ergiebt und eines langen Schlafes, warmer Bäder,
vieler Ruhe und, so zu sagen, einer täglichen Krankenpflege bedarf.

Schon dieß war sehr wichtig, aber noch wichtiger, daß er
durch die Gemeinschaft und Einfachheit der Mahlzeiten den Reich-
thum, wie Theophrast sich ausdrückt, arm und unwerth machte.
Denn nun war aller Gebrauch und Genuß prächtigen Tisch-
geräthes, ja selbst der Anblick und das Schaustellen desselben un-
möglich, da der Reiche mit dem Armen zu einem Tische ging.
Von allen Städten unter der Sonne war daher auf Sparta allein
jenes bekannte Sprüchwort anwendbar: "der Reichthum ist blind
und liegt einem Gemälde gleich unbeweglich und leblos da."
Denn es durfte Niemand vorher zu Hause speisen und gesättigt
zum gemeinsamen Mahle kommen, da Der, welcher nicht mit aß
und trank, von den Uebrigen genau beobachtet und ein unenthalt-
samer Mensch gescholten wurde, der für die gemeinschaftlichen
Speisen zu lecker wäre.

Daher soll denn auch vorzüglich diese Anordnung den Un-
willen der Reichen gegen Lykurg entflammt haben. Sie rotteten
sich in Menge zusammen, stießen Schimpfreden gegen ihn aus
und bezeigten auf alle Weise ihre Erbitterung; zuletzt warfen
Viele mit Steinen nach ihm, so daß er sich genöthigt sah, den
Marktplatz eilig zu verlassen. Er wollte sich in einen Tempel
flüchten und hatte schon den Vorsprung gewonnen; nur ein junger
Mensch, Namens Alkander, der nicht bösartig, aber von heftiger
und leidenschaftlicher Gemüthsart war, folgte ihm auf der Ferse
und schlug ihm, als er sich eben umdrehte, mit dem Stocke ein
Auge aus. Lykurg verbiß den Schmerz, wandte sich gegen die
Bürger, und zeigte ihnen sein blutiges Gesicht und das zerstörte
Auge. Bei diesem Anblick ergriff sie die tiefste Scham und Reue,
ja sie lieferten ihm den Alkander aus und begleiteten ihn unter
lebhaften Aeußerungen ihrer Theilnahme nach Hause. Lykurg be-
zeigte ihnen darüber seine Zufriedenheit und entließ sie; den
Alkander aber behielt er bei sich, ohne ihm etwas zu Leide zu
thun, oder zu sagen, nur entfernte er seine gewöhnlichen Diener
und befahl ihm, deren Stelle zu vertreten. Der Jüngling, dem
es nicht an natürlicher Gutmüthigkeit fehlte, vollzog mit schwei-
gendem Gehorsam die Befehle, und da er, dem Lykurg beständig
nahe, seine Sanftmuth und Gelassenheit, seine strenge Lebensweise
und unermüdliche Thätigkeit kennen lernte, fühlte er sich zu dem
[Ende Spaltensatz]

Zur Unterhaltung und Belehrung. 94
[Beginn Spaltensatz] auch die öffentlichen Beamten bestimmen, die davon die Scheine
abzunehmen und zu verwahren haben.

Art. 8. Die französischen Bürger, betrachtet in Rücksicht
auf ihre Lokalverhältnisse, die aus ihrer Vereinigung in den
Städten und gewissen Bezirken des ländlichen Bodens entstehen,
bilden die Gemeinen.

Die gesetzgebende Macht kann die Größe des Bezirks einer
jeden Gemeine bestimmen.

Art. 9. Die Bürger, welche eine Gemeine ausmachen,
haben das Recht, zur bestimmten Zeit nach den vom Gesetz fest-
gesetzten Formen, diejenigen aus ihren Mitteln zu erwählen, wel-
chen, unter dem Titel von Munizipalbeamten, aufgetragen wird,
die besondern Geschäfte der Gemeine zu besorgen.

Den Munizipalbeamten können einige Verrichtungen, die sich
auf das allgemeine Wohl des Staats beziehen, aufgetragen
werden.

Art. 10. Die Regeln, welchedie Munizipalbeamten bei Aus-
übung sowohl ihrer Munizipalverrichtungen, als derjenigen, welche
das allgemeine Wohl des Staats betreffen, zu beobachten ver-
bunden sind, sollen durch die Gesetze bestimmt werden.

( Fortsetzung folgt. )



Wie Lykurg den Spartanern sociale Gesetze gab.
( Aus des Plutarch Lebensbeschreibung des Lykurg. )

Die kühnste Verfügung des Lykurg war die Eintheilung des
Grundbesitzes. Die Ungleichheit war nämlich in Sparta zu
jener Zeit ungemein groß; eine Menge unbegüterter und armer
Leute belästigte die Stadt, der Reichthum war in wenige Häuser
zusammengeflossen. Um nun Uebermuth, Neid, Ungerechtigkeit
und die noch tiefer liegenden und größeren Gebrechen bürger-
licher Gesellschaft, Reichthum und Armuth, zu verbannen, be-
redete er die Bürger, das gesammte Grundeigenthum zum Ge-
meingute
zu machen, und dann von Neuem zu theilen und in
völliger Gleichheit des Vermögens und der Unterhaltsmittel mit
einander zu leben, damit sie nur in der Tugend einen Vorzug
suchten und kein Unterschied, keine Ungleichheit gälte, als nur sofern
sich Schande und Laster von Tugend und Ehre scheiden.

Diesen Vorschlag setzte er denn auch in's Werk und ver-
theilte das übrige Lakonien unter die Bewohner der Landstädte
( Periöken genannt ) in dreißigtausend Loose, die Markung von
Sparta in neuntausend unter die Bürger dieser Stadt. So
hoch belief sich die Zahl der Letztern; doch sagen mehrere Schrift-
steller, Lykurg habe nur sechstausend Theile gemacht und später
erst Polydor dreitausend hinzugesetzt; nach Andern kommt blos
die eine Hälste von Lykurg, die andere von Polydor. Jedes
einzelne Loos hatte die Größe, daß es für den Mann siebenzig
Scheffel Gerste, für die Frau zwölf, und einen verhältnißmäßigen
Ertrag an flüssigen Früchten ( Wein und Oel ) brachte. So
viele Nahrungsmittel glaubte er, seien zureichend, sie bei Kraft
und gesund zu erhalten; weiter fordere das Bedürfniß nichts.
Später soll er einmal von einer Reise her durch die frischge-
schnittenen Felder gekommen sein, und bei'm Anblick der Getreide-
schober, wie sie gleich und gleich einander gegenüber standen, ge-
lächelt und zu den Anwesenden gesagt haben: man meine, ganz
Lakonien gehöre vielen Brüdern, die eben getheilt hätten.

Nun wollte er, um überall jeden Unterschied und jede Un-
gleichheit zu tilgen, auch die bewegliche Habe theilen. Als er
aber sah, daß sie sich dieselbe nicht so geradezu nehmen ließen,
so kam er ihnen von einer andern Seite bei und gewann über
die Neigung, im Besitze solcher Dinge Andere zu übertreffen,
durch Staatsklugheit den Sieg. Zuvörderst schaffte er alle Gold-
und Silbermünzen ab und befahl, blos eiserne zu gebrauchen,
welchen er bei großer Schwere und Masse einen so kleinen Werth
gab, daß um zehn Minen ( 240 Thaler ) im Hause aufzubewahren,
eine große Kammer, und um sie fortzuschaffen, ein zweispänniger
Wagen erfordert wurde. Sobald diese neue Münze in Gebrauch
gekommen war, verschwanden viele Arten von Verbrechen aus
Sparta. Denn wer mochte durch Stehlen, Bestechlichkeit, Be-
trügerei und Raub an sich bringen, was weder zu verbergen,
noch sonst ein wünschenswerther Besitz, ja selbst in Stücke ge-
schlagen zu Nichts nütze war? Denn Lykurg ließ das Eisen
glühend in Essig tauchen und benahm ihm dadurch seine Zähig-
[Spaltenumbruch] keit, so daß es ganz spröde wurde und zu keinem andern Ge-
brauche verarbeitet werden konnte.

Sodanu verbannte er alle unnützen und überflüssigen
Künste. Wohl mußten auch ohne Acht und Bann die meisten
mit dem Gelde sich entfernen, da sie jetzt keinen Absatz mehr
fanden; denn die eiserne Münze ließ sich bei den übrigen Griechen
nicht anbringen, sie war ohne Werth und verspottet. Daher
konnte man auch in Sparta keine fremden Flitterwaaren kaufen,
kein Handelsschiff kam in die Häfen; kein Lehrer der Beredsam-
keit oder herumziehender Wahrsager, kein Dirnenhändler, kein
Verfertiger von Gold= oder Silberschmuck betrat das von Geld
entblößte Land. So wurde dem Luxus allmählig aller Saft
und Nahrungsstoff entzogen und er mußte von selbst ersterben.
Der Reichthum gewährte nun keinen Vorzug mehr, denn er
hatte keinen Weg, sich öffentlich zu zeigen, sondern mußte als
ein todtes Kapital im Hause verschlossen bleiben. Daher denn
auch die gewöhnlichen und nothwendigen Geräthe, als Betten,
Stühle, Tische bei ihnen auf's beste verfertigt wurden, und der
lakonische Becher, Kothou genannt, wie Kritias bemerkt, besonders
im Feldlager beliebt war. Wenn man nämlich unreines Wasser
trinken mußte, so entzog er dem Auge durch seine Farbe den
widrigen Anblick; auch setzten sich die erdigen Theile an den ein-
wärts gebogenen Rand, so daß man das Getränke reiner zum
Munde brachte. Auch dies war ein Verdienst des Gesetzgebers,
denn da die Künstler von den unnützen Arbeiten abgezogen
wurden, so zeigten sie nun in den nothwendigen ihre Ge-
schicklichkeit.

Um den Luxus noch wirksamer zu bekämpfen, und dem
Reichthum seinen verführerischen Glanz vollends zu neh-
men, fügte er eine dritte, die trefflichste Einrichtung hinzu,
nämlich die gemeinschaftlichen Mahle. Dieser zu Folge
mußten sich alle Spartaner täglich zum gemeinschaftlichen Genusse
der gleichen vorgeschriebenen Speisen versammeln. Keinem war
es erlaubt, für sich zu essen und sich in seinem Hause auf ein
kostbares Polster und an einen prächtigen Tisch zu legen, um sich
gleich gefräßigen Thieren in der Dunkelheit von Kunstbäckern und
Köchen mästen zu lassen, und mit den Sitten zugleich auch den
Körper zu verderben, der sich dabei der Völlerei und allen Aus-
schweifungen ergiebt und eines langen Schlafes, warmer Bäder,
vieler Ruhe und, so zu sagen, einer täglichen Krankenpflege bedarf.

Schon dieß war sehr wichtig, aber noch wichtiger, daß er
durch die Gemeinschaft und Einfachheit der Mahlzeiten den Reich-
thum, wie Theophrast sich ausdrückt, arm und unwerth machte.
Denn nun war aller Gebrauch und Genuß prächtigen Tisch-
geräthes, ja selbst der Anblick und das Schaustellen desselben un-
möglich, da der Reiche mit dem Armen zu einem Tische ging.
Von allen Städten unter der Sonne war daher auf Sparta allein
jenes bekannte Sprüchwort anwendbar: „der Reichthum ist blind
und liegt einem Gemälde gleich unbeweglich und leblos da.“
Denn es durfte Niemand vorher zu Hause speisen und gesättigt
zum gemeinsamen Mahle kommen, da Der, welcher nicht mit aß
und trank, von den Uebrigen genau beobachtet und ein unenthalt-
samer Mensch gescholten wurde, der für die gemeinschaftlichen
Speisen zu lecker wäre.

Daher soll denn auch vorzüglich diese Anordnung den Un-
willen der Reichen gegen Lykurg entflammt haben. Sie rotteten
sich in Menge zusammen, stießen Schimpfreden gegen ihn aus
und bezeigten auf alle Weise ihre Erbitterung; zuletzt warfen
Viele mit Steinen nach ihm, so daß er sich genöthigt sah, den
Marktplatz eilig zu verlassen. Er wollte sich in einen Tempel
flüchten und hatte schon den Vorsprung gewonnen; nur ein junger
Mensch, Namens Alkander, der nicht bösartig, aber von heftiger
und leidenschaftlicher Gemüthsart war, folgte ihm auf der Ferse
und schlug ihm, als er sich eben umdrehte, mit dem Stocke ein
Auge aus. Lykurg verbiß den Schmerz, wandte sich gegen die
Bürger, und zeigte ihnen sein blutiges Gesicht und das zerstörte
Auge. Bei diesem Anblick ergriff sie die tiefste Scham und Reue,
ja sie lieferten ihm den Alkander aus und begleiteten ihn unter
lebhaften Aeußerungen ihrer Theilnahme nach Hause. Lykurg be-
zeigte ihnen darüber seine Zufriedenheit und entließ sie; den
Alkander aber behielt er bei sich, ohne ihm etwas zu Leide zu
thun, oder zu sagen, nur entfernte er seine gewöhnlichen Diener
und befahl ihm, deren Stelle zu vertreten. Der Jüngling, dem
es nicht an natürlicher Gutmüthigkeit fehlte, vollzog mit schwei-
gendem Gehorsam die Befehle, und da er, dem Lykurg beständig
nahe, seine Sanftmuth und Gelassenheit, seine strenge Lebensweise
und unermüdliche Thätigkeit kennen lernte, fühlte er sich zu dem
[Ende Spaltensatz]

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[94/0022] Zur Unterhaltung und Belehrung. 94 auch die öffentlichen Beamten bestimmen, die davon die Scheine abzunehmen und zu verwahren haben. Art. 8. Die französischen Bürger, betrachtet in Rücksicht auf ihre Lokalverhältnisse, die aus ihrer Vereinigung in den Städten und gewissen Bezirken des ländlichen Bodens entstehen, bilden die Gemeinen. Die gesetzgebende Macht kann die Größe des Bezirks einer jeden Gemeine bestimmen. Art. 9. Die Bürger, welche eine Gemeine ausmachen, haben das Recht, zur bestimmten Zeit nach den vom Gesetz fest- gesetzten Formen, diejenigen aus ihren Mitteln zu erwählen, wel- chen, unter dem Titel von Munizipalbeamten, aufgetragen wird, die besondern Geschäfte der Gemeine zu besorgen. Den Munizipalbeamten können einige Verrichtungen, die sich auf das allgemeine Wohl des Staats beziehen, aufgetragen werden. Art. 10. Die Regeln, welchedie Munizipalbeamten bei Aus- übung sowohl ihrer Munizipalverrichtungen, als derjenigen, welche das allgemeine Wohl des Staats betreffen, zu beobachten ver- bunden sind, sollen durch die Gesetze bestimmt werden. ( Fortsetzung folgt. ) Wie Lykurg den Spartanern sociale Gesetze gab. ( Aus des Plutarch Lebensbeschreibung des Lykurg. ) Die kühnste Verfügung des Lykurg war die Eintheilung des Grundbesitzes. Die Ungleichheit war nämlich in Sparta zu jener Zeit ungemein groß; eine Menge unbegüterter und armer Leute belästigte die Stadt, der Reichthum war in wenige Häuser zusammengeflossen. Um nun Uebermuth, Neid, Ungerechtigkeit und die noch tiefer liegenden und größeren Gebrechen bürger- licher Gesellschaft, Reichthum und Armuth, zu verbannen, be- redete er die Bürger, das gesammte Grundeigenthum zum Ge- meingute zu machen, und dann von Neuem zu theilen und in völliger Gleichheit des Vermögens und der Unterhaltsmittel mit einander zu leben, damit sie nur in der Tugend einen Vorzug suchten und kein Unterschied, keine Ungleichheit gälte, als nur sofern sich Schande und Laster von Tugend und Ehre scheiden. Diesen Vorschlag setzte er denn auch in's Werk und ver- theilte das übrige Lakonien unter die Bewohner der Landstädte ( Periöken genannt ) in dreißigtausend Loose, die Markung von Sparta in neuntausend unter die Bürger dieser Stadt. So hoch belief sich die Zahl der Letztern; doch sagen mehrere Schrift- steller, Lykurg habe nur sechstausend Theile gemacht und später erst Polydor dreitausend hinzugesetzt; nach Andern kommt blos die eine Hälste von Lykurg, die andere von Polydor. Jedes einzelne Loos hatte die Größe, daß es für den Mann siebenzig Scheffel Gerste, für die Frau zwölf, und einen verhältnißmäßigen Ertrag an flüssigen Früchten ( Wein und Oel ) brachte. So viele Nahrungsmittel glaubte er, seien zureichend, sie bei Kraft und gesund zu erhalten; weiter fordere das Bedürfniß nichts. Später soll er einmal von einer Reise her durch die frischge- schnittenen Felder gekommen sein, und bei'm Anblick der Getreide- schober, wie sie gleich und gleich einander gegenüber standen, ge- lächelt und zu den Anwesenden gesagt haben: man meine, ganz Lakonien gehöre vielen Brüdern, die eben getheilt hätten. Nun wollte er, um überall jeden Unterschied und jede Un- gleichheit zu tilgen, auch die bewegliche Habe theilen. Als er aber sah, daß sie sich dieselbe nicht so geradezu nehmen ließen, so kam er ihnen von einer andern Seite bei und gewann über die Neigung, im Besitze solcher Dinge Andere zu übertreffen, durch Staatsklugheit den Sieg. Zuvörderst schaffte er alle Gold- und Silbermünzen ab und befahl, blos eiserne zu gebrauchen, welchen er bei großer Schwere und Masse einen so kleinen Werth gab, daß um zehn Minen ( 240 Thaler ) im Hause aufzubewahren, eine große Kammer, und um sie fortzuschaffen, ein zweispänniger Wagen erfordert wurde. Sobald diese neue Münze in Gebrauch gekommen war, verschwanden viele Arten von Verbrechen aus Sparta. Denn wer mochte durch Stehlen, Bestechlichkeit, Be- trügerei und Raub an sich bringen, was weder zu verbergen, noch sonst ein wünschenswerther Besitz, ja selbst in Stücke ge- schlagen zu Nichts nütze war? Denn Lykurg ließ das Eisen glühend in Essig tauchen und benahm ihm dadurch seine Zähig- keit, so daß es ganz spröde wurde und zu keinem andern Ge- brauche verarbeitet werden konnte. Sodanu verbannte er alle unnützen und überflüssigen Künste. Wohl mußten auch ohne Acht und Bann die meisten mit dem Gelde sich entfernen, da sie jetzt keinen Absatz mehr fanden; denn die eiserne Münze ließ sich bei den übrigen Griechen nicht anbringen, sie war ohne Werth und verspottet. Daher konnte man auch in Sparta keine fremden Flitterwaaren kaufen, kein Handelsschiff kam in die Häfen; kein Lehrer der Beredsam- keit oder herumziehender Wahrsager, kein Dirnenhändler, kein Verfertiger von Gold= oder Silberschmuck betrat das von Geld entblößte Land. So wurde dem Luxus allmählig aller Saft und Nahrungsstoff entzogen und er mußte von selbst ersterben. Der Reichthum gewährte nun keinen Vorzug mehr, denn er hatte keinen Weg, sich öffentlich zu zeigen, sondern mußte als ein todtes Kapital im Hause verschlossen bleiben. Daher denn auch die gewöhnlichen und nothwendigen Geräthe, als Betten, Stühle, Tische bei ihnen auf's beste verfertigt wurden, und der lakonische Becher, Kothou genannt, wie Kritias bemerkt, besonders im Feldlager beliebt war. Wenn man nämlich unreines Wasser trinken mußte, so entzog er dem Auge durch seine Farbe den widrigen Anblick; auch setzten sich die erdigen Theile an den ein- wärts gebogenen Rand, so daß man das Getränke reiner zum Munde brachte. Auch dies war ein Verdienst des Gesetzgebers, denn da die Künstler von den unnützen Arbeiten abgezogen wurden, so zeigten sie nun in den nothwendigen ihre Ge- schicklichkeit. Um den Luxus noch wirksamer zu bekämpfen, und dem Reichthum seinen verführerischen Glanz vollends zu neh- men, fügte er eine dritte, die trefflichste Einrichtung hinzu, nämlich die gemeinschaftlichen Mahle. Dieser zu Folge mußten sich alle Spartaner täglich zum gemeinschaftlichen Genusse der gleichen vorgeschriebenen Speisen versammeln. Keinem war es erlaubt, für sich zu essen und sich in seinem Hause auf ein kostbares Polster und an einen prächtigen Tisch zu legen, um sich gleich gefräßigen Thieren in der Dunkelheit von Kunstbäckern und Köchen mästen zu lassen, und mit den Sitten zugleich auch den Körper zu verderben, der sich dabei der Völlerei und allen Aus- schweifungen ergiebt und eines langen Schlafes, warmer Bäder, vieler Ruhe und, so zu sagen, einer täglichen Krankenpflege bedarf. Schon dieß war sehr wichtig, aber noch wichtiger, daß er durch die Gemeinschaft und Einfachheit der Mahlzeiten den Reich- thum, wie Theophrast sich ausdrückt, arm und unwerth machte. Denn nun war aller Gebrauch und Genuß prächtigen Tisch- geräthes, ja selbst der Anblick und das Schaustellen desselben un- möglich, da der Reiche mit dem Armen zu einem Tische ging. Von allen Städten unter der Sonne war daher auf Sparta allein jenes bekannte Sprüchwort anwendbar: „der Reichthum ist blind und liegt einem Gemälde gleich unbeweglich und leblos da.“ Denn es durfte Niemand vorher zu Hause speisen und gesättigt zum gemeinsamen Mahle kommen, da Der, welcher nicht mit aß und trank, von den Uebrigen genau beobachtet und ein unenthalt- samer Mensch gescholten wurde, der für die gemeinschaftlichen Speisen zu lecker wäre. Daher soll denn auch vorzüglich diese Anordnung den Un- willen der Reichen gegen Lykurg entflammt haben. Sie rotteten sich in Menge zusammen, stießen Schimpfreden gegen ihn aus und bezeigten auf alle Weise ihre Erbitterung; zuletzt warfen Viele mit Steinen nach ihm, so daß er sich genöthigt sah, den Marktplatz eilig zu verlassen. Er wollte sich in einen Tempel flüchten und hatte schon den Vorsprung gewonnen; nur ein junger Mensch, Namens Alkander, der nicht bösartig, aber von heftiger und leidenschaftlicher Gemüthsart war, folgte ihm auf der Ferse und schlug ihm, als er sich eben umdrehte, mit dem Stocke ein Auge aus. Lykurg verbiß den Schmerz, wandte sich gegen die Bürger, und zeigte ihnen sein blutiges Gesicht und das zerstörte Auge. Bei diesem Anblick ergriff sie die tiefste Scham und Reue, ja sie lieferten ihm den Alkander aus und begleiteten ihn unter lebhaften Aeußerungen ihrer Theilnahme nach Hause. Lykurg be- zeigte ihnen darüber seine Zufriedenheit und entließ sie; den Alkander aber behielt er bei sich, ohne ihm etwas zu Leide zu thun, oder zu sagen, nur entfernte er seine gewöhnlichen Diener und befahl ihm, deren Stelle zu vertreten. Der Jüngling, dem es nicht an natürlicher Gutmüthigkeit fehlte, vollzog mit schwei- gendem Gehorsam die Befehle, und da er, dem Lykurg beständig nahe, seine Sanftmuth und Gelassenheit, seine strenge Lebensweise und unermüdliche Thätigkeit kennen lernte, fühlte er sich zu dem

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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 4. Lieferung. Berlin, 9. April 1873, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social04_1873/22>, abgerufen am 24.11.2024.