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Social-politische Blätter. 3. Lieferung. Berlin, 6. März 1873.

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Zur Unterhaltung und Belehrung. 55
[Beginn Spaltensatz] die Staatsgewalt und Gesetzgebung socialistisch anwendet.
Jn diesem Zeitpunkt wird freilich diese Mehrheit des Volks,
obschon sie auf dem Boden des Socialismus steht, noch
nicht sammt und sonders fähig sein, sofort die socialistische
Produktion zu beginnen -- wir meinen z. B., daß viele
Kleinbauern, selbst wenn sie mit den Socialisten gemeinsam
das Großkapital bekämpfen, doch nicht gewillt sein werden,
sofort ihre Grundstücke zusammenzuwerfen oder gar sie
expropriiren zu lassen, um gemeinsam zu wirthschaften.

Es müssen daher den zur Begründung der Produktiv-
assoziationen fähigsten Arbeiterschichten zunächst die Mittel
an die Hand gegeben werden. Dort, wo der Staat Berg-
werke und Eisenbahnen besitzt oder in seinen Besitz bringt,
werden die Arbeiter vornehmlich zur Produktivassozia-
tionen sich organisiren, und sie werden sehr leicht mit dem
Staat sich darüber abfinden, wie die Preise ihrer Arbeits-
produkte zu regeln sind, damit ihnen ein billiger Arbeits-
ertrag für das Fördern des Erzes, das Jnstandhalten des
Eisenbahnbetriebs u. s. w. zufalle.

An den Hauptpunkten der industriellen Produktion
werden sodann die Fabrikarbeiter, besonders wenn sie es
schon gewohnt sind, organisirt den Fabrikanten gegenüber
bei Lohn= und Arbeitszeitfragen aufzutreten, sich zu Pro-
duktivassoziationen verbinden, und je nachdem, ob die Pro-
duktion belebt oder still ist, neue Assoziationsfabriken durch
Staatshülfe gründen oder alte Fabriken nach Abfindung
der Fabrikanten übernehmen. Jn Bezug auf das Hand-
werk und die Landarbeiter, wird darauf zu sehen sein, daß
die Assoziationen, welche Meister und Gesellen, respektive
Kleinbauern und Tagelöhner in sich fassen können, die
Staatshülfe besonders in der Weise verwenden, daß sie der
Großproduktion mit Maschinen sich nähern. Ein Normalarbeits-
tag würde natürlich für alle Arbeiter gesetzlich eingeführt werden.

Wenn in dieser Weise eine freiwillige, vom Staate
geleitete Organisation der besten Volkskräfte stattfindet, so
ist nicht abzusehen, weshalb sie nicht gelingen sollte.

Die sämmtlichen Assoziationen werden sich mit der Zeit,
[Spaltenumbruch] wenn nicht sofort zum Verbande einigen, sich gegen das
Risiko sichern und zugleich einen demokratisch gewählten
Gewerberath einsetzen, welcher nach billigem Vergleich den
Kostenpreis der Waaren zu regeln hat, damit nicht ein
Geschäftszweig zum Schaden aller Anderen die Preise
schraubt. So würde die Konkurrenz sowohl beseitigt wer-
den, als auch der Verdienst der Mühe bei der Arbeit ent-
sprechend ausfallen.

Wenn in dieser Weise bei den Culturvölkern sämmt-
liche Productionsinstrumente also auch der Grund und Bo-
den in den Betrieb der Produktivassociationen übergegangen
sind, und neue Generationen heranwachsen, so tritt natur-
gemäß eine Weiterentwickelung in communistischem und kos-
mopolitischem Geiste ein.

Die Vertheilung des Arbeitsertrages unter die einzel-
nen Mitglieder der Produktivassoziationen, also die Frage,
ob dies nach der Leistung, nach der Anstrengung bemessen
werden soll, oder nach einem gemischten Verhältniß, wie
es weiter oben von Louis Blanc verlangt wurde, ist füg-
lich bei Begründung der Produktivassoziationen zunächst den
Betheiligten selbst zu überlassen.

Mit der Zeit wird immer mehr das im engeren Sinne
communistische System um sich greifen, bei dem nach der
Aufwendung von persönlicher Anstrengung das Einkommen
sich bemißt. Denn abgesehen von der wachsenden allge-
meinen Bildung und dem immer lebendiger werdenden
Gefühl der Brüderlichkeit und Gleichheit, muß die Groß-
produktion schließlich dahin führen, daß die Arbeit vor-
nehmlich nur in der Beaufsichtigung und Jnstandhaltung
der Maschinerie besteht, die Leistungen der großen Menge
des arbeitenden Volkes also gleichwerthig werden.

Diese Schlußfolgerung lehrt, daß nach dem Prin-
zipe Ferdinand Lassalle's auf ganz natürlichem Wege
eine Umwandlung der Gesellschaft mit Hülfe der Produk-
tivassoziationen erfolgen kann, welche weitergehend die voll-
ständige Lösung der socialen Frage und die höchste Ent-
wicklung der Menschheit herbeiführen muß.

[Ende Spaltensatz]

Die Landstreicher von Schleswig.
( Fortsetzung. )
[Beginn Spaltensatz]

Seit einer halben Stunde war die Ankunft des Ritters Olaf
und seiner Leute durch die Schildwachen der Landstreicher an-
gekündigt; die Letzteren waren rasch verschwunden. Auf der
Lichtung, wo sie in der Nacht gesungen, getanzt und getrunken,
sah man nichts mehr als die Ueberreste des Festmahls, leere
Schläuche und goldene und silberne Geschirre. Daneben standen
die aus dem Schlosse des Bischofs von Schleswig entführten
Wagen. Die tiefste Stille herrschte im Walde. Bald trat ein
Leibeigener des Bischofs, einer der Führer der Bewaffneten,
vorsichtig aus dem Dickicht hervor, horchte und sah sich um, als
fürchte er einen Hinterhalt; bei dem Anblicke der Reste des Fest-
mahls kehrte er plötzlich um, wahrscheinlich um die ihm folgende
Schaar zu rufen, aber als er sich nochmals umsah, bemerkte er
die kostbaren Gefäße im Grase, nahm einen der goldenen Becher,
versteckte ihn unter seine Lumpen und rief dann:

-- Hierher! hierher!

Es ertönte nun, anfangs in weiter Ferne, dann näher und
[Spaltenumbruch] näher ein gewaltiges Geräusch in dem Walde; die Zweige der
Büsche brachen unter den Hufen der Pferde; Stimmen riefen
und antworteten, und endlich kam aus dem Dickicht der Ritter
Olaf selbst zu Pferde an der Spitze mehrerer seiner Mannen
heraus. Die andern, die minder ungestüm waren, so wie das
Fußvolk folgten von weitem. Nach dem Rufen des Leibeigenen
hatte Olaf geglaubt, die Landstreicher zu erreichen; aber er sah
Niemanden auf der Lichtung außer dem Führer, der mit den
Worten herbeikam:

-- Herr Ritter, die gottlosen Landstreicher, welche das
Schloß des frommen Bischofs geplündert haben, sind in den
Wald entflohen.

Olaf schwang sein langes Schwerdt über dem Kopfe des
Mannes und hieb ihn nieder.

-- Hund! rief er aus. Du hast mich getäuscht, Du bist im
Einverständniß mit den Landstreichern.

[Ende Spaltensatz]

Zur Unterhaltung und Belehrung. 55
[Beginn Spaltensatz] die Staatsgewalt und Gesetzgebung socialistisch anwendet.
Jn diesem Zeitpunkt wird freilich diese Mehrheit des Volks,
obschon sie auf dem Boden des Socialismus steht, noch
nicht sammt und sonders fähig sein, sofort die socialistische
Produktion zu beginnen — wir meinen z. B., daß viele
Kleinbauern, selbst wenn sie mit den Socialisten gemeinsam
das Großkapital bekämpfen, doch nicht gewillt sein werden,
sofort ihre Grundstücke zusammenzuwerfen oder gar sie
expropriiren zu lassen, um gemeinsam zu wirthschaften.

Es müssen daher den zur Begründung der Produktiv-
assoziationen fähigsten Arbeiterschichten zunächst die Mittel
an die Hand gegeben werden. Dort, wo der Staat Berg-
werke und Eisenbahnen besitzt oder in seinen Besitz bringt,
werden die Arbeiter vornehmlich zur Produktivassozia-
tionen sich organisiren, und sie werden sehr leicht mit dem
Staat sich darüber abfinden, wie die Preise ihrer Arbeits-
produkte zu regeln sind, damit ihnen ein billiger Arbeits-
ertrag für das Fördern des Erzes, das Jnstandhalten des
Eisenbahnbetriebs u. s. w. zufalle.

An den Hauptpunkten der industriellen Produktion
werden sodann die Fabrikarbeiter, besonders wenn sie es
schon gewohnt sind, organisirt den Fabrikanten gegenüber
bei Lohn= und Arbeitszeitfragen aufzutreten, sich zu Pro-
duktivassoziationen verbinden, und je nachdem, ob die Pro-
duktion belebt oder still ist, neue Assoziationsfabriken durch
Staatshülfe gründen oder alte Fabriken nach Abfindung
der Fabrikanten übernehmen. Jn Bezug auf das Hand-
werk und die Landarbeiter, wird darauf zu sehen sein, daß
die Assoziationen, welche Meister und Gesellen, respektive
Kleinbauern und Tagelöhner in sich fassen können, die
Staatshülfe besonders in der Weise verwenden, daß sie der
Großproduktion mit Maschinen sich nähern. Ein Normalarbeits-
tag würde natürlich für alle Arbeiter gesetzlich eingeführt werden.

Wenn in dieser Weise eine freiwillige, vom Staate
geleitete Organisation der besten Volkskräfte stattfindet, so
ist nicht abzusehen, weshalb sie nicht gelingen sollte.

Die sämmtlichen Assoziationen werden sich mit der Zeit,
[Spaltenumbruch] wenn nicht sofort zum Verbande einigen, sich gegen das
Risiko sichern und zugleich einen demokratisch gewählten
Gewerberath einsetzen, welcher nach billigem Vergleich den
Kostenpreis der Waaren zu regeln hat, damit nicht ein
Geschäftszweig zum Schaden aller Anderen die Preise
schraubt. So würde die Konkurrenz sowohl beseitigt wer-
den, als auch der Verdienst der Mühe bei der Arbeit ent-
sprechend ausfallen.

Wenn in dieser Weise bei den Culturvölkern sämmt-
liche Productionsinstrumente also auch der Grund und Bo-
den in den Betrieb der Produktivassociationen übergegangen
sind, und neue Generationen heranwachsen, so tritt natur-
gemäß eine Weiterentwickelung in communistischem und kos-
mopolitischem Geiste ein.

Die Vertheilung des Arbeitsertrages unter die einzel-
nen Mitglieder der Produktivassoziationen, also die Frage,
ob dies nach der Leistung, nach der Anstrengung bemessen
werden soll, oder nach einem gemischten Verhältniß, wie
es weiter oben von Louis Blanc verlangt wurde, ist füg-
lich bei Begründung der Produktivassoziationen zunächst den
Betheiligten selbst zu überlassen.

Mit der Zeit wird immer mehr das im engeren Sinne
communistische System um sich greifen, bei dem nach der
Aufwendung von persönlicher Anstrengung das Einkommen
sich bemißt. Denn abgesehen von der wachsenden allge-
meinen Bildung und dem immer lebendiger werdenden
Gefühl der Brüderlichkeit und Gleichheit, muß die Groß-
produktion schließlich dahin führen, daß die Arbeit vor-
nehmlich nur in der Beaufsichtigung und Jnstandhaltung
der Maschinerie besteht, die Leistungen der großen Menge
des arbeitenden Volkes also gleichwerthig werden.

Diese Schlußfolgerung lehrt, daß nach dem Prin-
zipe Ferdinand Lassalle's auf ganz natürlichem Wege
eine Umwandlung der Gesellschaft mit Hülfe der Produk-
tivassoziationen erfolgen kann, welche weitergehend die voll-
ständige Lösung der socialen Frage und die höchste Ent-
wicklung der Menschheit herbeiführen muß.

[Ende Spaltensatz]

Die Landstreicher von Schleswig.
( Fortsetzung. )
[Beginn Spaltensatz]

Seit einer halben Stunde war die Ankunft des Ritters Olaf
und seiner Leute durch die Schildwachen der Landstreicher an-
gekündigt; die Letzteren waren rasch verschwunden. Auf der
Lichtung, wo sie in der Nacht gesungen, getanzt und getrunken,
sah man nichts mehr als die Ueberreste des Festmahls, leere
Schläuche und goldene und silberne Geschirre. Daneben standen
die aus dem Schlosse des Bischofs von Schleswig entführten
Wagen. Die tiefste Stille herrschte im Walde. Bald trat ein
Leibeigener des Bischofs, einer der Führer der Bewaffneten,
vorsichtig aus dem Dickicht hervor, horchte und sah sich um, als
fürchte er einen Hinterhalt; bei dem Anblicke der Reste des Fest-
mahls kehrte er plötzlich um, wahrscheinlich um die ihm folgende
Schaar zu rufen, aber als er sich nochmals umsah, bemerkte er
die kostbaren Gefäße im Grase, nahm einen der goldenen Becher,
versteckte ihn unter seine Lumpen und rief dann:

— Hierher! hierher!

Es ertönte nun, anfangs in weiter Ferne, dann näher und
[Spaltenumbruch] näher ein gewaltiges Geräusch in dem Walde; die Zweige der
Büsche brachen unter den Hufen der Pferde; Stimmen riefen
und antworteten, und endlich kam aus dem Dickicht der Ritter
Olaf selbst zu Pferde an der Spitze mehrerer seiner Mannen
heraus. Die andern, die minder ungestüm waren, so wie das
Fußvolk folgten von weitem. Nach dem Rufen des Leibeigenen
hatte Olaf geglaubt, die Landstreicher zu erreichen; aber er sah
Niemanden auf der Lichtung außer dem Führer, der mit den
Worten herbeikam:

— Herr Ritter, die gottlosen Landstreicher, welche das
Schloß des frommen Bischofs geplündert haben, sind in den
Wald entflohen.

Olaf schwang sein langes Schwerdt über dem Kopfe des
Mannes und hieb ihn nieder.

— Hund! rief er aus. Du hast mich getäuscht, Du bist im
Einverständniß mit den Landstreichern.

[Ende Spaltensatz]
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Dort, wo der Staat Berg- werke und Eisenbahnen besitzt oder in seinen Besitz bringt, werden die Arbeiter vornehmlich zur Produktivassozia- tionen sich organisiren, und sie werden sehr leicht mit dem Staat sich darüber abfinden, wie die Preise ihrer Arbeits- produkte zu regeln sind, damit ihnen ein billiger Arbeits- ertrag für das Fördern des Erzes, das Jnstandhalten des Eisenbahnbetriebs u. s. w. zufalle. An den Hauptpunkten der industriellen Produktion werden sodann die Fabrikarbeiter, besonders wenn sie es schon gewohnt sind, organisirt den Fabrikanten gegenüber bei Lohn= und Arbeitszeitfragen aufzutreten, sich zu Pro- duktivassoziationen verbinden, und je nachdem, ob die Pro- duktion belebt oder still ist, neue Assoziationsfabriken durch Staatshülfe gründen oder alte Fabriken nach Abfindung der Fabrikanten übernehmen. 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Auf der Lichtung, wo sie in der Nacht gesungen, getanzt und getrunken, sah man nichts mehr als die Ueberreste des Festmahls, leere Schläuche und goldene und silberne Geschirre. Daneben standen die aus dem Schlosse des Bischofs von Schleswig entführten Wagen. Die tiefste Stille herrschte im Walde. Bald trat ein Leibeigener des Bischofs, einer der Führer der Bewaffneten, vorsichtig aus dem Dickicht hervor, horchte und sah sich um, als fürchte er einen Hinterhalt; bei dem Anblicke der Reste des Fest- mahls kehrte er plötzlich um, wahrscheinlich um die ihm folgende Schaar zu rufen, aber als er sich nochmals umsah, bemerkte er die kostbaren Gefäße im Grase, nahm einen der goldenen Becher, versteckte ihn unter seine Lumpen und rief dann: — Hierher! hierher! 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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 3. Lieferung. Berlin, 6. März 1873, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social03_1873/7>, abgerufen am 11.06.2024.