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Social-politische Blätter. 3. Lieferung. Berlin, 6. März 1873.

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Zur Unterhaltung und Belehrung. 56
[Beginn Spaltensatz]

Der Leibeigene brach sterbend zusammen, und der goldene
Becher, den er entwandt, entfiel ihm.

-- Mir das goldene Gefäß! rief der Ritter, indem er mit
der Spitze seines Schwerdtes auf den Becher deutete. Knappe,
stecke es in den Sack. -- Die Ritter hatten nämlich immer
einige Knappen mit Säcken bei sich, welche die Beute forttragen
mußten; in dem Augenblicke nun, wo der Knappe eben dem
Ritter antworten wollte, sah dieser im Grase in den Strahlen
der aufgehenden Sonne die andern goldenen und silbernen Ge-
fäße funkeln, welche aus dem bischöflichen Schlosse geraubt
waren. Olaf trieb deshalb sein Pferd rasch an und rief:

-- Mir diese Schätze! Stecke sie in den Sack, Knappe!

-- Nicht für Dich allein, sondern auch für uns! riefen aber
die Krieger, die folgten. Sind wir nicht Deines Gleichen?

-- Deines Gleichen in der Schlacht, Deines Gleichen bei
der Theilung der Beute, Ritter Olaf, das vergiß nicht.

-- Erinnere Dich, daß bei der Plünderung selbst der große
König Kanut es nicht wagte, seinen Kriegern ein goldenes Ge-
fäß streitig zu machen!

-- Diese Schätze vor Dir, sogleich getheilt!

Der Ritter wagte es nicht, seinen Leuten zu widerstehen,
denn wenn sie ihn auch als ihren Führer anerkannten, stellten
sie sich ihm doch ganz gleich. Auch stiegen sie sofort von den
Pferden und griffen gierig nach den Schätzen, als eine Stimme,
die von dem Himmel herab zu kommen schien, laut ihnen zurief:

-- Halt! Gott hört, Gott sieht Euch! Wenn Jhr die gott-
lose Hand an die Güter der Kirche zu legen wagt, seid Jhr
verdammt.

Der Ritter Olaf erbleichte, zitterte an allen Gliedern und
fiel auf seine Kniee. Mehrere folgten seinem Beispiele.

-- Nieder, auf die Kniee alle, Jhr Heiden! rief die Stimme
drohender und drohender. Nieder, Jhr Verfluchten!

Die Letzten, welche noch gestanden hatten, knieeten erschrocken
nieder, wie alles Fußvolk, das nun herangekommen war, und alle
murmelten, indem sie an ihre Brust schlugen:

-- Wunder! Wunder! Es ist die Stimme des Herrn!

-- Jetzt, Jhr großen Sünder, fuhr die Stimme von oben
noch schrecklicher fort, jetzt, da Jhr Euch gebeugt habt vor dem
Herrn, kommt zu Hülfe Eurem..

Die Stimme vollendete aber die Rede nicht. Die Zweige
einer großen Eiche, neben welcher Ritter Olaf mit seinen Leuten
knieete, brachen unter der Last eines dicken Körpers, der von Ast
zu Ast fiel und den Ritter beinahe zu Boden warf. Dies er-
höhte das Entsetzen Olafs und der Menge noch mehr, so daß
sie sich mit dem Gesicht auf die Erde niederwarfen und murmelten:

-- Herr, Herr, erbarme dich unser in Deinem Zorne.

Wer war von dem Baume gefallen? Der Bischof Woldemar.

Die Stimme von oben war die seinige. Vor der Ankunft
der Dänen hatte ihn Siegfried gezwungen, vor ihm auf den
Baum zu steigen und ihm gestattet, im Namen des Herrn zu
sprechen, so lange er sich darauf beschränke, die Dänen zu er-
schrecken; als aber der heilige Mann um Hülfe rufen wollte,
packte ihn der Landstreicher an der Kehle; bei dieser raschen Be-
wegung verlor der Bischof das Gleichgewicht und fiel hinunter;
aber der Mann Gottes war schlau; ob er gleich einen Augen-
blick betäubt gewesen, wollte er doch den Schrecken der Dänen
benutzen, stellte sich fest auf die Beine und sprach dann laut:

-- Jhr Unglücklichen, sehet Euren frommen Bischof an, der
vom Himmel herniederkommt auf dem Fittich der Erzengel
des Herrn.

-- Wunder! entgegnete die Menge, und Jeder küßte die
Erde und schlug sich an die Brust. Wunder! Wunder!

[Spaltenumbruch]

-- Heiliger Bischof Woldemar, der Du vom Himmel steigst,
schütze uns!

-- Jst es Deine Stimme, Vater? murmelte Olaf, der noch
immer mit dem Gesichte am Boden lag, ohne zu wagen, die
Augen aufzuschlagen, -- ist es Deine Stimme, heiliger Bischof
oder eine Schlinge des Satans?

-- Jch bin es selbst, ich, Dein Bischof. Wer daran zweifelt,
begeht eine schwere Sünde.

-- Woher kommst Du?

-- Habe ich es Dir nicht gesagt? Vom Himmel herab
komme ich. Als der Herr sah, daß ich nach der Plünderung
meines Schlosses, von den Landstreichern fortgeführt wurde, sandte
er mir Engel der Vernichtung zu Hülfe, die mit flammenden
Schwerdtern bewaffnet waren. Sie entrissen mich den Händen
dieser Philister, nahmen mich auf ihre Flügel von Azur und
Silber und trugen mich nach dem Himmel, wo ich, ein unwür-
diger Diener des Königs der Könige, die Seligkeit gehabt habe,
das strahlende Antlitz des Ewigen unter den Gesängen der
Seraphim und den Wohlgerüchen des Paradieses zu sehen..

-- Wunder! Wunder! wiederholte die Menge einstimmig.

-- Unser frommer Bischof hat den Herrn von Angesicht geschaut.

-- Heiliger Woldemar, fuhr Olaf fort, Du wirst mich
schützen, guter Vater in Gott.

-- Ja, wenn Du Dich immer demüthigst vor den Bischöfen
des Herrn und seine Kirche bereicherst. Er hat es gesagt und
ich wiederhole es Dir.

-- Jch werde an dieser Stelle hier eine Kapelle bauen
lassen, wenn es sein muß, um das große Wunder zu verewigen.

-- Das ist nicht genug, hat mir der Herr gesagt, der in seiner
Allmacht und Allwissenheit Deine Gedanken errieth. Nein, das
ist nicht genug. Höre, Ritter, seine eigenen Worte: "Olaf und
dessen Leute sind feig aus dem bischöflichen Schlosse entflohen,
als es von den Landstreichern angegriffen wurde."

-- Jch glaubte, es wären Teufel, die aus der Hölle ge-
kommen, die unter Deinem Speisesaale ist..

-- Es waren wirklich Teufel, aber sie hatten die Gestalt
der Landstreicher angenommen, was sie schon so oft gethan. Der
Herr sagte mir also mit seinem eigenen Munde: "Jch verlange,
daß der Ritter Olaf ein Viertheil seiner Güter dem Bischofe
von Schleswig gebe, daß er das bischöfliche Schloß neu aufbauen
und reich schmücken lasse, da er sie durch Teufel, unter der Ge-
stalt von Landstreichern, feig in Brand stecken und plündern ließ,
die ich, der Herr, aus meiner Hölle sandte, um den Ritter Olaf
zu prüfen, ob er den Muth habe, seinen Vater in Christo, den
Bischof Woldemar, zu vertheidigen. Ferner verlange ich, daß
der Ritter Olaf die Landstreicher aufs Aeußerste verfolge und sie
unter Qualen umbringe, besonders ihren Anführer und einen
götzendienerischen Eremiten, der ihn begleitet. Jch will endlich,
daß der Ritter eine Moabiterin, eine Zauberin, eine höllische
Teuflin in einem Feuer verbrenne, die sonst im Schlosse meines
keuschen und guten Dieners, des Bischofs Woldemar, lebte, wel-
cher, seit ich ihn durch meine Gnade zur Bischofswürde erhoben,
eine wahre Rose der Züchtigkeit, ein wahrer Tiger im Entsagen
aller fleischlichen Lüste ist. Möge der Ritter Olaf diesen meinen
Willen erfüllen; nur unter dieser Bedingung werde ich ihm seine
Sünden vergeben und ihm einst die Pforten meines ewigen Para-
dieses öffnen. Amen!" Darauf verbrannten die Seraphim
köstliche Wohlgerüche und spielten himmlische Melodien, dann be-
fahl der Herr seinen Erzengeln, mich auf ihren Fittichen sanft
auf die Erde zu bringen, und das haben sie gethan. Siehe da
hinauf, hoch oben, aber schnell, siehst Du die letzten Erzengel
nach dem goldnen Throne des Ewigen ziehen und ihre schönen
Flügel von Azur und Silber ausbreiten?

[Ende Spaltensatz]
Zur Unterhaltung und Belehrung. 56
[Beginn Spaltensatz]

Der Leibeigene brach sterbend zusammen, und der goldene
Becher, den er entwandt, entfiel ihm.

— Mir das goldene Gefäß! rief der Ritter, indem er mit
der Spitze seines Schwerdtes auf den Becher deutete. Knappe,
stecke es in den Sack. — Die Ritter hatten nämlich immer
einige Knappen mit Säcken bei sich, welche die Beute forttragen
mußten; in dem Augenblicke nun, wo der Knappe eben dem
Ritter antworten wollte, sah dieser im Grase in den Strahlen
der aufgehenden Sonne die andern goldenen und silbernen Ge-
fäße funkeln, welche aus dem bischöflichen Schlosse geraubt
waren. Olaf trieb deshalb sein Pferd rasch an und rief:

— Mir diese Schätze! Stecke sie in den Sack, Knappe!

— Nicht für Dich allein, sondern auch für uns! riefen aber
die Krieger, die folgten. Sind wir nicht Deines Gleichen?

— Deines Gleichen in der Schlacht, Deines Gleichen bei
der Theilung der Beute, Ritter Olaf, das vergiß nicht.

— Erinnere Dich, daß bei der Plünderung selbst der große
König Kanut es nicht wagte, seinen Kriegern ein goldenes Ge-
fäß streitig zu machen!

— Diese Schätze vor Dir, sogleich getheilt!

Der Ritter wagte es nicht, seinen Leuten zu widerstehen,
denn wenn sie ihn auch als ihren Führer anerkannten, stellten
sie sich ihm doch ganz gleich. Auch stiegen sie sofort von den
Pferden und griffen gierig nach den Schätzen, als eine Stimme,
die von dem Himmel herab zu kommen schien, laut ihnen zurief:

— Halt! Gott hört, Gott sieht Euch! Wenn Jhr die gott-
lose Hand an die Güter der Kirche zu legen wagt, seid Jhr
verdammt.

Der Ritter Olaf erbleichte, zitterte an allen Gliedern und
fiel auf seine Kniee. Mehrere folgten seinem Beispiele.

— Nieder, auf die Kniee alle, Jhr Heiden! rief die Stimme
drohender und drohender. Nieder, Jhr Verfluchten!

Die Letzten, welche noch gestanden hatten, knieeten erschrocken
nieder, wie alles Fußvolk, das nun herangekommen war, und alle
murmelten, indem sie an ihre Brust schlugen:

— Wunder! Wunder! Es ist die Stimme des Herrn!

— Jetzt, Jhr großen Sünder, fuhr die Stimme von oben
noch schrecklicher fort, jetzt, da Jhr Euch gebeugt habt vor dem
Herrn, kommt zu Hülfe Eurem..

Die Stimme vollendete aber die Rede nicht. Die Zweige
einer großen Eiche, neben welcher Ritter Olaf mit seinen Leuten
knieete, brachen unter der Last eines dicken Körpers, der von Ast
zu Ast fiel und den Ritter beinahe zu Boden warf. Dies er-
höhte das Entsetzen Olafs und der Menge noch mehr, so daß
sie sich mit dem Gesicht auf die Erde niederwarfen und murmelten:

— Herr, Herr, erbarme dich unser in Deinem Zorne.

Wer war von dem Baume gefallen? Der Bischof Woldemar.

Die Stimme von oben war die seinige. Vor der Ankunft
der Dänen hatte ihn Siegfried gezwungen, vor ihm auf den
Baum zu steigen und ihm gestattet, im Namen des Herrn zu
sprechen, so lange er sich darauf beschränke, die Dänen zu er-
schrecken; als aber der heilige Mann um Hülfe rufen wollte,
packte ihn der Landstreicher an der Kehle; bei dieser raschen Be-
wegung verlor der Bischof das Gleichgewicht und fiel hinunter;
aber der Mann Gottes war schlau; ob er gleich einen Augen-
blick betäubt gewesen, wollte er doch den Schrecken der Dänen
benutzen, stellte sich fest auf die Beine und sprach dann laut:

— Jhr Unglücklichen, sehet Euren frommen Bischof an, der
vom Himmel herniederkommt auf dem Fittich der Erzengel
des Herrn.

— Wunder! entgegnete die Menge, und Jeder küßte die
Erde und schlug sich an die Brust. Wunder! Wunder!

[Spaltenumbruch]

— Heiliger Bischof Woldemar, der Du vom Himmel steigst,
schütze uns!

— Jst es Deine Stimme, Vater? murmelte Olaf, der noch
immer mit dem Gesichte am Boden lag, ohne zu wagen, die
Augen aufzuschlagen, — ist es Deine Stimme, heiliger Bischof
oder eine Schlinge des Satans?

— Jch bin es selbst, ich, Dein Bischof. Wer daran zweifelt,
begeht eine schwere Sünde.

— Woher kommst Du?

— Habe ich es Dir nicht gesagt? Vom Himmel herab
komme ich. Als der Herr sah, daß ich nach der Plünderung
meines Schlosses, von den Landstreichern fortgeführt wurde, sandte
er mir Engel der Vernichtung zu Hülfe, die mit flammenden
Schwerdtern bewaffnet waren. Sie entrissen mich den Händen
dieser Philister, nahmen mich auf ihre Flügel von Azur und
Silber und trugen mich nach dem Himmel, wo ich, ein unwür-
diger Diener des Königs der Könige, die Seligkeit gehabt habe,
das strahlende Antlitz des Ewigen unter den Gesängen der
Seraphim und den Wohlgerüchen des Paradieses zu sehen..

— Wunder! Wunder! wiederholte die Menge einstimmig.

— Unser frommer Bischof hat den Herrn von Angesicht geschaut.

— Heiliger Woldemar, fuhr Olaf fort, Du wirst mich
schützen, guter Vater in Gott.

— Ja, wenn Du Dich immer demüthigst vor den Bischöfen
des Herrn und seine Kirche bereicherst. Er hat es gesagt und
ich wiederhole es Dir.

— Jch werde an dieser Stelle hier eine Kapelle bauen
lassen, wenn es sein muß, um das große Wunder zu verewigen.

— Das ist nicht genug, hat mir der Herr gesagt, der in seiner
Allmacht und Allwissenheit Deine Gedanken errieth. Nein, das
ist nicht genug. Höre, Ritter, seine eigenen Worte: „Olaf und
dessen Leute sind feig aus dem bischöflichen Schlosse entflohen,
als es von den Landstreichern angegriffen wurde.“

— Jch glaubte, es wären Teufel, die aus der Hölle ge-
kommen, die unter Deinem Speisesaale ist..

— Es waren wirklich Teufel, aber sie hatten die Gestalt
der Landstreicher angenommen, was sie schon so oft gethan. Der
Herr sagte mir also mit seinem eigenen Munde: „Jch verlange,
daß der Ritter Olaf ein Viertheil seiner Güter dem Bischofe
von Schleswig gebe, daß er das bischöfliche Schloß neu aufbauen
und reich schmücken lasse, da er sie durch Teufel, unter der Ge-
stalt von Landstreichern, feig in Brand stecken und plündern ließ,
die ich, der Herr, aus meiner Hölle sandte, um den Ritter Olaf
zu prüfen, ob er den Muth habe, seinen Vater in Christo, den
Bischof Woldemar, zu vertheidigen. Ferner verlange ich, daß
der Ritter Olaf die Landstreicher aufs Aeußerste verfolge und sie
unter Qualen umbringe, besonders ihren Anführer und einen
götzendienerischen Eremiten, der ihn begleitet. Jch will endlich,
daß der Ritter eine Moabiterin, eine Zauberin, eine höllische
Teuflin in einem Feuer verbrenne, die sonst im Schlosse meines
keuschen und guten Dieners, des Bischofs Woldemar, lebte, wel-
cher, seit ich ihn durch meine Gnade zur Bischofswürde erhoben,
eine wahre Rose der Züchtigkeit, ein wahrer Tiger im Entsagen
aller fleischlichen Lüste ist. Möge der Ritter Olaf diesen meinen
Willen erfüllen; nur unter dieser Bedingung werde ich ihm seine
Sünden vergeben und ihm einst die Pforten meines ewigen Para-
dieses öffnen. Amen!“ Darauf verbrannten die Seraphim
köstliche Wohlgerüche und spielten himmlische Melodien, dann be-
fahl der Herr seinen Erzengeln, mich auf ihren Fittichen sanft
auf die Erde zu bringen, und das haben sie gethan. Siehe da
hinauf, hoch oben, aber schnell, siehst Du die letzten Erzengel
nach dem goldnen Throne des Ewigen ziehen und ihre schönen
Flügel von Azur und Silber ausbreiten?

[Ende Spaltensatz]
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Die Letzten, welche noch gestanden hatten, knieeten erschrocken nieder, wie alles Fußvolk, das nun herangekommen war, und alle murmelten, indem sie an ihre Brust schlugen: — Wunder! Wunder! Es ist die Stimme des Herrn! — Jetzt, Jhr großen Sünder, fuhr die Stimme von oben noch schrecklicher fort, jetzt, da Jhr Euch gebeugt habt vor dem Herrn, kommt zu Hülfe Eurem.. Die Stimme vollendete aber die Rede nicht. Die Zweige einer großen Eiche, neben welcher Ritter Olaf mit seinen Leuten knieete, brachen unter der Last eines dicken Körpers, der von Ast zu Ast fiel und den Ritter beinahe zu Boden warf. Dies er- höhte das Entsetzen Olafs und der Menge noch mehr, so daß sie sich mit dem Gesicht auf die Erde niederwarfen und murmelten: — Herr, Herr, erbarme dich unser in Deinem Zorne. Wer war von dem Baume gefallen? Der Bischof Woldemar. Die Stimme von oben war die seinige. Vor der Ankunft der Dänen hatte ihn Siegfried gezwungen, vor ihm auf den Baum zu steigen und ihm gestattet, im Namen des Herrn zu sprechen, so lange er sich darauf beschränke, die Dänen zu er- schrecken; als aber der heilige Mann um Hülfe rufen wollte, packte ihn der Landstreicher an der Kehle; bei dieser raschen Be- wegung verlor der Bischof das Gleichgewicht und fiel hinunter; aber der Mann Gottes war schlau; ob er gleich einen Augen- blick betäubt gewesen, wollte er doch den Schrecken der Dänen benutzen, stellte sich fest auf die Beine und sprach dann laut: — Jhr Unglücklichen, sehet Euren frommen Bischof an, der vom Himmel herniederkommt auf dem Fittich der Erzengel des Herrn. — Wunder! entgegnete die Menge, und Jeder küßte die Erde und schlug sich an die Brust. Wunder! Wunder! — Heiliger Bischof Woldemar, der Du vom Himmel steigst, schütze uns! — Jst es Deine Stimme, Vater? murmelte Olaf, der noch immer mit dem Gesichte am Boden lag, ohne zu wagen, die Augen aufzuschlagen, — ist es Deine Stimme, heiliger Bischof oder eine Schlinge des Satans? — Jch bin es selbst, ich, Dein Bischof. Wer daran zweifelt, begeht eine schwere Sünde. — Woher kommst Du? — Habe ich es Dir nicht gesagt? Vom Himmel herab komme ich. Als der Herr sah, daß ich nach der Plünderung meines Schlosses, von den Landstreichern fortgeführt wurde, sandte er mir Engel der Vernichtung zu Hülfe, die mit flammenden Schwerdtern bewaffnet waren. Sie entrissen mich den Händen dieser Philister, nahmen mich auf ihre Flügel von Azur und Silber und trugen mich nach dem Himmel, wo ich, ein unwür- diger Diener des Königs der Könige, die Seligkeit gehabt habe, das strahlende Antlitz des Ewigen unter den Gesängen der Seraphim und den Wohlgerüchen des Paradieses zu sehen.. — Wunder! Wunder! wiederholte die Menge einstimmig. — Unser frommer Bischof hat den Herrn von Angesicht geschaut. — Heiliger Woldemar, fuhr Olaf fort, Du wirst mich schützen, guter Vater in Gott. — Ja, wenn Du Dich immer demüthigst vor den Bischöfen des Herrn und seine Kirche bereicherst. Er hat es gesagt und ich wiederhole es Dir. — Jch werde an dieser Stelle hier eine Kapelle bauen lassen, wenn es sein muß, um das große Wunder zu verewigen. — Das ist nicht genug, hat mir der Herr gesagt, der in seiner Allmacht und Allwissenheit Deine Gedanken errieth. Nein, das ist nicht genug. Höre, Ritter, seine eigenen Worte: „Olaf und dessen Leute sind feig aus dem bischöflichen Schlosse entflohen, als es von den Landstreichern angegriffen wurde.“ — Jch glaubte, es wären Teufel, die aus der Hölle ge- kommen, die unter Deinem Speisesaale ist.. — Es waren wirklich Teufel, aber sie hatten die Gestalt der Landstreicher angenommen, was sie schon so oft gethan. Der Herr sagte mir also mit seinem eigenen Munde: „Jch verlange, daß der Ritter Olaf ein Viertheil seiner Güter dem Bischofe von Schleswig gebe, daß er das bischöfliche Schloß neu aufbauen und reich schmücken lasse, da er sie durch Teufel, unter der Ge- stalt von Landstreichern, feig in Brand stecken und plündern ließ, die ich, der Herr, aus meiner Hölle sandte, um den Ritter Olaf zu prüfen, ob er den Muth habe, seinen Vater in Christo, den Bischof Woldemar, zu vertheidigen. Ferner verlange ich, daß der Ritter Olaf die Landstreicher aufs Aeußerste verfolge und sie unter Qualen umbringe, besonders ihren Anführer und einen götzendienerischen Eremiten, der ihn begleitet. Jch will endlich, daß der Ritter eine Moabiterin, eine Zauberin, eine höllische Teuflin in einem Feuer verbrenne, die sonst im Schlosse meines keuschen und guten Dieners, des Bischofs Woldemar, lebte, wel- cher, seit ich ihn durch meine Gnade zur Bischofswürde erhoben, eine wahre Rose der Züchtigkeit, ein wahrer Tiger im Entsagen aller fleischlichen Lüste ist. Möge der Ritter Olaf diesen meinen Willen erfüllen; nur unter dieser Bedingung werde ich ihm seine Sünden vergeben und ihm einst die Pforten meines ewigen Para- dieses öffnen. Amen!“ Darauf verbrannten die Seraphim köstliche Wohlgerüche und spielten himmlische Melodien, dann be- fahl der Herr seinen Erzengeln, mich auf ihren Fittichen sanft auf die Erde zu bringen, und das haben sie gethan. Siehe da hinauf, hoch oben, aber schnell, siehst Du die letzten Erzengel nach dem goldnen Throne des Ewigen ziehen und ihre schönen Flügel von Azur und Silber ausbreiten?

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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 3. Lieferung. Berlin, 6. März 1873, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social03_1873/8>, abgerufen am 24.11.2024.