Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Social-politische Blätter. 3. Lieferung. Berlin, 6. März 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

Zur Unterhaltung und Belehrung. 53
[Beginn Spaltensatz] und Ermuthigung bewirken kann, so müßte eine ganz neue
Erziehung in dieser Hinsicht die Begriffe und Sitten ändern.
Es ist jedoch selbstredend, daß in allen Fällen der Lohn
vollkommen für die Lebensbedürfnisse des Arbeiters hin-
reichen müßte.

"Für das erste Jahr nach Errichtung der Produktiv-
assoziationen würde die Regierung die Beamten in densel-
ben anstellen müssen. Nach dem ersten Jahre würde ein
anderer Fall eintreten. Die Arbeiter hätten dann Zeit
gehabt, sich unter einander zu würdigen, und da ihnen, wie
wir sehen werden, selbst an dem glücklichen Fortgange der
Assoziationen liegen müßte, so würde die bisherige Hierarchie
dem Wahlsystem weichen.

"Jährlich berechnete man den Reingewinn, welcher
in drei Theile getheilt würde: der eine würde in gleichem
Verhältnisse unter die Mitglieder der Gesellschaft vertheilt;
der zweite diente zur Unterstützung der Greise, der Kranken
und der Schwachen, sowie auch zur Erleichterung der Krisen,
welche andere Assoziationen betroffen haben, da sich alle
unter einander Hülfe und Unterstützung schuldig wären;
der dritte Theil endlich würde dazu verwandt, denen Ar-
beitsgeräth anzuschaffen, welche an der Assoziation Theil
nehmen wollten, dergestalt, daß diese sich bis ins Endlose
erweitern könnte.

"Jn jede dieser Assoziationen, welche für die Jndustrie-
zweige gebildet würden, die im Großen ausgeübt werden
können, würde man diejenigen zuzulassen haben, welche Pro-
fessionen angehören, deren Natur eine Hinzuziehung erlaubt.

"Jedes Mitglied einer Assoziation würde das Recht
haben, über seinen Lohn nach seinem Belieben zu ver-
fügen, aber die einleuchtende Sparsamkeit und die unbe-
strittenen Vorzüge, welche mit einem gemeinschaftlichen Leben
verbunden sind, würden bald aus der Verbindung zum
Arbeiten eine freiwillige Verbindung zur Besorgung der
Bedürfnisse und zum Genuß der Lebensfreuden hervorgehen
lassen.

"Die Kapitalisten würden zur Theilnahme aufgerufen
und die eingezahlten Kapitalien verzinst erhalten; der Staat
würde für die Zinsen bürgen, an dem reinen Gewinnst
könnten sie aber nur in dem Falle Theil nehmen, daß sie
selbst Arbeiter wären."

Louis Blanc setzt hierauf auseinander, daß die Pro-
duktivassoziationen, selbst wenn sie nur mäßige Konkurrenz,
keine sogenannte Schmutzkonkurrenz den Privatunternehmern
machten, mit der Zeit doch die Privatindustrie völlig ab-
sorbiren würden. Dann soll die Organisation der Arbeit
weiter schreiten. Louis Blanc bemerkt dazu:

"Denken wir uns nun, der Zweck wäre in einem be-
sondern Zweige der Jndustrie erreicht; denken wir uns
zum Beispiel die Maschinenbauer wären dahin gebracht,
sich dem Staatsdienste zu unterwerfen, das heißt den
Grundsätzen des gemeinsamen Reglements. Da nun ein
und derselbe Jndustriezweig nicht immer an demselben Orte
ausgeübt wird, sondern verschiedene Brennpunkte hat, so
würde es passend sein, zwischen den verschiedenen Werk-
stätten, welche einem und demselben Fabrikzweige angehören,
dasselbe System der Assoziation einzuführen, welches in jeder
besondern Werkstätte Statt fände. Denn es würde abge-
[Spaltenumbruch] schmackt sein, die Konkurrenz zwischen Gewerkschaften fort-
bestehen zu lassen, nachdem man sie innerhalb der einzelnen
Korporationen aufgehoben hat. Jn jeder Sphäre der Arbeit
würde die Regierung daher eine Central=Werkstätte errichten,
von welcher alle andern als ergänzende Werkstätten ab-
hingen. So wie Herr Rothschild nicht nur in Frankreich,
sondern in verschiedenen Ländern der Welt Häuser besitzt,
welche mit demjenigen korrespondiren, in welchem der Haupt-
sitz seiner Geschäftsführung ist, so würde auch jeder Jn-
dustriezweig seinen Hauptsitz und seine Filialen haben. Als-
dann fände keine Konkurrenz mehr Statt. Zwischen den
verschiedenen Mittelpunkten der Produktion, welche einer
und derselben Jndustrie angehören, würde ein gemeinschaft-
liches Jnteresse Statt finden und statt der jetzigen Be-
strebungen, die auf gegenseitigen Sturz hinzielen, träte ein
freundschaftliches Zusammenwirken ein."

Dies sind die hauptsächlichen Vorschläge Louis Blanc's.
Und es erhellt daraus, daß derselbe allerdings nicht, wie
ihm manchmal von unwissenden Personen vorgeworfen wird,
die volle Tragweite der socialistischen Umwälzung der Pro-
duktionsweise verkannt hat. Louis Blanc weiß sehr wohl,
daß die Gründung einzelner Produktivassoziationen nur
der erste Anfang sein kann, daher stellt er ausdrücklich den
Bund aller Assoziationen in Aussicht, der schließlich das
ganze producirende Volk in sich fassen soll. Ebenso nimmt
Louis Blanc auch auf die Landarbeiter Rücksicht und be-
antwortet einen Einwurf, daß dies nicht geschehen, treffend,
wie folgt:

"Und warum denn unnöthigerweise die Schwierigkeiten
vergrößern? Was schadet es, wenn die Umwälzung mit
der industriellen Form beginnt? Das Wesentliche bleibt,
daß sich an diese Reform die Reform des Landbaues an-
schließt. Wir haben diese nothwendige Verbindung auch
keineswegs vergessen."

Endlich hat Louis Blanc auch nicht außer Augen ge-
lassen, daß das Vertheilen des Arbeitsertrages, in der
Assoziation, je mehr die Brüderlichkeit in der menschlichen
Gesellschaft wächst und der Sozialismus sich vervollkommnet,
um so mehr sein Prinzip verändern wird, welches zunächst
die Leistung des Einzelnen im Auge haben, und den
fähigeren Arbeiter bevorzugen wird, späterhin jedoch sich
immer mehr der völligen Gleichheit der Belohnung für
gleiche Anstrengung des Einzelnen nähern muß. Louis
Blanc spricht dies von vorn herein aus und stellt es nur
als ein Uebergangsstadium hin, daß in den zunächst zu
gründenden Assoziationen der übliche Lohn je nach der
Leistung gezahlt werde, und der übrige Gewinn dann nach
Abzug des zur Gründung neuer Assoziationen und Alters-
unterstützung Erforderlichen gleichmäßig unter die Assoziirten
vertheilt werde.

Dies sind die Anschauungen Louis Blanc's, denen man
zugestehen muß, daß sie den Socialismus aus dem Reiche
der Phantasie und philosophischen Spekulation auf den
praktischen Boden der Produktion verpflanzt haben.

Wir kommen jetzt zu Ferdinand Lassalle's Läuterung
und Vervollkommnung dieser Prinzipien. Zunächst sei es
uns gestattet, den schlagenden Ausspruch Lassalle's aufzu-
führen, mit welchem er im "Bastiat=Schulze" begründet,
[Ende Spaltensatz]

Zur Unterhaltung und Belehrung. 53
[Beginn Spaltensatz] und Ermuthigung bewirken kann, so müßte eine ganz neue
Erziehung in dieser Hinsicht die Begriffe und Sitten ändern.
Es ist jedoch selbstredend, daß in allen Fällen der Lohn
vollkommen für die Lebensbedürfnisse des Arbeiters hin-
reichen müßte.

„Für das erste Jahr nach Errichtung der Produktiv-
assoziationen würde die Regierung die Beamten in densel-
ben anstellen müssen. Nach dem ersten Jahre würde ein
anderer Fall eintreten. Die Arbeiter hätten dann Zeit
gehabt, sich unter einander zu würdigen, und da ihnen, wie
wir sehen werden, selbst an dem glücklichen Fortgange der
Assoziationen liegen müßte, so würde die bisherige Hierarchie
dem Wahlsystem weichen.

„Jährlich berechnete man den Reingewinn, welcher
in drei Theile getheilt würde: der eine würde in gleichem
Verhältnisse unter die Mitglieder der Gesellschaft vertheilt;
der zweite diente zur Unterstützung der Greise, der Kranken
und der Schwachen, sowie auch zur Erleichterung der Krisen,
welche andere Assoziationen betroffen haben, da sich alle
unter einander Hülfe und Unterstützung schuldig wären;
der dritte Theil endlich würde dazu verwandt, denen Ar-
beitsgeräth anzuschaffen, welche an der Assoziation Theil
nehmen wollten, dergestalt, daß diese sich bis ins Endlose
erweitern könnte.

„Jn jede dieser Assoziationen, welche für die Jndustrie-
zweige gebildet würden, die im Großen ausgeübt werden
können, würde man diejenigen zuzulassen haben, welche Pro-
fessionen angehören, deren Natur eine Hinzuziehung erlaubt.

„Jedes Mitglied einer Assoziation würde das Recht
haben, über seinen Lohn nach seinem Belieben zu ver-
fügen, aber die einleuchtende Sparsamkeit und die unbe-
strittenen Vorzüge, welche mit einem gemeinschaftlichen Leben
verbunden sind, würden bald aus der Verbindung zum
Arbeiten eine freiwillige Verbindung zur Besorgung der
Bedürfnisse und zum Genuß der Lebensfreuden hervorgehen
lassen.

„Die Kapitalisten würden zur Theilnahme aufgerufen
und die eingezahlten Kapitalien verzinst erhalten; der Staat
würde für die Zinsen bürgen, an dem reinen Gewinnst
könnten sie aber nur in dem Falle Theil nehmen, daß sie
selbst Arbeiter wären.“

Louis Blanc setzt hierauf auseinander, daß die Pro-
duktivassoziationen, selbst wenn sie nur mäßige Konkurrenz,
keine sogenannte Schmutzkonkurrenz den Privatunternehmern
machten, mit der Zeit doch die Privatindustrie völlig ab-
sorbiren würden. Dann soll die Organisation der Arbeit
weiter schreiten. Louis Blanc bemerkt dazu:

„Denken wir uns nun, der Zweck wäre in einem be-
sondern Zweige der Jndustrie erreicht; denken wir uns
zum Beispiel die Maschinenbauer wären dahin gebracht,
sich dem Staatsdienste zu unterwerfen, das heißt den
Grundsätzen des gemeinsamen Reglements. Da nun ein
und derselbe Jndustriezweig nicht immer an demselben Orte
ausgeübt wird, sondern verschiedene Brennpunkte hat, so
würde es passend sein, zwischen den verschiedenen Werk-
stätten, welche einem und demselben Fabrikzweige angehören,
dasselbe System der Assoziation einzuführen, welches in jeder
besondern Werkstätte Statt fände. Denn es würde abge-
[Spaltenumbruch] schmackt sein, die Konkurrenz zwischen Gewerkschaften fort-
bestehen zu lassen, nachdem man sie innerhalb der einzelnen
Korporationen aufgehoben hat. Jn jeder Sphäre der Arbeit
würde die Regierung daher eine Central=Werkstätte errichten,
von welcher alle andern als ergänzende Werkstätten ab-
hingen. So wie Herr Rothschild nicht nur in Frankreich,
sondern in verschiedenen Ländern der Welt Häuser besitzt,
welche mit demjenigen korrespondiren, in welchem der Haupt-
sitz seiner Geschäftsführung ist, so würde auch jeder Jn-
dustriezweig seinen Hauptsitz und seine Filialen haben. Als-
dann fände keine Konkurrenz mehr Statt. Zwischen den
verschiedenen Mittelpunkten der Produktion, welche einer
und derselben Jndustrie angehören, würde ein gemeinschaft-
liches Jnteresse Statt finden und statt der jetzigen Be-
strebungen, die auf gegenseitigen Sturz hinzielen, träte ein
freundschaftliches Zusammenwirken ein.“

Dies sind die hauptsächlichen Vorschläge Louis Blanc's.
Und es erhellt daraus, daß derselbe allerdings nicht, wie
ihm manchmal von unwissenden Personen vorgeworfen wird,
die volle Tragweite der socialistischen Umwälzung der Pro-
duktionsweise verkannt hat. Louis Blanc weiß sehr wohl,
daß die Gründung einzelner Produktivassoziationen nur
der erste Anfang sein kann, daher stellt er ausdrücklich den
Bund aller Assoziationen in Aussicht, der schließlich das
ganze producirende Volk in sich fassen soll. Ebenso nimmt
Louis Blanc auch auf die Landarbeiter Rücksicht und be-
antwortet einen Einwurf, daß dies nicht geschehen, treffend,
wie folgt:

„Und warum denn unnöthigerweise die Schwierigkeiten
vergrößern? Was schadet es, wenn die Umwälzung mit
der industriellen Form beginnt? Das Wesentliche bleibt,
daß sich an diese Reform die Reform des Landbaues an-
schließt. Wir haben diese nothwendige Verbindung auch
keineswegs vergessen.“

Endlich hat Louis Blanc auch nicht außer Augen ge-
lassen, daß das Vertheilen des Arbeitsertrages, in der
Assoziation, je mehr die Brüderlichkeit in der menschlichen
Gesellschaft wächst und der Sozialismus sich vervollkommnet,
um so mehr sein Prinzip verändern wird, welches zunächst
die Leistung des Einzelnen im Auge haben, und den
fähigeren Arbeiter bevorzugen wird, späterhin jedoch sich
immer mehr der völligen Gleichheit der Belohnung für
gleiche Anstrengung des Einzelnen nähern muß. Louis
Blanc spricht dies von vorn herein aus und stellt es nur
als ein Uebergangsstadium hin, daß in den zunächst zu
gründenden Assoziationen der übliche Lohn je nach der
Leistung gezahlt werde, und der übrige Gewinn dann nach
Abzug des zur Gründung neuer Assoziationen und Alters-
unterstützung Erforderlichen gleichmäßig unter die Assoziirten
vertheilt werde.

Dies sind die Anschauungen Louis Blanc's, denen man
zugestehen muß, daß sie den Socialismus aus dem Reiche
der Phantasie und philosophischen Spekulation auf den
praktischen Boden der Produktion verpflanzt haben.

Wir kommen jetzt zu Ferdinand Lassalle's Läuterung
und Vervollkommnung dieser Prinzipien. Zunächst sei es
uns gestattet, den schlagenden Ausspruch Lassalle's aufzu-
führen, mit welchem er im „Bastiat=Schulze“ begründet,
[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0005" n="53"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Zur Unterhaltung und Belehrung.</hi> 53</fw><cb type="start"/>
und Ermuthigung bewirken kann, so müßte eine ganz neue<lb/>
Erziehung in dieser Hinsicht die Begriffe und Sitten ändern.<lb/>
Es ist jedoch selbstredend, daß in allen Fällen der Lohn<lb/>
vollkommen für die Lebensbedürfnisse des Arbeiters hin-<lb/>
reichen müßte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Für das erste Jahr nach Errichtung der Produktiv-<lb/>
assoziationen würde die Regierung die Beamten in densel-<lb/>
ben anstellen müssen. Nach dem ersten Jahre würde ein<lb/>
anderer Fall eintreten. Die Arbeiter hätten dann Zeit<lb/>
gehabt, sich unter einander zu würdigen, und da ihnen, wie<lb/>
wir sehen werden, selbst an dem glücklichen Fortgange der<lb/>
Assoziationen liegen müßte, so würde die bisherige Hierarchie<lb/>
dem Wahlsystem weichen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jährlich berechnete man den Reingewinn, welcher<lb/>
in drei Theile getheilt würde: der eine würde in gleichem<lb/>
Verhältnisse unter die Mitglieder der Gesellschaft vertheilt;<lb/>
der zweite diente zur Unterstützung der Greise, der Kranken<lb/>
und der Schwachen, sowie auch zur Erleichterung der Krisen,<lb/>
welche andere Assoziationen betroffen haben, da sich alle<lb/>
unter einander Hülfe und Unterstützung schuldig wären;<lb/>
der dritte Theil endlich würde dazu verwandt, denen Ar-<lb/>
beitsgeräth anzuschaffen, welche an der Assoziation Theil<lb/>
nehmen wollten, dergestalt, daß diese sich bis ins Endlose<lb/>
erweitern könnte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jn jede dieser Assoziationen, welche für die Jndustrie-<lb/>
zweige gebildet würden, die im Großen ausgeübt werden<lb/>
können, würde man diejenigen zuzulassen haben, welche Pro-<lb/>
fessionen angehören, deren Natur eine Hinzuziehung erlaubt.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jedes Mitglied einer Assoziation würde das Recht<lb/>
haben, über seinen Lohn nach seinem Belieben zu ver-<lb/>
fügen, aber die einleuchtende Sparsamkeit und die unbe-<lb/>
strittenen Vorzüge, welche mit einem gemeinschaftlichen Leben<lb/>
verbunden sind, würden bald aus der Verbindung zum<lb/>
Arbeiten eine freiwillige Verbindung zur Besorgung der<lb/>
Bedürfnisse und zum Genuß der Lebensfreuden hervorgehen<lb/>
lassen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Kapitalisten würden zur Theilnahme aufgerufen<lb/>
und die eingezahlten Kapitalien verzinst erhalten; der Staat<lb/>
würde für die Zinsen bürgen, an dem reinen Gewinnst<lb/>
könnten sie aber nur in dem Falle Theil nehmen, daß sie<lb/>
selbst Arbeiter wären.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Louis Blanc setzt hierauf auseinander, daß die Pro-<lb/>
duktivassoziationen, selbst wenn sie nur mäßige Konkurrenz,<lb/>
keine sogenannte Schmutzkonkurrenz den Privatunternehmern<lb/>
machten, mit der Zeit doch die Privatindustrie völlig ab-<lb/>
sorbiren würden. Dann soll die Organisation der Arbeit<lb/>
weiter schreiten. Louis Blanc bemerkt dazu:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Denken wir uns nun, der Zweck wäre in einem be-<lb/>
sondern Zweige der Jndustrie erreicht; denken wir uns<lb/>
zum Beispiel die Maschinenbauer wären dahin gebracht,<lb/>
sich dem Staatsdienste zu unterwerfen, das heißt den<lb/>
Grundsätzen des gemeinsamen Reglements. Da nun ein<lb/>
und derselbe Jndustriezweig nicht immer an demselben Orte<lb/>
ausgeübt wird, sondern verschiedene Brennpunkte hat, so<lb/>
würde es passend sein, zwischen den verschiedenen Werk-<lb/>
stätten, welche einem und demselben Fabrikzweige angehören,<lb/>
dasselbe System der Assoziation einzuführen, welches in jeder<lb/>
besondern Werkstätte Statt fände. Denn es würde abge-<lb/><cb n="2"/>
schmackt sein, die Konkurrenz zwischen Gewerkschaften fort-<lb/>
bestehen zu lassen, nachdem man sie innerhalb der einzelnen<lb/>
Korporationen aufgehoben hat. Jn jeder Sphäre der Arbeit<lb/>
würde die Regierung daher eine Central=Werkstätte errichten,<lb/>
von welcher alle andern als ergänzende Werkstätten ab-<lb/>
hingen. So wie Herr Rothschild nicht nur in Frankreich,<lb/>
sondern in verschiedenen Ländern der Welt Häuser besitzt,<lb/>
welche mit demjenigen korrespondiren, in welchem der Haupt-<lb/>
sitz seiner Geschäftsführung ist, so würde auch jeder Jn-<lb/>
dustriezweig seinen Hauptsitz und seine Filialen haben. Als-<lb/>
dann fände keine Konkurrenz mehr Statt. Zwischen den<lb/>
verschiedenen Mittelpunkten der Produktion, welche einer<lb/>
und derselben Jndustrie angehören, würde ein gemeinschaft-<lb/>
liches Jnteresse Statt finden und statt der jetzigen Be-<lb/>
strebungen, die auf gegenseitigen Sturz hinzielen, träte ein<lb/>
freundschaftliches Zusammenwirken ein.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Dies sind die hauptsächlichen Vorschläge Louis Blanc's.<lb/>
Und es erhellt daraus, daß derselbe allerdings nicht, wie<lb/>
ihm manchmal von unwissenden Personen vorgeworfen wird,<lb/>
die volle Tragweite der socialistischen Umwälzung der Pro-<lb/>
duktionsweise verkannt hat. Louis Blanc weiß sehr wohl,<lb/>
daß die Gründung einzelner Produktivassoziationen nur<lb/>
der erste Anfang sein kann, daher stellt er ausdrücklich den<lb/>
Bund aller Assoziationen in Aussicht, der schließlich das<lb/>
ganze producirende Volk in sich fassen soll. Ebenso nimmt<lb/>
Louis Blanc auch auf die Landarbeiter Rücksicht und be-<lb/>
antwortet einen Einwurf, daß dies nicht geschehen, treffend,<lb/>
wie folgt:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und warum denn unnöthigerweise die Schwierigkeiten<lb/>
vergrößern? Was schadet es, wenn die Umwälzung mit<lb/>
der industriellen Form beginnt? Das Wesentliche bleibt,<lb/>
daß sich an diese Reform die Reform des Landbaues an-<lb/>
schließt. Wir haben diese nothwendige Verbindung auch<lb/>
keineswegs vergessen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Endlich hat Louis Blanc auch nicht außer Augen ge-<lb/>
lassen, daß das Vertheilen des Arbeitsertrages, in der<lb/>
Assoziation, je mehr die Brüderlichkeit in der menschlichen<lb/>
Gesellschaft wächst und der Sozialismus sich vervollkommnet,<lb/>
um so mehr sein Prinzip verändern wird, welches zunächst<lb/>
die Leistung des Einzelnen im Auge haben, und den<lb/>
fähigeren Arbeiter bevorzugen wird, späterhin jedoch sich<lb/>
immer mehr der völligen Gleichheit der Belohnung für<lb/>
gleiche Anstrengung des Einzelnen nähern muß. Louis<lb/>
Blanc spricht dies von vorn herein aus und stellt es nur<lb/>
als ein Uebergangsstadium hin, daß in den zunächst zu<lb/>
gründenden Assoziationen der übliche Lohn je nach der<lb/>
Leistung gezahlt werde, und der übrige Gewinn dann nach<lb/>
Abzug des zur Gründung neuer Assoziationen und Alters-<lb/>
unterstützung Erforderlichen gleichmäßig unter die Assoziirten<lb/>
vertheilt werde.</p><lb/>
        <p>Dies sind die Anschauungen Louis Blanc's, denen man<lb/>
zugestehen muß, daß sie den Socialismus aus dem Reiche<lb/>
der Phantasie und philosophischen Spekulation auf den<lb/>
praktischen Boden der Produktion verpflanzt haben.</p><lb/>
        <p>Wir kommen jetzt zu Ferdinand Lassalle's Läuterung<lb/>
und Vervollkommnung dieser Prinzipien. Zunächst sei es<lb/>
uns gestattet, den schlagenden Ausspruch Lassalle's aufzu-<lb/>
führen, mit welchem er im &#x201E;Bastiat=Schulze&#x201C; begründet,<lb/><cb type="end"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0005] Zur Unterhaltung und Belehrung. 53 und Ermuthigung bewirken kann, so müßte eine ganz neue Erziehung in dieser Hinsicht die Begriffe und Sitten ändern. Es ist jedoch selbstredend, daß in allen Fällen der Lohn vollkommen für die Lebensbedürfnisse des Arbeiters hin- reichen müßte. „Für das erste Jahr nach Errichtung der Produktiv- assoziationen würde die Regierung die Beamten in densel- ben anstellen müssen. Nach dem ersten Jahre würde ein anderer Fall eintreten. Die Arbeiter hätten dann Zeit gehabt, sich unter einander zu würdigen, und da ihnen, wie wir sehen werden, selbst an dem glücklichen Fortgange der Assoziationen liegen müßte, so würde die bisherige Hierarchie dem Wahlsystem weichen. „Jährlich berechnete man den Reingewinn, welcher in drei Theile getheilt würde: der eine würde in gleichem Verhältnisse unter die Mitglieder der Gesellschaft vertheilt; der zweite diente zur Unterstützung der Greise, der Kranken und der Schwachen, sowie auch zur Erleichterung der Krisen, welche andere Assoziationen betroffen haben, da sich alle unter einander Hülfe und Unterstützung schuldig wären; der dritte Theil endlich würde dazu verwandt, denen Ar- beitsgeräth anzuschaffen, welche an der Assoziation Theil nehmen wollten, dergestalt, daß diese sich bis ins Endlose erweitern könnte. „Jn jede dieser Assoziationen, welche für die Jndustrie- zweige gebildet würden, die im Großen ausgeübt werden können, würde man diejenigen zuzulassen haben, welche Pro- fessionen angehören, deren Natur eine Hinzuziehung erlaubt. „Jedes Mitglied einer Assoziation würde das Recht haben, über seinen Lohn nach seinem Belieben zu ver- fügen, aber die einleuchtende Sparsamkeit und die unbe- strittenen Vorzüge, welche mit einem gemeinschaftlichen Leben verbunden sind, würden bald aus der Verbindung zum Arbeiten eine freiwillige Verbindung zur Besorgung der Bedürfnisse und zum Genuß der Lebensfreuden hervorgehen lassen. „Die Kapitalisten würden zur Theilnahme aufgerufen und die eingezahlten Kapitalien verzinst erhalten; der Staat würde für die Zinsen bürgen, an dem reinen Gewinnst könnten sie aber nur in dem Falle Theil nehmen, daß sie selbst Arbeiter wären.“ Louis Blanc setzt hierauf auseinander, daß die Pro- duktivassoziationen, selbst wenn sie nur mäßige Konkurrenz, keine sogenannte Schmutzkonkurrenz den Privatunternehmern machten, mit der Zeit doch die Privatindustrie völlig ab- sorbiren würden. Dann soll die Organisation der Arbeit weiter schreiten. Louis Blanc bemerkt dazu: „Denken wir uns nun, der Zweck wäre in einem be- sondern Zweige der Jndustrie erreicht; denken wir uns zum Beispiel die Maschinenbauer wären dahin gebracht, sich dem Staatsdienste zu unterwerfen, das heißt den Grundsätzen des gemeinsamen Reglements. Da nun ein und derselbe Jndustriezweig nicht immer an demselben Orte ausgeübt wird, sondern verschiedene Brennpunkte hat, so würde es passend sein, zwischen den verschiedenen Werk- stätten, welche einem und demselben Fabrikzweige angehören, dasselbe System der Assoziation einzuführen, welches in jeder besondern Werkstätte Statt fände. Denn es würde abge- schmackt sein, die Konkurrenz zwischen Gewerkschaften fort- bestehen zu lassen, nachdem man sie innerhalb der einzelnen Korporationen aufgehoben hat. Jn jeder Sphäre der Arbeit würde die Regierung daher eine Central=Werkstätte errichten, von welcher alle andern als ergänzende Werkstätten ab- hingen. So wie Herr Rothschild nicht nur in Frankreich, sondern in verschiedenen Ländern der Welt Häuser besitzt, welche mit demjenigen korrespondiren, in welchem der Haupt- sitz seiner Geschäftsführung ist, so würde auch jeder Jn- dustriezweig seinen Hauptsitz und seine Filialen haben. Als- dann fände keine Konkurrenz mehr Statt. Zwischen den verschiedenen Mittelpunkten der Produktion, welche einer und derselben Jndustrie angehören, würde ein gemeinschaft- liches Jnteresse Statt finden und statt der jetzigen Be- strebungen, die auf gegenseitigen Sturz hinzielen, träte ein freundschaftliches Zusammenwirken ein.“ Dies sind die hauptsächlichen Vorschläge Louis Blanc's. Und es erhellt daraus, daß derselbe allerdings nicht, wie ihm manchmal von unwissenden Personen vorgeworfen wird, die volle Tragweite der socialistischen Umwälzung der Pro- duktionsweise verkannt hat. Louis Blanc weiß sehr wohl, daß die Gründung einzelner Produktivassoziationen nur der erste Anfang sein kann, daher stellt er ausdrücklich den Bund aller Assoziationen in Aussicht, der schließlich das ganze producirende Volk in sich fassen soll. Ebenso nimmt Louis Blanc auch auf die Landarbeiter Rücksicht und be- antwortet einen Einwurf, daß dies nicht geschehen, treffend, wie folgt: „Und warum denn unnöthigerweise die Schwierigkeiten vergrößern? Was schadet es, wenn die Umwälzung mit der industriellen Form beginnt? Das Wesentliche bleibt, daß sich an diese Reform die Reform des Landbaues an- schließt. Wir haben diese nothwendige Verbindung auch keineswegs vergessen.“ Endlich hat Louis Blanc auch nicht außer Augen ge- lassen, daß das Vertheilen des Arbeitsertrages, in der Assoziation, je mehr die Brüderlichkeit in der menschlichen Gesellschaft wächst und der Sozialismus sich vervollkommnet, um so mehr sein Prinzip verändern wird, welches zunächst die Leistung des Einzelnen im Auge haben, und den fähigeren Arbeiter bevorzugen wird, späterhin jedoch sich immer mehr der völligen Gleichheit der Belohnung für gleiche Anstrengung des Einzelnen nähern muß. Louis Blanc spricht dies von vorn herein aus und stellt es nur als ein Uebergangsstadium hin, daß in den zunächst zu gründenden Assoziationen der übliche Lohn je nach der Leistung gezahlt werde, und der übrige Gewinn dann nach Abzug des zur Gründung neuer Assoziationen und Alters- unterstützung Erforderlichen gleichmäßig unter die Assoziirten vertheilt werde. Dies sind die Anschauungen Louis Blanc's, denen man zugestehen muß, daß sie den Socialismus aus dem Reiche der Phantasie und philosophischen Spekulation auf den praktischen Boden der Produktion verpflanzt haben. Wir kommen jetzt zu Ferdinand Lassalle's Läuterung und Vervollkommnung dieser Prinzipien. Zunächst sei es uns gestattet, den schlagenden Ausspruch Lassalle's aufzu- führen, mit welchem er im „Bastiat=Schulze“ begründet,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social03_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social03_1873/5
Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 3. Lieferung. Berlin, 6. März 1873, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social03_1873/5>, abgerufen am 11.06.2024.