[N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685.chen Meisterin. Alles und jedes aber gestehet in einer stetswährenden Unbeständigkeit/ die Sonne läufft fort / und der Mond hält seine Abwechselung. Die Natur zeitiget/ und muß auch wieder Platz geben. Sie verbindet sich öffters mit der Kunst und Wissenschafft wider die Unsterblichkeit/ und wird darüber in betrügliche Hoffnung gesetzet. Keine genauere Verbindung giebet es/ als die zwischen der Seele/ und dem Leibe / welche aber dergestalt einander entgegen; also/ daß eines die Keuschheit und Mässigkeit/ die Zucht und Erbarkeit/ und die Redlichkeit und Gottesfurcht liebet; das andere aber diese alle hasset/ nichts als Mord und Todschlag / Unzucht und Hurerey/ Gewalt und Grausamkeit/ Schande und Laster verübet. Beydeschweben auf einer Wage/ was dem Einen abgehet/ das gehet dem Andern zu: Wann der Leib sich wohl wartet/ das gehet der Seele ab/ und wann die seele wohl stehet/ so führet der Leib stets seine Klage. Der Leib ist nichts anders als ein Gefängnus der Seele/ und die Welt ein Kercker des Leibes/ woraus uns nicht zu brechen erlaubt/ es sey dann durch die Pforte des Todes. Natal. Comes. Wollen wir aber Ethice davon reden/ so ist und bedeutet dieser Cerberus nichs anders als den Geitz/ und die Begierde des Reichthums/ welches gemeiniglich/ nachdem man es erlanget/ und besessen / hinwiederum liederlich verwendet und geschwächet wird. Wer Reichthum und einen ehrlichen Nahmen hat/ der ist zwar zeitlich glückseelig/ allein man soll das einen mit guter Vernunfft besitzen/ und das andere durch einen unsträfflichen Wandel erhalten. Alle Reiche und Wohlvermögende/ welche sich mit ihrem überflüssigen Reichthum keine Freunde machen/ haben keinen grösseren Feind / als eben dasselbige/ dieweil es der Seelen Aussatz/ ihr Gifft und Pestilentz ist. Alle Geitzigen suchen ihren Himmel in dem Rothe der Vergänglichkeit / sischen in dem trüben Wasser/ und ersäuffen sich vielmahls selbst darüber. Reichthümer vergleichen sich mit dem Saltze/ je mehr man darvon geneust/ je mehr Durst hat man darnach. Geld und Gut eröffnen zwar alle Schlösser zur menschlichen Ehre/ Vorzug/ Hoheit und Ansehen; allein der sich lässt an deme begnügen/ was er hat/ der ruhet weit sicherer/ und schläffet bey seinem Vermögen viel sänffterer. Man bedarff eben so viel Glücke und Vorsichtigkeit zum reich werden/ als Kunst zur Frömmigkeit. Dem Pluto/ als einem Gott des Reichthums/ dichtet man an/ wie derselbe sich zum hefftigsten beschweret/ daß Er niemahls ehrliche und fromme Leute mit seinen Gütern und Reichthume erfreuen könne: Denn weil Er blind gebohren/ und aufrichtige und redliche Menschen dünne gesäet/ so würde Er gemeiniglich entweder von Finantzierern/ Geitzhälsen / Wucherern/ und andern Geld-begierigen aufgefangen/ und zur gefänglichen Hafft gebracht/ daß Er nothwendig das Armuth/ und die Nothleidenden zu bedencken unterlassen müste. Dahero das Sprichwort entstanden: Wer viel nimmt/ und nicht viel giebt: Wer allzu viel zusaget/ und das Allerwenigste hält: Wer viel borget / und auf Credit schreiben lässet/ und nicht wieder Carnivorus. bezahlt/ der schiffet letzlich nach dem Flusse Acheron. Cerberus heist sonst nach dem Griechischen ein Fleischfresser: Alle die jenigen / welche ihren Unterthanen das Fell über die Ohren ziehen/ sind van solcher Art. Niemand ist gerne unter einem Strengen und Geitzigen: Je mächtiger man ist / je mehr stehet es Einem zu/ daß Er seine Gewalt dahin richte/ damit Jederman Recht und Gerechtigkeit wiederfahre. Wann der Grosse den Kleinern für einen Schwamm hält/ so frisst Er endlich den Tod daran: Nicht alle Tage wachsen chen Meisterin. Alles und jedes aber gestehet in einer stetswährenden Unbeständigkeit/ die Sonne läufft fort / und der Mond hält seine Abwechselung. Die Natur zeitiget/ und muß auch wieder Platz geben. Sie verbindet sich öffters mit der Kunst und Wissenschafft wider die Unsterblichkeit/ und wird darüber in betrügliche Hoffnung gesetzet. Keine genauere Verbindung giebet es/ als die zwischen der Seele/ und dem Leibe / welche aber dergestalt einander entgegen; also/ daß eines die Keuschheit und Mässigkeit/ die Zucht und Erbarkeit/ und die Redlichkeit und Gottesfurcht liebet; das andere aber diese alle hasset/ nichts als Mord und Todschlag / Unzucht und Hurerey/ Gewalt und Grausamkeit/ Schande und Laster verübet. Beydeschweben auf einer Wage/ was dem Einen abgehet/ das gehet dem Andern zu: Wann der Leib sich wohl wartet/ das gehet der Seele ab/ und wann die seele wohl stehet/ so führet der Leib stets seine Klage. Der Leib ist nichts anders als ein Gefängnus der Seele/ und die Welt ein Kercker des Leibes/ woraus uns nicht zu brechen erlaubt/ es sey dann durch die Pforte des Todes. Natal. Comes. Wollen wir aber Ethicè davon reden/ so ist und bedeutet dieser Cerberus nichs anders als den Geitz/ und die Begierde des Reichthums/ welches gemeiniglich/ nachdem man es erlanget/ und besessen / hinwiederum liederlich verwendet und geschwächet wird. Wer Reichthum und einen ehrlichen Nahmen hat/ der ist zwar zeitlich glückseelig/ allein man soll das einen mit guter Vernunfft besitzen/ und das andere durch einen unsträfflichen Wandel erhalten. Alle Reiche und Wohlvermögende/ welche sich mit ihrem überflüssigen Reichthum keine Freunde machen/ haben keinen grösseren Feind / als eben dasselbige/ dieweil es der Seelen Aussatz/ ihr Gifft und Pestilentz ist. Alle Geitzigen suchen ihren Himmel in dem Rothe der Vergänglichkeit / sischen in dem trüben Wasser/ und ersäuffen sich vielmahls selbst darüber. Reichthümer vergleichen sich mit dem Saltze/ je mehr man darvon geneust/ je mehr Durst hat man darnach. Geld und Gut eröffnen zwar alle Schlösser zur menschlichen Ehre/ Vorzug/ Hoheit und Ansehen; allein der sich lässt an deme begnügen/ was er hat/ der ruhet weit sicherer/ und schläffet bey seinem Vermögen viel sänffterer. Man bedarff eben so viel Glücke und Vorsichtigkeit zum reich werden/ als Kunst zur Frömmigkeit. Dem Pluto/ als einem Gott des Reichthums/ dichtet man an/ wie derselbe sich zum hefftigsten beschweret/ daß Er niemahls ehrliche und fromme Leute mit seinen Gütern und Reichthume erfreuen könne: Denn weil Er blind gebohren/ und aufrichtige und redliche Menschen dünne gesäet/ so würde Er gemeiniglich entweder von Finantzierern/ Geitzhälsen / Wucherern/ und andern Geld-begierigen aufgefangen/ und zur gefänglichen Hafft gebracht/ daß Er nothwendig das Armuth/ und die Nothleidenden zu bedencken unterlassen müste. Dahero das Sprichwort entstanden: Wer viel nimmt/ und nicht viel giebt: Wer allzu viel zusaget/ und das Allerwenigste hält: Wer viel borget / und auf Credit schreiben lässet/ und nicht wieder Carnivorus. bezahlt/ der schiffet letzlich nach dem Flusse Acheron. Cerberus heist sonst nach dem Griechischen ein Fleischfresser: Alle die jenigen / welche ihren Unterthanen das Fell über die Ohren ziehen/ sind van solcher Art. Niemand ist gerne unter einem Strengen und Geitzigen: Je mächtiger man ist / je mehr stehet es Einem zu/ daß Er seine Gewalt dahin richte/ damit Jederman Recht und Gerechtigkeit wiederfahre. Wañ der Grosse den Kleinern für einen Schwam̃ hält/ so frisst Er endlich den Tod daran: Nicht alle Tage wachsen <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0581" n="555"/> chen Meisterin. Alles und jedes aber gestehet in einer stetswährenden Unbeständigkeit/ die Sonne läufft fort / und der Mond hält seine Abwechselung. Die Natur zeitiget/ und muß auch wieder Platz geben. Sie verbindet sich öffters mit der Kunst und Wissenschafft wider die Unsterblichkeit/ und wird darüber in betrügliche Hoffnung gesetzet. Keine genauere Verbindung giebet es/ als die zwischen der Seele/ und dem Leibe / welche aber dergestalt einander entgegen; also/ daß eines die Keuschheit und Mässigkeit/ die Zucht und Erbarkeit/ und die Redlichkeit und Gottesfurcht liebet; das andere aber diese alle hasset/ nichts als Mord und Todschlag / Unzucht und Hurerey/ Gewalt und Grausamkeit/ Schande und Laster verübet. Beydeschweben auf einer Wage/ was dem Einen abgehet/ das gehet dem Andern zu: Wann der Leib sich wohl wartet/ das gehet der Seele ab/ und wann die seele wohl stehet/ so führet der Leib stets seine Klage. Der Leib ist nichts anders als ein Gefängnus der Seele/ und die Welt ein Kercker des Leibes/ woraus uns nicht zu brechen erlaubt/ es sey dann durch die Pforte des Todes.</p> <p><note place="right">Natal. Comes.</note> Wollen wir aber Ethicè davon reden/ so ist und bedeutet dieser Cerberus nichs anders als den Geitz/ und die Begierde des Reichthums/ welches gemeiniglich/ nachdem man es erlanget/ und besessen / hinwiederum liederlich verwendet und geschwächet wird. Wer Reichthum und einen ehrlichen Nahmen hat/ der ist zwar zeitlich glückseelig/ allein man soll das einen mit guter Vernunfft besitzen/ und das andere durch einen unsträfflichen Wandel erhalten. Alle Reiche und Wohlvermögende/ welche sich mit ihrem überflüssigen Reichthum keine Freunde machen/ haben keinen grösseren Feind / als eben dasselbige/ dieweil es der Seelen Aussatz/ ihr Gifft und Pestilentz ist. Alle Geitzigen suchen ihren Himmel in dem Rothe der Vergänglichkeit / sischen in dem trüben Wasser/ und ersäuffen sich vielmahls selbst darüber. Reichthümer vergleichen sich mit dem Saltze/ je mehr man darvon geneust/ je mehr Durst hat man darnach. Geld und Gut eröffnen zwar alle Schlösser zur menschlichen Ehre/ Vorzug/ Hoheit und Ansehen; allein der sich lässt an deme begnügen/ was er hat/ der ruhet weit sicherer/ und schläffet bey seinem Vermögen viel sänffterer. Man bedarff eben so viel Glücke und Vorsichtigkeit zum reich werden/ als Kunst zur Frömmigkeit. Dem Pluto/ als einem Gott des Reichthums/ dichtet man an/ wie derselbe sich zum hefftigsten beschweret/ daß Er niemahls ehrliche und fromme Leute mit seinen Gütern und Reichthume erfreuen könne: Denn weil Er blind gebohren/ und aufrichtige und redliche Menschen dünne gesäet/ so würde Er gemeiniglich entweder von Finantzierern/ Geitzhälsen / Wucherern/ und andern Geld-begierigen aufgefangen/ und zur gefänglichen Hafft gebracht/ daß Er nothwendig das Armuth/ und die Nothleidenden zu bedencken unterlassen müste. Dahero das Sprichwort entstanden: Wer viel nimmt/ und nicht viel giebt: Wer allzu viel zusaget/ und das Allerwenigste hält: Wer viel borget / und auf Credit schreiben lässet/ und nicht wieder <note place="right">Carnivorus.</note> bezahlt/ der schiffet letzlich nach dem Flusse Acheron. Cerberus heist sonst nach dem Griechischen ein Fleischfresser: Alle die jenigen / welche ihren Unterthanen das Fell über die Ohren ziehen/ sind van solcher Art. Niemand ist gerne unter einem Strengen und Geitzigen: Je mächtiger man ist / je mehr stehet es Einem zu/ daß Er seine Gewalt dahin richte/ damit Jederman Recht und Gerechtigkeit wiederfahre. Wañ der Grosse den Kleinern für einen Schwam̃ hält/ so frisst Er endlich den Tod daran: Nicht alle Tage wachsen </p> </div> </body> </text> </TEI> [555/0581]
chen Meisterin. Alles und jedes aber gestehet in einer stetswährenden Unbeständigkeit/ die Sonne läufft fort / und der Mond hält seine Abwechselung. Die Natur zeitiget/ und muß auch wieder Platz geben. Sie verbindet sich öffters mit der Kunst und Wissenschafft wider die Unsterblichkeit/ und wird darüber in betrügliche Hoffnung gesetzet. Keine genauere Verbindung giebet es/ als die zwischen der Seele/ und dem Leibe / welche aber dergestalt einander entgegen; also/ daß eines die Keuschheit und Mässigkeit/ die Zucht und Erbarkeit/ und die Redlichkeit und Gottesfurcht liebet; das andere aber diese alle hasset/ nichts als Mord und Todschlag / Unzucht und Hurerey/ Gewalt und Grausamkeit/ Schande und Laster verübet. Beydeschweben auf einer Wage/ was dem Einen abgehet/ das gehet dem Andern zu: Wann der Leib sich wohl wartet/ das gehet der Seele ab/ und wann die seele wohl stehet/ so führet der Leib stets seine Klage. Der Leib ist nichts anders als ein Gefängnus der Seele/ und die Welt ein Kercker des Leibes/ woraus uns nicht zu brechen erlaubt/ es sey dann durch die Pforte des Todes.
Wollen wir aber Ethicè davon reden/ so ist und bedeutet dieser Cerberus nichs anders als den Geitz/ und die Begierde des Reichthums/ welches gemeiniglich/ nachdem man es erlanget/ und besessen / hinwiederum liederlich verwendet und geschwächet wird. Wer Reichthum und einen ehrlichen Nahmen hat/ der ist zwar zeitlich glückseelig/ allein man soll das einen mit guter Vernunfft besitzen/ und das andere durch einen unsträfflichen Wandel erhalten. Alle Reiche und Wohlvermögende/ welche sich mit ihrem überflüssigen Reichthum keine Freunde machen/ haben keinen grösseren Feind / als eben dasselbige/ dieweil es der Seelen Aussatz/ ihr Gifft und Pestilentz ist. Alle Geitzigen suchen ihren Himmel in dem Rothe der Vergänglichkeit / sischen in dem trüben Wasser/ und ersäuffen sich vielmahls selbst darüber. Reichthümer vergleichen sich mit dem Saltze/ je mehr man darvon geneust/ je mehr Durst hat man darnach. Geld und Gut eröffnen zwar alle Schlösser zur menschlichen Ehre/ Vorzug/ Hoheit und Ansehen; allein der sich lässt an deme begnügen/ was er hat/ der ruhet weit sicherer/ und schläffet bey seinem Vermögen viel sänffterer. Man bedarff eben so viel Glücke und Vorsichtigkeit zum reich werden/ als Kunst zur Frömmigkeit. Dem Pluto/ als einem Gott des Reichthums/ dichtet man an/ wie derselbe sich zum hefftigsten beschweret/ daß Er niemahls ehrliche und fromme Leute mit seinen Gütern und Reichthume erfreuen könne: Denn weil Er blind gebohren/ und aufrichtige und redliche Menschen dünne gesäet/ so würde Er gemeiniglich entweder von Finantzierern/ Geitzhälsen / Wucherern/ und andern Geld-begierigen aufgefangen/ und zur gefänglichen Hafft gebracht/ daß Er nothwendig das Armuth/ und die Nothleidenden zu bedencken unterlassen müste. Dahero das Sprichwort entstanden: Wer viel nimmt/ und nicht viel giebt: Wer allzu viel zusaget/ und das Allerwenigste hält: Wer viel borget / und auf Credit schreiben lässet/ und nicht wieder bezahlt/ der schiffet letzlich nach dem Flusse Acheron. Cerberus heist sonst nach dem Griechischen ein Fleischfresser: Alle die jenigen / welche ihren Unterthanen das Fell über die Ohren ziehen/ sind van solcher Art. Niemand ist gerne unter einem Strengen und Geitzigen: Je mächtiger man ist / je mehr stehet es Einem zu/ daß Er seine Gewalt dahin richte/ damit Jederman Recht und Gerechtigkeit wiederfahre. Wañ der Grosse den Kleinern für einen Schwam̃ hält/ so frisst Er endlich den Tod daran: Nicht alle Tage wachsen
Natal. Comes.
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Zitationshilfe: | [N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685, S. 555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_schauplatz_1685/581>, abgerufen am 16.02.2025. |