[N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685.Leute/ die der Heerde wohl vorstehen: Grosser Herren Intraden und Einkünffte scheinen öffters einem wassersichtigen Leibe ähnlich zu seyn/ denn wann der zunimt/ so nehmen die Glieder seiner Unterthanen ab; dahero sagte König Alphonsus in Arragonien sehr weislich: Ich achte die für meine Liebsten und besten Unterthanen/ welche sich mehr fürchten/ wenn es mir übel ergehet/ als daß es Ihnen durch mich übel ergehen möge. Eines Fürsten Weisheit bestehet unter andern auch darinne/ daß er sich und die Seinigen wohl zu regieren wissen. Weit sehr betreugt sich der/ so sich der Seinigen weder annimmet/ noch höret/ sondern den Ohrenbläsern in Allen Gehör Castald[unleserliches Material] de Imperio quaest. 59. giebet. Malus Princeps Capo dicitur, & Gallinae modum habet: Nam sicuti gallina non cantat, nec horas nunciat: Sic malus Princeps nec justitiam, nec pacem praedicat. Keyser Carln des Fünfften Tochter Eleonora bat täglich für ihre Gutthäter/ und als sie befragt wurde/ was sie darmit verstünde/ sprach sie: Ich meine dardurch meine Unterthanen/ welche mich durch ihren sauren Schweiß und Mühe erhalten/ und ob sie schon solches aus einer Schuldigkeit thun/ so gereicht es mir doch zur Gutthat/ dadurch Ich mich in meinem Stande/ worein mich GOtt gesetzt/ desto besser hinbringen könne. Wie nun eines von Grausamkeit beflechkten Gewissens die Schande der erste Lohn ist: Also hat sich gegentheils ein Herr über seiner Unterthanen Ehre/ Wolfarth und Ausnehmen beydes zu ergötzen/ und zu ersfeuen. Nam omnes subditorum virtutes redundant in Magistratum. Cerberus war/ wie Etliche wollen/ dreyköpffigt/ wormit er umb sich beissen kunnte. Die Welt bestehet in Weit mehr Lastern/ welche gleichsam aus dem gifftigen Brunnen des Geitzes ihren Ursprung nehmen. Der Mensch hat in dieser Vergänglichkeit zween Haubt-Feinde/ nemlich den Geitz und die Ehrsucht / was jener sammlet/ das zerstreuet diese. Jener ist ein Hahn/ der alles zusammen scharret und kratzet; diese aber eine Henne/ die solches hinwieder verscharret. Der Welt Eigenschafften. Alle Dinge lauffen in der Welt wie ein Rad/ und mit ihr die Menschen/ welche bald oben/ bald unten/ bald fallen/ bald stürtzen. Des Menschen Thun und Wesen wird an einem Stücke fortgetrieben/ nur daß die Personen in solchem Spiele abtretten/ und an statt Jhrer Andere aufgeführet werden. Das zeitliche Reichthum ist eine Finsternus / darinne Niemand/ ohne besonderen Anstoß/ zu wandeln vermag. Die meisten Sorgen gehen dahin/ wie man Gut und Ehre erlange. Alles laufft widereinander: Der Furchtsame führet seine eigene Waffen wider sich selbst: Die Aberwitzigen leben ohne Lust des Lebens: Die Räuber greiffen zu/ ehe ihnen die Hände gebunden: Die Abgötter opffern ihnen ihre eigene Flüch: Das Allmosen der Dürfftigen unterlässet man aus Kargheit: Mord und Todtschlag ist das gemeine. Aller Aufruhr und Zwietracht sind Heerführer des menschlichen Jammers und Elendes: Was man mit redlichen und aufrichtigen Stücken nicht kan zuwege bringen/ das führet der Betrug auf. Niemahls/ oder gar wenig findet man die Keuschheit in der Füllerey / die Demuth im Reichthum/ und die Warheit bey vielen Geschwätze: Der Undanck ist bey getreuen Diensten am nechsten: Die Faulheit suchet ihren Herrn/ da sie am meisten feyert. Der Ehrgeitz gebiehret die greulichsten Günden/ und lehret die Menschen ungetreue Thaten vor die Hand zu nehmen: Die Trägheit verleitet die Lust zur Tugend: Niemand wird mit euserlichen Lastern gebohren/ und gleichwohl schleppet man sich mit denenselben bis in das Grab. Was die Erbarkeit aussäet / Leute/ die der Heerde wohl vorstehen: Grosser Herren Intraden und Einkünffte scheinen öffters einem wassersichtigen Leibe ähnlich zu seyn/ denn wann der zunimt/ so nehmen die Glieder seiner Unterthanen ab; dahero sagte König Alphonsus in Arragonien sehr weislich: Ich achte die für meine Liebsten und besten Unterthanen/ welche sich mehr fürchten/ wenn es mir übel ergehet/ als daß es Ihnen durch mich übel ergehen möge. Eines Fürsten Weisheit bestehet unter andern auch darinne/ daß er sich und die Seinigen wohl zu regieren wissen. Weit sehr betreugt sich der/ so sich der Seinigen weder annimmet/ noch höret/ sondern den Ohrenbläsern in Allen Gehör Castald[unleserliches Material] de Imperio quaest. 59. giebet. Malus Princeps Capo dicitur, & Gallinae modum habet: Nam sicuti gallina non cantat, nec horas nunciat: Sic malus Princeps nec justitiam, nec pacem praedicat. Keyser Carln des Fünfften Tochter Eleonora bat täglich für ihre Gutthäter/ und als sie befragt wurde/ was sie darmit verstünde/ sprach sie: Ich meine dardurch meine Unterthanen/ welche mich durch ihren sauren Schweiß und Mühe erhalten/ und ob sie schon solches aus einer Schuldigkeit thun/ so gereicht es mir doch zur Gutthat/ dadurch Ich mich in meinem Stande/ worein mich GOtt gesetzt/ desto besser hinbringen könne. Wie nun eines von Grausamkeit beflechkten Gewissens die Schande der erste Lohn ist: Also hat sich gegentheils ein Herr über seiner Unterthanen Ehre/ Wolfarth und Ausnehmen beydes zu ergötzen/ und zu ersfeuen. Nam omnes subditorum virtutes redundant in Magistratum. Cerberus war/ wie Etliche wollen/ dreyköpffigt/ wormit er umb sich beissen kunnte. Die Welt bestehet in Weit mehr Lastern/ welche gleichsam aus dem gifftigen Brunnen des Geitzes ihren Ursprung nehmen. Der Mensch hat in dieser Vergänglichkeit zween Haubt-Feinde/ nemlich den Geitz und die Ehrsucht / was jener sammlet/ das zerstreuet diese. Jener ist ein Hahn/ der alles zusammen scharret und kratzet; diese aber eine Henne/ die solches hinwieder verscharret. Der Welt Eigenschafften. Alle Dinge lauffen in der Welt wie ein Rad/ und mit ihr die Menschen/ welche bald oben/ bald unten/ bald fallen/ bald stürtzen. Des Menschen Thun und Wesen wird an einem Stücke fortgetrieben/ nur daß die Personen in solchem Spiele abtretten/ und an statt Jhrer Andere aufgeführet werden. Das zeitliche Reichthum ist eine Finsternus / darinne Niemand/ ohne besonderen Anstoß/ zu wandeln vermag. Die meisten Sorgen gehen dahin/ wie man Gut und Ehre erlange. Alles laufft widereinander: Der Furchtsame führet seine eigene Waffen wider sich selbst: Die Aberwitzigen leben ohne Lust des Lebens: Die Räuber greiffen zu/ ehe ihnen die Hände gebunden: Die Abgötter opffern ihnen ihre eigene Flüch: Das Allmosen der Dürfftigen unterlässet man aus Kargheit: Mord und Todtschlag ist das gemeine. Aller Aufruhr und Zwietracht sind Heerführer des menschlichen Jammers und Elendes: Was man mit redlichen und aufrichtigen Stücken nicht kan zuwege bringen/ das führet der Betrug auf. Niemahls/ oder gar wenig findet man die Keuschheit in der Füllerey / die Demuth im Reichthum/ und die Warheit bey vielen Geschwätze: Der Undanck ist bey getreuen Diensten am nechsten: Die Faulheit suchet ihren Herrn/ da sie am meisten feyert. Der Ehrgeitz gebiehret die greulichsten Günden/ und lehret die Menschen ungetreue Thaten vor die Hand zu nehmen: Die Trägheit verleitet die Lust zur Tugend: Niemand wird mit euserlichen Lastern gebohren/ und gleichwohl schleppet man sich mit denenselben bis in das Grab. Was die Erbarkeit aussäet / <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0582" n="556"/> Leute/ die der Heerde wohl vorstehen: Grosser Herren Intraden und Einkünffte scheinen öffters einem wassersichtigen Leibe ähnlich zu seyn/ denn wann der zunimt/ so nehmen die Glieder seiner Unterthanen ab; dahero sagte König Alphonsus in Arragonien sehr weislich: Ich achte die für meine Liebsten und besten Unterthanen/ welche sich mehr fürchten/ wenn es mir übel ergehet/ als daß es Ihnen durch mich übel ergehen möge. Eines Fürsten Weisheit bestehet unter andern auch darinne/ daß er sich und die Seinigen wohl zu regieren wissen. Weit sehr betreugt sich der/ so sich der Seinigen weder annimmet/ noch höret/ sondern den Ohrenbläsern in Allen Gehör <note place="left">Castald<gap reason="illegible"/> de Imperio quaest. 59.</note> giebet. Malus Princeps Capo dicitur, & Gallinae modum habet: Nam sicuti gallina non cantat, nec horas nunciat: Sic malus Princeps nec justitiam, nec pacem praedicat. Keyser Carln des Fünfften Tochter Eleonora bat täglich für ihre Gutthäter/ und als sie befragt wurde/ was sie darmit verstünde/ sprach sie: Ich meine dardurch meine Unterthanen/ welche mich durch ihren sauren Schweiß und Mühe erhalten/ und ob sie schon solches aus einer Schuldigkeit thun/ so gereicht es mir doch zur Gutthat/ dadurch Ich mich in meinem Stande/ worein mich GOtt gesetzt/ desto besser hinbringen könne. Wie nun eines von Grausamkeit beflechkten Gewissens die Schande der erste Lohn ist: Also hat sich gegentheils ein Herr über seiner Unterthanen Ehre/ Wolfarth und Ausnehmen beydes zu ergötzen/ und zu ersfeuen. Nam omnes subditorum virtutes redundant in Magistratum. Cerberus war/ wie Etliche wollen/ dreyköpffigt/ wormit er umb sich beissen kunnte. Die Welt bestehet in Weit mehr Lastern/ welche gleichsam aus dem gifftigen Brunnen des Geitzes ihren Ursprung nehmen. Der Mensch hat in dieser Vergänglichkeit zween Haubt-Feinde/ nemlich den Geitz und die Ehrsucht / was jener sammlet/ das zerstreuet diese. Jener ist ein Hahn/ der alles zusammen scharret und kratzet; diese aber eine Henne/ die solches hinwieder verscharret.</p> <p><note place="left">Der Welt Eigenschafften.</note> Alle Dinge lauffen in der Welt wie ein Rad/ und mit ihr die Menschen/ welche bald oben/ bald unten/ bald fallen/ bald stürtzen. Des Menschen Thun und Wesen wird an einem Stücke fortgetrieben/ nur daß die Personen in solchem Spiele abtretten/ und an statt Jhrer Andere aufgeführet werden. Das zeitliche Reichthum ist eine Finsternus / darinne Niemand/ ohne besonderen Anstoß/ zu wandeln vermag. Die meisten Sorgen gehen dahin/ wie man Gut und Ehre erlange. Alles laufft widereinander: Der Furchtsame führet seine eigene Waffen wider sich selbst: Die Aberwitzigen leben ohne Lust des Lebens: Die Räuber greiffen zu/ ehe ihnen die Hände gebunden: Die Abgötter opffern ihnen ihre eigene Flüch: Das Allmosen der Dürfftigen unterlässet man aus Kargheit: Mord und Todtschlag ist das gemeine. Aller Aufruhr und Zwietracht sind Heerführer des menschlichen Jammers und Elendes: Was man mit redlichen und aufrichtigen Stücken nicht kan zuwege bringen/ das führet der Betrug auf. Niemahls/ oder gar wenig findet man die Keuschheit in der Füllerey / die Demuth im Reichthum/ und die Warheit bey vielen Geschwätze: Der Undanck ist bey getreuen Diensten am nechsten: Die Faulheit suchet ihren Herrn/ da sie am meisten feyert. Der Ehrgeitz gebiehret die greulichsten Günden/ und lehret die Menschen ungetreue Thaten vor die Hand zu nehmen: Die Trägheit verleitet die Lust zur Tugend: Niemand wird mit euserlichen Lastern gebohren/ und gleichwohl schleppet man sich mit denenselben bis in das Grab. Was die Erbarkeit aussäet /</p> </div> </body> </text> </TEI> [556/0582]
Leute/ die der Heerde wohl vorstehen: Grosser Herren Intraden und Einkünffte scheinen öffters einem wassersichtigen Leibe ähnlich zu seyn/ denn wann der zunimt/ so nehmen die Glieder seiner Unterthanen ab; dahero sagte König Alphonsus in Arragonien sehr weislich: Ich achte die für meine Liebsten und besten Unterthanen/ welche sich mehr fürchten/ wenn es mir übel ergehet/ als daß es Ihnen durch mich übel ergehen möge. Eines Fürsten Weisheit bestehet unter andern auch darinne/ daß er sich und die Seinigen wohl zu regieren wissen. Weit sehr betreugt sich der/ so sich der Seinigen weder annimmet/ noch höret/ sondern den Ohrenbläsern in Allen Gehör giebet. Malus Princeps Capo dicitur, & Gallinae modum habet: Nam sicuti gallina non cantat, nec horas nunciat: Sic malus Princeps nec justitiam, nec pacem praedicat. Keyser Carln des Fünfften Tochter Eleonora bat täglich für ihre Gutthäter/ und als sie befragt wurde/ was sie darmit verstünde/ sprach sie: Ich meine dardurch meine Unterthanen/ welche mich durch ihren sauren Schweiß und Mühe erhalten/ und ob sie schon solches aus einer Schuldigkeit thun/ so gereicht es mir doch zur Gutthat/ dadurch Ich mich in meinem Stande/ worein mich GOtt gesetzt/ desto besser hinbringen könne. Wie nun eines von Grausamkeit beflechkten Gewissens die Schande der erste Lohn ist: Also hat sich gegentheils ein Herr über seiner Unterthanen Ehre/ Wolfarth und Ausnehmen beydes zu ergötzen/ und zu ersfeuen. Nam omnes subditorum virtutes redundant in Magistratum. Cerberus war/ wie Etliche wollen/ dreyköpffigt/ wormit er umb sich beissen kunnte. Die Welt bestehet in Weit mehr Lastern/ welche gleichsam aus dem gifftigen Brunnen des Geitzes ihren Ursprung nehmen. Der Mensch hat in dieser Vergänglichkeit zween Haubt-Feinde/ nemlich den Geitz und die Ehrsucht / was jener sammlet/ das zerstreuet diese. Jener ist ein Hahn/ der alles zusammen scharret und kratzet; diese aber eine Henne/ die solches hinwieder verscharret.
Castald_ de Imperio quaest. 59. Alle Dinge lauffen in der Welt wie ein Rad/ und mit ihr die Menschen/ welche bald oben/ bald unten/ bald fallen/ bald stürtzen. Des Menschen Thun und Wesen wird an einem Stücke fortgetrieben/ nur daß die Personen in solchem Spiele abtretten/ und an statt Jhrer Andere aufgeführet werden. Das zeitliche Reichthum ist eine Finsternus / darinne Niemand/ ohne besonderen Anstoß/ zu wandeln vermag. Die meisten Sorgen gehen dahin/ wie man Gut und Ehre erlange. Alles laufft widereinander: Der Furchtsame führet seine eigene Waffen wider sich selbst: Die Aberwitzigen leben ohne Lust des Lebens: Die Räuber greiffen zu/ ehe ihnen die Hände gebunden: Die Abgötter opffern ihnen ihre eigene Flüch: Das Allmosen der Dürfftigen unterlässet man aus Kargheit: Mord und Todtschlag ist das gemeine. Aller Aufruhr und Zwietracht sind Heerführer des menschlichen Jammers und Elendes: Was man mit redlichen und aufrichtigen Stücken nicht kan zuwege bringen/ das führet der Betrug auf. Niemahls/ oder gar wenig findet man die Keuschheit in der Füllerey / die Demuth im Reichthum/ und die Warheit bey vielen Geschwätze: Der Undanck ist bey getreuen Diensten am nechsten: Die Faulheit suchet ihren Herrn/ da sie am meisten feyert. Der Ehrgeitz gebiehret die greulichsten Günden/ und lehret die Menschen ungetreue Thaten vor die Hand zu nehmen: Die Trägheit verleitet die Lust zur Tugend: Niemand wird mit euserlichen Lastern gebohren/ und gleichwohl schleppet man sich mit denenselben bis in das Grab. Was die Erbarkeit aussäet /
Der Welt Eigenschafften.
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Zitationshilfe: | [N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_schauplatz_1685/582>, abgerufen am 10.06.2024. |