[N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685.man aber beyde ansiehet/ so muß billich die Kunst der Natur weichen/ weil Jene ohne diese nichts künstliches herfür zu bringen vermag. Denn weil die Kunst von dem Menschen/ und der Natur Geschöpffe herrühret/ so muß vorhero solche durch Fleiß und Mühe erlernet / hernacher der Natur beygesellet/ und vermittelst deroselben Werck-Zeuge besser ausgearbeitet werden. Je mebr Kegenten an Jahren zunehmen/ je mebr sie der Laster sollen müssig geben. Hier weiset uns auch Saturnus, wie sich Potentaten sollen in der Jugend/ und denn im Alter verhalten: Es ist bey dem JOVE gedacht/ daß Er sich in seiner Jugend mit gewisser Bedingung des Reichs verziehen/ und solches seinem Bruder aus Unbedachtsamkeit überlassen/ auch hernach seinem Sohne dem JOVI selbst nach dem Leben gestanden/ und darüber des Landes verlustiget/ auch hernach zu einem klügeren Leben gebracht worden: Wann die Jugend/ sagt man/ so verständig wäre/ als das Alter/ so würde viel Thorheit unterbleiben: Seltenruhet dieselbe/ und die Weißheit unter einem Dache. Denn wenn die Kinder-Schue zerrissen/ so legt man erst die Stiefeln an: Nur allein die jenigen Anschläge sind heilsam/ welche von dem Alter der Weißheit unterbauet werden: Böse Gesellschafften verderben auch die edelsten Gemüther. Die jenigen thun wohl/ wenn sie dieselben mit der Schärffe erhalten / damit sie das jenige/ womit sie sich die Zeit ihres Lebens ernehren sollen / desto eher begreiffen. Gleichwie aber Zucht und Tugend/ Kunst und Geschicklichkeit dieselbe zieret: Also pfleget auch das Alter dahin seine Zuflucht zu nehmen. Was kan aber verkehrter gefunden werden/ als wenn man aus dem Alter umkehret/ sich gleichsam wieder in die Jugend wirfft/ und mit derselben allerhand Laster anmasset. Keiner wird das widersprechen/ daß beyde Alte und Junge ein reines und tugend hafftes Leben zu führen verpflichtet; Es wird aber in diesem Stücke Einem die Schuld mehr/ als dem andern beygemessen. Denn obgleich die Jungen einen Excess begehen/ so geschiehet doch solches aus Unwissenheit/ der Alte aber thut es aus Bsoheit. Wer will alt seyn/ der muß sich so halten/ wie einem Alten gebühret: Mässig im Leben: Erbar in Kleidung: Behutsam in Reden: Verständig im Rathen: Löblich im Regimente: Gedultig im Widerwärtigkeit und rein von Lastern. Die Jugend weiß offters nicht/ was sie wissen sollte/ dahero kein Wunder/ daß sie der Welt folget/ weil es aber die Alten besser verstehen/ so haben sie die Laster desto eher zu meiden. Kein grösserer Betrug ist/ als wenn der Mensch sich selbst betreugt. Die Welt ist viel schlimmer als wir: So offt als wir von den Lastern/ von unsern Begierden / und von unserem Fleische hintergangen werden: So offt gehen wir wieder daran / die Welt aber ist so schlimm/ daß sie uns ohn Unterlaß berücket/ und wenn sie uns unterwürffig gemacht/ so nöthiget sie uns/ daß wir thun müssen/ was wir nicht gerne wollen. Als Saturnus seine Jugend-Mängel erkannte/ kehrete er um/ und begab sich zu einem weisen Leben: Ebener Gestalt soll ein Weiser und Verständiger bedencken / was er thue/ rede/ anfahe/ und wem er sich vertraue: Unsere angeerbte böse Natur ist nichts anders/ als eine Zerstörerin unsers Verstandes/ unser Verstand ein Richter/ unsere Begierde ein Hencker der Jungend/ die Jugend eine Verführerin des Alters/ und das Alter ein Verkündiger des Todes: Der Mensch veral- man aber beyde ansiehet/ so muß billich die Kunst der Natur weichen/ weil Jene ohne diese nichts künstliches herfür zu bringen vermag. Denn weil die Kunst von dem Menschen/ und der Natur Geschöpffe herrühret/ so muß vorhero solche durch Fleiß und Mühe erlernet / hernacher der Natur beygesellet/ und vermittelst deroselben Werck-Zeuge besser ausgearbeitet werden. Je mebr Kegenten an Jahren zunehmen/ je mebr sie der Laster sollen müssig geben. Hier weiset uns auch Saturnus, wie sich Potentaten sollen in der Jugend/ und denn im Alter verhalten: Es ist bey dem JOVE gedacht/ daß Er sich in seiner Jugend mit gewisser Bedingung des Reichs verziehen/ und solches seinem Bruder aus Unbedachtsamkeit überlassen/ auch hernach seinem Sohne dem JOVI selbst nach dem Leben gestanden/ und darüber des Landes verlustiget/ auch hernach zu einem klügeren Leben gebracht worden: Wann die Jugend/ sagt man/ so verständig wäre/ als das Alter/ so würde viel Thorheit unterbleiben: Seltenruhet dieselbe/ und die Weißheit unter einem Dache. Denn wenn die Kinder-Schue zerrissen/ so legt man erst die Stiefeln an: Nur allein die jenigen Anschläge sind heilsam/ welche von dem Alter der Weißheit unterbauet werden: Böse Gesellschafften verderben auch die edelsten Gemüther. Die jenigen thun wohl/ wenn sie dieselben mit der Schärffe erhalten / damit sie das jenige/ womit sie sich die Zeit ihres Lebens ernehren sollen / desto eher begreiffen. Gleichwie aber Zucht und Tugend/ Kunst und Geschicklichkeit dieselbe zieret: Also pfleget auch das Alter dahin seine Zuflucht zu nehmen. Was kan aber verkehrter gefunden werden/ als wenn man aus dem Alter umkehret/ sich gleichsam wieder in die Jugend wirfft/ und mit derselben allerhand Laster anmasset. Keiner wird das widersprechen/ daß beyde Alte und Junge ein reines und tugend hafftes Leben zu führen verpflichtet; Es wird aber in diesem Stücke Einem die Schuld mehr/ als dem andern beygemessen. Denn obgleich die Jungen einen Excess begehen/ so geschiehet doch solches aus Unwissenheit/ der Alte aber thut es aus Bsoheit. Wer will alt seyn/ der muß sich so halten/ wie einem Alten gebühret: Mässig im Leben: Erbar in Kleidung: Behutsam in Reden: Verständig im Rathen: Löblich im Regimente: Gedultig im Widerwärtigkeit und rein von Lastern. Die Jugend weiß offters nicht/ was sie wissen sollte/ dahero kein Wunder/ daß sie der Welt folget/ weil es aber die Alten besser verstehen/ so haben sie die Laster desto eher zu meiden. Kein grösserer Betrug ist/ als wenn der Mensch sich selbst betreugt. Die Welt ist viel schlimmer als wir: So offt als wir von den Lastern/ von unsern Begierden / und von unserem Fleische hintergangen werden: So offt gehen wir wieder daran / die Welt aber ist so schlimm/ daß sie uns ohn Unterlaß berücket/ und wenn sie uns unterwürffig gemacht/ so nöthiget sie uns/ daß wir thun müssen/ was wir nicht gerne wollen. Als Saturnus seine Jugend-Mängel erkannte/ kehrete er um/ und begab sich zu einem weisen Leben: Ebener Gestalt soll ein Weiser und Verständiger bedencken / was er thue/ rede/ anfahe/ und wem er sich vertraue: Unsere angeerbte böse Natur ist nichts anders/ als eine Zerstörerin unsers Verstandes/ unser Verstand ein Richter/ unsere Begierde ein Hencker der Jungend/ die Jugend eine Verführerin des Alters/ und das Alter ein Verkündiger des Todes: Der Mensch veral- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0209" n="183"/> man aber beyde ansiehet/ so muß billich die Kunst der Natur weichen/ weil Jene ohne diese nichts künstliches herfür zu bringen vermag. Denn weil die Kunst von dem Menschen/ und der Natur Geschöpffe herrühret/ so muß vorhero solche durch Fleiß und Mühe erlernet / hernacher der Natur beygesellet/ und vermittelst deroselben Werck-Zeuge besser ausgearbeitet werden.</p> <p><note place="right">Je mebr Kegenten an Jahren zunehmen/ je mebr sie der Laster sollen müssig geben.</note> Hier weiset uns auch Saturnus, wie sich Potentaten sollen in der Jugend/ und denn im Alter verhalten: Es ist bey dem JOVE gedacht/ daß Er sich in seiner Jugend mit gewisser Bedingung des Reichs verziehen/ und solches seinem Bruder aus Unbedachtsamkeit überlassen/ auch hernach seinem Sohne dem JOVI selbst nach dem Leben gestanden/ und darüber des Landes verlustiget/ auch hernach zu einem klügeren Leben gebracht worden: Wann die Jugend/ sagt man/ so verständig wäre/ als das Alter/ so würde viel Thorheit unterbleiben: Seltenruhet dieselbe/ und die Weißheit unter einem Dache. Denn wenn die Kinder-Schue zerrissen/ so legt man erst die Stiefeln an: Nur allein die jenigen Anschläge sind heilsam/ welche von dem Alter der Weißheit unterbauet werden: Böse Gesellschafften verderben auch die edelsten Gemüther. Die jenigen thun wohl/ wenn sie dieselben mit der Schärffe erhalten / damit sie das jenige/ womit sie sich die Zeit ihres Lebens ernehren sollen / desto eher begreiffen. Gleichwie aber Zucht und Tugend/ Kunst und Geschicklichkeit dieselbe zieret: Also pfleget auch das Alter dahin seine Zuflucht zu nehmen. Was kan aber verkehrter gefunden werden/ als wenn man aus dem Alter umkehret/ sich gleichsam wieder in die Jugend wirfft/ und mit derselben allerhand Laster anmasset. Keiner wird das widersprechen/ daß beyde Alte und Junge ein reines und tugend hafftes Leben zu führen verpflichtet; Es wird aber in diesem Stücke Einem die Schuld mehr/ als dem andern beygemessen. Denn obgleich die Jungen einen Excess begehen/ so geschiehet doch solches aus Unwissenheit/ der Alte aber thut es aus Bsoheit. Wer will alt seyn/ der muß sich so halten/ wie einem Alten gebühret: Mässig im Leben: Erbar in Kleidung: Behutsam in Reden: Verständig im Rathen: Löblich im Regimente: Gedultig im Widerwärtigkeit und rein von Lastern. Die Jugend weiß offters nicht/ was sie wissen sollte/ dahero kein Wunder/ daß sie der Welt folget/ weil es aber die Alten besser verstehen/ so haben sie die Laster desto eher zu meiden. Kein grösserer Betrug ist/ als wenn der Mensch sich selbst betreugt. Die Welt ist viel schlimmer als wir: So offt als wir von den Lastern/ von unsern Begierden / und von unserem Fleische hintergangen werden: So offt gehen wir wieder daran / die Welt aber ist so schlimm/ daß sie uns ohn Unterlaß berücket/ und wenn sie uns unterwürffig gemacht/ so nöthiget sie uns/ daß wir thun müssen/ was wir nicht gerne wollen.</p> <p>Als Saturnus seine Jugend-Mängel erkannte/ kehrete er um/ und begab sich zu einem weisen Leben: Ebener Gestalt soll ein Weiser und Verständiger bedencken / was er thue/ rede/ anfahe/ und wem er sich vertraue: Unsere angeerbte böse Natur ist nichts anders/ als eine Zerstörerin unsers Verstandes/ unser Verstand ein Richter/ unsere Begierde ein Hencker der Jungend/ die Jugend eine Verführerin des Alters/ und das Alter ein Verkündiger des Todes: Der Mensch veral- </p> </div> </body> </text> </TEI> [183/0209]
man aber beyde ansiehet/ so muß billich die Kunst der Natur weichen/ weil Jene ohne diese nichts künstliches herfür zu bringen vermag. Denn weil die Kunst von dem Menschen/ und der Natur Geschöpffe herrühret/ so muß vorhero solche durch Fleiß und Mühe erlernet / hernacher der Natur beygesellet/ und vermittelst deroselben Werck-Zeuge besser ausgearbeitet werden.
Hier weiset uns auch Saturnus, wie sich Potentaten sollen in der Jugend/ und denn im Alter verhalten: Es ist bey dem JOVE gedacht/ daß Er sich in seiner Jugend mit gewisser Bedingung des Reichs verziehen/ und solches seinem Bruder aus Unbedachtsamkeit überlassen/ auch hernach seinem Sohne dem JOVI selbst nach dem Leben gestanden/ und darüber des Landes verlustiget/ auch hernach zu einem klügeren Leben gebracht worden: Wann die Jugend/ sagt man/ so verständig wäre/ als das Alter/ so würde viel Thorheit unterbleiben: Seltenruhet dieselbe/ und die Weißheit unter einem Dache. Denn wenn die Kinder-Schue zerrissen/ so legt man erst die Stiefeln an: Nur allein die jenigen Anschläge sind heilsam/ welche von dem Alter der Weißheit unterbauet werden: Böse Gesellschafften verderben auch die edelsten Gemüther. Die jenigen thun wohl/ wenn sie dieselben mit der Schärffe erhalten / damit sie das jenige/ womit sie sich die Zeit ihres Lebens ernehren sollen / desto eher begreiffen. Gleichwie aber Zucht und Tugend/ Kunst und Geschicklichkeit dieselbe zieret: Also pfleget auch das Alter dahin seine Zuflucht zu nehmen. Was kan aber verkehrter gefunden werden/ als wenn man aus dem Alter umkehret/ sich gleichsam wieder in die Jugend wirfft/ und mit derselben allerhand Laster anmasset. Keiner wird das widersprechen/ daß beyde Alte und Junge ein reines und tugend hafftes Leben zu führen verpflichtet; Es wird aber in diesem Stücke Einem die Schuld mehr/ als dem andern beygemessen. Denn obgleich die Jungen einen Excess begehen/ so geschiehet doch solches aus Unwissenheit/ der Alte aber thut es aus Bsoheit. Wer will alt seyn/ der muß sich so halten/ wie einem Alten gebühret: Mässig im Leben: Erbar in Kleidung: Behutsam in Reden: Verständig im Rathen: Löblich im Regimente: Gedultig im Widerwärtigkeit und rein von Lastern. Die Jugend weiß offters nicht/ was sie wissen sollte/ dahero kein Wunder/ daß sie der Welt folget/ weil es aber die Alten besser verstehen/ so haben sie die Laster desto eher zu meiden. Kein grösserer Betrug ist/ als wenn der Mensch sich selbst betreugt. Die Welt ist viel schlimmer als wir: So offt als wir von den Lastern/ von unsern Begierden / und von unserem Fleische hintergangen werden: So offt gehen wir wieder daran / die Welt aber ist so schlimm/ daß sie uns ohn Unterlaß berücket/ und wenn sie uns unterwürffig gemacht/ so nöthiget sie uns/ daß wir thun müssen/ was wir nicht gerne wollen.
Je mebr Kegenten an Jahren zunehmen/ je mebr sie der Laster sollen müssig geben. Als Saturnus seine Jugend-Mängel erkannte/ kehrete er um/ und begab sich zu einem weisen Leben: Ebener Gestalt soll ein Weiser und Verständiger bedencken / was er thue/ rede/ anfahe/ und wem er sich vertraue: Unsere angeerbte böse Natur ist nichts anders/ als eine Zerstörerin unsers Verstandes/ unser Verstand ein Richter/ unsere Begierde ein Hencker der Jungend/ die Jugend eine Verführerin des Alters/ und das Alter ein Verkündiger des Todes: Der Mensch veral-
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