[N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685.unwerth: daß auch kein Freygelassener dieselbe begreiffen durffte. Und nachdem man auch in Gegenwart des erfahrnen Antisthenis einen zierlichen Flöten-Spieler umb des willen lobete / schüttelte derselbe den Kopff/ und sagte: Es mus gewiß dieser ein liederlicher Tropff seyn/ weiln er sonst nichts ehrlichers gelernet. Dieses alles aber ist nichts anders/ als eine grobe Unwissenheit. Denn ein anders ist / wenn man Krieg/ die häußliche Sorge/ und andere gute Wissenschafften mit Verlust des gemeinen Wesens Vorsorge/ der Ehre/ Hoheit/ und der Nahrung an den Nagel henget/ und derselben ohne seiner Profession stets oblieget. Das Feuer hält in sich den grösten Nutzen/ wenn man aber dasselbe wegen seiner Klarheit küssen wollte/ würde man sich darüber das Maul verbrennen. Eine Linie ist eine von den geradesten/ wornach aller Grund geleget werden muß/ wofern man sie aber nicht gerade ziehet/ so wird Sie krumm: Also ergehet es auch denen / die daraus eine Wollust machen/ und dabey ihre Geschäffte hinten ansetzen: Die Music an sich selbst ist nicht verächtlich: Und weil sie die Gemüther der Menschen zu viel wichtigen Dingen capabler und geschickt machet: So ist sie löblich/ ihr Mißbrauch verwerfflich/ und das dadurch gegebene Aergernüs verdammlich. Von der Geometria. DIe Geometria oder Feldmesse-Kunst/ gehet mit nichts als Messen umb: Sie betrachtet die Linien/ und Lineamenta, die Formas, die Spatia, des Corporis Grösse/ das Gewichte/ und die Maaß: Sie misset ab die Höhe eines Thurms/ die distanz und Weite der Oerther mit dem quadrat, oder Meß-Stabe. Sie zeichnet mit Linien, Winckeln/ Creyß und Rund-Zügen nach dem Linial, Winckel-Masse und Circuln gewisse Dinge ab/ und bestehet in stracken und unstracken Linien: Man theilet sie zweyerley Species, in eine gerade/ krumme/ oder beugende Linie: zur geraden Linea gehöret die perpendicularis, die Parallelen, der Angulus rectus, acutus, und obtusus, der Winckel/ oder die Ecke/ die Superficies, die Fläche und Breite mit allen ihren Arten/ deßgleichen die Figur mit dem gleichen und ungleichen Circul/ mit dem Centro, mit dem Umbkreisse des Circuls/ und mit dem halben Circul. Nebenst der Figur ist auch ihr Terminus das jenige/ was äusserlich ist/ und gehöret gleicher Gestalt die Pyramis, der Triangel, der Gevierte/ der Gefünffte und der Gesechste darzu. Zur andern Specie der Geometriae kömmt der Meß-Staab/ der Quadrant, die Bleywage/ das Richt-Scheid / die Richt-Schnure/ das Winckel-Eisen/ der Jacobs-Stab/ und die Meß-Ruthe. Durch die Altimetria misset man die Höhe/ durch die Planimetria die Länge und Breite/ und durch die Stereometria die Breite/ Länge und Tieffe aus. Man hält dafür/ daß die Land-Messung erstlich die Aegyptier erfunden. Caelius Rhod. l. 18. c. 34. Denn nachdem bey Jhnen sich der Fluß Nilus dermassen ergossen/ daß er fast iedesmahl der Einwohner Grentz-Zeichen mit hinweggerissen/ hätte man zu Verhütung der Unterthanen Zwistigkeit das Land ausmessen/ Einem Jeden sein Theil zutheilen/ und aus Noth diese herrliche Kunst erfinden müssen. Wie sie nun nach des gelehrten Philonis-Meinung eine Mutter vieler Wissenschafften/ ohne welche die Mathematica blind/ die Architectur ein Kind/ und die Cosmographia für Todt zu schätzen: Also hat man sie bald Anfangs in der Welt aufgesuchet/ mit grosser Begierde angenommen/ und sie gleichfalls bis an den Himmel erhoben. Plato ließ wegen Jhrer folgende Worte über sein Auditorium unwerth: daß auch kein Freygelassener dieselbe begreiffen durffte. Und nachdem man auch in Gegenwart des erfahrnen Antisthenis einen zierlichen Flöten-Spieler umb des willen lobete / schüttelte derselbe den Kopff/ und sagte: Es mus gewiß dieser ein liederlicher Tropff seyn/ weiln er sonst nichts ehrlichers gelernet. Dieses alles aber ist nichts anders/ als eine grobe Unwissenheit. Denn ein anders ist / wenn man Krieg/ die häußliche Sorge/ und andere gute Wissenschafften mit Verlust des gemeinen Wesens Vorsorge/ der Ehre/ Hoheit/ und der Nahrung an den Nagel henget/ und derselben ohne seiner Profession stets oblieget. Das Feuer hält in sich den grösten Nutzen/ wenn man aber dasselbe wegen seiner Klarheit küssen wollte/ würde man sich darüber das Maul verbrennen. Eine Linie ist eine von den geradesten/ wornach aller Grund geleget werden muß/ wofern man sie aber nicht gerade ziehet/ so wird Sie krumm: Also ergehet es auch denen / die daraus eine Wollust machen/ und dabey ihre Geschäffte hinten ansetzen: Die Music an sich selbst ist nicht verächtlich: Und weil sie die Gemüther der Menschen zu viel wichtigen Dingen capabler und geschickt machet: So ist sie löblich/ ihr Mißbrauch verwerfflich/ und das dadurch gegebene Aergernüs verdammlich. Von der Geometriâ. DIe Geometria oder Feldmesse-Kunst/ gehet mit nichts als Messen umb: Sie betrachtet die Linien/ und Lineamenta, die Formas, die Spatia, des Corporis Grösse/ das Gewichte/ und die Maaß: Sie misset ab die Höhe eines Thurms/ die distanz und Weite der Oerther mit dem quadrat, oder Meß-Stabe. Sie zeichnet mit Linien, Winckeln/ Creyß und Rund-Zügen nach dem Linial, Winckel-Masse und Circuln gewisse Dinge ab/ und bestehet in stracken und unstracken Linien: Man theilet sie zweyerley Species, in eine gerade/ krumme/ oder beugende Linie: zur geraden Lineâ gehöret die perpendicularis, die Parallelen, der Angulus rectus, acutus, und obtusus, der Winckel/ oder die Ecke/ die Superficies, die Fläche und Breite mit allen ihren Arten/ deßgleichen die Figur mit dem gleichen und ungleichen Circul/ mit dem Centro, mit dem Umbkreisse des Circuls/ und mit dem halben Circul. Nebenst der Figur ist auch ihr Terminus das jenige/ was äusserlich ist/ und gehöret gleicher Gestalt die Pyramis, der Triangel, der Gevierte/ der Gefünffte und der Gesechste darzu. Zur andern Specie der Geometriae kömmt der Meß-Staab/ der Quadrant, die Bleywage/ das Richt-Scheid / die Richt-Schnure/ das Winckel-Eisen/ der Jacobs-Stab/ und die Meß-Ruthe. Durch die Altimetriâ misset man die Höhe/ durch die Planimetriâ die Länge und Breite/ und durch die Stereometriâ die Breite/ Länge und Tieffe aus. Man hält dafür/ daß die Land-Messung erstlich die Aegyptier erfunden. Caelius Rhod. l. 18. c. 34. Denn nachdem bey Jhnen sich der Fluß Nilus dermassen ergossen/ daß er fast iedesmahl der Einwohner Grentz-Zeichen mit hinweggerissen/ hätte man zu Verhütung der Unterthanen Zwistigkeit das Land ausmessen/ Einem Jeden sein Theil zutheilen/ und aus Noth diese herrliche Kunst erfinden müssen. Wie sie nun nach des gelehrten Philonis-Meinung eine Mutter vieler Wissenschafften/ ohne welche die Mathematica blind/ die Architectur ein Kind/ und die Cosmographia für Todt zu schätzen: Also hat man sie bald Anfangs in der Welt aufgesuchet/ mit grosser Begierde angenommen/ und sie gleichfalls bis an den Himmel erhoben. Plato ließ wegen Jhrer folgende Worte über sein Auditorium <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0176" n="156"/> unwerth: daß auch kein Freygelassener dieselbe begreiffen durffte. Und nachdem man auch in Gegenwart des erfahrnen Antisthenis einen zierlichen Flöten-Spieler umb des willen lobete / schüttelte derselbe den Kopff/ und sagte: Es mus gewiß dieser ein liederlicher Tropff seyn/ weiln er sonst nichts ehrlichers gelernet. Dieses alles aber ist nichts anders/ als eine grobe Unwissenheit. Denn ein anders ist / wenn man Krieg/ die häußliche Sorge/ und andere gute Wissenschafften mit Verlust des gemeinen Wesens Vorsorge/ der Ehre/ Hoheit/ und der Nahrung an den Nagel henget/ und derselben ohne seiner Profession stets oblieget.</p> <p>Das Feuer hält in sich den grösten Nutzen/ wenn man aber dasselbe wegen seiner Klarheit küssen wollte/ würde man sich darüber das Maul verbrennen. Eine Linie ist eine von den geradesten/ wornach aller Grund geleget werden muß/ wofern man sie aber nicht gerade ziehet/ so wird Sie krumm: Also ergehet es auch denen / die daraus eine Wollust machen/ und dabey ihre Geschäffte hinten ansetzen: Die Music an sich selbst ist nicht verächtlich: Und weil sie die Gemüther der Menschen zu viel wichtigen Dingen capabler und geschickt machet: So ist sie löblich/ ihr Mißbrauch verwerfflich/ und das dadurch gegebene Aergernüs verdammlich.</p> <p>Von der Geometriâ.</p> <p>DIe Geometria oder Feldmesse-Kunst/ gehet mit nichts als Messen umb: Sie betrachtet die Linien/ und Lineamenta, die Formas, die Spatia, des Corporis Grösse/ das Gewichte/ und die Maaß: Sie misset ab die Höhe eines Thurms/ die distanz und Weite der Oerther mit dem quadrat, oder Meß-Stabe. Sie zeichnet mit Linien, Winckeln/ Creyß und Rund-Zügen nach dem Linial, Winckel-Masse und Circuln gewisse Dinge ab/ und bestehet in stracken und unstracken Linien: Man theilet sie zweyerley Species, in eine gerade/ krumme/ oder beugende Linie: zur geraden Lineâ gehöret die perpendicularis, die Parallelen, der Angulus rectus, acutus, und obtusus, der Winckel/ oder die Ecke/ die Superficies, die Fläche und Breite mit allen ihren Arten/ deßgleichen die Figur mit dem gleichen und ungleichen Circul/ mit dem Centro, mit dem Umbkreisse des Circuls/ und mit dem halben Circul. Nebenst der Figur ist auch ihr Terminus das jenige/ was äusserlich ist/ und gehöret gleicher Gestalt die Pyramis, der Triangel, der Gevierte/ der Gefünffte und der Gesechste darzu. Zur andern Specie der Geometriae kömmt der Meß-Staab/ der Quadrant, die Bleywage/ das Richt-Scheid / die Richt-Schnure/ das Winckel-Eisen/ der Jacobs-Stab/ und die Meß-Ruthe. Durch die Altimetriâ misset man die Höhe/ durch die Planimetriâ die Länge und Breite/ und durch die Stereometriâ die Breite/ Länge und Tieffe aus. Man hält dafür/ daß die Land-Messung erstlich die Aegyptier erfunden. <note place="left">Caelius Rhod. l. 18. c. 34.</note> Denn nachdem bey Jhnen sich der Fluß Nilus dermassen ergossen/ daß er fast iedesmahl der Einwohner Grentz-Zeichen mit hinweggerissen/ hätte man zu Verhütung der Unterthanen Zwistigkeit das Land ausmessen/ Einem Jeden sein Theil zutheilen/ und aus Noth diese herrliche Kunst erfinden müssen. Wie sie nun nach des gelehrten Philonis-Meinung eine Mutter vieler Wissenschafften/ ohne welche die Mathematica blind/ die Architectur ein Kind/ und die Cosmographia für Todt zu schätzen: Also hat man sie bald Anfangs in der Welt aufgesuchet/ mit grosser Begierde angenommen/ und sie gleichfalls bis an den Himmel erhoben. Plato ließ wegen Jhrer folgende Worte über sein Auditorium </p> </div> </body> </text> </TEI> [156/0176]
unwerth: daß auch kein Freygelassener dieselbe begreiffen durffte. Und nachdem man auch in Gegenwart des erfahrnen Antisthenis einen zierlichen Flöten-Spieler umb des willen lobete / schüttelte derselbe den Kopff/ und sagte: Es mus gewiß dieser ein liederlicher Tropff seyn/ weiln er sonst nichts ehrlichers gelernet. Dieses alles aber ist nichts anders/ als eine grobe Unwissenheit. Denn ein anders ist / wenn man Krieg/ die häußliche Sorge/ und andere gute Wissenschafften mit Verlust des gemeinen Wesens Vorsorge/ der Ehre/ Hoheit/ und der Nahrung an den Nagel henget/ und derselben ohne seiner Profession stets oblieget.
Das Feuer hält in sich den grösten Nutzen/ wenn man aber dasselbe wegen seiner Klarheit küssen wollte/ würde man sich darüber das Maul verbrennen. Eine Linie ist eine von den geradesten/ wornach aller Grund geleget werden muß/ wofern man sie aber nicht gerade ziehet/ so wird Sie krumm: Also ergehet es auch denen / die daraus eine Wollust machen/ und dabey ihre Geschäffte hinten ansetzen: Die Music an sich selbst ist nicht verächtlich: Und weil sie die Gemüther der Menschen zu viel wichtigen Dingen capabler und geschickt machet: So ist sie löblich/ ihr Mißbrauch verwerfflich/ und das dadurch gegebene Aergernüs verdammlich.
Von der Geometriâ.
DIe Geometria oder Feldmesse-Kunst/ gehet mit nichts als Messen umb: Sie betrachtet die Linien/ und Lineamenta, die Formas, die Spatia, des Corporis Grösse/ das Gewichte/ und die Maaß: Sie misset ab die Höhe eines Thurms/ die distanz und Weite der Oerther mit dem quadrat, oder Meß-Stabe. Sie zeichnet mit Linien, Winckeln/ Creyß und Rund-Zügen nach dem Linial, Winckel-Masse und Circuln gewisse Dinge ab/ und bestehet in stracken und unstracken Linien: Man theilet sie zweyerley Species, in eine gerade/ krumme/ oder beugende Linie: zur geraden Lineâ gehöret die perpendicularis, die Parallelen, der Angulus rectus, acutus, und obtusus, der Winckel/ oder die Ecke/ die Superficies, die Fläche und Breite mit allen ihren Arten/ deßgleichen die Figur mit dem gleichen und ungleichen Circul/ mit dem Centro, mit dem Umbkreisse des Circuls/ und mit dem halben Circul. Nebenst der Figur ist auch ihr Terminus das jenige/ was äusserlich ist/ und gehöret gleicher Gestalt die Pyramis, der Triangel, der Gevierte/ der Gefünffte und der Gesechste darzu. Zur andern Specie der Geometriae kömmt der Meß-Staab/ der Quadrant, die Bleywage/ das Richt-Scheid / die Richt-Schnure/ das Winckel-Eisen/ der Jacobs-Stab/ und die Meß-Ruthe. Durch die Altimetriâ misset man die Höhe/ durch die Planimetriâ die Länge und Breite/ und durch die Stereometriâ die Breite/ Länge und Tieffe aus. Man hält dafür/ daß die Land-Messung erstlich die Aegyptier erfunden. Denn nachdem bey Jhnen sich der Fluß Nilus dermassen ergossen/ daß er fast iedesmahl der Einwohner Grentz-Zeichen mit hinweggerissen/ hätte man zu Verhütung der Unterthanen Zwistigkeit das Land ausmessen/ Einem Jeden sein Theil zutheilen/ und aus Noth diese herrliche Kunst erfinden müssen. Wie sie nun nach des gelehrten Philonis-Meinung eine Mutter vieler Wissenschafften/ ohne welche die Mathematica blind/ die Architectur ein Kind/ und die Cosmographia für Todt zu schätzen: Also hat man sie bald Anfangs in der Welt aufgesuchet/ mit grosser Begierde angenommen/ und sie gleichfalls bis an den Himmel erhoben. Plato ließ wegen Jhrer folgende Worte über sein Auditorium
Caelius Rhod. l. 18. c. 34.
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Zitationshilfe: | [N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_schauplatz_1685/176>, abgerufen am 26.06.2024. |