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Reichspost. Nr. 168, Wien, 26.07.1900.

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Wien, Donnerstag Reichspost 26. Juli 1900 168

[Spaltenumbruch] Menschenleben als Opfer gefordert hat. Die
unermüdlich fortgesetzten Arbeiten zur Bergung der
beiden unter dem Schutte begrabenen Arbeiter sind
bisher vollkommen resultatlos geblieben. Die Ver-
unglückten sind der 21jährige, ledige Arbeiter Ludwig
Illmayer und der 27jährige Arbeiter Josef
Reindl, verheiratet und Vater von zwei Kindern.
Die übereinstimmenden Darstellungen jener Arbeiter,
welche beim Tunneleinsturz verschüttet waren und
welche nach einer sechsundvierzigstündigen angestrengten
Arbeit aus ihrer qualvollen Situation befreit werden
konnten, lassen jede Hoffnung auf eine Rettung ihrer
beiden Genossen schwinden. Während nämlich die
sämmtlichen bisher geretteten Arbeiter nach dem rück-
wärtigen Theile des Tunnels eilend ihr Heil suchten,
sprangen beim Einbruche der Katastrophe die beiden
Anderen nach vorwärts und es ist nicht ausgeschlossen,
daß erst nach etwa vierzehntägiger Aufräumungsarbeit
es gelingen werde, die Leichen derselben zu bergen.
Das Besinden der geretteten Arbeiter ist durchwegs
zufriedenstellend.

* Warnung vor einer falschen Nachricht.

Das illustrirte "Extrablatt" bringt einen Artikel über
eine angebliche Heirath des im Jahre 1899 ver-
storbenen Erzherzogs Ernst in Laibach. Wir
warnen davor, diesem Erzeugniß der Scandalsucht
Glauben zu schenken; denn es handelt sich dabei, nach
unseren Informationen, um verschiedene Er-
pressungsversuche,
bezüglich welcher das letzte
Wort noch nicht gesprochen ist.

* Festgenommener Strolch.

Die große Hitze,
welche die letzte Woche in Wien herrschte und Jeder-
mann zur Qual wurde, hat für manche Person auch
noch auf andere Art eine unangenehme Folge gehabt.
In den Abendstunden hatten Viele in den verschiedenen
Parkanlagen oder auf der Ringstraße Erquickung ge-
sucht. Sie hatten sich auf Bänke niedergesetzt und
waren ermüdet eingeschlafen. Dies hatte eine bestimmte
Species von Gaunern, die sogenannten Leichenfledderer,
ausgenützt. Sie schlichen sich heran und stahlen den
Schlafenden aus den Taschen Uhren und Geldbörsen.
Gestern Nachts wurde einer dieser Gauner dingfest
gemacht. Er wurde festgenommen, als er gerade dem
Commis Johann Orelt, welcher auf einer Bank
auf dem Kärntnerring eingeschlafen war, eine silberne
Uhr sammt Kette gestohlen hatte. Der Verhaftete, der
47jährige wiederholt abgestrafte Taglöhner Alois
Pistora ist dem Landesgerichte eingeliefert worden.

* Habakuk ermordet.

Die Leser der "Arbeiter-
Zeitung" brauchen nicht zu erschrecken: es ist hiemit
nicht der so angenehm plaudernde "Genosse aus Wild-
west" gemeint, sondern eine arme 84jährige Häuslerin
in Steiermark, Namens Habakuk, die in ihrer Hütte bei
Roßwein während der Abwesenheit ihres Sohnes, der
Maurer ist, am hellichten Tage von einem Unbe-
kannten mit Messerstichen ermordet und ihrer Barschaft
von 40 K beraubt wurde.

* Die Mafia

gab wieder ein Lebenszeichen von
sich. Wie aus Palermo telegraphirt wird, wurde
der Kaufmann Doznico Ercante in der Nähe von
Palermo durch Gewehrschüsse getödtet. Man hält den
Mord für eine That der Mafia.

* Muthmaßlicher Kindesmord.

Gestern Früh
wurde auf den sogenannten Schmied'schen Gründen
hinter dem Aspangbahnhofe die bereits in Verwesung
begriffene Leiche eines neugeborenen Kindes (Mädchen)
in weiße Leinenfetzen gehüllt, aufgefunden. Das Kind
dürfte lebensfähig zur Welt gekommen und gewaltsam
getödtet worden sein.

* Wieder ein Opfer der Badesaison.

Gestern um 7 Uhr Abends ist nächst dem Pulver-
verschleißmagazin in der Leopoldstadt ein ungefähr
10jähriges Mädchen beim Baden der Füße in den
Donaucanal gefallen und in den Wellen verschwunden.
Die Leiche wurde eine Stunde später unterhalb der
Ferdinandsbrücke aus dem Wasser gezogen und zur
Feststellung der Identität in die Todtenkammer Am
Tabor gebracht.

* Telephon ohne Draht?

Aus Stein-
amanger
kommt die sensationelle Nachricht daß
der dortige Post- und Telegraphenbeamte Sigmund
Musiits das Telephoniren ohne Draht erfunden
habe Musits, welcher das Geheimniß seiner Erfindung
noch geheim hält, hat auf kurze Distanzen mehrere
Versuche mit dem Telephon ohne Draht angestellt,
welche glänzend ausfielen. Der Erfiuder glaubt, daß
mit der Vervollkommnung seines Apparates das
Sprechen auch auf größere Entfernungen möglich
ein werde.

* Eine neuartige Gasmaschine.

Ein Motor,
der in Amerika gegenwärtig gerade so viel Aufmerk-
samkeit erregt, als dies seinerzeit bei dem Diesel-Motor
der Fall war, ist die Told'sche Gasmaschine. Diese
interessante Maschine besteht, wie wir einer Mittheilung
des Patent-Anwaltes J. Fischer in Wien entnehmen,
aus einem Antriebs-Cylinder mit Kolben und enem
Pumpen-Cylinder, der aus zwei in einander gelagerten
Cylindern zusammengesetzt ist, und von denen die
äußeren mit dem Antriebscylinder, der andern mit
correspondirenden Oeffnungen im Kolben des Pumpen-
cylinders verbunden ist. Die ganze Anordnung, auf
deren Details wir hier nicht näher eingehen können,
gat den Zweck, das Entweichen des überschüßigen Gas-
hemenges zu verhindern und eine bedeutend größer
[Spaltenumbruch] und auch ökonomischere Leistung zu erzielen, als dies
bei den bisher gebräuchlichen Gasmaschinen der Fall ist.

* Eltern und Kind verunglückt.

Vorgestern
Abends ist in der Wohnung des Schriftstellers und
Professors der Handelswissenschaften Julius Par-
don,
Neubau, Burggasse Nr. 51, ein Glühlicht-
spiritusbrenner explodirt. Professor Pardon, seine
25jährige Gattin Elise und sein sieben Monate altes
Kind erlitten Brandwunden, und zwar die Eltern
leichte, das Kind hingegen schwere am ganzen Körper.

* Wiener Männerfahrt nach Maria-Zell
und IV. Sodalentag

der Marianischen Con-
gregationen von Oesterreich und Deutschland. Bei der
Dankpredigt, welche Hochw. P. Abel, aus Anlaß
der glücklichen Rückkehr der VIII. Wiener Männerfahrt
von Maria-Zell heute Mittag 25. Juli, Abends 8 Uhr
in der Augustinerkirche abhält, werden noch
Erinnerungsmedaillen an den Sodalentag in Maria-
Zell geweiht, und selbe hierauf in der Sacristei, und
späterhin auch im Comitelocale, 1. Bez., Singer-
straße 18, auch an Mitglieder der Frauen- und
Jungfrauen-Congregationen abgegeben.

* Der "blinde" Taschendieb.

Am Place de la
Madelaine in Paris fiel den Passanten dieser Tage ein
blinder Mann auf, der, von einem etwa 11jährigen
Mädchen geführt, sich beständig in der Nähe der Tram-
way- und Omnibushaltestellen aufhielt. Wo man sich
am dichtesten um eines der genannten Verkehrsmittel
drängte, da war auch der gutgekleidete Blinde zu sehen.
Für den flüchtig Hinschauenden hatte es den Anschein,
als ob der seines Augenlichtes Beraubte sich stets ver-
gebens bemühte, mit seiner kleinen Begleiterin einen
Platz in diesem oder jenem stark besetzten Wagen
zu erobern. Bei seinen Anstrengungen streckte er,
wie es blinde Personen ja zu thun pflegen,
die Hände tastend nach vorne aus. Ein Herr,
den das Paar zu interessiren begann, beobachtete
es aufmerksam aus einiger Entfernung und da
machte er denn allerlei seltsame Wahrnehmungen.
Sobald Jemand mitleidsvoll dem Blinden beim Ein-
steigen behilflich sein wollte, wies er den Beistand
schroff zurück und trat schnell zur Seite. Plötzlich aber
bemerkte der Beobachter, daß die nach rechts tastende
Hand des Mannes in der Tasche eines Damenkleides
verschwand und schnell wieder zum Vorschein kam.
Ohne zu zögern, winkte der Herr einen Schutzmann
herbei und der "Blinde" wurde sammt seiner Führerin
verhaftet. Mit welchem Geschick der Gauner unter der
raffinirt gewählten Maske zu operiren verstand, beweist
die Thatsache, daß er nicht weniger als 200 Francs
bei sich hatte, während man in den Taschen der gut
abgerichteten Kleinen 17 geleerte Portemonnaies fand.

* Opfer des amerikanischen Duells.

In
Kisber hat sich der dortige Advocat Carl
Csuthi, Director der Sparcasse, ein sehr ange-
sehener Mann, in selbstmörderischer Absicht durch einen
Schuß schwer verletzt und starb auch bald darnach.
Das Leichenbegängniß gestaltete sich deshalb so sen-
sationell, weil der Geistliche in seinem, dem Verstorbenen
gewidmeten Nachruf die Mittheilung machte, daß ihm
Csuthi am Sterbebette das Geständniß ablegte, er sei
das Opfer eines amerikanischen Duells geworden. Vor
zwanzig Jahren hatte Csuthi wegen eines Mädchens ein
amerikanisches Duell, er, Csuthi, hatte die schwarze
Kugel gezogen und durch volle zwanzig Jahre sei das
Leben des Advocaten eine Kette von Aufregungen ge-
wesen. An jedem Jahrestage des Duells erhielt er von
seinem Gegner eine Erinnerung, und schließlich mußte
er sich das Leben nehmen. Diese Mittheilungen des
Priesters machten auf die Leidtragenden einen tiefen
Eindrück.

* Mutter und Kind überfahren.

Heute
Mittags wurde die 35jährige Schneidersgattin Jofefine
Kriz und ihre vierjährige Tochter Marie in der
Floridsdorfer Hauptstraße von einer Privatkutsche
überfahren, wobei die Mutter leicht und das Kind
schwer am Kopf und Gesicht verletzt wurden. Die
Schuld trifft die Verunglückten selbst.

* Durch einen Hufschlag getödtet.

Der
18jährige Rudolf Bliem, Sohn eines in der Silber-
gasse im 19. Bezirk wohnhaften Brunnenmachermeisters,
wurde im Elternhause durch den Hufschlag eines
Pferdes am Kopfe schwer verletzt und mit gebrochenem
Schädel in's Allgemeine Krankenhaus gebracht. In der
verflossenen Nacht ist der Unglückliche daselbst seinen
entsetzlichen Verletzungen erlegen.

* Eisenbahnzusammenstoß.

In der Personen-
haltestelle Saiz bei Sct. Michael stießen gestern
Morgens zwei in Fahrt begriffene Lastzüge zusammen.
Glücklicherweise hatte das Zugspersonal beider Züge
die Gefahr rechtzeitig wahrgenommen und war rasch
abgesprungen, so daß Alle mit dem bloßen Schrecken
davonkamen. Die Wirkung des Zusammenstoßes war
eine furchtbare. Drei Maschinen und sieben Waggons
wurden total zertrümmert. Die Wegräumung der
Trümmer wurde zwar bald in Anspruch genommen,
doch blieb der Verkehr bis Abends eingestellt. Der
Zusammenstoß wrrde durch falsche Weichenstellung her-
vorgerufen.

* Wiener Thiergarten.

Die Beduinen ver-
bleiben nur mehr kurze Zeit im Weichbilde unserer Stadt.
Von hier aus geht die Reise nach dem Norden, Deutschland
und Scandinavien. Täglich finden sich im Thiergarten
Kauflustige ein, welche die prächtigen und pfeilschnellen ara-
bischen Pferde zu erwerben wünschen. Die Thiere können
jedoch im Laufe der Tournee nicht abgegeben werden. Mit
Ende dieses Monates findet auch das Engagement der ex-
cellenten Japaner-Truppe Nanakusa ihren Abschluß.

* Wetter.

Sehr warm anhaltend.


[Spaltenumbruch]
Aus den Kronländern.
Oberösterreich.

Ried. (Bierumlage. -- Domban-
leiter.)

Dem Drucke der Bevölkerung nachgebend,
sind nun unsere Wirthe mit dem Bierpreise wieder
herabgegangen, und so kostet jetzt der Liter wieder
14 kr. Die Landwirthe ließen überhaupt keine Preis-
erhöhung eintreten. Auch in Kremsmünster gab es
einen Bieraufschlag. Die Preissteigerung von 4 h
beim Liter ist nur bisher wieder ein ungerechtfertigter
Gewinn gewesen, denn es sind noch nicht einmal die
Durchführungsverordnungen beim Landesausschuß fest-
gestellt, so daß vor 1. October gar keine Aussicht
eines Inkrafttretens der Bierumlage ist. Die Wirthe
suchen sich nun mit der Ausflucht zu entschuldigen, die
Landesbierumlage müsse vom 15. Juni an nachbezahlt
werden, was ganz unrichtig ist. Auch hatte die
k. k. Bezirkshauptmannschaft den Wirthen einen Strich
durch ihre Rechnung gemacht. Zum Zwecke einigen
Vorgehens setzten die Wirthe eine Ordnungsstrafe von
2 bis eventuell 20 K fest. Dieser Strafbeschluß gegen
jene Wirthe, welche das Bier allenfalls zum früheren
Preis schenken würden, wurde behördlich verworfen.
-- Dem hiesigen Baumeister, Herrn Mathias
Schlager, wurde vom bischöflichen Ordinariate
der ehrenvolle Ruf eines Dombauleiters beim Maria
Empfängnißdome zu Theil. Schlager nahm diese an-
gebotene Stelle an und wird derselbe mit 1. September
nach Linz übersiedeln.

Böhmen.

Dux. (Der hinauscomplimentirte
Zeller.)

Der socialdemokratische Abg. Zeller hielt
hier Samstag eine Versammlung, um die Kohlen-
grubenarbeiter zum Streik zu bewegen,
weil angeblich die von den Werksbesitzern den Arbeitern
gemachten Zugeständnisse den früheren Zusagen
derselben nicht entsprechen. Die Versammlung
nahm einen sehr stürmischen Verlauf. Es ergriffen
in derselben auch Bergarbeiter das Wort und
warfen den Führern und Agitatoren des Jänner-
streiks Veruntreuungen vor mit der
Begründung, daß selbe sich von den Unterstützungs-
geldern bereichert und förmlich vom Kopfe bis zum
Fuße neu gekleidet hätten. Abg. Zeller, sowie mehrere
Agitatoren mußten schleunigst den Saal verlassen;
dieselben wurden von den aufgebrachten Arbeitern
beschimpft und bedroht und zum Saale
förmlich hinausgeschoben. Nach dem Abzuge der
socialdemokratischen Führer trat im Versammlungs-
locale wieder Ruhe ein.

Mähren.

Brünn. (Tabakbau für Mähren.)

Eine
Deputation von mährischen Bauern hat dem Ackerbau-
und Finanzministerium die ersten Proben von in
Mähren gepflanztem Tabak vorgelegt. Die Deputation
machte in beiden Ministerien darauf aufmerksam, daß
die Bauernschaft hiezu gezwungen sei, erträgnißreichere
Pflanzen zu bauen, da der Zuckerrübenbau sich nicht
mehr rentire. Die Deputation gab der Hoffnung Aus-
druck, daß das Verbot des Tabakbaues in Mähren
auf gehoben werde.




Telegramme.
Zur Cabinetsbildung in Serbien.

In den hiesigen offi-
ciellen serbischen Kreisen wird hervorgehoben, daß
das neue Cabinet einen entschieden neutra-
len
Charakter trage. Zwei seiner Mitglieder
sind Officiere, die übrigen theils active, theils
gewesene Beamte. Der Ministerpräsident Jowa-
nowitsch, der auch das Portefeuille des Aeußern
inne hat, ist gemäßigt-fortschrittlich, der Minister
des Innern und der für Volkswirthschaft sind
liberal gesinnt. Finanzminister Popowitsch, der
an der Seite des gewesenen Finanzministers
Dr. Wujitsch Jahre lang als Sectionschef
wirkte, ist gemäßigt-radical. Diese Parteifärbung
der einzelnen Minister soll jedoch gar nicht ins
Gewicht fallen.

Eisenbahnzusammenstoß.

Heute Nachts um
2 Uhr fuhr in der Station Camen ein
Schnellzug auf einen dortselbst haltenden Güter-
zug. Der Locomotivführer und der Heizer des
Schnellzuges wurden getödtet, der Zugs-
führer und der Packmeister schwer und fünf
Reisende leicht verletzt. Der am Material
angerichtete Schaden ist ein bedeutender.




(Meldung des k. k. Cor-
respondenz-Bureaus.) Aus Jungbunzlau wird
gemeldet: Sonntag nach 8 Uhr Abends kam es
vor dem Hause des Kaufmannes Moriz Pick
in Alt-Benatek zu einer Ansammlung.
Die Menge, zumeist Arbeiter, etwa 300 an der
Zahl, schlug die Fenster des Geschäftslocales ein
und schickte sich an, dasselbe zu plündern. Zu
dem Attentate gab das Gerücht Veranlassung

Wien, Donnerſtag Reichspoſt 26. Juli 1900 168

[Spaltenumbruch] Menſchenleben als Opfer gefordert hat. Die
unermüdlich fortgeſetzten Arbeiten zur Bergung der
beiden unter dem Schutte begrabenen Arbeiter ſind
bisher vollkommen reſultatlos geblieben. Die Ver-
unglückten ſind der 21jährige, ledige Arbeiter Ludwig
Illmayer und der 27jährige Arbeiter Joſef
Reindl, verheiratet und Vater von zwei Kindern.
Die übereinſtimmenden Darſtellungen jener Arbeiter,
welche beim Tunneleinſturz verſchüttet waren und
welche nach einer ſechsundvierzigſtündigen angeſtrengten
Arbeit aus ihrer qualvollen Situation befreit werden
konnten, laſſen jede Hoffnung auf eine Rettung ihrer
beiden Genoſſen ſchwinden. Während nämlich die
ſämmtlichen bisher geretteten Arbeiter nach dem rück-
wärtigen Theile des Tunnels eilend ihr Heil ſuchten,
ſprangen beim Einbruche der Kataſtrophe die beiden
Anderen nach vorwärts und es iſt nicht ausgeſchloſſen,
daß erſt nach etwa vierzehntägiger Aufräumungsarbeit
es gelingen werde, die Leichen derſelben zu bergen.
Das Beſinden der geretteten Arbeiter iſt durchwegs
zufriedenſtellend.

* Warnung vor einer falſchen Nachricht.

Das illuſtrirte „Extrablatt“ bringt einen Artikel über
eine angebliche Heirath des im Jahre 1899 ver-
ſtorbenen Erzherzogs Ernſt in Laibach. Wir
warnen davor, dieſem Erzeugniß der Scandalſucht
Glauben zu ſchenken; denn es handelt ſich dabei, nach
unſeren Informationen, um verſchiedene Er-
preſſungsverſuche,
bezüglich welcher das letzte
Wort noch nicht geſprochen iſt.

* Feſtgenommener Strolch.

Die große Hitze,
welche die letzte Woche in Wien herrſchte und Jeder-
mann zur Qual wurde, hat für manche Perſon auch
noch auf andere Art eine unangenehme Folge gehabt.
In den Abendſtunden hatten Viele in den verſchiedenen
Parkanlagen oder auf der Ringſtraße Erquickung ge-
ſucht. Sie hatten ſich auf Bänke niedergeſetzt und
waren ermüdet eingeſchlafen. Dies hatte eine beſtimmte
Species von Gaunern, die ſogenannten Leichenfledderer,
ausgenützt. Sie ſchlichen ſich heran und ſtahlen den
Schlafenden aus den Taſchen Uhren und Geldbörſen.
Geſtern Nachts wurde einer dieſer Gauner dingfeſt
gemacht. Er wurde feſtgenommen, als er gerade dem
Commis Johann Orelt, welcher auf einer Bank
auf dem Kärntnerring eingeſchlafen war, eine ſilberne
Uhr ſammt Kette geſtohlen hatte. Der Verhaftete, der
47jährige wiederholt abgeſtrafte Taglöhner Alois
Piſtora iſt dem Landesgerichte eingeliefert worden.

* Habakuk ermordet.

Die Leſer der „Arbeiter-
Zeitung“ brauchen nicht zu erſchrecken: es iſt hiemit
nicht der ſo angenehm plaudernde „Genoſſe aus Wild-
weſt“ gemeint, ſondern eine arme 84jährige Häuslerin
in Steiermark, Namens Habakuk, die in ihrer Hütte bei
Roßwein während der Abweſenheit ihres Sohnes, der
Maurer iſt, am hellichten Tage von einem Unbe-
kannten mit Meſſerſtichen ermordet und ihrer Barſchaft
von 40 K beraubt wurde.

* Die Mafia

gab wieder ein Lebenszeichen von
ſich. Wie aus Palermo telegraphirt wird, wurde
der Kaufmann Doznico Ercante in der Nähe von
Palermo durch Gewehrſchüſſe getödtet. Man hält den
Mord für eine That der Mafia.

* Muthmaßlicher Kindesmord.

Geſtern Früh
wurde auf den ſogenannten Schmied’ſchen Gründen
hinter dem Aſpangbahnhofe die bereits in Verweſung
begriffene Leiche eines neugeborenen Kindes (Mädchen)
in weiße Leinenfetzen gehüllt, aufgefunden. Das Kind
dürfte lebensfähig zur Welt gekommen und gewaltſam
getödtet worden ſein.

* Wieder ein Opfer der Badeſaiſon.

Geſtern um 7 Uhr Abends iſt nächſt dem Pulver-
verſchleißmagazin in der Leopoldſtadt ein ungefähr
10jähriges Mädchen beim Baden der Füße in den
Donaucanal gefallen und in den Wellen verſchwunden.
Die Leiche wurde eine Stunde ſpäter unterhalb der
Ferdinandsbrücke aus dem Waſſer gezogen und zur
Feſtſtellung der Identität in die Todtenkammer Am
Tabor gebracht.

* Telephon ohne Draht?

Aus Stein-
amanger
kommt die ſenſationelle Nachricht daß
der dortige Poſt- und Telegraphenbeamte Sigmund
Muſiits das Telephoniren ohne Draht erfunden
habe Muſits, welcher das Geheimniß ſeiner Erfindung
noch geheim hält, hat auf kurze Diſtanzen mehrere
Verſuche mit dem Telephon ohne Draht angeſtellt,
welche glänzend ausfielen. Der Erfiuder glaubt, daß
mit der Vervollkommnung ſeines Apparates das
Sprechen auch auf größere Entfernungen möglich
ein werde.

* Eine neuartige Gasmaſchine.

Ein Motor,
der in Amerika gegenwärtig gerade ſo viel Aufmerk-
ſamkeit erregt, als dies ſeinerzeit bei dem Dieſel-Motor
der Fall war, iſt die Told’ſche Gasmaſchine. Dieſe
intereſſante Maſchine beſteht, wie wir einer Mittheilung
des Patent-Anwaltes J. Fiſcher in Wien entnehmen,
aus einem Antriebs-Cylinder mit Kolben und enem
Pumpen-Cylinder, der aus zwei in einander gelagerten
Cylindern zuſammengeſetzt iſt, und von denen die
äußeren mit dem Antriebscylinder, der andern mit
correſpondirenden Oeffnungen im Kolben des Pumpen-
cylinders verbunden iſt. Die ganze Anordnung, auf
deren Details wir hier nicht näher eingehen können,
gat den Zweck, das Entweichen des überſchüßigen Gas-
hemenges zu verhindern und eine bedeutend größer
[Spaltenumbruch] und auch ökonomiſchere Leiſtung zu erzielen, als dies
bei den bisher gebräuchlichen Gasmaſchinen der Fall iſt.

* Eltern und Kind verunglückt.

Vorgeſtern
Abends iſt in der Wohnung des Schriftſtellers und
Profeſſors der Handelswiſſenſchaften Julius Par-
don,
Neubau, Burggaſſe Nr. 51, ein Glühlicht-
ſpiritusbrenner explodirt. Profeſſor Pardon, ſeine
25jährige Gattin Eliſe und ſein ſieben Monate altes
Kind erlitten Brandwunden, und zwar die Eltern
leichte, das Kind hingegen ſchwere am ganzen Körper.

* Wiener Männerfahrt nach Maria-Zell
und IV. Sodalentag

der Marianiſchen Con-
gregationen von Oeſterreich und Deutſchland. Bei der
Dankpredigt, welche Hochw. P. Abel, aus Anlaß
der glücklichen Rückkehr der VIII. Wiener Männerfahrt
von Maria-Zell heute Mittag 25. Juli, Abends 8 Uhr
in der Auguſtinerkirche abhält, werden noch
Erinnerungsmedaillen an den Sodalentag in Maria-
Zell geweiht, und ſelbe hierauf in der Sacriſtei, und
ſpäterhin auch im Comitélocale, 1. Bez., Singer-
ſtraße 18, auch an Mitglieder der Frauen- und
Jungfrauen-Congregationen abgegeben.

* Der „blinde“ Taſchendieb.

Am Place de la
Madelaine in Paris fiel den Paſſanten dieſer Tage ein
blinder Mann auf, der, von einem etwa 11jährigen
Mädchen geführt, ſich beſtändig in der Nähe der Tram-
way- und Omnibushalteſtellen aufhielt. Wo man ſich
am dichteſten um eines der genannten Verkehrsmittel
drängte, da war auch der gutgekleidete Blinde zu ſehen.
Für den flüchtig Hinſchauenden hatte es den Anſchein,
als ob der ſeines Augenlichtes Beraubte ſich ſtets ver-
gebens bemühte, mit ſeiner kleinen Begleiterin einen
Platz in dieſem oder jenem ſtark beſetzten Wagen
zu erobern. Bei ſeinen Anſtrengungen ſtreckte er,
wie es blinde Perſonen ja zu thun pflegen,
die Hände taſtend nach vorne aus. Ein Herr,
den das Paar zu intereſſiren begann, beobachtete
es aufmerkſam aus einiger Entfernung und da
machte er denn allerlei ſeltſame Wahrnehmungen.
Sobald Jemand mitleidsvoll dem Blinden beim Ein-
ſteigen behilflich ſein wollte, wies er den Beiſtand
ſchroff zurück und trat ſchnell zur Seite. Plötzlich aber
bemerkte der Beobachter, daß die nach rechts taſtende
Hand des Mannes in der Taſche eines Damenkleides
verſchwand und ſchnell wieder zum Vorſchein kam.
Ohne zu zögern, winkte der Herr einen Schutzmann
herbei und der „Blinde“ wurde ſammt ſeiner Führerin
verhaftet. Mit welchem Geſchick der Gauner unter der
raffinirt gewählten Maske zu operiren verſtand, beweiſt
die Thatſache, daß er nicht weniger als 200 Francs
bei ſich hatte, während man in den Taſchen der gut
abgerichteten Kleinen 17 geleerte Portemonnaies fand.

* Opfer des amerikaniſchen Duells.

In
Kisber hat ſich der dortige Advocat Carl
Cſuthi, Director der Sparcaſſe, ein ſehr ange-
ſehener Mann, in ſelbſtmörderiſcher Abſicht durch einen
Schuß ſchwer verletzt und ſtarb auch bald darnach.
Das Leichenbegängniß geſtaltete ſich deshalb ſo ſen-
ſationell, weil der Geiſtliche in ſeinem, dem Verſtorbenen
gewidmeten Nachruf die Mittheilung machte, daß ihm
Cſuthi am Sterbebette das Geſtändniß ablegte, er ſei
das Opfer eines amerikaniſchen Duells geworden. Vor
zwanzig Jahren hatte Cſuthi wegen eines Mädchens ein
amerikaniſches Duell, er, Cſuthi, hatte die ſchwarze
Kugel gezogen und durch volle zwanzig Jahre ſei das
Leben des Advocaten eine Kette von Aufregungen ge-
weſen. An jedem Jahrestage des Duells erhielt er von
ſeinem Gegner eine Erinnerung, und ſchließlich mußte
er ſich das Leben nehmen. Dieſe Mittheilungen des
Prieſters machten auf die Leidtragenden einen tiefen
Eindrück.

* Mutter und Kind überfahren.

Heute
Mittags wurde die 35jährige Schneidersgattin Jofefine
Kriz und ihre vierjährige Tochter Marie in der
Floridsdorfer Hauptſtraße von einer Privatkutſche
überfahren, wobei die Mutter leicht und das Kind
ſchwer am Kopf und Geſicht verletzt wurden. Die
Schuld trifft die Verunglückten ſelbſt.

* Durch einen Hufſchlag getödtet.

Der
18jährige Rudolf Bliem, Sohn eines in der Silber-
gaſſe im 19. Bezirk wohnhaften Brunnenmachermeiſters,
wurde im Elternhauſe durch den Hufſchlag eines
Pferdes am Kopfe ſchwer verletzt und mit gebrochenem
Schädel in’s Allgemeine Krankenhaus gebracht. In der
verfloſſenen Nacht iſt der Unglückliche daſelbſt ſeinen
entſetzlichen Verletzungen erlegen.

* Eiſenbahnzuſammenſtoß.

In der Perſonen-
halteſtelle Saiz bei Sct. Michael ſtießen geſtern
Morgens zwei in Fahrt begriffene Laſtzüge zuſammen.
Glücklicherweiſe hatte das Zugsperſonal beider Züge
die Gefahr rechtzeitig wahrgenommen und war raſch
abgeſprungen, ſo daß Alle mit dem bloßen Schrecken
davonkamen. Die Wirkung des Zuſammenſtoßes war
eine furchtbare. Drei Maſchinen und ſieben Waggons
wurden total zertrümmert. Die Wegräumung der
Trümmer wurde zwar bald in Anſpruch genommen,
doch blieb der Verkehr bis Abends eingeſtellt. Der
Zuſammenſtoß wrrde durch falſche Weichenſtellung her-
vorgerufen.

* Wiener Thiergarten.

Die Beduinen ver-
bleiben nur mehr kurze Zeit im Weichbilde unſerer Stadt.
Von hier aus geht die Reiſe nach dem Norden, Deutſchland
und Scandinavien. Täglich finden ſich im Thiergarten
Kaufluſtige ein, welche die prächtigen und pfeilſchnellen ara-
biſchen Pferde zu erwerben wünſchen. Die Thiere können
jedoch im Laufe der Tournée nicht abgegeben werden. Mit
Ende dieſes Monates findet auch das Engagement der ex-
cellenten Japaner-Truppe Nanakuſa ihren Abſchluß.

* Wetter.

Sehr warm anhaltend.


[Spaltenumbruch]
Aus den Kronländern.
Oberöſterreich.

Ried. (Bierumlage. — Domban-
leiter.)

Dem Drucke der Bevölkerung nachgebend,
ſind nun unſere Wirthe mit dem Bierpreiſe wieder
herabgegangen, und ſo koſtet jetzt der Liter wieder
14 kr. Die Landwirthe ließen überhaupt keine Preis-
erhöhung eintreten. Auch in Kremsmünſter gab es
einen Bieraufſchlag. Die Preisſteigerung von 4 h
beim Liter iſt nur bisher wieder ein ungerechtfertigter
Gewinn geweſen, denn es ſind noch nicht einmal die
Durchführungsverordnungen beim Landesausſchuß feſt-
geſtellt, ſo daß vor 1. October gar keine Ausſicht
eines Inkrafttretens der Bierumlage iſt. Die Wirthe
ſuchen ſich nun mit der Ausflucht zu entſchuldigen, die
Landesbierumlage müſſe vom 15. Juni an nachbezahlt
werden, was ganz unrichtig iſt. Auch hatte die
k. k. Bezirkshauptmannſchaft den Wirthen einen Strich
durch ihre Rechnung gemacht. Zum Zwecke einigen
Vorgehens ſetzten die Wirthe eine Ordnungsſtrafe von
2 bis eventuell 20 K feſt. Dieſer Strafbeſchluß gegen
jene Wirthe, welche das Bier allenfalls zum früheren
Preis ſchenken würden, wurde behördlich verworfen.
— Dem hieſigen Baumeiſter, Herrn Mathias
Schlager, wurde vom biſchöflichen Ordinariate
der ehrenvolle Ruf eines Dombauleiters beim Maria
Empfängnißdome zu Theil. Schlager nahm dieſe an-
gebotene Stelle an und wird derſelbe mit 1. September
nach Linz überſiedeln.

Böhmen.

Dux. (Der hinauscomplimentirte
Zeller.)

Der ſocialdemokratiſche Abg. Zeller hielt
hier Samſtag eine Verſammlung, um die Kohlen-
grubenarbeiter zum Streik zu bewegen,
weil angeblich die von den Werksbeſitzern den Arbeitern
gemachten Zugeſtändniſſe den früheren Zuſagen
derſelben nicht entſprechen. Die Verſammlung
nahm einen ſehr ſtürmiſchen Verlauf. Es ergriffen
in derſelben auch Bergarbeiter das Wort und
warfen den Führern und Agitatoren des Jänner-
ſtreiks Veruntreuungen vor mit der
Begründung, daß ſelbe ſich von den Unterſtützungs-
geldern bereichert und förmlich vom Kopfe bis zum
Fuße neu gekleidet hätten. Abg. Zeller, ſowie mehrere
Agitatoren mußten ſchleunigſt den Saal verlaſſen;
dieſelben wurden von den aufgebrachten Arbeitern
beſchimpft und bedroht und zum Saale
förmlich hinausgeſchoben. Nach dem Abzuge der
ſocialdemokratiſchen Führer trat im Verſammlungs-
locale wieder Ruhe ein.

Mähren.

Brünn. (Tabakbau für Mähren.)

Eine
Deputation von mähriſchen Bauern hat dem Ackerbau-
und Finanzminiſterium die erſten Proben von in
Mähren gepflanztem Tabak vorgelegt. Die Deputation
machte in beiden Miniſterien darauf aufmerkſam, daß
die Bauernſchaft hiezu gezwungen ſei, erträgnißreichere
Pflanzen zu bauen, da der Zuckerrübenbau ſich nicht
mehr rentire. Die Deputation gab der Hoffnung Aus-
druck, daß das Verbot des Tabakbaues in Mähren
auf gehoben werde.




Telegramme.
Zur Cabinetsbildung in Serbien.

In den hieſigen offi-
ciellen ſerbiſchen Kreiſen wird hervorgehoben, daß
das neue Cabinet einen entſchieden neutra-
len
Charakter trage. Zwei ſeiner Mitglieder
ſind Officiere, die übrigen theils active, theils
geweſene Beamte. Der Miniſterpräſident Jowa-
nowitſch, der auch das Portefeuille des Aeußern
inne hat, iſt gemäßigt-fortſchrittlich, der Miniſter
des Innern und der für Volkswirthſchaft ſind
liberal geſinnt. Finanzminiſter Popowitſch, der
an der Seite des geweſenen Finanzminiſters
Dr. Wujitſch Jahre lang als Sectionschef
wirkte, iſt gemäßigt-radical. Dieſe Parteifärbung
der einzelnen Miniſter ſoll jedoch gar nicht ins
Gewicht fallen.

Eiſenbahnzuſammenſtoß.

Heute Nachts um
2 Uhr fuhr in der Station Camen ein
Schnellzug auf einen dortſelbſt haltenden Güter-
zug. Der Locomotivführer und der Heizer des
Schnellzuges wurden getödtet, der Zugs-
führer und der Packmeiſter ſchwer und fünf
Reiſende leicht verletzt. Der am Material
angerichtete Schaden iſt ein bedeutender.




(Meldung des k. k. Cor-
reſpondenz-Bureaus.) Aus Jungbunzlau wird
gemeldet: Sonntag nach 8 Uhr Abends kam es
vor dem Hauſe des Kaufmannes Moriz Pick
in Alt-Benatek zu einer Anſammlung.
Die Menge, zumeiſt Arbeiter, etwa 300 an der
Zahl, ſchlug die Fenſter des Geſchäftslocales ein
und ſchickte ſich an, dasſelbe zu plündern. Zu
dem Attentate gab das Gerücht Veranlaſſung

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[4/0004] Wien, Donnerſtag Reichspoſt 26. Juli 1900 168 Menſchenleben als Opfer gefordert hat. Die unermüdlich fortgeſetzten Arbeiten zur Bergung der beiden unter dem Schutte begrabenen Arbeiter ſind bisher vollkommen reſultatlos geblieben. Die Ver- unglückten ſind der 21jährige, ledige Arbeiter Ludwig Illmayer und der 27jährige Arbeiter Joſef Reindl, verheiratet und Vater von zwei Kindern. Die übereinſtimmenden Darſtellungen jener Arbeiter, welche beim Tunneleinſturz verſchüttet waren und welche nach einer ſechsundvierzigſtündigen angeſtrengten Arbeit aus ihrer qualvollen Situation befreit werden konnten, laſſen jede Hoffnung auf eine Rettung ihrer beiden Genoſſen ſchwinden. Während nämlich die ſämmtlichen bisher geretteten Arbeiter nach dem rück- wärtigen Theile des Tunnels eilend ihr Heil ſuchten, ſprangen beim Einbruche der Kataſtrophe die beiden Anderen nach vorwärts und es iſt nicht ausgeſchloſſen, daß erſt nach etwa vierzehntägiger Aufräumungsarbeit es gelingen werde, die Leichen derſelben zu bergen. Das Beſinden der geretteten Arbeiter iſt durchwegs zufriedenſtellend. * Warnung vor einer falſchen Nachricht. Das illuſtrirte „Extrablatt“ bringt einen Artikel über eine angebliche Heirath des im Jahre 1899 ver- ſtorbenen Erzherzogs Ernſt in Laibach. Wir warnen davor, dieſem Erzeugniß der Scandalſucht Glauben zu ſchenken; denn es handelt ſich dabei, nach unſeren Informationen, um verſchiedene Er- preſſungsverſuche, bezüglich welcher das letzte Wort noch nicht geſprochen iſt. * Feſtgenommener Strolch. Die große Hitze, welche die letzte Woche in Wien herrſchte und Jeder- mann zur Qual wurde, hat für manche Perſon auch noch auf andere Art eine unangenehme Folge gehabt. In den Abendſtunden hatten Viele in den verſchiedenen Parkanlagen oder auf der Ringſtraße Erquickung ge- ſucht. Sie hatten ſich auf Bänke niedergeſetzt und waren ermüdet eingeſchlafen. Dies hatte eine beſtimmte Species von Gaunern, die ſogenannten Leichenfledderer, ausgenützt. Sie ſchlichen ſich heran und ſtahlen den Schlafenden aus den Taſchen Uhren und Geldbörſen. Geſtern Nachts wurde einer dieſer Gauner dingfeſt gemacht. Er wurde feſtgenommen, als er gerade dem Commis Johann Orelt, welcher auf einer Bank auf dem Kärntnerring eingeſchlafen war, eine ſilberne Uhr ſammt Kette geſtohlen hatte. Der Verhaftete, der 47jährige wiederholt abgeſtrafte Taglöhner Alois Piſtora iſt dem Landesgerichte eingeliefert worden. * Habakuk ermordet. Die Leſer der „Arbeiter- Zeitung“ brauchen nicht zu erſchrecken: es iſt hiemit nicht der ſo angenehm plaudernde „Genoſſe aus Wild- weſt“ gemeint, ſondern eine arme 84jährige Häuslerin in Steiermark, Namens Habakuk, die in ihrer Hütte bei Roßwein während der Abweſenheit ihres Sohnes, der Maurer iſt, am hellichten Tage von einem Unbe- kannten mit Meſſerſtichen ermordet und ihrer Barſchaft von 40 K beraubt wurde. * Die Mafia gab wieder ein Lebenszeichen von ſich. Wie aus Palermo telegraphirt wird, wurde der Kaufmann Doznico Ercante in der Nähe von Palermo durch Gewehrſchüſſe getödtet. Man hält den Mord für eine That der Mafia. * Muthmaßlicher Kindesmord. Geſtern Früh wurde auf den ſogenannten Schmied’ſchen Gründen hinter dem Aſpangbahnhofe die bereits in Verweſung begriffene Leiche eines neugeborenen Kindes (Mädchen) in weiße Leinenfetzen gehüllt, aufgefunden. Das Kind dürfte lebensfähig zur Welt gekommen und gewaltſam getödtet worden ſein. * Wieder ein Opfer der Badeſaiſon. Geſtern um 7 Uhr Abends iſt nächſt dem Pulver- verſchleißmagazin in der Leopoldſtadt ein ungefähr 10jähriges Mädchen beim Baden der Füße in den Donaucanal gefallen und in den Wellen verſchwunden. Die Leiche wurde eine Stunde ſpäter unterhalb der Ferdinandsbrücke aus dem Waſſer gezogen und zur Feſtſtellung der Identität in die Todtenkammer Am Tabor gebracht. * Telephon ohne Draht? Aus Stein- amanger kommt die ſenſationelle Nachricht daß der dortige Poſt- und Telegraphenbeamte Sigmund Muſiits das Telephoniren ohne Draht erfunden habe Muſits, welcher das Geheimniß ſeiner Erfindung noch geheim hält, hat auf kurze Diſtanzen mehrere Verſuche mit dem Telephon ohne Draht angeſtellt, welche glänzend ausfielen. Der Erfiuder glaubt, daß mit der Vervollkommnung ſeines Apparates das Sprechen auch auf größere Entfernungen möglich ein werde. * Eine neuartige Gasmaſchine. Ein Motor, der in Amerika gegenwärtig gerade ſo viel Aufmerk- ſamkeit erregt, als dies ſeinerzeit bei dem Dieſel-Motor der Fall war, iſt die Told’ſche Gasmaſchine. Dieſe intereſſante Maſchine beſteht, wie wir einer Mittheilung des Patent-Anwaltes J. Fiſcher in Wien entnehmen, aus einem Antriebs-Cylinder mit Kolben und enem Pumpen-Cylinder, der aus zwei in einander gelagerten Cylindern zuſammengeſetzt iſt, und von denen die äußeren mit dem Antriebscylinder, der andern mit correſpondirenden Oeffnungen im Kolben des Pumpen- cylinders verbunden iſt. Die ganze Anordnung, auf deren Details wir hier nicht näher eingehen können, gat den Zweck, das Entweichen des überſchüßigen Gas- hemenges zu verhindern und eine bedeutend größer und auch ökonomiſchere Leiſtung zu erzielen, als dies bei den bisher gebräuchlichen Gasmaſchinen der Fall iſt. * Eltern und Kind verunglückt. Vorgeſtern Abends iſt in der Wohnung des Schriftſtellers und Profeſſors der Handelswiſſenſchaften Julius Par- don, Neubau, Burggaſſe Nr. 51, ein Glühlicht- ſpiritusbrenner explodirt. Profeſſor Pardon, ſeine 25jährige Gattin Eliſe und ſein ſieben Monate altes Kind erlitten Brandwunden, und zwar die Eltern leichte, das Kind hingegen ſchwere am ganzen Körper. * Wiener Männerfahrt nach Maria-Zell und IV. Sodalentag der Marianiſchen Con- gregationen von Oeſterreich und Deutſchland. Bei der Dankpredigt, welche Hochw. P. Abel, aus Anlaß der glücklichen Rückkehr der VIII. Wiener Männerfahrt von Maria-Zell heute Mittag 25. Juli, Abends 8 Uhr in der Auguſtinerkirche abhält, werden noch Erinnerungsmedaillen an den Sodalentag in Maria- Zell geweiht, und ſelbe hierauf in der Sacriſtei, und ſpäterhin auch im Comitélocale, 1. Bez., Singer- ſtraße 18, auch an Mitglieder der Frauen- und Jungfrauen-Congregationen abgegeben. * Der „blinde“ Taſchendieb. Am Place de la Madelaine in Paris fiel den Paſſanten dieſer Tage ein blinder Mann auf, der, von einem etwa 11jährigen Mädchen geführt, ſich beſtändig in der Nähe der Tram- way- und Omnibushalteſtellen aufhielt. Wo man ſich am dichteſten um eines der genannten Verkehrsmittel drängte, da war auch der gutgekleidete Blinde zu ſehen. Für den flüchtig Hinſchauenden hatte es den Anſchein, als ob der ſeines Augenlichtes Beraubte ſich ſtets ver- gebens bemühte, mit ſeiner kleinen Begleiterin einen Platz in dieſem oder jenem ſtark beſetzten Wagen zu erobern. Bei ſeinen Anſtrengungen ſtreckte er, wie es blinde Perſonen ja zu thun pflegen, die Hände taſtend nach vorne aus. Ein Herr, den das Paar zu intereſſiren begann, beobachtete es aufmerkſam aus einiger Entfernung und da machte er denn allerlei ſeltſame Wahrnehmungen. Sobald Jemand mitleidsvoll dem Blinden beim Ein- ſteigen behilflich ſein wollte, wies er den Beiſtand ſchroff zurück und trat ſchnell zur Seite. Plötzlich aber bemerkte der Beobachter, daß die nach rechts taſtende Hand des Mannes in der Taſche eines Damenkleides verſchwand und ſchnell wieder zum Vorſchein kam. Ohne zu zögern, winkte der Herr einen Schutzmann herbei und der „Blinde“ wurde ſammt ſeiner Führerin verhaftet. Mit welchem Geſchick der Gauner unter der raffinirt gewählten Maske zu operiren verſtand, beweiſt die Thatſache, daß er nicht weniger als 200 Francs bei ſich hatte, während man in den Taſchen der gut abgerichteten Kleinen 17 geleerte Portemonnaies fand. * Opfer des amerikaniſchen Duells. In Kisber hat ſich der dortige Advocat Carl Cſuthi, Director der Sparcaſſe, ein ſehr ange- ſehener Mann, in ſelbſtmörderiſcher Abſicht durch einen Schuß ſchwer verletzt und ſtarb auch bald darnach. Das Leichenbegängniß geſtaltete ſich deshalb ſo ſen- ſationell, weil der Geiſtliche in ſeinem, dem Verſtorbenen gewidmeten Nachruf die Mittheilung machte, daß ihm Cſuthi am Sterbebette das Geſtändniß ablegte, er ſei das Opfer eines amerikaniſchen Duells geworden. Vor zwanzig Jahren hatte Cſuthi wegen eines Mädchens ein amerikaniſches Duell, er, Cſuthi, hatte die ſchwarze Kugel gezogen und durch volle zwanzig Jahre ſei das Leben des Advocaten eine Kette von Aufregungen ge- weſen. An jedem Jahrestage des Duells erhielt er von ſeinem Gegner eine Erinnerung, und ſchließlich mußte er ſich das Leben nehmen. Dieſe Mittheilungen des Prieſters machten auf die Leidtragenden einen tiefen Eindrück. * Mutter und Kind überfahren. Heute Mittags wurde die 35jährige Schneidersgattin Jofefine Kriz und ihre vierjährige Tochter Marie in der Floridsdorfer Hauptſtraße von einer Privatkutſche überfahren, wobei die Mutter leicht und das Kind ſchwer am Kopf und Geſicht verletzt wurden. Die Schuld trifft die Verunglückten ſelbſt. * Durch einen Hufſchlag getödtet. Der 18jährige Rudolf Bliem, Sohn eines in der Silber- gaſſe im 19. Bezirk wohnhaften Brunnenmachermeiſters, wurde im Elternhauſe durch den Hufſchlag eines Pferdes am Kopfe ſchwer verletzt und mit gebrochenem Schädel in’s Allgemeine Krankenhaus gebracht. In der verfloſſenen Nacht iſt der Unglückliche daſelbſt ſeinen entſetzlichen Verletzungen erlegen. * Eiſenbahnzuſammenſtoß. In der Perſonen- halteſtelle Saiz bei Sct. Michael ſtießen geſtern Morgens zwei in Fahrt begriffene Laſtzüge zuſammen. Glücklicherweiſe hatte das Zugsperſonal beider Züge die Gefahr rechtzeitig wahrgenommen und war raſch abgeſprungen, ſo daß Alle mit dem bloßen Schrecken davonkamen. Die Wirkung des Zuſammenſtoßes war eine furchtbare. Drei Maſchinen und ſieben Waggons wurden total zertrümmert. Die Wegräumung der Trümmer wurde zwar bald in Anſpruch genommen, doch blieb der Verkehr bis Abends eingeſtellt. Der Zuſammenſtoß wrrde durch falſche Weichenſtellung her- vorgerufen. * Wiener Thiergarten. Die Beduinen ver- bleiben nur mehr kurze Zeit im Weichbilde unſerer Stadt. Von hier aus geht die Reiſe nach dem Norden, Deutſchland und Scandinavien. Täglich finden ſich im Thiergarten Kaufluſtige ein, welche die prächtigen und pfeilſchnellen ara- biſchen Pferde zu erwerben wünſchen. Die Thiere können jedoch im Laufe der Tournée nicht abgegeben werden. Mit Ende dieſes Monates findet auch das Engagement der ex- cellenten Japaner-Truppe Nanakuſa ihren Abſchluß. * Wetter. Sehr warm anhaltend. Aus den Kronländern. Oberöſterreich. Ried. (Bierumlage. — Domban- leiter.) Dem Drucke der Bevölkerung nachgebend, ſind nun unſere Wirthe mit dem Bierpreiſe wieder herabgegangen, und ſo koſtet jetzt der Liter wieder 14 kr. Die Landwirthe ließen überhaupt keine Preis- erhöhung eintreten. Auch in Kremsmünſter gab es einen Bieraufſchlag. Die Preisſteigerung von 4 h beim Liter iſt nur bisher wieder ein ungerechtfertigter Gewinn geweſen, denn es ſind noch nicht einmal die Durchführungsverordnungen beim Landesausſchuß feſt- geſtellt, ſo daß vor 1. October gar keine Ausſicht eines Inkrafttretens der Bierumlage iſt. Die Wirthe ſuchen ſich nun mit der Ausflucht zu entſchuldigen, die Landesbierumlage müſſe vom 15. Juni an nachbezahlt werden, was ganz unrichtig iſt. Auch hatte die k. k. Bezirkshauptmannſchaft den Wirthen einen Strich durch ihre Rechnung gemacht. Zum Zwecke einigen Vorgehens ſetzten die Wirthe eine Ordnungsſtrafe von 2 bis eventuell 20 K feſt. Dieſer Strafbeſchluß gegen jene Wirthe, welche das Bier allenfalls zum früheren Preis ſchenken würden, wurde behördlich verworfen. — Dem hieſigen Baumeiſter, Herrn Mathias Schlager, wurde vom biſchöflichen Ordinariate der ehrenvolle Ruf eines Dombauleiters beim Maria Empfängnißdome zu Theil. Schlager nahm dieſe an- gebotene Stelle an und wird derſelbe mit 1. September nach Linz überſiedeln. Böhmen. Dux. (Der hinauscomplimentirte Zeller.) Der ſocialdemokratiſche Abg. Zeller hielt hier Samſtag eine Verſammlung, um die Kohlen- grubenarbeiter zum Streik zu bewegen, weil angeblich die von den Werksbeſitzern den Arbeitern gemachten Zugeſtändniſſe den früheren Zuſagen derſelben nicht entſprechen. Die Verſammlung nahm einen ſehr ſtürmiſchen Verlauf. Es ergriffen in derſelben auch Bergarbeiter das Wort und warfen den Führern und Agitatoren des Jänner- ſtreiks Veruntreuungen vor mit der Begründung, daß ſelbe ſich von den Unterſtützungs- geldern bereichert und förmlich vom Kopfe bis zum Fuße neu gekleidet hätten. Abg. Zeller, ſowie mehrere Agitatoren mußten ſchleunigſt den Saal verlaſſen; dieſelben wurden von den aufgebrachten Arbeitern beſchimpft und bedroht und zum Saale förmlich hinausgeſchoben. Nach dem Abzuge der ſocialdemokratiſchen Führer trat im Verſammlungs- locale wieder Ruhe ein. Mähren. Brünn. (Tabakbau für Mähren.) Eine Deputation von mähriſchen Bauern hat dem Ackerbau- und Finanzminiſterium die erſten Proben von in Mähren gepflanztem Tabak vorgelegt. Die Deputation machte in beiden Miniſterien darauf aufmerkſam, daß die Bauernſchaft hiezu gezwungen ſei, erträgnißreichere Pflanzen zu bauen, da der Zuckerrübenbau ſich nicht mehr rentire. Die Deputation gab der Hoffnung Aus- druck, daß das Verbot des Tabakbaues in Mähren auf gehoben werde. Telegramme. Zur Cabinetsbildung in Serbien. Belgrad, 24. Juli. In den hieſigen offi- ciellen ſerbiſchen Kreiſen wird hervorgehoben, daß das neue Cabinet einen entſchieden neutra- len Charakter trage. Zwei ſeiner Mitglieder ſind Officiere, die übrigen theils active, theils geweſene Beamte. Der Miniſterpräſident Jowa- nowitſch, der auch das Portefeuille des Aeußern inne hat, iſt gemäßigt-fortſchrittlich, der Miniſter des Innern und der für Volkswirthſchaft ſind liberal geſinnt. Finanzminiſter Popowitſch, der an der Seite des geweſenen Finanzminiſters Dr. Wujitſch Jahre lang als Sectionschef wirkte, iſt gemäßigt-radical. Dieſe Parteifärbung der einzelnen Miniſter ſoll jedoch gar nicht ins Gewicht fallen. Eiſenbahnzuſammenſtoß. Dortmund, 25. Juli. Heute Nachts um 2 Uhr fuhr in der Station Camen ein Schnellzug auf einen dortſelbſt haltenden Güter- zug. Der Locomotivführer und der Heizer des Schnellzuges wurden getödtet, der Zugs- führer und der Packmeiſter ſchwer und fünf Reiſende leicht verletzt. Der am Material angerichtete Schaden iſt ein bedeutender. Prag, 25. Juli. (Meldung des k. k. Cor- reſpondenz-Bureaus.) Aus Jungbunzlau wird gemeldet: Sonntag nach 8 Uhr Abends kam es vor dem Hauſe des Kaufmannes Moriz Pick in Alt-Benatek zu einer Anſammlung. Die Menge, zumeiſt Arbeiter, etwa 300 an der Zahl, ſchlug die Fenſter des Geſchäftslocales ein und ſchickte ſich an, dasſelbe zu plündern. Zu dem Attentate gab das Gerücht Veranlaſſung

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 168, Wien, 26.07.1900, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost168_1900/4>, abgerufen am 25.11.2024.