Reichspost. Nr. 168, Wien, 26.07.1900.168 Wien, Donnerstag Reichspost 26. Juli 1900 [Spaltenumbruch] Ebenhoch's durchaus nicht überrascht, sagt das Blatt, schon deshalb nicht, weil er eigentlich nichts Neues von den Jungczechen fordert. Haben denn die Jungczechen nicht längst und auch schon in der früheren Rechten alle ihre Principien, alle ihre Ziele aufgegeben? Die ganze Obstruction war nichts Anderes, als eine Rettung vor dem Unwillen der Wähler und das Product der Furcht vor denselben. Die "Nar. Listy" treten heute bereits in der Sprachenfrage den Rückzug an. Von dem "Verbrechen" vom 17. October und von der Satisfaction ist keine Rede mehr und das führende Organ deutet schon an, daß man eine Ent- schädigung wo anders suchen könne, wenn es in der Sprachenfrage nicht gehe. Uebrigens sei es kein Geheimniß, daß die Majorität in ihrer bisherigen Zusammensetzung in den Kreisen, die über der Regierung stehen, keine großen Sympathien habe, und diese Gründe des Herrn v. Koerber gegen eine Wiederauf- richtung sind auch die Gründe des "Verrathes" der Herren Jaworski, Kathrein und Ebenhoch." Deutsches Reich. Gegen die Errichtung einer Handelskammer in Berlin leistet das Collegium der Aeltesten Der Abg. Bebel sprach am Donnerstag in Belgien. Die Repräsentantenkammer nahm die Vorlage Brüssel als Seehafen. In Gegenwart des Serbien. Das neue Ministerium hat sich, nachdem Eine allgemeine Amnestie für politische Ver- König Milan hat, wie wir bereits gestern mit- Die Belgrader Scandalchronisten, die ihre [Spaltenumbruch] Rumänien. Das Ministerium Carp und die Juden. Das neue Cabinet wurde von den Wiener Börsenblättern Südamerika. Aufstand in Panama. Aus Panama wird Tagesbericht. Wien. 25. Juli. * Kalender für Donnerstag, den 26. Juli 1900. Katholiken: Anna. -- Griechen (13. Juli): [Spaltenumbruch] * Auszeichnungen und Ernennungen. Der Kaiser * Erledigte Stiftungen. Zwei Plätze der Theobald * Zur Klarstellung des Falles Tacoli. In * Verhaftung eines wegen Religionsstörung verfolgten Schriftstellers. Aus Görz wird ge- * Großer Brand in Prag. Im Hoftracte des * Dreimaliger Selbstmordversuch. Die * Der Tunneleinsturz im Erzberg. Es steht 168 Wien, Donnerſtag Reichspoſt 26. Juli 1900 [Spaltenumbruch] Ebenhoch’s durchaus nicht überraſcht, ſagt das Blatt, ſchon deshalb nicht, weil er eigentlich nichts Neues von den Jungczechen fordert. Haben denn die Jungczechen nicht längſt und auch ſchon in der früheren Rechten alle ihre Principien, alle ihre Ziele aufgegeben? Die ganze Obſtruction war nichts Anderes, als eine Rettung vor dem Unwillen der Wähler und das Product der Furcht vor denſelben. Die „Nar. Liſty“ treten heute bereits in der Sprachenfrage den Rückzug an. Von dem „Verbrechen“ vom 17. October und von der Satisfaction iſt keine Rede mehr und das führende Organ deutet ſchon an, daß man eine Ent- ſchädigung wo anders ſuchen könne, wenn es in der Sprachenfrage nicht gehe. Uebrigens ſei es kein Geheimniß, daß die Majorität in ihrer bisherigen Zuſammenſetzung in den Kreiſen, die über der Regierung ſtehen, keine großen Sympathien habe, und dieſe Gründe des Herrn v. Koerber gegen eine Wiederauf- richtung ſind auch die Gründe des „Verrathes“ der Herren Jaworski, Kathrein und Ebenhoch.“ Deutſches Reich. Gegen die Errichtung einer Handelskammer in Berlin leiſtet das Collegium der Aelteſten Der Abg. Bebel ſprach am Donnerſtag in Belgien. Die Repräſentantenkammer nahm die Vorlage Brüſſel als Seehafen. In Gegenwart des Serbien. Das neue Miniſterium hat ſich, nachdem Eine allgemeine Amneſtie für politiſche Ver- König Milan hat, wie wir bereits geſtern mit- Die Belgrader Scandalchroniſten, die ihre [Spaltenumbruch] Rumänien. Das Miniſterium Carp und die Juden. Das neue Cabinet wurde von den Wiener Börſenblättern Südamerika. Aufſtand in Panama. Aus Panama wird Tagesbericht. Wien. 25. Juli. * Kalender für Donnerſtag, den 26. Juli 1900. Katholiken: Anna. — Griechen (13. Juli): [Spaltenumbruch] * Auszeichnungen und Ernennungen. Der Kaiſer * Erledigte Stiftungen. Zwei Plätze der Theobald * Zur Klarſtellung des Falles Tacoli. In * Verhaftung eines wegen Religionsſtörung verfolgten Schriftſtellers. Aus Görz wird ge- * Großer Brand in Prag. Im Hoftracte des * Dreimaliger Selbſtmordverſuch. Die * Der Tunneleinſturz im Erzberg. Es ſteht <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0003" n="3"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">168 Wien, Donnerſtag Reichspoſt 26. Juli 1900</hi></fw><lb/><cb/><hi rendition="#g">Ebenhoch’s</hi> durchaus nicht überraſcht, ſagt das<lb/> Blatt, ſchon deshalb nicht, weil er eigentlich <hi rendition="#g">nichts<lb/> Neues von den Jungczechen</hi> fordert.<lb/> Haben denn die Jungczechen nicht längſt und auch ſchon<lb/> in der früheren Rechten alle ihre Principien, alle ihre<lb/> Ziele aufgegeben? 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Koerber <hi rendition="#g">gegen eine Wiederauf-<lb/> richtung</hi> ſind auch die Gründe des „Verrathes“<lb/> der Herren Jaworski, Kathrein und Ebenhoch.“</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Deutſches Reich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Gegen die Errichtung einer Handelskammer<lb/> in Berlin</hi> </head> <p>leiſtet das Collegium der <hi rendition="#g">Aelteſten<lb/> der Berliner Kaufmannſchaft</hi> (meiſt<lb/> Juden) Widerſtand. Neuerdings will dasſelbe bekannt-<lb/> lich einen Corporationsbeſchluß für das <hi rendition="#g">mittlere<lb/> und Kleingewerbe</hi> bilden. Zu dieſem Plane<lb/> bemerkt die „Nordd. Allg. Ztg.“: „Es kann wohl<lb/> nicht erwartet werden, daß die Forderung nach<lb/> Schaffung einer die Geſammtintereſſen der Kaufleute<lb/> und Induſtriellen vertretenden Berliner Handelskammer,<lb/> die der Miniſter für Handel und Gewerbe in Ueber-<lb/> einſtimmung mit faſt allen Parteien des Abgeordneten-<lb/> hauſes und des größten Theiles der Berliner Kaufleute<lb/> und Induſtriellen mehrfach mit Entſchiedenheit betont<lb/> hat, auch nur im geringſten an Nachdruck verlieren<lb/> wird in Folge derartiger <hi rendition="#g">Palliativmittel,</hi><lb/> die, falls ſie dazu beſtimmt ſind, die Schaffung der<lb/> Berliner Handelskammer zu verhindern, lediglich einen<lb/><hi rendition="#g">Verſuch mit untanglichen Mitteln</hi><lb/> darſtellen.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Der Abg. Bebel</hi> </head> <p>ſprach am Donnerſtag in<lb/> einer Verſammlung zu Zürich, die von über 1000<lb/> Perſonen beſucht war, über die chineſiſchen Wirren.<lb/> Er prophezeite unter toſendem Beifall den Zuſammen-<lb/> bruch der capitaliſtiſchen Geſellſchaft, falls die Eifer-<lb/> ſucht der Mächte in China einen Weltbrand entzünde.<lb/> Daß Herr Bebel nach ſeinen trüben <choice><sic>Erfahrungenmi t</sic><corr>Erfahrungen mit</corr></choice><lb/> dem großen „Kladderadatſch“ das Prophezeien noch<lb/> immer nicht bleiben läßt, iſt ſchwer zu verſtehen.<lb/> Diesmal macht er den „Zuſammenbruch“ wenigſtens<lb/> von einer Bedingung abhängig; das iſt immerhin ein<lb/> Fortſchritt.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Belgien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die Repräſentantenkammer</hi> </head> <p>nahm die Vorlage<lb/> betreffend die Genehmigung der Schlußacte der<lb/><hi rendition="#g">Haager</hi> Friedensconferenz und der dazu gehörigen<lb/> Verträge an. Auf eine Anfrage erklärte der Miniſter<lb/> des Aeußern, er ſtehe dem Plane einer <hi rendition="#g">belgiſchen<lb/> Expedition</hi> nach China ſympathiſch gegenüber,<lb/> da der elbe der öffentlichen Meinung entſpreche.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Brüſſel als Seehafen.</hi> </head> <p>In Gegenwart des<lb/> Königspaares, der Miniſter, zahlreicher Abgeordneter<lb/> und Vertreter der Behörden fand geſtern in Laeken die<lb/> Feier der Eröffnung der Arbeit ſtatt, welche Brüſſel zu<lb/> einem Seehafen geſtalten werden. König Leopold <hi rendition="#aq">II.</hi><lb/> that den erſten Spatenſtich.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Serbien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Das neue Miniſterium</hi> </head> <p>hat ſich, nachdem<lb/> Nicolaus Chriſtic die Cabinetsbildung abgelehnt hat,<lb/> in folgender Zuſammenſetzung conſtituirt: Alexa<lb/> Jovanovic, bisher Präſident des Apellgerichtshofes,<lb/> — Präſidium und Aeußeres; Lazar Popovic, bisher<lb/> Richter am Caſſationshofe — Inneres; Naſtas<lb/> Antonovic, bisher Sectionschef im Miniſterium des<lb/> Innern — Juſtiz; Dr. Mika Popovic, geweſener<lb/> Sectionschef im Handelsminiſterium — Finanzen;<lb/> Oberſtlieutenant Milos Waſic, Adjutant des Königs<lb/> Alexander — Krieg; Oberſt des Geniecorps Andreas<lb/> Jovanovic — Bauten; Duſan Spaſic, bisher<lb/> Sectionschef im Handelsminiſterium — Handel; Rechts-<lb/> anwalt Paul Marinkovic — Cultus und Unterricht.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Eine allgemeine Amneſtie</hi> </head> <p>für politiſche Ver-<lb/> brechen wird durch einen heute veröffentlichten Ukas<lb/> gewährt. Bloß die an dem Attentate gegen König<lb/> Milan direct betheiligt geweſenen Perſonen ſind von<lb/> der Amneſtie ausgeſchloſſen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">König Milan</hi> </head> <p>hat, wie wir bereits geſtern mit-<lb/> theilten, in Folge der Verlobung des Königs Alexander<lb/> als Armee-Obercommandant demiſſionirt. Verſchiedene<lb/> Hofchargen, darunter der Flügeladjutat Oberſt Solaro-<lb/> witſch, der Leibarzt Dr. Michel und der Oheim des<lb/> Königs Alexander, Oberſtlieutenant Konſtantinowitſch,<lb/> und deſſen Sohn, Gardelieutenant Konſtuntinowitſch,<lb/> haben ebenfalls ihre Entlaſſung gegeben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die Belgrader Scandalchroniſten,</hi> </head> <p>die ihre<lb/> Ableger in der ausländiſchen Preſſe finden, be-<lb/> ſchäftigen ſich bereits eingehend mit dem Vorleben der<lb/> königlichen Braut und mit ihren angeblich ſchon Jahre<lb/> langen Beziehungen zum Könige. In der bäuerlichen<lb/> Bevölkerung ſoll die Wahl des Königs keine freund-<lb/> liche Aufnahme finden.</p><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Rumänien.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Das Miniſterium Carp und die Juden.</hi> </head><lb/> <p>Das neue Cabinet wurde von den Wiener Börſenblättern<lb/> freundlichſt begrüßt, denn ſie wiſſen, daß der Cabinets-<lb/> cheſ wiederholt zu Gunſten der Juden eingetreten iſt.<lb/> Das Organ des ſchlechten Kerls von Wien entwirft von<lb/> Herrn Carp die folgende, jedes jüdiſche Herz erhebende<lb/> Charakteriſtik: „Er hat vornehmlich in der Juden-<lb/> frage ſtets den ſeltenen Muth gefunden, populären<lb/> Strömungen entgegenzutreten. Er hat hiebei ſeine<lb/> humane Geſinnung auch zu ſolchen Zeiten mannhaft<lb/> geoffenbart, da die Leidenſchaften derart aufgewühlt<lb/> waren, daß ein kühnes Eintreten für die Parias inner-<lb/> halb des rumäniſchen Volkes mit einer Lebensgefahr<lb/> für ihn verbunden war.“ Dann wird Herrn Carp<lb/> ſeine Aufgabe vorgezeichnet: „Er wird vor Allem mit<lb/> unnachſichtlicher Rückſichtsloſigkeit jene conſervativen<lb/> Elemente bändigen müſſen, die unter der Führung<lb/> fanatiſcher Chauviniſten den Antiſemitismus als ihren<lb/> Lieblingsſport betreiben.“ In gleicher Weiſe ſtrudeln<lb/> auch die übrigen Wiener Judenblätter den neuen<lb/> rumäniſchen Miniſterpräſidenten an. Die „Frank-<lb/> furter Zeitung“ gießt aber etwas Waſſer in den<lb/> Wein der Wiener Börſenpreſſe, indem ſie zorn-<lb/> erfüllt ſchreibt: „Kenner der Verhältniſſe wiſſen, daß<lb/> eine Beſſerung der Lage der Juden unter der<lb/> gegenwärtigen Verfaſſung nicht eintreten kann.<lb/> Denn trotzdem Carp ein freiſinniger Mann iſt, war<lb/> er doch ſelbſt als Miniſter ſeiner Zeit von der eigenen<lb/> Partei gezwungen worden, das Geſetz betreffend die<lb/> Nichtaufnahme der Juden in die rumäniſchen Schulen<lb/> anzunehmen. Die Urſache hiervon liegt in den eigen-<lb/> thümlichen parlamentariſchen Verhältniſſen. Es iſt<lb/> aber keinem Miniſter lieb, über die jüdiſche Frage zu<lb/> fallen. Im Uebrigen zeigt auch die Zuſammenſetzung<lb/> des neuen Miniſteriums, daß Herr Carp ſelbſt, wenn<lb/> er judenfreundliche Maßregeln treffen wollte, bei den<lb/> eigenen Collegen Widerſtand finden würde. Der ein-<lb/> flußreichſte Miniſter nächſt Herrn Carp, Herr<lb/><hi rendition="#g">Filipescu,</hi> iſt einer der Führer des wüthendſten,<lb/> erbarmungsloſen Antiſemitismus, und er wird unter-<lb/> ſtützt von den Miniſtern <hi rendition="#g">Gradiſteanu</hi> und<lb/><hi rendition="#g">Maiorescu.</hi>“ Die Hoffnungen, welche die Wiener<lb/> Judenblätter auf die „Ehrlichkeit“ des „aufgeklärten“<lb/> Carp ſetzen, von dem ſie erwarten, daß er im Intereſſe<lb/> des finanziellen, moraliſchen und culturellen Credites,<lb/> Rumänien von der „oſtaſiatiſchen Barbarei“ befreien<lb/> und die im Berliner Vertrage von 1878 vereinbarte<lb/> „Emancipation“ der Juden durchführen werde, dürften<lb/> vergebliche ſein. Die antiſemitiſche Strömung iſt in<lb/> Rumänien eine ſo nachhaltige, daß, wie geſagt,<lb/> keine Regierung ſich dazu verſtehen wird, ihr<lb/> entgegen zu treten. Die Zahl der Juden in<lb/> Rumänien wird auf etwa 300.000 berechnet.<lb/> Sie wohnen zumeiſt in der Moldau, haben zwar keine<lb/> politiſchen Rechte, ſind von allen Staatsämtern ausge-<lb/> ſchloſſen, vermehren und bereichern ſich aber gleichwohl<lb/> zuſehends auf Koſten der heimiſchen Bevölkerung mit<lb/> Hilfe von Wucherpraktiken der verſchiedenſten Arten.<lb/> Sie ſind zumeiſt erſt um die Mitte dieſes Jahr-<lb/> hunderts aus Rußland eingewandert. Die „N. Freie<lb/> Preſſe“ täuſcht abſichtlich, wenn ſie behauptet, die<lb/> Juden ſeien ſchon ſeit Jahrhunderten im Lande wohn-<lb/> haft, und aus leicht begreiflichen Gründen nachzurechnen<lb/> verſucht, daß die Bojaren erſt ſpäter eingewanderten<lb/> Geſchlechtern angehören. Ein richtiges Bild der<lb/> rumäniſchen Juden entwirft der Franzoſe E. Desjardin<lb/> der als Philoſemit nach der Moldau gekommen iſt,<lb/> um die Juden kennen zu lernen. Er ſchreibt: „Sie<lb/> ſeien Fremde auf dem rumäniſchen Boden, nicht nur<lb/> der Sprache und Sitte, ſondern auch dem Geiſte nach,<lb/> und wollten auch Fremde bleiben! Sie ſendeten ihre<lb/> Kinder nicht in die rumäniſche Schule, obgleich ſie<lb/> ihnen unentgeltlich geöffnet iſt; der ganze Kleinhandel<lb/> (Milch, Fleiſch, Früchte u. ſ. w.) ſei in ihren Händen,<lb/> beſonders aber der Vertrieb des Branntweins, den ſie<lb/> ſelbſt nicht tränken, ſondern mit Vitriol gemiſcht den<lb/> Rumänen verkauften. In der Moldau ſei der Jude<lb/> auch Schneider, Schuſter, Uhrmacher, Klempner, vor<lb/> allen Dingen aber Wucherer. Bis zu 50 Percent<lb/> monatlich nehme er von dem Entliehenen, und da es<lb/> keine Creditanſtalten gebe, müßten in Zeiten der Noth,<lb/> bei jeder ſchlechten Ernte, Alle zu ihm ihre Zuflucht<lb/> nehmen.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Südamerika.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Aufſtand in Panama.</hi> </head> <p>Aus Panama wird<lb/> depeſchirt: 1500 Aufſtändiſche kamen letzten Freitag in<lb/> Corozal bei Panama an. Die Regierungstruppen<lb/> rückten Samſtag vor, zogen ſich jedoch nach mehrſtün-<lb/> digem Gefecht zurück. Sonntag wurden die Feindſelig-<lb/> keiten mit einem Artilleriegefecht wieder aufgenommen.<lb/> Der Befehlshaber der Regierungstruppen flüchtete ſich<lb/> mit ſeinem Stabschef auf das britiſche Kriegsſchiff<lb/> „Leander“. Der ſtellvertretende Gouverneur von<lb/> Panama übernahm die Leitung der Operationen der<lb/> Regierungstruppen.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Tagesbericht.</hi> </head><lb/> <dateline>Wien. 25. Juli.</dateline><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Kalender für Donnerſtag, den 26. Juli 1900.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#g">Katholiken:</hi> Anna. — <hi rendition="#g">Griechen</hi> (13. Juli):<lb/> Gabriel E. — Sonnenaufgang 4 Uhr 28 Minuten Morgens.<lb/> Sonnenuntergang 7 Uhr 44 Minuten Abends. — Mondes-<lb/> aufgang 4 Uhr 24 Min. Morgens. — Mondesuntergang<lb/> 7 Uhr 18 Minuten Abends.</p><lb/> <cb/> </div> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Auszeichnungen und Ernennungen.</hi> </head> <p>Der <hi rendition="#g">Kaiſer</hi><lb/> hat dem Feldmarſchall-Lieutenant Ludwig v. <hi rendition="#g">Caſtaldo</hi><lb/> das Ritterkreuz des Leopold-Ordens, dem Oberfinanzrathe<lb/> bei der Finanz-Landesdirection in Lemberg Joſef <hi rendition="#g">Waydo-<lb/> wicz</hi> den Orden der Eiſernen Krone <hi rendition="#aq">III.</hi> Claſſe, dem<lb/> Bauunternehmer Heinrich <hi rendition="#g">Rabs</hi> in Wien den Titel eines<lb/> Baurathes, dem Kaufmann und Hausbeſitzer Clemens<lb/><hi rendition="#g">Jurenka</hi> in Olmütz den Titel eines kaiſerlichen Rathes<lb/> (für die Dauer ſeiner Function als fachmänniſcher Laien-<lb/> richter bei dem Kreisgerichte in Olmütz) und dem Chef der<lb/> Firma Friedrich Otto Schmidt in Wien Max <hi rendition="#g">Schmidt</hi><lb/> ſowie dem Chef der Firma J. W, Müller in Wien Leopold<lb/><hi rendition="#g">Müller</hi> das goldene Verdienſtkreuz mit der Kron<supplied>e</supplied><lb/> verliehen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Erledigte Stiftungen.</hi> </head> <p>Zwei Plätze der Theobald<lb/><hi rendition="#g">Uffenheimer</hi>’ſchen Gewerbeſtiftung von je 197 <hi rendition="#aq">K 50 h</hi><lb/> für verarmte Gewerbsleute. — Zwei Plätze der <hi rendition="#g">Schöbl-<lb/> Wünſch</hi>’ſchen Erziehungsſtiftung per 600 <hi rendition="#aq">K</hi> jährlich und<lb/> vier Plätze der <hi rendition="#g">Schöbl-Wünſch</hi>’ſchen Unterſtützungs-<lb/> ſtiftung <hi rendition="#aq">à 1000 K.</hi> Näheres ſ. „Wr. Ztg.“ Nr. 168 vom<lb/> 25. d. M.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Zur Klarſtellung des Falles Tacoli.</hi> </head> <p>In<lb/> der „Oſtd. Rundſchau“ wird, um den Fall Tacoli zu<lb/> verwirren, zweierlei, was wir ſchon längſt widerlegt<lb/> haben, nach dem „Salzburger Tagblatt“ friſch auf-<lb/> gewärmt: erſtens, daß Marcheſe Tacoli von ſeinem<lb/> Gegner eine Ohrfeige erhalten habe; das iſt einfach<lb/> erfunden, es iſt zu Thätlichkeiten überhaupt nicht ge-<lb/> kommen; zweitens, daß Marcheſe Tacoli ſeinen Gegner<lb/> denunciert habe. Das iſt durchaus nicht der Fall. Als<lb/> die beiden Herren Officiere, welche Marcheſe Tacoli<lb/> gebeten hatte, den Fall beizulegen, die Sache dem<lb/> Ehrenrathe vorlegten, citierte <hi rendition="#g">dieſer</hi> den Marcheſe<lb/> Tacoli, und dieſer forderte ihn auf, über<lb/> den Hergang zu berichten, was derſelbe<lb/> natürlich thun mußte. Wenn dies Denunciation<lb/> iſt, dann iſt auch Jeder, der vor dem Unterſuchungs-<lb/> richter ausſagen muß, ein Denunciant. Wir haben<lb/> übrigens jetzt, da andere Blätter des Inlandes und<lb/> Deutſchlands den Namen des Gegners des Marquis<lb/> Tacoli nennen, keine Veranlaſſung mehr, denſelben zu<lb/> verſchweigen, zumal wir bisher dafür geſorgt haben,<lb/> daß die Sache nicht eine <hi rendition="#g">perſönliche</hi> Zu-<lb/> ſpitzung erhalte, ſondern die <hi rendition="#g">principielle<lb/> Seite der Frage</hi> offen und oben bleibe. Der-<lb/> ſelbe iſt der Lieutenant von <hi rendition="#g">Szilley.</hi> </p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Verhaftung eines wegen Religionsſtörung<lb/> verfolgten Schriftſtellers.</hi> </head> <p>Aus <hi rendition="#g">Görz</hi> wird ge-<lb/> meldet: Hier wurde der Schriftſteller Joh. Friedrich<lb/><hi rendition="#g">Gutzeit</hi> verhaftet. Derſelbe war in <hi rendition="#g">Breslau</hi><lb/> wegen Religionsſtörung zu drei Monaten Gefängniß<lb/> verurtheilt worden, hatte ſich jedoch der Strafe durch<lb/> die Flucht entzogen. Er wird nach Breslau ausgeliefert<lb/> werden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Großer Brand in Prag.</hi> </head> <p>Im Hoftracte des<lb/><hi rendition="#g">Dotzauer</hi>’ſchen Hauſes in der Hybernergaſſe in<lb/> Prag brach geſtern Vormittags, wahrſcheinlich durch<lb/> unverſichtiges Hantiren mit Streichhölzern, ein großer<lb/> Brand aus, welcher das zweiſtöckige Magazinshaus, in<lb/> welchem die Firmen Elkan Fiſchl und Comp., Julius<lb/> Kuſty und Tempsky und Freytag ihre Comptoris und<lb/> Magazine hatten, vollſtändig einäſcherte. Das Feuer<lb/> entſtand im Kellergewölbe. Als die daſelbſt aufge-<lb/> ſtapelten Benzinfäſſer explodirten und das Gewölbe in<lb/> Folge deſſen zertrümmert wurde, theilte ſich das Feuer<lb/> auch den übrigen Localitäten mit. Es verbrannten<lb/> große Maſſen von Farbwaren, Droguen, Fettwaren,<lb/> ferner Kaffee und Zucker, ſowie eine große Menge<lb/> Druckbogen der Firma Tempsky. Die Höhe des<lb/> Schadens iſt noch nicht ſichergeſtellt, doch dürfte er<lb/> mehrere hunderttauſend Kronen betragen. Das an-<lb/> grenzende Gebäude der Hypothekenbank war arg ge-<lb/> fährdet.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Dreimaliger Selbſtmordverſuch.</hi> </head> <p>Die<lb/> 19jährige Magd Katharina <hi rendition="#g">Bücher,</hi> Ottakring,<lb/> Herbſtſtraße Nr. 11, unternahm im Laufe des vor-<lb/> geſtrigen Tages dreimal den Verſuch, ſich das Leben zu<lb/> nehmen. Zunächſt kaufte ſie um 20 Heller Laugen-<lb/> eſſenz und wollte die Flüſſigkeit ſogleich austrinken.<lb/> Der Gemiſchtwaarenhändler hinderte ſie aber daran.<lb/> Nun eilte das Mädchen in den zweiten Stock und<lb/> wollte ſich in den Hofraum ſtürzen — auch daran<lb/> konnte ſie gehindert werden. Auf das Polizeicommiſſariat<lb/> Ottakring gebracht, gab Katharina Bucher an, daß ſie<lb/> einen Selbſtmord ausführen wollte, weil der Magazins-<lb/> arbeiter Vincenz <hi rendition="#g">Bodzek,</hi> der um ſie geworben<lb/> hatte und abgewieſen worden war, am 21. d. Nachts<lb/> in einem Pavillon des Weſtbahnhofes eine Phosphor-<lb/> löſung trank. Das Giſt im Leibe, ſchleppte er ſich<lb/> damals bis nach Ottakring, wo er bewußtlos zuſammen-<lb/> brach. Der Bucher wurde auf dem Commiſſariat mit-<lb/> getheilt, daß ſich Bodzek im Wilhelminenſpital ſchon<lb/> außer Gefahr befinde, und ſie zeigte ſich auch voll-<lb/> kommen beruhigt. Man übergab ſie ſpäter ihrer<lb/> Schweſter. Kaum zu Hauſe angelangt, unternahm die<lb/> Magd abermals einen Verſuch, ſich aus einem Fenſter<lb/> des zweiten Stockwerkes auf die Straße zu ſtürzen,<lb/> doch wurde ſie an der Ausführung der That abermals<lb/> gehindert und ſodann der pſychiatriſchen Klinik über-<lb/> geben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Der Tunneleinſturz im Erzberg.</hi> </head> <p>Es ſteht<lb/> leider bereits außer Zweifel, daß der Einſturz des<lb/> Tunnels zwiſchen Eiſenerz und Schichtthurmberg zwei<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [3/0003]
168 Wien, Donnerſtag Reichspoſt 26. Juli 1900
Ebenhoch’s durchaus nicht überraſcht, ſagt das
Blatt, ſchon deshalb nicht, weil er eigentlich nichts
Neues von den Jungczechen fordert.
Haben denn die Jungczechen nicht längſt und auch ſchon
in der früheren Rechten alle ihre Principien, alle ihre
Ziele aufgegeben? Die ganze Obſtruction war nichts
Anderes, als eine Rettung vor dem Unwillen
der Wähler und das Product der Furcht vor
denſelben. Die „Nar. Liſty“ treten heute bereits
in der Sprachenfrage den Rückzug an. Von dem
„Verbrechen“ vom 17. October und von der
Satisfaction iſt keine Rede mehr und das
führende Organ deutet ſchon an, daß man eine Ent-
ſchädigung wo anders ſuchen könne, wenn
es in der Sprachenfrage nicht gehe.
Uebrigens ſei es kein Geheimniß, daß die Majorität
in ihrer bisherigen Zuſammenſetzung in den Kreiſen,
die über der Regierung ſtehen, keine großen
Sympathien habe, und dieſe Gründe des
Herrn v. Koerber gegen eine Wiederauf-
richtung ſind auch die Gründe des „Verrathes“
der Herren Jaworski, Kathrein und Ebenhoch.“
Deutſches Reich.
Gegen die Errichtung einer Handelskammer
in Berlin leiſtet das Collegium der Aelteſten
der Berliner Kaufmannſchaft (meiſt
Juden) Widerſtand. Neuerdings will dasſelbe bekannt-
lich einen Corporationsbeſchluß für das mittlere
und Kleingewerbe bilden. Zu dieſem Plane
bemerkt die „Nordd. Allg. Ztg.“: „Es kann wohl
nicht erwartet werden, daß die Forderung nach
Schaffung einer die Geſammtintereſſen der Kaufleute
und Induſtriellen vertretenden Berliner Handelskammer,
die der Miniſter für Handel und Gewerbe in Ueber-
einſtimmung mit faſt allen Parteien des Abgeordneten-
hauſes und des größten Theiles der Berliner Kaufleute
und Induſtriellen mehrfach mit Entſchiedenheit betont
hat, auch nur im geringſten an Nachdruck verlieren
wird in Folge derartiger Palliativmittel,
die, falls ſie dazu beſtimmt ſind, die Schaffung der
Berliner Handelskammer zu verhindern, lediglich einen
Verſuch mit untanglichen Mitteln
darſtellen.“
Der Abg. Bebel ſprach am Donnerſtag in
einer Verſammlung zu Zürich, die von über 1000
Perſonen beſucht war, über die chineſiſchen Wirren.
Er prophezeite unter toſendem Beifall den Zuſammen-
bruch der capitaliſtiſchen Geſellſchaft, falls die Eifer-
ſucht der Mächte in China einen Weltbrand entzünde.
Daß Herr Bebel nach ſeinen trüben Erfahrungen mit
dem großen „Kladderadatſch“ das Prophezeien noch
immer nicht bleiben läßt, iſt ſchwer zu verſtehen.
Diesmal macht er den „Zuſammenbruch“ wenigſtens
von einer Bedingung abhängig; das iſt immerhin ein
Fortſchritt.
Belgien.
Die Repräſentantenkammer nahm die Vorlage
betreffend die Genehmigung der Schlußacte der
Haager Friedensconferenz und der dazu gehörigen
Verträge an. Auf eine Anfrage erklärte der Miniſter
des Aeußern, er ſtehe dem Plane einer belgiſchen
Expedition nach China ſympathiſch gegenüber,
da der elbe der öffentlichen Meinung entſpreche.
Brüſſel als Seehafen. In Gegenwart des
Königspaares, der Miniſter, zahlreicher Abgeordneter
und Vertreter der Behörden fand geſtern in Laeken die
Feier der Eröffnung der Arbeit ſtatt, welche Brüſſel zu
einem Seehafen geſtalten werden. König Leopold II.
that den erſten Spatenſtich.
Serbien.
Das neue Miniſterium hat ſich, nachdem
Nicolaus Chriſtic die Cabinetsbildung abgelehnt hat,
in folgender Zuſammenſetzung conſtituirt: Alexa
Jovanovic, bisher Präſident des Apellgerichtshofes,
— Präſidium und Aeußeres; Lazar Popovic, bisher
Richter am Caſſationshofe — Inneres; Naſtas
Antonovic, bisher Sectionschef im Miniſterium des
Innern — Juſtiz; Dr. Mika Popovic, geweſener
Sectionschef im Handelsminiſterium — Finanzen;
Oberſtlieutenant Milos Waſic, Adjutant des Königs
Alexander — Krieg; Oberſt des Geniecorps Andreas
Jovanovic — Bauten; Duſan Spaſic, bisher
Sectionschef im Handelsminiſterium — Handel; Rechts-
anwalt Paul Marinkovic — Cultus und Unterricht.
Eine allgemeine Amneſtie für politiſche Ver-
brechen wird durch einen heute veröffentlichten Ukas
gewährt. Bloß die an dem Attentate gegen König
Milan direct betheiligt geweſenen Perſonen ſind von
der Amneſtie ausgeſchloſſen.
König Milan hat, wie wir bereits geſtern mit-
theilten, in Folge der Verlobung des Königs Alexander
als Armee-Obercommandant demiſſionirt. Verſchiedene
Hofchargen, darunter der Flügeladjutat Oberſt Solaro-
witſch, der Leibarzt Dr. Michel und der Oheim des
Königs Alexander, Oberſtlieutenant Konſtantinowitſch,
und deſſen Sohn, Gardelieutenant Konſtuntinowitſch,
haben ebenfalls ihre Entlaſſung gegeben.
Die Belgrader Scandalchroniſten, die ihre
Ableger in der ausländiſchen Preſſe finden, be-
ſchäftigen ſich bereits eingehend mit dem Vorleben der
königlichen Braut und mit ihren angeblich ſchon Jahre
langen Beziehungen zum Könige. In der bäuerlichen
Bevölkerung ſoll die Wahl des Königs keine freund-
liche Aufnahme finden.
Rumänien.
Das Miniſterium Carp und die Juden.
Das neue Cabinet wurde von den Wiener Börſenblättern
freundlichſt begrüßt, denn ſie wiſſen, daß der Cabinets-
cheſ wiederholt zu Gunſten der Juden eingetreten iſt.
Das Organ des ſchlechten Kerls von Wien entwirft von
Herrn Carp die folgende, jedes jüdiſche Herz erhebende
Charakteriſtik: „Er hat vornehmlich in der Juden-
frage ſtets den ſeltenen Muth gefunden, populären
Strömungen entgegenzutreten. Er hat hiebei ſeine
humane Geſinnung auch zu ſolchen Zeiten mannhaft
geoffenbart, da die Leidenſchaften derart aufgewühlt
waren, daß ein kühnes Eintreten für die Parias inner-
halb des rumäniſchen Volkes mit einer Lebensgefahr
für ihn verbunden war.“ Dann wird Herrn Carp
ſeine Aufgabe vorgezeichnet: „Er wird vor Allem mit
unnachſichtlicher Rückſichtsloſigkeit jene conſervativen
Elemente bändigen müſſen, die unter der Führung
fanatiſcher Chauviniſten den Antiſemitismus als ihren
Lieblingsſport betreiben.“ In gleicher Weiſe ſtrudeln
auch die übrigen Wiener Judenblätter den neuen
rumäniſchen Miniſterpräſidenten an. Die „Frank-
furter Zeitung“ gießt aber etwas Waſſer in den
Wein der Wiener Börſenpreſſe, indem ſie zorn-
erfüllt ſchreibt: „Kenner der Verhältniſſe wiſſen, daß
eine Beſſerung der Lage der Juden unter der
gegenwärtigen Verfaſſung nicht eintreten kann.
Denn trotzdem Carp ein freiſinniger Mann iſt, war
er doch ſelbſt als Miniſter ſeiner Zeit von der eigenen
Partei gezwungen worden, das Geſetz betreffend die
Nichtaufnahme der Juden in die rumäniſchen Schulen
anzunehmen. Die Urſache hiervon liegt in den eigen-
thümlichen parlamentariſchen Verhältniſſen. Es iſt
aber keinem Miniſter lieb, über die jüdiſche Frage zu
fallen. Im Uebrigen zeigt auch die Zuſammenſetzung
des neuen Miniſteriums, daß Herr Carp ſelbſt, wenn
er judenfreundliche Maßregeln treffen wollte, bei den
eigenen Collegen Widerſtand finden würde. Der ein-
flußreichſte Miniſter nächſt Herrn Carp, Herr
Filipescu, iſt einer der Führer des wüthendſten,
erbarmungsloſen Antiſemitismus, und er wird unter-
ſtützt von den Miniſtern Gradiſteanu und
Maiorescu.“ Die Hoffnungen, welche die Wiener
Judenblätter auf die „Ehrlichkeit“ des „aufgeklärten“
Carp ſetzen, von dem ſie erwarten, daß er im Intereſſe
des finanziellen, moraliſchen und culturellen Credites,
Rumänien von der „oſtaſiatiſchen Barbarei“ befreien
und die im Berliner Vertrage von 1878 vereinbarte
„Emancipation“ der Juden durchführen werde, dürften
vergebliche ſein. Die antiſemitiſche Strömung iſt in
Rumänien eine ſo nachhaltige, daß, wie geſagt,
keine Regierung ſich dazu verſtehen wird, ihr
entgegen zu treten. Die Zahl der Juden in
Rumänien wird auf etwa 300.000 berechnet.
Sie wohnen zumeiſt in der Moldau, haben zwar keine
politiſchen Rechte, ſind von allen Staatsämtern ausge-
ſchloſſen, vermehren und bereichern ſich aber gleichwohl
zuſehends auf Koſten der heimiſchen Bevölkerung mit
Hilfe von Wucherpraktiken der verſchiedenſten Arten.
Sie ſind zumeiſt erſt um die Mitte dieſes Jahr-
hunderts aus Rußland eingewandert. Die „N. Freie
Preſſe“ täuſcht abſichtlich, wenn ſie behauptet, die
Juden ſeien ſchon ſeit Jahrhunderten im Lande wohn-
haft, und aus leicht begreiflichen Gründen nachzurechnen
verſucht, daß die Bojaren erſt ſpäter eingewanderten
Geſchlechtern angehören. Ein richtiges Bild der
rumäniſchen Juden entwirft der Franzoſe E. Desjardin
der als Philoſemit nach der Moldau gekommen iſt,
um die Juden kennen zu lernen. Er ſchreibt: „Sie
ſeien Fremde auf dem rumäniſchen Boden, nicht nur
der Sprache und Sitte, ſondern auch dem Geiſte nach,
und wollten auch Fremde bleiben! Sie ſendeten ihre
Kinder nicht in die rumäniſche Schule, obgleich ſie
ihnen unentgeltlich geöffnet iſt; der ganze Kleinhandel
(Milch, Fleiſch, Früchte u. ſ. w.) ſei in ihren Händen,
beſonders aber der Vertrieb des Branntweins, den ſie
ſelbſt nicht tränken, ſondern mit Vitriol gemiſcht den
Rumänen verkauften. In der Moldau ſei der Jude
auch Schneider, Schuſter, Uhrmacher, Klempner, vor
allen Dingen aber Wucherer. Bis zu 50 Percent
monatlich nehme er von dem Entliehenen, und da es
keine Creditanſtalten gebe, müßten in Zeiten der Noth,
bei jeder ſchlechten Ernte, Alle zu ihm ihre Zuflucht
nehmen.“
Südamerika.
Aufſtand in Panama. Aus Panama wird
depeſchirt: 1500 Aufſtändiſche kamen letzten Freitag in
Corozal bei Panama an. Die Regierungstruppen
rückten Samſtag vor, zogen ſich jedoch nach mehrſtün-
digem Gefecht zurück. Sonntag wurden die Feindſelig-
keiten mit einem Artilleriegefecht wieder aufgenommen.
Der Befehlshaber der Regierungstruppen flüchtete ſich
mit ſeinem Stabschef auf das britiſche Kriegsſchiff
„Leander“. Der ſtellvertretende Gouverneur von
Panama übernahm die Leitung der Operationen der
Regierungstruppen.
Tagesbericht.
Wien. 25. Juli.
* Kalender für Donnerſtag, den 26. Juli 1900.
Katholiken: Anna. — Griechen (13. Juli):
Gabriel E. — Sonnenaufgang 4 Uhr 28 Minuten Morgens.
Sonnenuntergang 7 Uhr 44 Minuten Abends. — Mondes-
aufgang 4 Uhr 24 Min. Morgens. — Mondesuntergang
7 Uhr 18 Minuten Abends.
* Auszeichnungen und Ernennungen. Der Kaiſer
hat dem Feldmarſchall-Lieutenant Ludwig v. Caſtaldo
das Ritterkreuz des Leopold-Ordens, dem Oberfinanzrathe
bei der Finanz-Landesdirection in Lemberg Joſef Waydo-
wicz den Orden der Eiſernen Krone III. Claſſe, dem
Bauunternehmer Heinrich Rabs in Wien den Titel eines
Baurathes, dem Kaufmann und Hausbeſitzer Clemens
Jurenka in Olmütz den Titel eines kaiſerlichen Rathes
(für die Dauer ſeiner Function als fachmänniſcher Laien-
richter bei dem Kreisgerichte in Olmütz) und dem Chef der
Firma Friedrich Otto Schmidt in Wien Max Schmidt
ſowie dem Chef der Firma J. W, Müller in Wien Leopold
Müller das goldene Verdienſtkreuz mit der Krone
verliehen.
* Erledigte Stiftungen. Zwei Plätze der Theobald
Uffenheimer’ſchen Gewerbeſtiftung von je 197 K 50 h
für verarmte Gewerbsleute. — Zwei Plätze der Schöbl-
Wünſch’ſchen Erziehungsſtiftung per 600 K jährlich und
vier Plätze der Schöbl-Wünſch’ſchen Unterſtützungs-
ſtiftung à 1000 K. Näheres ſ. „Wr. Ztg.“ Nr. 168 vom
25. d. M.
* Zur Klarſtellung des Falles Tacoli. In
der „Oſtd. Rundſchau“ wird, um den Fall Tacoli zu
verwirren, zweierlei, was wir ſchon längſt widerlegt
haben, nach dem „Salzburger Tagblatt“ friſch auf-
gewärmt: erſtens, daß Marcheſe Tacoli von ſeinem
Gegner eine Ohrfeige erhalten habe; das iſt einfach
erfunden, es iſt zu Thätlichkeiten überhaupt nicht ge-
kommen; zweitens, daß Marcheſe Tacoli ſeinen Gegner
denunciert habe. Das iſt durchaus nicht der Fall. Als
die beiden Herren Officiere, welche Marcheſe Tacoli
gebeten hatte, den Fall beizulegen, die Sache dem
Ehrenrathe vorlegten, citierte dieſer den Marcheſe
Tacoli, und dieſer forderte ihn auf, über
den Hergang zu berichten, was derſelbe
natürlich thun mußte. Wenn dies Denunciation
iſt, dann iſt auch Jeder, der vor dem Unterſuchungs-
richter ausſagen muß, ein Denunciant. Wir haben
übrigens jetzt, da andere Blätter des Inlandes und
Deutſchlands den Namen des Gegners des Marquis
Tacoli nennen, keine Veranlaſſung mehr, denſelben zu
verſchweigen, zumal wir bisher dafür geſorgt haben,
daß die Sache nicht eine perſönliche Zu-
ſpitzung erhalte, ſondern die principielle
Seite der Frage offen und oben bleibe. Der-
ſelbe iſt der Lieutenant von Szilley.
* Verhaftung eines wegen Religionsſtörung
verfolgten Schriftſtellers. Aus Görz wird ge-
meldet: Hier wurde der Schriftſteller Joh. Friedrich
Gutzeit verhaftet. Derſelbe war in Breslau
wegen Religionsſtörung zu drei Monaten Gefängniß
verurtheilt worden, hatte ſich jedoch der Strafe durch
die Flucht entzogen. Er wird nach Breslau ausgeliefert
werden.
* Großer Brand in Prag. Im Hoftracte des
Dotzauer’ſchen Hauſes in der Hybernergaſſe in
Prag brach geſtern Vormittags, wahrſcheinlich durch
unverſichtiges Hantiren mit Streichhölzern, ein großer
Brand aus, welcher das zweiſtöckige Magazinshaus, in
welchem die Firmen Elkan Fiſchl und Comp., Julius
Kuſty und Tempsky und Freytag ihre Comptoris und
Magazine hatten, vollſtändig einäſcherte. Das Feuer
entſtand im Kellergewölbe. Als die daſelbſt aufge-
ſtapelten Benzinfäſſer explodirten und das Gewölbe in
Folge deſſen zertrümmert wurde, theilte ſich das Feuer
auch den übrigen Localitäten mit. Es verbrannten
große Maſſen von Farbwaren, Droguen, Fettwaren,
ferner Kaffee und Zucker, ſowie eine große Menge
Druckbogen der Firma Tempsky. Die Höhe des
Schadens iſt noch nicht ſichergeſtellt, doch dürfte er
mehrere hunderttauſend Kronen betragen. Das an-
grenzende Gebäude der Hypothekenbank war arg ge-
fährdet.
* Dreimaliger Selbſtmordverſuch. Die
19jährige Magd Katharina Bücher, Ottakring,
Herbſtſtraße Nr. 11, unternahm im Laufe des vor-
geſtrigen Tages dreimal den Verſuch, ſich das Leben zu
nehmen. Zunächſt kaufte ſie um 20 Heller Laugen-
eſſenz und wollte die Flüſſigkeit ſogleich austrinken.
Der Gemiſchtwaarenhändler hinderte ſie aber daran.
Nun eilte das Mädchen in den zweiten Stock und
wollte ſich in den Hofraum ſtürzen — auch daran
konnte ſie gehindert werden. Auf das Polizeicommiſſariat
Ottakring gebracht, gab Katharina Bucher an, daß ſie
einen Selbſtmord ausführen wollte, weil der Magazins-
arbeiter Vincenz Bodzek, der um ſie geworben
hatte und abgewieſen worden war, am 21. d. Nachts
in einem Pavillon des Weſtbahnhofes eine Phosphor-
löſung trank. Das Giſt im Leibe, ſchleppte er ſich
damals bis nach Ottakring, wo er bewußtlos zuſammen-
brach. Der Bucher wurde auf dem Commiſſariat mit-
getheilt, daß ſich Bodzek im Wilhelminenſpital ſchon
außer Gefahr befinde, und ſie zeigte ſich auch voll-
kommen beruhigt. Man übergab ſie ſpäter ihrer
Schweſter. Kaum zu Hauſe angelangt, unternahm die
Magd abermals einen Verſuch, ſich aus einem Fenſter
des zweiten Stockwerkes auf die Straße zu ſtürzen,
doch wurde ſie an der Ausführung der That abermals
gehindert und ſodann der pſychiatriſchen Klinik über-
geben.
* Der Tunneleinſturz im Erzberg. Es ſteht
leider bereits außer Zweifel, daß der Einſturz des
Tunnels zwiſchen Eiſenerz und Schichtthurmberg zwei
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