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Reichspost. Nr. 168, Wien, 26.07.1900.

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168 Wien, Donnerstag Reichspost 26. Juli 1900

[Spaltenumbruch] Pick habe den 13jährigen Sohn eines Feldarbeiters
an sich gelockt und ihn ermordet. Die Gendarmerie
schritt rasch ein und zerstreute nicht ohne Mühe
die aufgeregte Menge, wobei ein arbeitsscheues,
mehrfach abgestraftes Individuum verhaftet wurde.
Der Gendarmerieposten in Alt-Benatek mußte
verstärkt werden und auch am nächsten Tage ein-
schreiten. Die Aufregung der Menge fand erst ein
Ende, als sichergestellt wurde, daß der vermißte
Knabe sich wohlbefinde und aus eigenem Antriebe
den Eltern in die Gemeinde Czilec entflohen war.

Prinz Nicolaus
von Griechenland ist hier eingetroffen und hat sich nach
Peterhof begeben.




Aus Südafrika.

"Daily News" melden
aus Lourenco-Marques vom Gestrigen,
daß der Commandant der Boeren in Koomatiport,
Lombard, an der Grenze des Szwazilandes,
von einer englischen Patrouille getödtet wurde.

Die "Times" meldet aus Watervaal vom
23. d.: General Clery marschierte heute gegen
Watervaal. Auf dem linken englischen Flügel
fand ein Plänklergefecht mit einer be-
trächtlichen Anzahl Boeren statt.

Wie die Blätter aus Capstadt vom Gestrigen
melden, griff die Carrington- und Rho-
desia-Feldtruppe
gestern die Stellung
der Boeren am Selonsflusse an und nahm sie
nach heftigem Gefechte im Sturm. Die Engländer
hatten vier Todte und 19 Verwundete. Die
Verluste der Boeren sind schwer.

Die gesetzgebende Ver-
sammlung begann am 24. d. die Berathung des
Antrages Merriman auf Abschaffung des
Kriegsrechtes
in bestimmten Districten der
Colonie. Attorney General Janes trat dafür ein,
das Kriegsrecht so lange als nothwendig aufrecht
zu erhalten. Der bisherige Attorney General
Salomon stimmte dem zu. Die Debatte wurde
sodann vertagt.




Die Wirren in China.

Das Telegramm des chinesischen Kaisers an
Kaiser Wilhelm, das durch die Berliner Gesandt-
schaft am 20. Juli im deutschen auswärtigen
Amte überreicht wurde, hat folgenden Wortlaut:

Der Kaiser der Tatsing-Dynastie
entbietet Sr. Majestät dem deutschen Kaiser
seinen Gruß.

China und Deutschland haben lange in Frieden
gelebt, und beiderseits hat kein Mißtrauen bestanden.
Neuerdings ist es zwischen der chinesischen Bevölkerung
und den einheimischen Christen zu Ausbrüchen des
Hasses gekommen, wobei unerwartet der
kaiserlich deutsche Gesandte Freiherr v. Ketteler
von den Aufständischen ermordet wurde, was uns
zum Ausdrucke des tiefsten Bedauerns Anlaß gibt. Die
Untersuchung behufs Festnahme und Bestrafung der
Mörder war im Gange, als sich bei allen fremden
Staaten der Verdacht regte, daß sich die kaiserliche
Regierung gegenüber der Bevölkerung bei der Ver-
folgung der Christen connivent verhalte. Darauf er-
folgte zuerst die Einnahme der Befestigungen von
Taku. Die Feindseligkeiten begannen, und das Un-
glück wurde immer verwickelter. Die Lage, in welcher
sich China zur Zeit befindet, ist schwer zu ordnen,
besonders da die chinesische Regierung nicht die Ab-
sicht hat, in den bestehenden guten Beziehungen jemals
Aenderungen eintreten zu lassen. Denn es sind nur
die zur Zeit obwaltenden Umstände, welche die Re-
gierung zu deren Bedauern in diese Zwangslage ge-
bracht haben. Zur Beseitigung des allgemeinen Un-
willens gegen die chinesische Regierung und zur
Klärung der Lage bleibt nur das einzige Mittel übrig,
die Beihilfe Deutschlands anzurufen. Daher öffnen
wir Eurer Majestät unser Herz in diesem
Schreiben, in der Hoffnung, daß dadurch der Fort-
bestand unserer freundschaftlichen Beziehungen gesichert
werde, und daß Allerhöchstdieselben bewogen werden,
einen Plan zur Erreichung dieses Zweckes in's Auge
zu fassen und die Leitung zu übernehmen, um die
früheren friedlichen Zustände wieder herbeizuführen.
Wir bitten, uns einen günstigen Bescheid zu ertheilen,
wofür unsere Dankbarkeit Eurer Majestät gegenüber
immer lebendig bleiben wird. Gegeben am 23. Tage
des 6. Mondes im 26. Jahre unserer Regierung
(19. Juli 1900), Kwangsu."

Von Seite des deutschen Auswärtigen Amtes
wurde der chinesischen Gesandtschaft am 24. d. M.
folgende Kabelnote zugestellt:

"Der Staatssecretär des auswärtigen Amtes,
Staatsminister Graf Bülow, hat die Kabelnote der
chinesischen Gesandtschaft vom 21. d., enthaltend die
telegraphische Mittheilung Sr. Majestät des Kaisers
von China an Se. Majestät den Kaiser und König
erhalten. Graf Bülow sieht sich nicht in der
[Spaltenumbruch] Lage,
dieses Telegramm Sr. Majestät dem
Kaiser und König zu unterbreiten,
so lange nicht das Schicksal der in Peking
eingeschlossenen fremden Gesandtschaften
und der dortigen Fremden aufgeklärt ist, die
chinesische Regierung für die frevelhafte Ermordung
des kaiserlichen Gesandten Sühne gewährt und für ein
dem Völkerr[e]cht und der Civilisation
entsprechendes künftiges Verhalten genügende Garan-
tie
geleistet hat."

Die Lage in der Mandschurei.

Ueber die Situation
in der Mandschurei und in den Grenz-
districten Semirjetschensk und Kuld-
scha
melden Berichte des Generalstabes vom
21. d. M.: An der Grenze von Kuldscha ist
Alles ruhig. Die russische Post, welche von vier
Kosaken begleitet ist, verkehrt regelmäßig nach
Kuldscha und zurück. Ebenso verkehren die Be-
amten und Privatleute ohne Hinderniß. Der
Consul steht zu den Chinesen in den besten Be-
ziehungen; die Chinesen rüsten jedoch insgeheim
sehr stark.

Der Consul von Tschugutschak tele-
graphirt unter dem 20. d. M. an den General-
consul: Hier herrscht vollkommen Ruhe; der Gou-
verneur bürgt für die Aufrechthaltung derselben.
Die meiste Gefahr droht der östlichen Section
der chinesischen Bahn. Berichte vom 19. d. M.
besagen: Die Linie nördlich von der Station
Daschizao sammt den Brücken und 14 Waggons,
ferner die Kohlengruben von Tantai wurden zer-
stört und viele Beamte sowie Mitglieder der
Schutzmannschaft getödtet. Die chinesischen
Truppen
concentriren sich in großen Gruppen
in Impu, Sjutschali und anderen Orten nahe der
Bahnlinie. Die ganze Organisation der Chinesen
und ihre Ueberfälle beweisen, daß nach
dem streng durchdachten Plane vorgegan-
gen wird, kleine Detachements
abzuschneiden, ihnen den Rückzug unmöglich zu
machen und sie zu vernichten. Jede Verspätung in
der Absendung russischer Truppen gibt den Chi-
nesen Kraft und erhöht ihnen die Möglichkeit, sich
zu verstärken. Die Station Daschizao ist von
russischen Schützen und Kosaken besetzt; weiter
südlich sind kleine Commandos vertheilt. Gegen-
über den Stationen Spaletschen und Gajutschow
befinden sich, reguläre chinesische Truppen mit
Geschützen. In Blagowjeschtschensk
herrscht vollkommene Ruhe. Die Chinesen scheinen
nicht gewillt zu sein, einen Angriff zu wieder-
holen. Es besteht die Hoffnung auf baldige
Wiederherstellung der Ruhe, wenigstens in den
naheliegenden Gebieten. Die chinesische Bevölkerung
von Charbin ist vollkommen ruhig, da die
Mandschuren keine besondere Sympathie für die
Aufständischen hegen, was eine baldige Wieder-
herstellung der Ruhe rrwarten läßt.

Die Berichte des Generalstabes lauten sehr
beruhigend. Die verbündeten Truppen hatten über-
all Erfolg. Der Widerstand der chinesischen
regulären Truppen ist gebrochen. Die
russischen Truppen haben sich namentlich am linken
Ufer des Peiho ausgezeichnet, wo sie am 14. d.
42 Geschütze eroberten. Dem Finanzministerium
zugegangene Meldungen besagen, daß Ingenieur
Botscharow am 23. d. aus Dono und Ingenieur
Offenberg mit seiner Abtheilung am Abend des-
selben Tages in Zuruchajtu angekommen ist. Die
Wagen der vierten Section wurden von den
Chinesen geplündert, wobei 12 Personen, darunter
eine Frau, getödtet wurden.

Ausreise der österreichischen Kriegsschiffe.

Laut telegraphischer Nach-
richt sind S. M. Schiffe "Kaiserin Elisabeth"
und "Aspern" gestern mit der Bestimmung nach
China von Pola ausgelaufen. Das nächste Reise-
ziel ist Port Said.

Mac Kinley an den Kaiser von China.

Die Botschaft,
welche der Kaiser von China an den Präsidenten
Mac Kinley gelangen ließ, ist im Allge-
meinen in denselben Ausdrücken gehalten, wie die
an den deutschen Kaiser. Mac Kinley erwiderte
gestern auf die Botschaft, wie folgt: "Ich bin
erfreut zu erfahren, daß Euere Majestät anerkennt,
daß die amerikanische Regierung und das
amerikanische Volk nichts von China wollen, als
was recht und billig ist. Die Truppen wurden
gelandet, um die Gesandtschaft zu be-
freien und im Einklange mit den Vertrags-
rechten das Leben und Eigenthum der
in China sich aufhaltenden Amerikaner zu
[Spaltenumbruch] schützen. Aus dem Briefe Eurer Majestät geht
hervor, daß die böswilligen Menschen, die den
deutschen Gesandten Freiherrn v. Ketteler er-
mordet und die übrigen Gesandten in Peking be-
lagert haben, sich im Aufstande gegen die kaiser-
lichen Behörden befinden. Wenn dies der Fall
ist, lege ich der Regierung Eurer Majestät nahe,
erstens öffentlich zu erklären, ob
die fremden Gesandtschaften noch
am Leben sind,
und in welcher Lage sie
sich befinden, zweitens den Diplomaten so-
fortige freie Verbindung mit
ihren Regierungen
zu gewähren und
alle Gefahr für ihr Leben und ihre Freiheit zu
beseitigen, drittens die kaiserlichen Behörden in
China mit der Entsatz-Expedition in Verbindung
treten zu lassen, um eine Cooperation zum
Schutze der Ausländer und zur Wiederherstellung
der Ordnung herbeizuführen. Wenn diese drei
Punkte zugestanden werden, wird sich, glaube ich,
der freundschaftlichen Beilegung aller aus den
jüngsten Unruhen sich ergebenden Fragen kein
Hinderniß entgegenstellen. Die freundschaftlichen,
guten Dienste Amerikas werden mit Zustimmung
der übrigen Mächte Eurer Majestät gern zur Ver-
fügung gestellt werden.

Von den Gesandten.

Die hiesige chine-
sische Gesandtschaft hat auf das von ihr am
19. Juli an den Vicekönig Yuanschikkai und an
den Taotai-Sheng gerichtete Telegramm heute
Früh vom Tsung-li-Yamen durch Vermittlung
Sheng's folgendes Antwort-Telegramm erhalten:
Am 18. Juli besuchte auf Befehl des
Tsung-li-Yamen ein Beamter die auswärtigen
Gesandten
und fand Alle wohl und
unversehrt. Yunglu ordnete an, alle Gesandt-
schaften mit Lebensmittein und allem Nothwendigen
zu versehen, und beantragte, daß sie, so lange in
Peking die Ruhe nicht vollkommen hergestellt sei,
unter dem Schutze der chinesischen Truppen nach
Tientsin gebracht werden, wo sie außer jeder Ge-
fahr sein würden.

Die Blätter halten die
Depesche des französischen Consuls in Schanghai,
welche des Versprechens Li-Hung-Tschangs erwähnt,
daß der französische Gesandte in Peking Pichon,
bald in der Lage sein werde, ein Telegramm an
seine Regierung abzusenden, nur theilweise für
beruhigend. Der "Figaro" bemerkt, wenn die Ge-
sandten in Peking im Begriffe wären, sich
nach Tientsin zu begeben, so hätten sie sicherlich
von sich Nachricht geben können.

Dem "Standard" wird
aus Tschifu vom 23. Juli gemeldet: Eine hier
aus Peking eingetroffene vom 10. Juli datirte
Nachricht besagt, die in der britischen Gesandtschaft
befindlichen Ausländer bedürfen dringend des Ent-
satzes. Es herrsche Krankheit unter ihnen.
Die chinesischen Truppen halten die Belage-
rung
noch aufrecht.

Die Lage im Süden.

Die "Times" melden aus
Hongkong vom 23. d. M.: Bevor Li-Hung-
Tschang
nach Norden abreiste, nahm er den Befehl,
daß die Schwarzflaggen nach Peking marschiren sollten,
zurück. Die Schwarzflaggen lagern jetzt außerhalb
Cantons und werden von dem stellvertretenden Vice-
könig überwacht, welcher für die Sicherheit der Fremden
in der Niederlassung die Garantie übernommen hat.

Japanische Truppennachschübe.

Dem "Daily Telegraph" wird
aus Tokio vom 23. d. M. gemeldet, daß das im
Jahre 1895 geschaffene Eisenbahnbataillon
mit einer Abtheilung Kulis und Artillerie nach China
abgegangen sei.

Li Hung Tschang's Meinungen.

Den "Times" wird von
ihrem Correspondenten in Shanghai unter dem
23. d. M. gemeldet, daß er mit Li Hung
Tschang
eine Unterredung hatte, in welcher
dieser erklärte, wenn die Mandschu-Partei sich des
schrecklichen Verbrechens, nämlich der Ermordung
der Gesandten, schuldig gemacht hätte, würde er
sich unter allen Umständen weigern, die Führung
der Unterhandlungen zu übernehmen. Li Hung
Tschang fügte hinzu, die Absicht des Tsungli-
Yamens sei jetzt, die Kaiserin zu bitten, zunächst den
Gesandtschaften Nahrungsmittel zu senden und dann
Vorkehrungen zu treffen, um die Gesandten unter
der Begleitung eines Generals nach Tientsin zu
senden. Der Kampf in Peking habe aufgehört,

168 Wien, Donnerſtag Reichspoſt 26. Juli 1900

[Spaltenumbruch] Pick habe den 13jährigen Sohn eines Feldarbeiters
an ſich gelockt und ihn ermordet. Die Gendarmerie
ſchritt raſch ein und zerſtreute nicht ohne Mühe
die aufgeregte Menge, wobei ein arbeitsſcheues,
mehrfach abgeſtraftes Individuum verhaftet wurde.
Der Gendarmeriepoſten in Alt-Benatek mußte
verſtärkt werden und auch am nächſten Tage ein-
ſchreiten. Die Aufregung der Menge fand erſt ein
Ende, als ſichergeſtellt wurde, daß der vermißte
Knabe ſich wohlbefinde und aus eigenem Antriebe
den Eltern in die Gemeinde Czilec entflohen war.

Prinz Nicolaus
von Griechenland iſt hier eingetroffen und hat ſich nach
Peterhof begeben.




Aus Südafrika.

„Daily News“ melden
aus Lourenco-Marques vom Geſtrigen,
daß der Commandant der Boeren in Koomatiport,
Lombard, an der Grenze des Szwazilandes,
von einer engliſchen Patrouille getödtet wurde.

Die „Times“ meldet aus Watervaal vom
23. d.: General Clery marſchierte heute gegen
Watervaal. Auf dem linken engliſchen Flügel
fand ein Plänklergefecht mit einer be-
trächtlichen Anzahl Boeren ſtatt.

Wie die Blätter aus Capſtadt vom Geſtrigen
melden, griff die Carrington- und Rho-
deſia-Feldtruppe
geſtern die Stellung
der Boeren am Selonsfluſſe an und nahm ſie
nach heftigem Gefechte im Sturm. Die Engländer
hatten vier Todte und 19 Verwundete. Die
Verluſte der Boeren ſind ſchwer.

Die geſetzgebende Ver-
ſammlung begann am 24. d. die Berathung des
Antrages Merriman auf Abſchaffung des
Kriegsrechtes
in beſtimmten Diſtricten der
Colonie. Attorney General Janes trat dafür ein,
das Kriegsrecht ſo lange als nothwendig aufrecht
zu erhalten. Der bisherige Attorney General
Salomon ſtimmte dem zu. Die Debatte wurde
ſodann vertagt.




Die Wirren in China.

Das Telegramm des chineſiſchen Kaiſers an
Kaiſer Wilhelm, das durch die Berliner Geſandt-
ſchaft am 20. Juli im deutſchen auswärtigen
Amte überreicht wurde, hat folgenden Wortlaut:

Der Kaiſer der Tatſing-Dynaſtie
entbietet Sr. Majeſtät dem deutſchen Kaiſer
ſeinen Gruß.

China und Deutſchland haben lange in Frieden
gelebt, und beiderſeits hat kein Mißtrauen beſtanden.
Neuerdings iſt es zwiſchen der chineſiſchen Bevölkerung
und den einheimiſchen Chriſten zu Ausbrüchen des
Haſſes gekommen, wobei unerwartet der
kaiſerlich deutſche Geſandte Freiherr v. Ketteler
von den Aufſtändiſchen ermordet wurde, was uns
zum Ausdrucke des tiefſten Bedauerns Anlaß gibt. Die
Unterſuchung behufs Feſtnahme und Beſtrafung der
Mörder war im Gange, als ſich bei allen fremden
Staaten der Verdacht regte, daß ſich die kaiſerliche
Regierung gegenüber der Bevölkerung bei der Ver-
folgung der Chriſten connivent verhalte. Darauf er-
folgte zuerſt die Einnahme der Befeſtigungen von
Taku. Die Feindſeligkeiten begannen, und das Un-
glück wurde immer verwickelter. Die Lage, in welcher
ſich China zur Zeit befindet, iſt ſchwer zu ordnen,
beſonders da die chineſiſche Regierung nicht die Ab-
ſicht hat, in den beſtehenden guten Beziehungen jemals
Aenderungen eintreten zu laſſen. Denn es ſind nur
die zur Zeit obwaltenden Umſtände, welche die Re-
gierung zu deren Bedauern in dieſe Zwangslage ge-
bracht haben. Zur Beſeitigung des allgemeinen Un-
willens gegen die chineſiſche Regierung und zur
Klärung der Lage bleibt nur das einzige Mittel übrig,
die Beihilfe Deutſchlands anzurufen. Daher öffnen
wir Eurer Majeſtät unſer Herz in dieſem
Schreiben, in der Hoffnung, daß dadurch der Fort-
beſtand unſerer freundſchaftlichen Beziehungen geſichert
werde, und daß Allerhöchſtdieſelben bewogen werden,
einen Plan zur Erreichung dieſes Zweckes in’s Auge
zu faſſen und die Leitung zu übernehmen, um die
früheren friedlichen Zuſtände wieder herbeizuführen.
Wir bitten, uns einen günſtigen Beſcheid zu ertheilen,
wofür unſere Dankbarkeit Eurer Majeſtät gegenüber
immer lebendig bleiben wird. Gegeben am 23. Tage
des 6. Mondes im 26. Jahre unſerer Regierung
(19. Juli 1900), Kwangſu.“

Von Seite des deutſchen Auswärtigen Amtes
wurde der chineſiſchen Geſandtſchaft am 24. d. M.
folgende Kabelnote zugeſtellt:

„Der Staatsſecretär des auswärtigen Amtes,
Staatsminiſter Graf Bülow, hat die Kabelnote der
chineſiſchen Geſandtſchaft vom 21. d., enthaltend die
telegraphiſche Mittheilung Sr. Majeſtät des Kaiſers
von China an Se. Majeſtät den Kaiſer und König
erhalten. Graf Bülow ſieht ſich nicht in der
[Spaltenumbruch] Lage,
dieſes Telegramm Sr. Majeſtät dem
Kaiſer und König zu unterbreiten,
ſo lange nicht das Schickſal der in Peking
eingeſchloſſenen fremden Geſandtſchaften
und der dortigen Fremden aufgeklärt iſt, die
chineſiſche Regierung für die frevelhafte Ermordung
des kaiſerlichen Geſandten Sühne gewährt und für ein
dem Völkerr[e]cht und der Civiliſation
entſprechendes künftiges Verhalten genügende Garan-
tie
geleiſtet hat.“

Die Lage in der Mandſchurei.

Ueber die Situation
in der Mandſchurei und in den Grenz-
diſtricten Semirjetſchensk und Kuld-
ſcha
melden Berichte des Generalſtabes vom
21. d. M.: An der Grenze von Kuldſcha iſt
Alles ruhig. Die ruſſiſche Poſt, welche von vier
Koſaken begleitet iſt, verkehrt regelmäßig nach
Kuldſcha und zurück. Ebenſo verkehren die Be-
amten und Privatleute ohne Hinderniß. Der
Conſul ſteht zu den Chineſen in den beſten Be-
ziehungen; die Chineſen rüſten jedoch insgeheim
ſehr ſtark.

Der Conſul von Tſchugutſchak tele-
graphirt unter dem 20. d. M. an den General-
conſul: Hier herrſcht vollkommen Ruhe; der Gou-
verneur bürgt für die Aufrechthaltung derſelben.
Die meiſte Gefahr droht der öſtlichen Section
der chineſiſchen Bahn. Berichte vom 19. d. M.
beſagen: Die Linie nördlich von der Station
Daſchizao ſammt den Brücken und 14 Waggons,
ferner die Kohlengruben von Tantai wurden zer-
ſtört und viele Beamte ſowie Mitglieder der
Schutzmannſchaft getödtet. Die chineſiſchen
Truppen
concentriren ſich in großen Gruppen
in Impu, Sjutſchali und anderen Orten nahe der
Bahnlinie. Die ganze Organiſation der Chineſen
und ihre Ueberfälle beweiſen, daß nach
dem ſtreng durchdachten Plane vorgegan-
gen wird, kleine Detachements
abzuſchneiden, ihnen den Rückzug unmöglich zu
machen und ſie zu vernichten. Jede Verſpätung in
der Abſendung ruſſiſcher Truppen gibt den Chi-
neſen Kraft und erhöht ihnen die Möglichkeit, ſich
zu verſtärken. Die Station Daſchizao iſt von
ruſſiſchen Schützen und Koſaken beſetzt; weiter
ſüdlich ſind kleine Commandos vertheilt. Gegen-
über den Stationen Spaletſchen und Gajutſchow
befinden ſich, reguläre chineſiſche Truppen mit
Geſchützen. In Blagowjeſchtſchensk
herrſcht vollkommene Ruhe. Die Chineſen ſcheinen
nicht gewillt zu ſein, einen Angriff zu wieder-
holen. Es beſteht die Hoffnung auf baldige
Wiederherſtellung der Ruhe, wenigſtens in den
naheliegenden Gebieten. Die chineſiſche Bevölkerung
von Charbin iſt vollkommen ruhig, da die
Mandſchuren keine beſondere Sympathie für die
Aufſtändiſchen hegen, was eine baldige Wieder-
herſtellung der Ruhe rrwarten läßt.

Die Berichte des Generalſtabes lauten ſehr
beruhigend. Die verbündeten Truppen hatten über-
all Erfolg. Der Widerſtand der chineſiſchen
regulären Truppen iſt gebrochen. Die
ruſſiſchen Truppen haben ſich namentlich am linken
Ufer des Peiho ausgezeichnet, wo ſie am 14. d.
42 Geſchütze eroberten. Dem Finanzminiſterium
zugegangene Meldungen beſagen, daß Ingenieur
Botſcharow am 23. d. aus Dono und Ingenieur
Offenberg mit ſeiner Abtheilung am Abend des-
ſelben Tages in Zuruchajtu angekommen iſt. Die
Wagen der vierten Section wurden von den
Chineſen geplündert, wobei 12 Perſonen, darunter
eine Frau, getödtet wurden.

Ausreiſe der öſterreichiſchen Kriegsſchiffe.

Laut telegraphiſcher Nach-
richt ſind S. M. Schiffe „Kaiſerin Eliſabeth“
und „Aſpern“ geſtern mit der Beſtimmung nach
China von Pola ausgelaufen. Das nächſte Reiſe-
ziel iſt Port Said.

Mac Kinley an den Kaiſer von China.

Die Botſchaft,
welche der Kaiſer von China an den Präſidenten
Mac Kinley gelangen ließ, iſt im Allge-
meinen in denſelben Ausdrücken gehalten, wie die
an den deutſchen Kaiſer. Mac Kinley erwiderte
geſtern auf die Botſchaft, wie folgt: „Ich bin
erfreut zu erfahren, daß Euere Majeſtät anerkennt,
daß die amerikaniſche Regierung und das
amerikaniſche Volk nichts von China wollen, als
was recht und billig iſt. Die Truppen wurden
gelandet, um die Geſandtſchaft zu be-
freien und im Einklange mit den Vertrags-
rechten das Leben und Eigenthum der
in China ſich aufhaltenden Amerikaner zu
[Spaltenumbruch] ſchützen. Aus dem Briefe Eurer Majeſtät geht
hervor, daß die böswilligen Menſchen, die den
deutſchen Geſandten Freiherrn v. Ketteler er-
mordet und die übrigen Geſandten in Peking be-
lagert haben, ſich im Aufſtande gegen die kaiſer-
lichen Behörden befinden. Wenn dies der Fall
iſt, lege ich der Regierung Eurer Majeſtät nahe,
erſtens öffentlich zu erklären, ob
die fremden Geſandtſchaften noch
am Leben ſind,
und in welcher Lage ſie
ſich befinden, zweitens den Diplomaten ſo-
fortige freie Verbindung mit
ihren Regierungen
zu gewähren und
alle Gefahr für ihr Leben und ihre Freiheit zu
beſeitigen, drittens die kaiſerlichen Behörden in
China mit der Entſatz-Expedition in Verbindung
treten zu laſſen, um eine Cooperation zum
Schutze der Ausländer und zur Wiederherſtellung
der Ordnung herbeizuführen. Wenn dieſe drei
Punkte zugeſtanden werden, wird ſich, glaube ich,
der freundſchaftlichen Beilegung aller aus den
jüngſten Unruhen ſich ergebenden Fragen kein
Hinderniß entgegenſtellen. Die freundſchaftlichen,
guten Dienſte Amerikas werden mit Zuſtimmung
der übrigen Mächte Eurer Majeſtät gern zur Ver-
fügung geſtellt werden.

Von den Geſandten.

Die hieſige chine-
ſiſche Geſandtſchaft hat auf das von ihr am
19. Juli an den Vicekönig Yuanſchikkai und an
den Taotai-Sheng gerichtete Telegramm heute
Früh vom Tſung-li-Yamen durch Vermittlung
Sheng’s folgendes Antwort-Telegramm erhalten:
Am 18. Juli beſuchte auf Befehl des
Tſung-li-Yamen ein Beamter die auswärtigen
Geſandten
und fand Alle wohl und
unverſehrt. Yunglu ordnete an, alle Geſandt-
ſchaften mit Lebensmittein und allem Nothwendigen
zu verſehen, und beantragte, daß ſie, ſo lange in
Peking die Ruhe nicht vollkommen hergeſtellt ſei,
unter dem Schutze der chineſiſchen Truppen nach
Tientſin gebracht werden, wo ſie außer jeder Ge-
fahr ſein würden.

Die Blätter halten die
Depeſche des franzöſiſchen Conſuls in Schanghai,
welche des Verſprechens Li-Hung-Tſchangs erwähnt,
daß der franzöſiſche Geſandte in Peking Pichon,
bald in der Lage ſein werde, ein Telegramm an
ſeine Regierung abzuſenden, nur theilweiſe für
beruhigend. Der „Figaro“ bemerkt, wenn die Ge-
ſandten in Peking im Begriffe wären, ſich
nach Tientſin zu begeben, ſo hätten ſie ſicherlich
von ſich Nachricht geben können.

Dem „Standard“ wird
aus Tſchifu vom 23. Juli gemeldet: Eine hier
aus Peking eingetroffene vom 10. Juli datirte
Nachricht beſagt, die in der britiſchen Geſandtſchaft
befindlichen Ausländer bedürfen dringend des Ent-
ſatzes. Es herrſche Krankheit unter ihnen.
Die chineſiſchen Truppen halten die Belage-
rung
noch aufrecht.

Die Lage im Süden.

Die „Times“ melden aus
Hongkong vom 23. d. M.: Bevor Li-Hung-
Tſchang
nach Norden abreiſte, nahm er den Befehl,
daß die Schwarzflaggen nach Peking marſchiren ſollten,
zurück. Die Schwarzflaggen lagern jetzt außerhalb
Cantons und werden von dem ſtellvertretenden Vice-
könig überwacht, welcher für die Sicherheit der Fremden
in der Niederlaſſung die Garantie übernommen hat.

Japaniſche Truppennachſchübe.

Dem „Daily Telegraph“ wird
aus Tokio vom 23. d. M. gemeldet, daß das im
Jahre 1895 geſchaffene Eiſenbahnbataillon
mit einer Abtheilung Kulis und Artillerie nach China
abgegangen ſei.

Li Hung Tſchang’s Meinungen.

Den „Times“ wird von
ihrem Correſpondenten in Shanghai unter dem
23. d. M. gemeldet, daß er mit Li Hung
Tſchang
eine Unterredung hatte, in welcher
dieſer erklärte, wenn die Mandſchu-Partei ſich des
ſchrecklichen Verbrechens, nämlich der Ermordung
der Geſandten, ſchuldig gemacht hätte, würde er
ſich unter allen Umſtänden weigern, die Führung
der Unterhandlungen zu übernehmen. Li Hung
Tſchang fügte hinzu, die Abſicht des Tſungli-
Yamens ſei jetzt, die Kaiſerin zu bitten, zunächſt den
Geſandtſchaften Nahrungsmittel zu ſenden und dann
Vorkehrungen zu treffen, um die Geſandten unter
der Begleitung eines Generals nach Tientſin zu
ſenden. Der Kampf in Peking habe aufgehört,

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[5/0005] 168 Wien, Donnerſtag Reichspoſt 26. Juli 1900 Pick habe den 13jährigen Sohn eines Feldarbeiters an ſich gelockt und ihn ermordet. Die Gendarmerie ſchritt raſch ein und zerſtreute nicht ohne Mühe die aufgeregte Menge, wobei ein arbeitsſcheues, mehrfach abgeſtraftes Individuum verhaftet wurde. Der Gendarmeriepoſten in Alt-Benatek mußte verſtärkt werden und auch am nächſten Tage ein- ſchreiten. Die Aufregung der Menge fand erſt ein Ende, als ſichergeſtellt wurde, daß der vermißte Knabe ſich wohlbefinde und aus eigenem Antriebe den Eltern in die Gemeinde Czilec entflohen war. Petersburg, 25. Juli. Prinz Nicolaus von Griechenland iſt hier eingetroffen und hat ſich nach Peterhof begeben. Aus Südafrika. London, 25. Juli. „Daily News“ melden aus Lourenco-Marques vom Geſtrigen, daß der Commandant der Boeren in Koomatiport, Lombard, an der Grenze des Szwazilandes, von einer engliſchen Patrouille getödtet wurde. Die „Times“ meldet aus Watervaal vom 23. d.: General Clery marſchierte heute gegen Watervaal. Auf dem linken engliſchen Flügel fand ein Plänklergefecht mit einer be- trächtlichen Anzahl Boeren ſtatt. Wie die Blätter aus Capſtadt vom Geſtrigen melden, griff die Carrington- und Rho- deſia-Feldtruppe geſtern die Stellung der Boeren am Selonsfluſſe an und nahm ſie nach heftigem Gefechte im Sturm. Die Engländer hatten vier Todte und 19 Verwundete. Die Verluſte der Boeren ſind ſchwer. Capſtadt, 25. Juli. Die geſetzgebende Ver- ſammlung begann am 24. d. die Berathung des Antrages Merriman auf Abſchaffung des Kriegsrechtes in beſtimmten Diſtricten der Colonie. Attorney General Janes trat dafür ein, das Kriegsrecht ſo lange als nothwendig aufrecht zu erhalten. Der bisherige Attorney General Salomon ſtimmte dem zu. Die Debatte wurde ſodann vertagt. Die Wirren in China. Das Telegramm des chineſiſchen Kaiſers an Kaiſer Wilhelm, das durch die Berliner Geſandt- ſchaft am 20. Juli im deutſchen auswärtigen Amte überreicht wurde, hat folgenden Wortlaut: Der Kaiſer der Tatſing-Dynaſtie entbietet Sr. Majeſtät dem deutſchen Kaiſer ſeinen Gruß. China und Deutſchland haben lange in Frieden gelebt, und beiderſeits hat kein Mißtrauen beſtanden. Neuerdings iſt es zwiſchen der chineſiſchen Bevölkerung und den einheimiſchen Chriſten zu Ausbrüchen des Haſſes gekommen, wobei unerwartet der kaiſerlich deutſche Geſandte Freiherr v. Ketteler von den Aufſtändiſchen ermordet wurde, was uns zum Ausdrucke des tiefſten Bedauerns Anlaß gibt. Die Unterſuchung behufs Feſtnahme und Beſtrafung der Mörder war im Gange, als ſich bei allen fremden Staaten der Verdacht regte, daß ſich die kaiſerliche Regierung gegenüber der Bevölkerung bei der Ver- folgung der Chriſten connivent verhalte. Darauf er- folgte zuerſt die Einnahme der Befeſtigungen von Taku. Die Feindſeligkeiten begannen, und das Un- glück wurde immer verwickelter. Die Lage, in welcher ſich China zur Zeit befindet, iſt ſchwer zu ordnen, beſonders da die chineſiſche Regierung nicht die Ab- ſicht hat, in den beſtehenden guten Beziehungen jemals Aenderungen eintreten zu laſſen. Denn es ſind nur die zur Zeit obwaltenden Umſtände, welche die Re- gierung zu deren Bedauern in dieſe Zwangslage ge- bracht haben. Zur Beſeitigung des allgemeinen Un- willens gegen die chineſiſche Regierung und zur Klärung der Lage bleibt nur das einzige Mittel übrig, die Beihilfe Deutſchlands anzurufen. Daher öffnen wir Eurer Majeſtät unſer Herz in dieſem Schreiben, in der Hoffnung, daß dadurch der Fort- beſtand unſerer freundſchaftlichen Beziehungen geſichert werde, und daß Allerhöchſtdieſelben bewogen werden, einen Plan zur Erreichung dieſes Zweckes in’s Auge zu faſſen und die Leitung zu übernehmen, um die früheren friedlichen Zuſtände wieder herbeizuführen. Wir bitten, uns einen günſtigen Beſcheid zu ertheilen, wofür unſere Dankbarkeit Eurer Majeſtät gegenüber immer lebendig bleiben wird. Gegeben am 23. Tage des 6. Mondes im 26. Jahre unſerer Regierung (19. Juli 1900), Kwangſu.“ Von Seite des deutſchen Auswärtigen Amtes wurde der chineſiſchen Geſandtſchaft am 24. d. M. folgende Kabelnote zugeſtellt: „Der Staatsſecretär des auswärtigen Amtes, Staatsminiſter Graf Bülow, hat die Kabelnote der chineſiſchen Geſandtſchaft vom 21. d., enthaltend die telegraphiſche Mittheilung Sr. Majeſtät des Kaiſers von China an Se. Majeſtät den Kaiſer und König erhalten. Graf Bülow ſieht ſich nicht in der Lage, dieſes Telegramm Sr. Majeſtät dem Kaiſer und König zu unterbreiten, ſo lange nicht das Schickſal der in Peking eingeſchloſſenen fremden Geſandtſchaften und der dortigen Fremden aufgeklärt iſt, die chineſiſche Regierung für die frevelhafte Ermordung des kaiſerlichen Geſandten Sühne gewährt und für ein dem Völkerrecht und der Civiliſation entſprechendes künftiges Verhalten genügende Garan- tie geleiſtet hat.“ Die Lage in der Mandſchurei. Petersburg. 25. Juli. Ueber die Situation in der Mandſchurei und in den Grenz- diſtricten Semirjetſchensk und Kuld- ſcha melden Berichte des Generalſtabes vom 21. d. M.: An der Grenze von Kuldſcha iſt Alles ruhig. Die ruſſiſche Poſt, welche von vier Koſaken begleitet iſt, verkehrt regelmäßig nach Kuldſcha und zurück. Ebenſo verkehren die Be- amten und Privatleute ohne Hinderniß. Der Conſul ſteht zu den Chineſen in den beſten Be- ziehungen; die Chineſen rüſten jedoch insgeheim ſehr ſtark. Der Conſul von Tſchugutſchak tele- graphirt unter dem 20. d. M. an den General- conſul: Hier herrſcht vollkommen Ruhe; der Gou- verneur bürgt für die Aufrechthaltung derſelben. Die meiſte Gefahr droht der öſtlichen Section der chineſiſchen Bahn. Berichte vom 19. d. M. beſagen: Die Linie nördlich von der Station Daſchizao ſammt den Brücken und 14 Waggons, ferner die Kohlengruben von Tantai wurden zer- ſtört und viele Beamte ſowie Mitglieder der Schutzmannſchaft getödtet. Die chineſiſchen Truppen concentriren ſich in großen Gruppen in Impu, Sjutſchali und anderen Orten nahe der Bahnlinie. Die ganze Organiſation der Chineſen und ihre Ueberfälle beweiſen, daß nach dem ſtreng durchdachten Plane vorgegan- gen wird, kleine Detachements abzuſchneiden, ihnen den Rückzug unmöglich zu machen und ſie zu vernichten. Jede Verſpätung in der Abſendung ruſſiſcher Truppen gibt den Chi- neſen Kraft und erhöht ihnen die Möglichkeit, ſich zu verſtärken. Die Station Daſchizao iſt von ruſſiſchen Schützen und Koſaken beſetzt; weiter ſüdlich ſind kleine Commandos vertheilt. Gegen- über den Stationen Spaletſchen und Gajutſchow befinden ſich, reguläre chineſiſche Truppen mit Geſchützen. In Blagowjeſchtſchensk herrſcht vollkommene Ruhe. Die Chineſen ſcheinen nicht gewillt zu ſein, einen Angriff zu wieder- holen. Es beſteht die Hoffnung auf baldige Wiederherſtellung der Ruhe, wenigſtens in den naheliegenden Gebieten. Die chineſiſche Bevölkerung von Charbin iſt vollkommen ruhig, da die Mandſchuren keine beſondere Sympathie für die Aufſtändiſchen hegen, was eine baldige Wieder- herſtellung der Ruhe rrwarten läßt. Die Berichte des Generalſtabes lauten ſehr beruhigend. Die verbündeten Truppen hatten über- all Erfolg. Der Widerſtand der chineſiſchen regulären Truppen iſt gebrochen. Die ruſſiſchen Truppen haben ſich namentlich am linken Ufer des Peiho ausgezeichnet, wo ſie am 14. d. 42 Geſchütze eroberten. Dem Finanzminiſterium zugegangene Meldungen beſagen, daß Ingenieur Botſcharow am 23. d. aus Dono und Ingenieur Offenberg mit ſeiner Abtheilung am Abend des- ſelben Tages in Zuruchajtu angekommen iſt. Die Wagen der vierten Section wurden von den Chineſen geplündert, wobei 12 Perſonen, darunter eine Frau, getödtet wurden. Ausreiſe der öſterreichiſchen Kriegsſchiffe. Wien, 25. Juli. Laut telegraphiſcher Nach- richt ſind S. M. Schiffe „Kaiſerin Eliſabeth“ und „Aſpern“ geſtern mit der Beſtimmung nach China von Pola ausgelaufen. Das nächſte Reiſe- ziel iſt Port Said. Mac Kinley an den Kaiſer von China. Waſhington, 24. Juli. Die Botſchaft, welche der Kaiſer von China an den Präſidenten Mac Kinley gelangen ließ, iſt im Allge- meinen in denſelben Ausdrücken gehalten, wie die an den deutſchen Kaiſer. Mac Kinley erwiderte geſtern auf die Botſchaft, wie folgt: „Ich bin erfreut zu erfahren, daß Euere Majeſtät anerkennt, daß die amerikaniſche Regierung und das amerikaniſche Volk nichts von China wollen, als was recht und billig iſt. Die Truppen wurden gelandet, um die Geſandtſchaft zu be- freien und im Einklange mit den Vertrags- rechten das Leben und Eigenthum der in China ſich aufhaltenden Amerikaner zu ſchützen. Aus dem Briefe Eurer Majeſtät geht hervor, daß die böswilligen Menſchen, die den deutſchen Geſandten Freiherrn v. Ketteler er- mordet und die übrigen Geſandten in Peking be- lagert haben, ſich im Aufſtande gegen die kaiſer- lichen Behörden befinden. Wenn dies der Fall iſt, lege ich der Regierung Eurer Majeſtät nahe, erſtens öffentlich zu erklären, ob die fremden Geſandtſchaften noch am Leben ſind, und in welcher Lage ſie ſich befinden, zweitens den Diplomaten ſo- fortige freie Verbindung mit ihren Regierungen zu gewähren und alle Gefahr für ihr Leben und ihre Freiheit zu beſeitigen, drittens die kaiſerlichen Behörden in China mit der Entſatz-Expedition in Verbindung treten zu laſſen, um eine Cooperation zum Schutze der Ausländer und zur Wiederherſtellung der Ordnung herbeizuführen. Wenn dieſe drei Punkte zugeſtanden werden, wird ſich, glaube ich, der freundſchaftlichen Beilegung aller aus den jüngſten Unruhen ſich ergebenden Fragen kein Hinderniß entgegenſtellen. Die freundſchaftlichen, guten Dienſte Amerikas werden mit Zuſtimmung der übrigen Mächte Eurer Majeſtät gern zur Ver- fügung geſtellt werden. Von den Geſandten. Petersburg, 24. Juli. Die hieſige chine- ſiſche Geſandtſchaft hat auf das von ihr am 19. Juli an den Vicekönig Yuanſchikkai und an den Taotai-Sheng gerichtete Telegramm heute Früh vom Tſung-li-Yamen durch Vermittlung Sheng’s folgendes Antwort-Telegramm erhalten: Am 18. Juli beſuchte auf Befehl des Tſung-li-Yamen ein Beamter die auswärtigen Geſandten und fand Alle wohl und unverſehrt. Yunglu ordnete an, alle Geſandt- ſchaften mit Lebensmittein und allem Nothwendigen zu verſehen, und beantragte, daß ſie, ſo lange in Peking die Ruhe nicht vollkommen hergeſtellt ſei, unter dem Schutze der chineſiſchen Truppen nach Tientſin gebracht werden, wo ſie außer jeder Ge- fahr ſein würden. Paris, 25. Juli. Die Blätter halten die Depeſche des franzöſiſchen Conſuls in Schanghai, welche des Verſprechens Li-Hung-Tſchangs erwähnt, daß der franzöſiſche Geſandte in Peking Pichon, bald in der Lage ſein werde, ein Telegramm an ſeine Regierung abzuſenden, nur theilweiſe für beruhigend. Der „Figaro“ bemerkt, wenn die Ge- ſandten in Peking im Begriffe wären, ſich nach Tientſin zu begeben, ſo hätten ſie ſicherlich von ſich Nachricht geben können. London, 24. Juli. Dem „Standard“ wird aus Tſchifu vom 23. Juli gemeldet: Eine hier aus Peking eingetroffene vom 10. Juli datirte Nachricht beſagt, die in der britiſchen Geſandtſchaft befindlichen Ausländer bedürfen dringend des Ent- ſatzes. Es herrſche Krankheit unter ihnen. Die chineſiſchen Truppen halten die Belage- rung noch aufrecht. Die Lage im Süden. London, 24. Juli. Die „Times“ melden aus Hongkong vom 23. d. M.: Bevor Li-Hung- Tſchang nach Norden abreiſte, nahm er den Befehl, daß die Schwarzflaggen nach Peking marſchiren ſollten, zurück. Die Schwarzflaggen lagern jetzt außerhalb Cantons und werden von dem ſtellvertretenden Vice- könig überwacht, welcher für die Sicherheit der Fremden in der Niederlaſſung die Garantie übernommen hat. Japaniſche Truppennachſchübe. London, 25. Juli. Dem „Daily Telegraph“ wird aus Tokio vom 23. d. M. gemeldet, daß das im Jahre 1895 geſchaffene Eiſenbahnbataillon mit einer Abtheilung Kulis und Artillerie nach China abgegangen ſei. Li Hung Tſchang’s Meinungen. London, 25. Juni. Den „Times“ wird von ihrem Correſpondenten in Shanghai unter dem 23. d. M. gemeldet, daß er mit Li Hung Tſchang eine Unterredung hatte, in welcher dieſer erklärte, wenn die Mandſchu-Partei ſich des ſchrecklichen Verbrechens, nämlich der Ermordung der Geſandten, ſchuldig gemacht hätte, würde er ſich unter allen Umſtänden weigern, die Führung der Unterhandlungen zu übernehmen. Li Hung Tſchang fügte hinzu, die Abſicht des Tſungli- Yamens ſei jetzt, die Kaiſerin zu bitten, zunächſt den Geſandtſchaften Nahrungsmittel zu ſenden und dann Vorkehrungen zu treffen, um die Geſandten unter der Begleitung eines Generals nach Tientſin zu ſenden. Der Kampf in Peking habe aufgehört,

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 168, Wien, 26.07.1900, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost168_1900/5>, abgerufen am 25.11.2024.