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Reichspost. Nr. 168, Wien, 26.07.1900.

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Wien, Donnerstag Reichspost 26. Juli 1900 168

[Spaltenumbruch]

machen; denn ob der Beleidigte siegt oder
unterliegt im Duelle, in keinem Falle ist
dadurch die Beleidigung, die Verleumdung und
dergleichen aus der Welt geschafft. Er hat einfach be-
wiesen, daß er den Muth hat, den Säbel oder die
Pistole als Waffe zu führen gegen den Beleidiger,
deswegen kann er aber doch das sein oder das ge-
than haben, was ihm der Beleidiger zum Vorwurf
gemacht hat. Es gereicht auch der Armee und dem
Officierscorps nicht zur Ehre, einem so veralteten-
rückständigen, gänzlich unmodernen Zopf, wie es das
Duell nach dem Urtheil aller fortgeschrittenen, aufge-
klärten Geister thatsächlich ist, fortgesetzt zu huldigen.
Es sind ja auch thatsächlich nur noch die
alten Officiere mit der alten Tradition heutzutage
wirklich begeisterte Vertreter des Duells in der Armee.
Es gereicht ferner der Armee und dem Officierscorps
nicht zum Nutzen, wenn sie mit dem Duellzwang sich
in Widerspruch setzen mit den Anschauungen des christ-
lichen Volkes, aus dem doch die Armee selbst hervor-
geht, und endlich kann es der Armee und dem
Officierscorps nicht zum Nutzen sein, wenn sich die
Eltern der besseren Stände bei Fortdauer des Duell-
zwanges die ernste Gewissensfrage vorlegen müssen:
ob sie ihren Kindern noch gestatten können, sich der
Officierscarriere zu widmen, welche dieselben in die
schwersten Conflicte mit ihren Anschauungen von der
Heiligkeit und der moralischen Verpflichtung des Staats-
gesetzes und mit ihren religiösen und kirchlichen Pflichten
bringen kann. Also kann es nur zur Ehre und zum
Segen des Officiersstandes sein, wenn endlich einmal
der Duellzwang in der Armee fällt,
und wir wiederholen: es wäre die schönste Perle in
der Ruhmeskrone unseres Kaisers, wenn er als der
Allerhöchste Kriegsherr die Initiative dazu ergriffe.
Ein Wort von ihm -- und der Duellzwang in der
Armee ist gefallen, und es wird auch gehen ohne ihn,
vielleicht besser gehen; denn dann wird die Gesetzgebung
Mittel und Wege finden, um die Ehre wirksamer zu
schützen, als dies in der That bis jetzt vielleicht der
Fall ist.

In gleicher Weise besprechen wir heute nur aus
Liebe zur Armee und ihrem edlen Officiersstand den
Fall des Baron Erlanger. Wir haben be-
reits berichtet, daß der Rittmeister Baron Erlanger
bei Stockerau einen alten, gebrechlichen, zum Gehen un-
fähigen Bauer Namens Schmied, der sich über die
Verwüstung seines Ackerfeldes durch die Hufe der
Pferde des Landwehr-Uhlanen-Regimentes beschwerte,
heftig anfuhr mit den Worten, wenn es dem Bauer
nicht recht sei, möge er sich beschweren. Wie der Bauer
dann seinen Namen zu wissen verlangte, verweigerte
dies der Rittmeister Baron Erlanger. Der Bauer ließ
sich dadurch zu einem Schimpfwort hinreißen, worauf ihn
Baron Erlanger derart mit dem Säbel bearbeitete
daß der Bauer blutend zusammenbrach und es nur
seiner Peluchemütze zu verdanken hatte, daß er nicht
schwerer verletzt wurde. Der Bauer war entschieden
im Unrecht, daß er den Rittmeister beleidigte, wie die
Cavalleristen Unrecht hatten, statt in der Reitschule
auf den Aeckern der Bauern ihre Reitübungen zu ver-
anstalten und so den armen Bauern ihre Ernte zu
ruinieren. Aber doppeltes Unrecht war es, daß der
Officier, statt den Bauern wegen Beschimpfung der
gerichtlichen Strafe zuzuführen, auf denselben einfach
mit dem blanken Säbel einhieb. Wir sind überzeugt,
daß dies von der militärischer Behörde nicht gebilligt
und der Baron zur strengen Rechenschaft gezogen
werden wird. Das ist jedoch ein Vergehen, welches
wirklich strenger Ahndung bedarf, über welches die
Militärbehörde Beschlüsse fassen könnte ähnlich dem-
jenigen des Ehrenrathes, der einen Officier cassierte
und degradierte, weil er nur seine Pflicht als Staats-
bürger und Katholik treu erfüllte, indem er nicht zum
Duell forderte. Ein solches oder ähnliches Urtheil in
solchem Falle würde der Armee, würde dem Officiers-
orps zur Ehre gereichen. Das würde das Ansehen des
Officierstandes im Volke heben und fördern. Wie
zweifeln nicht, daß man im Falle Erlangen
mindestens dieselbe Strenge walten lassen wird, wie sie
im Falle Tacoli zu Tage trat -- zumal es nicht
das erste Mal
ist, daß Baron Erlanger sich der-
artig vergangen hat. Man theilt heute der "Ostd.
Rundschau" Folgendes mit:

Gelegentlich der am 9. October 1894 in Wels
tagenden Versammlung des oberösterreichischen Lehrer-
vereines saßen im "Hotel Greif" an einem Tische
mehrere Lehrer, als ein Uhlanenoberlieutenant an einem
Tische Platz nahm und bald schrie und polterte, da
[Spaltenumbruch] einer der Kellner die Thür hatte offen lassen. Darauf
waren noch mehrere Lehrer eingetreten. Als dann
später alle Lehrer gemeinschaftlich das Local verließen,
traf es sich, daß einer derselben, der von der Em-
pfindlichkeit des Herrn Oberlieutenant nichts wußte,
die Thür nicht schloß, da zugleich eine andere Person
eintreten wollte; im selben Moment sprang der Ober-
lieutenant auf und schlug die Thüre zu, daß die
Fenster erklirrten, und schrie den Lehrern nach:
"Lümmeln, das!" Einer von diesen antwortete:
"Selber Lümmel!" Gleich darauf erschien der Herr
Oberlieutenant im Hausflur und fragte nach dem Ant-
wortenden. Dieser stellte sich sofort; im selben Augen-
blicke aber hatte der Oberlieutenant seinen Säbel ge-
zogen und schlug auf den völlig überraschten Lehrer
ein und verwundete ihn am linken Arme, mit welchem
der Angegriffene die auf seinen Kopf niedersausenden
Hiebe zu pariren suchte. Die Sache kam zur An-
zeige, es kam zur Zeugenvernehmung -- eine Erledi-
gung seiner Anzeige aber ist dem Kläger bis heute
nicht zugekommen, doch hatte er die Klagekosten aus
Eigenem zu tragen. Trotzdem dieser Fall damals in
den Zeitungen auch besprochen wurde, hat die
Militärbehörde nicht erklärt, daß sie solche Aus-
schreitungen nicht billigt. Im Gegentheile: Der Ober-
lieutenant ist seither Rittmeister geworden.

Es ist der Rittmeister Baron Erlanger.
Wir fügen dem keinen weiteren Commentar bei als
die Frage: Wie können solche Vorfälle, wenn dieselbe
ungesühet bleiben sollten, das Ansehen
der Armee und des Officiersstandes im Volke heben,
woran uns Oesterreichern doch Allen so sehr gelegen
sein muß und gelegen ist? Das sind die besten
Freunde nicht, die sich scheuen, den Freund auf
Fehler aufmerksam zum machen. Aus Liebe zur
Armee und zu unserem edeln Officiersstande glaubten
wir die Affaire Erlanger der Affaire Tacoli gegen-
überstellen zu müssen.




Politische Rundschau.
Oesterreich-Ungarn.


Die politische Situation.

Während die
Regierung sich gründlich ausschweigt und Nie-
mandem einen Einblick in ihre Pläne gestattet,
fahren die verschiedenen Parteipolitiker fort, auf
eigene Rechnung und Gefahr Pläne zu machen,
wie aus der gegenwärtigen Situation, die keiner
einzigen Partei angenehm ist, herauszukommen
wäre. Dabei offenbart sich mit Bestimmtheit
nur das eine, daß die verschiedenen Parteien --
vielleicht mit der einzigen Ausnahme der
Christlich-Socialen -- nicht wissen, was sie selber
wollen, geschweige denn, daß sie zu einer Ver-
söhnung der verschiedenen Gegensätze zwischen
den Parteien gelangen könnten. Auf Seite
einer Gruppe der Deutschcon ser-
vativen
ist sicher eine gewisse
Neigung
dafür vorhanden, das alte
Bündniß wieder aufzunehmen und den Jung-
czechen die trüben Stunden zu verzeihen, daß sie
z. B. dem Herrn Baron Dipauli seit anderthalb
Monaten bereitet haben. Auch von Seite des
czechischen conservativen Adels sähe man diese
Lösung am liebsten, da man dadurch um das
Dilemma herum wäre, aus Popularitätsrücksichten
sich für die Obstruction oder aus Loyalitätsrück-
sichten gegen die Obstruction entscheiden zu müssen.
Ein Wiener conservatives Blatt ist sogar ge-
neigt, für die Hußschwärmereien der
Jungezechen einen milderen Maßstab anzulegen.
Am Sonntag wurde wieder in dem nordböhmischen
Lomnitz eine Huß-Statue enthüllt und sprach
bei dieser Gelegenheit der graue Stürmer und
Dränger Dr. Eduard Gregr. Das conservative
Blatt sagt bei Besprechung dieser Rede: "Da
mochte sich wohl mancher Leser gedacht haben, daß
bei dieser Gelegenheit dem Katholicismus übel mit-
gespielt worden sei. Allein, was auf öffentlichem
Markte gesprochen wurde, war doch weniger
schlimm, als zu denken nahelag.
"
Warum spricht ein Blatt so, das doch sonst in
derartigen Dingen sehr sensibel ist? Es begründet
seine Stellung, indem es ausführt:

"Ganz versagen konnte es sich Dr. Gregr auch
bei der öffentlichen Enthüllungsfeier nicht, von Zügel-
losigkeit, Verderbtheit und Verschwendungssucht an den
päpstlichen Höfen, von ausgebreitetem Handel mit
Reliquien, Präbenden und Ablässen zu sprechen; aber
er bezog dies
auf die Zeit Hussens und
ließ die gegenwärtige Kirche in Ruhe.
Ja, er zog nicht einmal gegen Hussens Richter
los dafür, daß sie ihn als Ketzer verurtheilt hatten.
Er sagte: War Johannes Hus ein Ketzer oder nicht?
Darauf kann ich nicht antworten. Ich bin kein Theo-
loge und habe mich nie mit dogmatischen Fragen und
Problemen befaßt. Ich bin ein Politiker, ein Natio-
[Spaltenumbruch] naler, ein czechischer Patriot, und wenn ich den Con-
stanzer Märtyrer ehre, preise und feiere, so thue ich es
nicht etwa deshalb, weil ich seine theologischen Ansichten
und Grundsätze als die einzig richtigen, unfehlbaren
und für die Menschheit heilsamen betrachte. Es ist
wahr, daß Magister Johannes Hus vor Allem
Theologe
war, daß er als Lehrer, Priester, Ge-
lehrter, Prediger und Schriftsteller hauptsächlich und
fast ausschließlich sich mit religiösen
Dingen
beschäftigte, und daß er wegen seiner
Thätigkeit auf kirch lichem und religiösem
Gebiete verfolgt, gerichtet und vom Leben zum Tode
gebracht wurde."

Gregr sagt also: Huß war vor Allem
Theologe, er wurde wegen religiöser Lehrsätze ver-
brannt -- wenn nun aber Gregr und seine Partei
für den Theologen Huß nicht eintreten will,
warum verehrt sie ihn als einen Heiligen, der
den Martertod erlitt? Also entweder haben die
Jungczechen einen unsinnigen Hußcultus bisher
geübt oder Dr. Gregr hat eine unsinnige Rede
gehalten. Dieser Alternative ist schwer auszu-
weichen, selbst wenn man den guten Willen hat,
die alte Mehrheit zu favorisiren. -- Mit welcher
Unversöhnlichkeit man czechischerseits das Entgegen-
kommen beantwortete, beweisen die Auslassungen
des Brünner Organes des Abg. Dr. Stransky,
in denen es über die deutsche Vermittlungssprache
heißt:

"Wenn die Deutschen dieses Postulat immer
wieder in den Vordergrund drängen, so zeigen sie
damit nur, daß sie die nichtdeutschen Nationalitäten
provociren wollen; sie glauben, damit einen
Damm für ihre Forderungen zu errichten. In dieser
Beziehung sind sie aber in einer argen Täuschung,
denn je mehr sie die slavischen Volksstämme drang-
saliren, desto stärker wird die Ueberzeugung erwachen,
daß die Slaven die Majorität in Oester-
reich bilden.
Die Slaven haben daher das
Recht, zu verlangen, daß sie als die Majorität in
Wien respectirt werden."

Herr Dr. Ebenhoch wird also merken, daß
die auch von ihm vertretene deutsche Forderung
"provocirt". -- Nebenbei ist bemerkenswerth, daß
selbst die jüdische Phantasie des Juden Stransky
gegen die deutsche Vermittlungssprache kein anderes
Argument zu finden weiß, als daß die Slaven
"die Majorität in Oesterreich bilden". Diese
Slaven, die sich in keiner einzigen sla-
vischen
Sprache untereinander verständigen
können, wären heute schon in einer schönen
Calamität, wenn sie sich nicht durch
die deutsche Vermittlungssprache
verständigen könnten.
Warum wären
sonst ihre Organe zur Vertretung der slavischen
Solidarität und der angeblich "gesammtslavischen
Interessen" gerade deutsch geschrieben?

Liebäugeleien.

Ein "verehrter Mitarbeiter" der
"N. Tir. Stimmen" -- ein Blatt bezeichnet als diesen
Baron Dipauli -- schreibt in dem genannten
Tiroler conservativen Organ:

"An eine vollkommene Isolirung
der Czechen ist, wenn sich nicht die Czechen selbst dazu
verurtheilen, nicht zu denken und man darf sie anch
nicht wünschen. Denn gerade in der Isolirung wären
dieselben am bockbeinigsten; sie würden das Parlament,
in welches sie ohnehin nur mit der bekannten, ihrer Idee
von dem Machtanspruche ihrer Nationalität entsprungenen
Rechtsrerwahrung eingetreten sind, zu keiner Arbeits-
fähigkeit gelangen lassen. Eine Parteigruppirung mit
einer Majorität, die auch die Linksdeutschen
in sich begreift, erscheint fast ausgeschlossen; einfluß-
reiche Wortführer unter denselben perhorresciren ja
jedes Zusammengehen mit den Polen und der Katholi-
schen Volkspartei, gegenseitige Stimmen, wie die von
Grabmayr finden bei den eigenen Parteigenossen keinen
Anklang, und andererseits ist weder bei den Polen
(mit vielleicht vereinzelten Ausnahmen) noch bei
der Katholischen Volkspartei
ein Zug nach links
wahrzunehmen. Wenn eine
Majorität zu Stande kommt, so kann es daher vor-
aussichtlich nur die reconstruirte alte
Rechte
sein und die Katholische Volks-
partei
dürfte sich durch die Vorwürfe, die von
linksdeutscher Seite allerdings nicht ausbleiben werden,
wohl nicht abschrecken lassen, derselben
wieder anzugehören." -- Guten Appetit!

Exminister Baron Gautsch

wurde gestern in
Ischl vom Kaiser in längerer Audienz empfangen und
der Familientafel beigezogen.

Der Pilseuer Bierkrieg

ist dank der energischen
Haltung der Berliner Gastwirthe und des Publicums
beendet. Zwischen den Berliner Wirthen und den Ver-
tretern des Pilsener Bürgerlichen Brauhauses ist eine
Vereinbarung zu Stande gekommen. Von dem sich auf
3 M. 40 Pfg. berechnenden Aufschlag auf den Bier-
zoll wird das Bürgerliche Brauhaus 2 M. 40 Pfg.
übernehmen, während den Rest von 1 M. die Wirthe
tragen werden. Für das Publicum verbleibt es in
Folge dessen bei den bisherigen Ausschankpreisen.

Aufrichtige Geständnisse.

Das Organ der
czechischen Realistenpartei schreibt mit einer Offenheit,
die den Jungczechen sehr ungelegen kommen dürfte:
"Wir waren von den Bedingungen Doctor

Wien, Donnerſtag Reichspoſt 26. Juli 1900 168

[Spaltenumbruch]

machen; denn ob der Beleidigte ſiegt oder
unterliegt im Duelle, in keinem Falle iſt
dadurch die Beleidigung, die Verleumdung und
dergleichen aus der Welt geſchafft. Er hat einfach be-
wieſen, daß er den Muth hat, den Säbel oder die
Piſtole als Waffe zu führen gegen den Beleidiger,
deswegen kann er aber doch das ſein oder das ge-
than haben, was ihm der Beleidiger zum Vorwurf
gemacht hat. Es gereicht auch der Armee und dem
Officierscorps nicht zur Ehre, einem ſo veralteten-
rückſtändigen, gänzlich unmodernen Zopf, wie es das
Duell nach dem Urtheil aller fortgeſchrittenen, aufge-
klärten Geiſter thatſächlich iſt, fortgeſetzt zu huldigen.
Es ſind ja auch thatſächlich nur noch die
alten Officiere mit der alten Tradition heutzutage
wirklich begeiſterte Vertreter des Duells in der Armee.
Es gereicht ferner der Armee und dem Officierscorps
nicht zum Nutzen, wenn ſie mit dem Duellzwang ſich
in Widerſpruch ſetzen mit den Anſchauungen des chriſt-
lichen Volkes, aus dem doch die Armee ſelbſt hervor-
geht, und endlich kann es der Armee und dem
Officierscorps nicht zum Nutzen ſein, wenn ſich die
Eltern der beſſeren Stände bei Fortdauer des Duell-
zwanges die ernſte Gewiſſensfrage vorlegen müſſen:
ob ſie ihren Kindern noch geſtatten können, ſich der
Officierscarriére zu widmen, welche dieſelben in die
ſchwerſten Conflicte mit ihren Anſchauungen von der
Heiligkeit und der moraliſchen Verpflichtung des Staats-
geſetzes und mit ihren religiöſen und kirchlichen Pflichten
bringen kann. Alſo kann es nur zur Ehre und zum
Segen des Officiersſtandes ſein, wenn endlich einmal
der Duellzwang in der Armee fällt,
und wir wiederholen: es wäre die ſchönſte Perle in
der Ruhmeskrone unſeres Kaiſers, wenn er als der
Allerhöchſte Kriegsherr die Initiative dazu ergriffe.
Ein Wort von ihm — und der Duellzwang in der
Armee iſt gefallen, und es wird auch gehen ohne ihn,
vielleicht beſſer gehen; denn dann wird die Geſetzgebung
Mittel und Wege finden, um die Ehre wirkſamer zu
ſchützen, als dies in der That bis jetzt vielleicht der
Fall iſt.

In gleicher Weiſe beſprechen wir heute nur aus
Liebe zur Armee und ihrem edlen Officiersſtand den
Fall des Baron Erlanger. Wir haben be-
reits berichtet, daß der Rittmeiſter Baron Erlanger
bei Stockerau einen alten, gebrechlichen, zum Gehen un-
fähigen Bauer Namens Schmied, der ſich über die
Verwüſtung ſeines Ackerfeldes durch die Hufe der
Pferde des Landwehr-Uhlanen-Regimentes beſchwerte,
heftig anfuhr mit den Worten, wenn es dem Bauer
nicht recht ſei, möge er ſich beſchweren. Wie der Bauer
dann ſeinen Namen zu wiſſen verlangte, verweigerte
dies der Rittmeiſter Baron Erlanger. Der Bauer ließ
ſich dadurch zu einem Schimpfwort hinreißen, worauf ihn
Baron Erlanger derart mit dem Säbel bearbeitete
daß der Bauer blutend zuſammenbrach und es nur
ſeiner Peluchemütze zu verdanken hatte, daß er nicht
ſchwerer verletzt wurde. Der Bauer war entſchieden
im Unrecht, daß er den Rittmeiſter beleidigte, wie die
Cavalleriſten Unrecht hatten, ſtatt in der Reitſchule
auf den Aeckern der Bauern ihre Reitübungen zu ver-
anſtalten und ſo den armen Bauern ihre Ernte zu
ruinieren. Aber doppeltes Unrecht war es, daß der
Officier, ſtatt den Bauern wegen Beſchimpfung der
gerichtlichen Strafe zuzuführen, auf denſelben einfach
mit dem blanken Säbel einhieb. Wir ſind überzeugt,
daß dies von der militäriſcher Behörde nicht gebilligt
und der Baron zur ſtrengen Rechenſchaft gezogen
werden wird. Das iſt jedoch ein Vergehen, welches
wirklich ſtrenger Ahndung bedarf, über welches die
Militärbehörde Beſchlüſſe faſſen könnte ähnlich dem-
jenigen des Ehrenrathes, der einen Officier caſſierte
und degradierte, weil er nur ſeine Pflicht als Staats-
bürger und Katholik treu erfüllte, indem er nicht zum
Duell forderte. Ein ſolches oder ähnliches Urtheil in
ſolchem Falle würde der Armee, würde dem Officiers-
orps zur Ehre gereichen. Das würde das Anſehen des
Officierſtandes im Volke heben und fördern. Wie
zweifeln nicht, daß man im Falle Erlangen
mindeſtens dieſelbe Strenge walten laſſen wird, wie ſie
im Falle Tacoli zu Tage trat — zumal es nicht
das erſte Mal
iſt, daß Baron Erlanger ſich der-
artig vergangen hat. Man theilt heute der „Oſtd.
Rundſchau“ Folgendes mit:

Gelegentlich der am 9. October 1894 in Wels
tagenden Verſammlung des oberöſterreichiſchen Lehrer-
vereines ſaßen im „Hotel Greif“ an einem Tiſche
mehrere Lehrer, als ein Uhlanenoberlieutenant an einem
Tiſche Platz nahm und bald ſchrie und polterte, da
[Spaltenumbruch] einer der Kellner die Thür hatte offen laſſen. Darauf
waren noch mehrere Lehrer eingetreten. Als dann
ſpäter alle Lehrer gemeinſchaftlich das Local verließen,
traf es ſich, daß einer derſelben, der von der Em-
pfindlichkeit des Herrn Oberlieutenant nichts wußte,
die Thür nicht ſchloß, da zugleich eine andere Perſon
eintreten wollte; im ſelben Moment ſprang der Ober-
lieutenant auf und ſchlug die Thüre zu, daß die
Fenſter erklirrten, und ſchrie den Lehrern nach:
„Lümmeln, das!“ Einer von dieſen antwortete:
„Selber Lümmel!“ Gleich darauf erſchien der Herr
Oberlieutenant im Hausflur und fragte nach dem Ant-
wortenden. Dieſer ſtellte ſich ſofort; im ſelben Augen-
blicke aber hatte der Oberlieutenant ſeinen Säbel ge-
zogen und ſchlug auf den völlig überraſchten Lehrer
ein und verwundete ihn am linken Arme, mit welchem
der Angegriffene die auf ſeinen Kopf niederſauſenden
Hiebe zu pariren ſuchte. Die Sache kam zur An-
zeige, es kam zur Zeugenvernehmung — eine Erledi-
gung ſeiner Anzeige aber iſt dem Kläger bis heute
nicht zugekommen, doch hatte er die Klagekoſten aus
Eigenem zu tragen. Trotzdem dieſer Fall damals in
den Zeitungen auch beſprochen wurde, hat die
Militärbehörde nicht erklärt, daß ſie ſolche Aus-
ſchreitungen nicht billigt. Im Gegentheile: Der Ober-
lieutenant iſt ſeither Rittmeiſter geworden.

Es iſt der Rittmeiſter Baron Erlanger.
Wir fügen dem keinen weiteren Commentar bei als
die Frage: Wie können ſolche Vorfälle, wenn dieſelbe
ungeſühet bleiben ſollten, das Anſehen
der Armee und des Officiersſtandes im Volke heben,
woran uns Oeſterreichern doch Allen ſo ſehr gelegen
ſein muß und gelegen iſt? Das ſind die beſten
Freunde nicht, die ſich ſcheuen, den Freund auf
Fehler aufmerkſam zum machen. Aus Liebe zur
Armee und zu unſerem edeln Officiersſtande glaubten
wir die Affaire Erlanger der Affaire Tacoli gegen-
überſtellen zu müſſen.




Politiſche Rundſchau.
Oeſterreich-Ungarn.


Die politiſche Situation.

Während die
Regierung ſich gründlich ausſchweigt und Nie-
mandem einen Einblick in ihre Pläne geſtattet,
fahren die verſchiedenen Parteipolitiker fort, auf
eigene Rechnung und Gefahr Pläne zu machen,
wie aus der gegenwärtigen Situation, die keiner
einzigen Partei angenehm iſt, herauszukommen
wäre. Dabei offenbart ſich mit Beſtimmtheit
nur das eine, daß die verſchiedenen Parteien —
vielleicht mit der einzigen Ausnahme der
Chriſtlich-Socialen — nicht wiſſen, was ſie ſelber
wollen, geſchweige denn, daß ſie zu einer Ver-
ſöhnung der verſchiedenen Gegenſätze zwiſchen
den Parteien gelangen könnten. Auf Seite
einer Gruppe der Deutſchcon ſer-
vativen
iſt ſicher eine gewiſſe
Neigung
dafür vorhanden, das alte
Bündniß wieder aufzunehmen und den Jung-
czechen die trüben Stunden zu verzeihen, daß ſie
z. B. dem Herrn Baron Dipauli ſeit anderthalb
Monaten bereitet haben. Auch von Seite des
czechiſchen conſervativen Adels ſähe man dieſe
Löſung am liebſten, da man dadurch um das
Dilemma herum wäre, aus Popularitätsrückſichten
ſich für die Obſtruction oder aus Loyalitätsrück-
ſichten gegen die Obſtruction entſcheiden zu müſſen.
Ein Wiener conſervatives Blatt iſt ſogar ge-
neigt, für die Hußſchwärmereien der
Jungezechen einen milderen Maßſtab anzulegen.
Am Sonntag wurde wieder in dem nordböhmiſchen
Lomnitz eine Huß-Statue enthüllt und ſprach
bei dieſer Gelegenheit der graue Stürmer und
Dränger Dr. Eduard Gregr. Das conſervative
Blatt ſagt bei Beſprechung dieſer Rede: „Da
mochte ſich wohl mancher Leſer gedacht haben, daß
bei dieſer Gelegenheit dem Katholicismus übel mit-
geſpielt worden ſei. Allein, was auf öffentlichem
Markte geſprochen wurde, war doch weniger
ſchlimm, als zu denken nahelag.

Warum ſpricht ein Blatt ſo, das doch ſonſt in
derartigen Dingen ſehr ſenſibel iſt? Es begründet
ſeine Stellung, indem es ausführt:

„Ganz verſagen konnte es ſich Dr. Gregr auch
bei der öffentlichen Enthüllungsfeier nicht, von Zügel-
loſigkeit, Verderbtheit und Verſchwendungsſucht an den
päpſtlichen Höfen, von ausgebreitetem Handel mit
Reliquien, Präbenden und Abläſſen zu ſprechen; aber
er bezog dies
auf die Zeit Huſſens und
ließ die gegenwärtige Kirche in Ruhe.
Ja, er zog nicht einmal gegen Huſſens Richter
los dafür, daß ſie ihn als Ketzer verurtheilt hatten.
Er ſagte: War Johannes Hus ein Ketzer oder nicht?
Darauf kann ich nicht antworten. Ich bin kein Theo-
loge und habe mich nie mit dogmatiſchen Fragen und
Problemen befaßt. Ich bin ein Politiker, ein Natio-
[Spaltenumbruch] naler, ein czechiſcher Patriot, und wenn ich den Con-
ſtanzer Märtyrer ehre, preiſe und feiere, ſo thue ich es
nicht etwa deshalb, weil ich ſeine theologiſchen Anſichten
und Grundſätze als die einzig richtigen, unfehlbaren
und für die Menſchheit heilſamen betrachte. Es iſt
wahr, daß Magiſter Johannes Hus vor Allem
Theologe
war, daß er als Lehrer, Prieſter, Ge-
lehrter, Prediger und Schriftſteller hauptſächlich und
faſt ausſchließlich ſich mit religiöſen
Dingen
beſchäftigte, und daß er wegen ſeiner
Thätigkeit auf kirch lichem und religiöſem
Gebiete verfolgt, gerichtet und vom Leben zum Tode
gebracht wurde.“

Gregr ſagt alſo: Huß war vor Allem
Theologe, er wurde wegen religiöſer Lehrſätze ver-
brannt — wenn nun aber Gregr und ſeine Partei
für den Theologen Huß nicht eintreten will,
warum verehrt ſie ihn als einen Heiligen, der
den Martertod erlitt? Alſo entweder haben die
Jungczechen einen unſinnigen Hußcultus bisher
geübt oder Dr. Gregr hat eine unſinnige Rede
gehalten. Dieſer Alternative iſt ſchwer auszu-
weichen, ſelbſt wenn man den guten Willen hat,
die alte Mehrheit zu favoriſiren. — Mit welcher
Unverſöhnlichkeit man czechiſcherſeits das Entgegen-
kommen beantwortete, beweiſen die Auslaſſungen
des Brünner Organes des Abg. Dr. Stransky,
in denen es über die deutſche Vermittlungsſprache
heißt:

„Wenn die Deutſchen dieſes Poſtulat immer
wieder in den Vordergrund drängen, ſo zeigen ſie
damit nur, daß ſie die nichtdeutſchen Nationalitäten
provociren wollen; ſie glauben, damit einen
Damm für ihre Forderungen zu errichten. In dieſer
Beziehung ſind ſie aber in einer argen Täuſchung,
denn je mehr ſie die ſlaviſchen Volksſtämme drang-
ſaliren, deſto ſtärker wird die Ueberzeugung erwachen,
daß die Slaven die Majorität in Oeſter-
reich bilden.
Die Slaven haben daher das
Recht, zu verlangen, daß ſie als die Majorität in
Wien reſpectirt werden.“

Herr Dr. Ebenhoch wird alſo merken, daß
die auch von ihm vertretene deutſche Forderung
„provocirt“. — Nebenbei iſt bemerkenswerth, daß
ſelbſt die jüdiſche Phantaſie des Juden Stransky
gegen die deutſche Vermittlungsſprache kein anderes
Argument zu finden weiß, als daß die Slaven
„die Majorität in Oeſterreich bilden“. Dieſe
Slaven, die ſich in keiner einzigen ſla-
viſchen
Sprache untereinander verſtändigen
können, wären heute ſchon in einer ſchönen
Calamität, wenn ſie ſich nicht durch
die deutſche Vermittlungsſprache
verſtändigen könnten.
Warum wären
ſonſt ihre Organe zur Vertretung der ſlaviſchen
Solidarität und der angeblich „geſammtſlaviſchen
Intereſſen“ gerade deutſch geſchrieben?

Liebäugeleien.

Ein „verehrter Mitarbeiter“ der
„N. Tir. Stimmen“ — ein Blatt bezeichnet als dieſen
Baron Dipauli — ſchreibt in dem genannten
Tiroler conſervativen Organ:

„An eine vollkommene Iſolirung
der Czechen iſt, wenn ſich nicht die Czechen ſelbſt dazu
verurtheilen, nicht zu denken und man darf ſie anch
nicht wünſchen. Denn gerade in der Iſolirung wären
dieſelben am bockbeinigſten; ſie würden das Parlament,
in welches ſie ohnehin nur mit der bekannten, ihrer Idee
von dem Machtanſpruche ihrer Nationalität entſprungenen
Rechtsrerwahrung eingetreten ſind, zu keiner Arbeits-
fähigkeit gelangen laſſen. Eine Parteigruppirung mit
einer Majorität, die auch die Linksdeutſchen
in ſich begreift, erſcheint faſt ausgeſchloſſen; einfluß-
reiche Wortführer unter denſelben perhorresciren ja
jedes Zuſammengehen mit den Polen und der Katholi-
ſchen Volkspartei, gegenſeitige Stimmen, wie die von
Grabmayr finden bei den eigenen Parteigenoſſen keinen
Anklang, und andererſeits iſt weder bei den Polen
(mit vielleicht vereinzelten Ausnahmen) noch bei
der Katholiſchen Volkspartei
ein Zug nach links
wahrzunehmen. Wenn eine
Majorität zu Stande kommt, ſo kann es daher vor-
ausſichtlich nur die reconſtruirte alte
Rechte
ſein und die Katholiſche Volks-
partei
dürfte ſich durch die Vorwürfe, die von
linksdeutſcher Seite allerdings nicht ausbleiben werden,
wohl nicht abſchrecken laſſen, derſelben
wieder anzugehören.“ — Guten Appetit!

Exminiſter Baron Gautſch

wurde geſtern in
Iſchl vom Kaiſer in längerer Audienz empfangen und
der Familientafel beigezogen.

Der Pilſeuer Bierkrieg

iſt dank der energiſchen
Haltung der Berliner Gaſtwirthe und des Publicums
beendet. Zwiſchen den Berliner Wirthen und den Ver-
tretern des Pilſener Bürgerlichen Brauhauſes iſt eine
Vereinbarung zu Stande gekommen. Von dem ſich auf
3 M. 40 Pfg. berechnenden Aufſchlag auf den Bier-
zoll wird das Bürgerliche Brauhaus 2 M. 40 Pfg.
übernehmen, während den Reſt von 1 M. die Wirthe
tragen werden. Für das Publicum verbleibt es in
Folge deſſen bei den bisherigen Ausſchankpreiſen.

Aufrichtige Geſtändniſſe.

Das Organ der
czechiſchen Realiſtenpartei ſchreibt mit einer Offenheit,
die den Jungczechen ſehr ungelegen kommen dürfte:
„Wir waren von den Bedingungen Doctor

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[2/0002] Wien, Donnerſtag Reichspoſt 26. Juli 1900 168 machen; denn ob der Beleidigte ſiegt oder unterliegt im Duelle, in keinem Falle iſt dadurch die Beleidigung, die Verleumdung und dergleichen aus der Welt geſchafft. Er hat einfach be- wieſen, daß er den Muth hat, den Säbel oder die Piſtole als Waffe zu führen gegen den Beleidiger, deswegen kann er aber doch das ſein oder das ge- than haben, was ihm der Beleidiger zum Vorwurf gemacht hat. Es gereicht auch der Armee und dem Officierscorps nicht zur Ehre, einem ſo veralteten- rückſtändigen, gänzlich unmodernen Zopf, wie es das Duell nach dem Urtheil aller fortgeſchrittenen, aufge- klärten Geiſter thatſächlich iſt, fortgeſetzt zu huldigen. Es ſind ja auch thatſächlich nur noch die alten Officiere mit der alten Tradition heutzutage wirklich begeiſterte Vertreter des Duells in der Armee. Es gereicht ferner der Armee und dem Officierscorps nicht zum Nutzen, wenn ſie mit dem Duellzwang ſich in Widerſpruch ſetzen mit den Anſchauungen des chriſt- lichen Volkes, aus dem doch die Armee ſelbſt hervor- geht, und endlich kann es der Armee und dem Officierscorps nicht zum Nutzen ſein, wenn ſich die Eltern der beſſeren Stände bei Fortdauer des Duell- zwanges die ernſte Gewiſſensfrage vorlegen müſſen: ob ſie ihren Kindern noch geſtatten können, ſich der Officierscarriére zu widmen, welche dieſelben in die ſchwerſten Conflicte mit ihren Anſchauungen von der Heiligkeit und der moraliſchen Verpflichtung des Staats- geſetzes und mit ihren religiöſen und kirchlichen Pflichten bringen kann. Alſo kann es nur zur Ehre und zum Segen des Officiersſtandes ſein, wenn endlich einmal der Duellzwang in der Armee fällt, und wir wiederholen: es wäre die ſchönſte Perle in der Ruhmeskrone unſeres Kaiſers, wenn er als der Allerhöchſte Kriegsherr die Initiative dazu ergriffe. Ein Wort von ihm — und der Duellzwang in der Armee iſt gefallen, und es wird auch gehen ohne ihn, vielleicht beſſer gehen; denn dann wird die Geſetzgebung Mittel und Wege finden, um die Ehre wirkſamer zu ſchützen, als dies in der That bis jetzt vielleicht der Fall iſt. In gleicher Weiſe beſprechen wir heute nur aus Liebe zur Armee und ihrem edlen Officiersſtand den Fall des Baron Erlanger. Wir haben be- reits berichtet, daß der Rittmeiſter Baron Erlanger bei Stockerau einen alten, gebrechlichen, zum Gehen un- fähigen Bauer Namens Schmied, der ſich über die Verwüſtung ſeines Ackerfeldes durch die Hufe der Pferde des Landwehr-Uhlanen-Regimentes beſchwerte, heftig anfuhr mit den Worten, wenn es dem Bauer nicht recht ſei, möge er ſich beſchweren. Wie der Bauer dann ſeinen Namen zu wiſſen verlangte, verweigerte dies der Rittmeiſter Baron Erlanger. Der Bauer ließ ſich dadurch zu einem Schimpfwort hinreißen, worauf ihn Baron Erlanger derart mit dem Säbel bearbeitete daß der Bauer blutend zuſammenbrach und es nur ſeiner Peluchemütze zu verdanken hatte, daß er nicht ſchwerer verletzt wurde. Der Bauer war entſchieden im Unrecht, daß er den Rittmeiſter beleidigte, wie die Cavalleriſten Unrecht hatten, ſtatt in der Reitſchule auf den Aeckern der Bauern ihre Reitübungen zu ver- anſtalten und ſo den armen Bauern ihre Ernte zu ruinieren. Aber doppeltes Unrecht war es, daß der Officier, ſtatt den Bauern wegen Beſchimpfung der gerichtlichen Strafe zuzuführen, auf denſelben einfach mit dem blanken Säbel einhieb. Wir ſind überzeugt, daß dies von der militäriſcher Behörde nicht gebilligt und der Baron zur ſtrengen Rechenſchaft gezogen werden wird. Das iſt jedoch ein Vergehen, welches wirklich ſtrenger Ahndung bedarf, über welches die Militärbehörde Beſchlüſſe faſſen könnte ähnlich dem- jenigen des Ehrenrathes, der einen Officier caſſierte und degradierte, weil er nur ſeine Pflicht als Staats- bürger und Katholik treu erfüllte, indem er nicht zum Duell forderte. Ein ſolches oder ähnliches Urtheil in ſolchem Falle würde der Armee, würde dem Officiers- orps zur Ehre gereichen. Das würde das Anſehen des Officierſtandes im Volke heben und fördern. Wie zweifeln nicht, daß man im Falle Erlangen mindeſtens dieſelbe Strenge walten laſſen wird, wie ſie im Falle Tacoli zu Tage trat — zumal es nicht das erſte Mal iſt, daß Baron Erlanger ſich der- artig vergangen hat. Man theilt heute der „Oſtd. Rundſchau“ Folgendes mit: Gelegentlich der am 9. October 1894 in Wels tagenden Verſammlung des oberöſterreichiſchen Lehrer- vereines ſaßen im „Hotel Greif“ an einem Tiſche mehrere Lehrer, als ein Uhlanenoberlieutenant an einem Tiſche Platz nahm und bald ſchrie und polterte, da einer der Kellner die Thür hatte offen laſſen. Darauf waren noch mehrere Lehrer eingetreten. Als dann ſpäter alle Lehrer gemeinſchaftlich das Local verließen, traf es ſich, daß einer derſelben, der von der Em- pfindlichkeit des Herrn Oberlieutenant nichts wußte, die Thür nicht ſchloß, da zugleich eine andere Perſon eintreten wollte; im ſelben Moment ſprang der Ober- lieutenant auf und ſchlug die Thüre zu, daß die Fenſter erklirrten, und ſchrie den Lehrern nach: „Lümmeln, das!“ Einer von dieſen antwortete: „Selber Lümmel!“ Gleich darauf erſchien der Herr Oberlieutenant im Hausflur und fragte nach dem Ant- wortenden. Dieſer ſtellte ſich ſofort; im ſelben Augen- blicke aber hatte der Oberlieutenant ſeinen Säbel ge- zogen und ſchlug auf den völlig überraſchten Lehrer ein und verwundete ihn am linken Arme, mit welchem der Angegriffene die auf ſeinen Kopf niederſauſenden Hiebe zu pariren ſuchte. Die Sache kam zur An- zeige, es kam zur Zeugenvernehmung — eine Erledi- gung ſeiner Anzeige aber iſt dem Kläger bis heute nicht zugekommen, doch hatte er die Klagekoſten aus Eigenem zu tragen. Trotzdem dieſer Fall damals in den Zeitungen auch beſprochen wurde, hat die Militärbehörde nicht erklärt, daß ſie ſolche Aus- ſchreitungen nicht billigt. Im Gegentheile: Der Ober- lieutenant iſt ſeither Rittmeiſter geworden. Es iſt der Rittmeiſter Baron Erlanger. Wir fügen dem keinen weiteren Commentar bei als die Frage: Wie können ſolche Vorfälle, wenn dieſelbe ungeſühet bleiben ſollten, das Anſehen der Armee und des Officiersſtandes im Volke heben, woran uns Oeſterreichern doch Allen ſo ſehr gelegen ſein muß und gelegen iſt? Das ſind die beſten Freunde nicht, die ſich ſcheuen, den Freund auf Fehler aufmerkſam zum machen. Aus Liebe zur Armee und zu unſerem edeln Officiersſtande glaubten wir die Affaire Erlanger der Affaire Tacoli gegen- überſtellen zu müſſen. Politiſche Rundſchau. Oeſterreich-Ungarn. Wien 25. Juli. Die politiſche Situation. Während die Regierung ſich gründlich ausſchweigt und Nie- mandem einen Einblick in ihre Pläne geſtattet, fahren die verſchiedenen Parteipolitiker fort, auf eigene Rechnung und Gefahr Pläne zu machen, wie aus der gegenwärtigen Situation, die keiner einzigen Partei angenehm iſt, herauszukommen wäre. Dabei offenbart ſich mit Beſtimmtheit nur das eine, daß die verſchiedenen Parteien — vielleicht mit der einzigen Ausnahme der Chriſtlich-Socialen — nicht wiſſen, was ſie ſelber wollen, geſchweige denn, daß ſie zu einer Ver- ſöhnung der verſchiedenen Gegenſätze zwiſchen den Parteien gelangen könnten. Auf Seite einer Gruppe der Deutſchcon ſer- vativen iſt ſicher eine gewiſſe Neigung dafür vorhanden, das alte Bündniß wieder aufzunehmen und den Jung- czechen die trüben Stunden zu verzeihen, daß ſie z. B. dem Herrn Baron Dipauli ſeit anderthalb Monaten bereitet haben. Auch von Seite des czechiſchen conſervativen Adels ſähe man dieſe Löſung am liebſten, da man dadurch um das Dilemma herum wäre, aus Popularitätsrückſichten ſich für die Obſtruction oder aus Loyalitätsrück- ſichten gegen die Obſtruction entſcheiden zu müſſen. Ein Wiener conſervatives Blatt iſt ſogar ge- neigt, für die Hußſchwärmereien der Jungezechen einen milderen Maßſtab anzulegen. Am Sonntag wurde wieder in dem nordböhmiſchen Lomnitz eine Huß-Statue enthüllt und ſprach bei dieſer Gelegenheit der graue Stürmer und Dränger Dr. Eduard Gregr. Das conſervative Blatt ſagt bei Beſprechung dieſer Rede: „Da mochte ſich wohl mancher Leſer gedacht haben, daß bei dieſer Gelegenheit dem Katholicismus übel mit- geſpielt worden ſei. Allein, was auf öffentlichem Markte geſprochen wurde, war doch weniger ſchlimm, als zu denken nahelag.“ Warum ſpricht ein Blatt ſo, das doch ſonſt in derartigen Dingen ſehr ſenſibel iſt? Es begründet ſeine Stellung, indem es ausführt: „Ganz verſagen konnte es ſich Dr. Gregr auch bei der öffentlichen Enthüllungsfeier nicht, von Zügel- loſigkeit, Verderbtheit und Verſchwendungsſucht an den päpſtlichen Höfen, von ausgebreitetem Handel mit Reliquien, Präbenden und Abläſſen zu ſprechen; aber er bezog dies auf die Zeit Huſſens und ließ die gegenwärtige Kirche in Ruhe. Ja, er zog nicht einmal gegen Huſſens Richter los dafür, daß ſie ihn als Ketzer verurtheilt hatten. Er ſagte: War Johannes Hus ein Ketzer oder nicht? Darauf kann ich nicht antworten. Ich bin kein Theo- loge und habe mich nie mit dogmatiſchen Fragen und Problemen befaßt. Ich bin ein Politiker, ein Natio- naler, ein czechiſcher Patriot, und wenn ich den Con- ſtanzer Märtyrer ehre, preiſe und feiere, ſo thue ich es nicht etwa deshalb, weil ich ſeine theologiſchen Anſichten und Grundſätze als die einzig richtigen, unfehlbaren und für die Menſchheit heilſamen betrachte. Es iſt wahr, daß Magiſter Johannes Hus vor Allem Theologe war, daß er als Lehrer, Prieſter, Ge- lehrter, Prediger und Schriftſteller hauptſächlich und faſt ausſchließlich ſich mit religiöſen Dingen beſchäftigte, und daß er wegen ſeiner Thätigkeit auf kirch lichem und religiöſem Gebiete verfolgt, gerichtet und vom Leben zum Tode gebracht wurde.“ Gregr ſagt alſo: Huß war vor Allem Theologe, er wurde wegen religiöſer Lehrſätze ver- brannt — wenn nun aber Gregr und ſeine Partei für den Theologen Huß nicht eintreten will, warum verehrt ſie ihn als einen Heiligen, der den Martertod erlitt? Alſo entweder haben die Jungczechen einen unſinnigen Hußcultus bisher geübt oder Dr. Gregr hat eine unſinnige Rede gehalten. Dieſer Alternative iſt ſchwer auszu- weichen, ſelbſt wenn man den guten Willen hat, die alte Mehrheit zu favoriſiren. — Mit welcher Unverſöhnlichkeit man czechiſcherſeits das Entgegen- kommen beantwortete, beweiſen die Auslaſſungen des Brünner Organes des Abg. Dr. Stransky, in denen es über die deutſche Vermittlungsſprache heißt: „Wenn die Deutſchen dieſes Poſtulat immer wieder in den Vordergrund drängen, ſo zeigen ſie damit nur, daß ſie die nichtdeutſchen Nationalitäten provociren wollen; ſie glauben, damit einen Damm für ihre Forderungen zu errichten. In dieſer Beziehung ſind ſie aber in einer argen Täuſchung, denn je mehr ſie die ſlaviſchen Volksſtämme drang- ſaliren, deſto ſtärker wird die Ueberzeugung erwachen, daß die Slaven die Majorität in Oeſter- reich bilden. Die Slaven haben daher das Recht, zu verlangen, daß ſie als die Majorität in Wien reſpectirt werden.“ Herr Dr. Ebenhoch wird alſo merken, daß die auch von ihm vertretene deutſche Forderung „provocirt“. — Nebenbei iſt bemerkenswerth, daß ſelbſt die jüdiſche Phantaſie des Juden Stransky gegen die deutſche Vermittlungsſprache kein anderes Argument zu finden weiß, als daß die Slaven „die Majorität in Oeſterreich bilden“. Dieſe Slaven, die ſich in keiner einzigen ſla- viſchen Sprache untereinander verſtändigen können, wären heute ſchon in einer ſchönen Calamität, wenn ſie ſich nicht durch die deutſche Vermittlungsſprache verſtändigen könnten. Warum wären ſonſt ihre Organe zur Vertretung der ſlaviſchen Solidarität und der angeblich „geſammtſlaviſchen Intereſſen“ gerade deutſch geſchrieben? Liebäugeleien. Ein „verehrter Mitarbeiter“ der „N. Tir. Stimmen“ — ein Blatt bezeichnet als dieſen Baron Dipauli — ſchreibt in dem genannten Tiroler conſervativen Organ: „An eine vollkommene Iſolirung der Czechen iſt, wenn ſich nicht die Czechen ſelbſt dazu verurtheilen, nicht zu denken und man darf ſie anch nicht wünſchen. Denn gerade in der Iſolirung wären dieſelben am bockbeinigſten; ſie würden das Parlament, in welches ſie ohnehin nur mit der bekannten, ihrer Idee von dem Machtanſpruche ihrer Nationalität entſprungenen Rechtsrerwahrung eingetreten ſind, zu keiner Arbeits- fähigkeit gelangen laſſen. Eine Parteigruppirung mit einer Majorität, die auch die Linksdeutſchen in ſich begreift, erſcheint faſt ausgeſchloſſen; einfluß- reiche Wortführer unter denſelben perhorresciren ja jedes Zuſammengehen mit den Polen und der Katholi- ſchen Volkspartei, gegenſeitige Stimmen, wie die von Grabmayr finden bei den eigenen Parteigenoſſen keinen Anklang, und andererſeits iſt weder bei den Polen (mit vielleicht vereinzelten Ausnahmen) noch bei der Katholiſchen Volkspartei ein Zug nach links wahrzunehmen. Wenn eine Majorität zu Stande kommt, ſo kann es daher vor- ausſichtlich nur die reconſtruirte alte Rechte ſein und die Katholiſche Volks- partei dürfte ſich durch die Vorwürfe, die von linksdeutſcher Seite allerdings nicht ausbleiben werden, wohl nicht abſchrecken laſſen, derſelben wieder anzugehören.“ — Guten Appetit! Exminiſter Baron Gautſch wurde geſtern in Iſchl vom Kaiſer in längerer Audienz empfangen und der Familientafel beigezogen. Der Pilſeuer Bierkrieg iſt dank der energiſchen Haltung der Berliner Gaſtwirthe und des Publicums beendet. Zwiſchen den Berliner Wirthen und den Ver- tretern des Pilſener Bürgerlichen Brauhauſes iſt eine Vereinbarung zu Stande gekommen. Von dem ſich auf 3 M. 40 Pfg. berechnenden Aufſchlag auf den Bier- zoll wird das Bürgerliche Brauhaus 2 M. 40 Pfg. übernehmen, während den Reſt von 1 M. die Wirthe tragen werden. Für das Publicum verbleibt es in Folge deſſen bei den bisherigen Ausſchankpreiſen. Aufrichtige Geſtändniſſe. Das Organ der czechiſchen Realiſtenpartei ſchreibt mit einer Offenheit, die den Jungczechen ſehr ungelegen kommen dürfte: „Wir waren von den Bedingungen Doctor

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 168, Wien, 26.07.1900, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost168_1900/2>, abgerufen am 25.11.2024.