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Reichspost. Nr. 105, Wien, 08.05.1894.

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Wien, Dienstag Reichspost 8. Mai 1894. 105

[Spaltenumbruch]

semitisches Wettkriechen um die interessanten Bade-
gäste
aus dem Orient. Dort war Herr Cooperator
Pösel, hier ist Gemeinderath Tomola das
Opfer -- des gemeindeausschüßlichen Zornes. Freilich
erinnert die Sache an den entrüsteten Lehrer, der
seinen Schüler fragte: "Bub', soll ich Dich prügeln,
oder mit Verachtung strafen?" Der Bub antwortete:
"Herr Lehrer, strafen Sie mich lieber mit Verach-
tung!
" Weh hat ihm die Verachtung sicher nicht
gethan. So wird auch jene gemeindeausschüßliche Miß-
billigungsresolution Herrn Tomola nicht sehr irritiren.
Wenn solche Resolutionen aber noch öster sich wiederholen,
wird man sie bald als -- Ausschußwaare
zu schätzen wissen.




Herr Noske

hat am Freitag eine Wählerversammlung gehalten und
darin gar vieles gesagt. Multa non multum,
natürlich. Von dem vielen sei nur einiges erwähnt:

1. Er nannte es einen "glücklichen Ge-
danken,
eine Feier der Stadt Wien zu veran-
stalten, anläßlich der 25jährigen Wiederkehr jenes
Tages, wo die Volksschulgesetze geschaffen wurde. Es
wird deshalb ein Antrag im Gemeinde-
rathe eingebracht werden,
und die even-
tuellen Gegendemonstrationen der Antisemiten, diese
Feier herabzuwürdigen, werden nur den Vortheil
bieten, eine vollständige Scheidung herbeizuführen."

Die Feier wird gerade so eine Feier der Stadt
Wien
werden, wie das Grübl-Bankett eines war.
Die Herrn Judenliberalen werden hübsch
unter sich sein und ein Gesetz feiern, welches ihnen den
Nachwuchs liefern soll. Was das christliche
Wien über das Volksschulgesetz oder vielmehr über die
judenliberale Feier desselben deukt, dies feierlich auszu-
drücken, wird ihm der katholische Schulverein hoffentlich
Gelegenheit bieten.

2. Natürlich wies Herr Noske auf sein erstes
großes parlamentarisches Werk:
seine
Interpellation in der "Affaire Deckert" hin und "seines
Werthes voll bewußt" macht er sie gleich zur
"Feuerprobe der Coalition!" Und er versteigt sich zu
folgender hohlen Phrase: "Die deutschfortschrittliche
Partei wird in dieser Frage in keinem Falle der
Coalition ein Opfer bringen." Das heißt: die Juden
über alles!
Opfer für alles und jedes, nur darf
den Juden auch nicht ein Haar gekrümmt werden,
sonst ade, Coalition! -- Judenknechte!




Die polnischen Abgeordneten und
die "liberale" Presse.

In den dürren Coalitionsblättern säuselt noch
immer der Wind. Es sind das die Nachwehen der
Krise Ganz speciell richtet sich der Zorn der Coalitions-
organe gegen den Grafen Pininski, dem man seine
katholische Gesinnung und seine Abneigung gegen
Valutaexperimente nicht verzeihen kann. Mit der so
rasch geleimten Krise im Hohenwartclub hat Graf
Pininski selbstverständlich nicht das Geringste zu
schaffen, er hat von ihr vermuthlich nur das erfahren,
was in den Zeitungen stand oder in den Couloirs des
Abgeordnetenhauses erzählt wurde. Aber Graf
Pininski hat, wie man sich erinnert, vor Kurzem ein-
mal mit Herrn Hofrath Beer lebhaft die Klinge ge-
kreuzt, und der pensionirte Mitverfasser des Reichs-
volksschulgesetzes ist, wie man sich erinnert, bei diesem
Zweikampf nicht ganz ohne Schramme davon gekommen.
Das heischt Rache, und seitdem steht Graf Pininski
auf der schwarzen Liste der "liberalen" Blätter unter
A. 1. Er genießt die Ehre, fast täglich angegriffen zu
werden. Er hüte sich! Er wird bald nur noch im
Zusammenhange mit + + + Lueger, Geßmann
und Prinz Liechtenstein genannt werden, und
dann ist er "gerichtet" und "vernichtet".

Vorläufig soll sich übrigens der Abgeordnete für
den Tarnopoler Landbezirk noch ganz wohl befinden,
aber diese Gesundheit ist offenbar nur eine geheuchelte,
denn wer den "liberalen" Blicken mißfällt, der ist schon
"moralisch todt" und kann sich gar nicht wohl fühlen.
Die Angriffe auf die hervorragendste juristische Kraft
des Polenclubs sind ganz erklärlich. Graf Pininski
hat schon beim Ratengesetz das Mißfallen gewisser
Kreise erregt, weil er ein paar verschärfende Amen-
dementes durchsetzte, jetzt stört er wieder gewisse Kreise
in ihren Valutaspeculationen -- einer der das Ge-
schäft so stört, muß wo möglich umgebracht werden.
Vorläufig sehen aber die Dinge so aus, als ob im
Polenclub gerade die Richtung, welche Graf
Pininski vertritt, die Richtung, die von der
Linken weg will, prononcirter und stärker würde.
Viel Sympathie für die Linke und besonderes Ver-
trauen zu ihr ist bei den Polen entschieden nicht vor-
handen, und die Art und Weise, wie die "liberale"
Presse hervorragende galizische Abgeordnete behandelt,
ist nicht geeignet, solche Sympathien zu erwecken.




Merkst Du was, Amalia?

Von dem würdigen Abschluß der
Panama-Affaire,
dem Herz-Reinach'-
schen Ausgleich
mit der Panama-Liquidations-
masse, haben wir bereits gesprochen. Die Sache hat
in Paris, wie von dort telegraphirt wurde, unge-
[Spaltenumbruch] heueres Aufsehen im Publikum erregt, wie natürlich.
Da ist es nun bezeichnend, daß, abgesehen selbstver-
ständlich von der christlichen Presse, die Organe der
"öffentlichen Meinung" sich begnügen, den Ausgleichs-
vertrag zu publiciren. Kein kritischer Artikel, keine
Notiz, nichts -- selbst das "Journal des Debats",
das in der Panamafrage sich ziemlich anständig ge-
halten hat, schweigt. Warum? Nun, Herz und die
Reinach's sind Juden, Herz ist Frei-
maurer,
die Reinach's wahrscheinlich auch,
man darf doch die "ehrwürdigen und
lieben Brüder"
nicht stören.




Der Fall Rothberger.

Wir lenken die Aufmerksamkeit unserer Leser mit
besonderem Nachdruck auf unsere Rubrik "Gemeinde-
zeitung". Leider mußte der bezügliche Bericht am
Samstag technischer Schwierigkeiten wegen zurückbleiben.
Der Fall bleibt aber für alle Zeit actuell, weil
er wieder ein bleibendes Denkmal für die liberale
Mißwirthschaft in der Gemeindeverwaltung ist. Die
gebührende Kritik desselben in unseren christlichen Ver-
sammlungen wird nicht auf sich warten lassen.




Inland.


Wir wissen nicht, ob der Finanzminister von
Plener dem Vereine "Reisender Kaufleute" ange-
hört, jedenfalls macht er dessen Mitgliedern ausgiebige
Concurrenz. In der ganzen vergangenen Woche war
er eifrig bemüht, den in Commission übernommenen Artikel
"Valutavorlage" an dee Mann zu bringen. Selbst-
redend besuchte er nur "große Häuser", doch wäre es
ihm am Freitag bei der Firma Hohenwart-
club
beinahe schlecht ergangen und nur die Inter-
vention des abgeklärten Chefs der Firma und die
Rücksicht auf ein im Cartell "links" stehendes Haus,
welches in der angepriesenen Waare stark engagirt ist,
bewahrte den excellenzherrlichen Reisenden vor dem
Schicksale, welches schon manchen in diesem Genre
Thätigen unliebsamer Weise ereilt haben soll. Mehr
Glück hatte Herr von Plener bei seinem samstägigen
Besuche des polnischen Geschäftshauses, denn dort
wurde die angerühmte "Valutavorlage" zwar nach
24stündiger Bedenkzeit und mit einer kleinen, noch
Geschäftsgeheimniß bildenden
Ab-
änderung, aber doch acceptirt.

Die morgen beginnende Berathung der Vorlage
im Plenum ist also nur noch Formsache, denn die
Generalversammlung nimmt ja die Vorschläge des
Verwaltungsrathes stets an, dafür sorgen schon die
vorausgehenden Pourparlers und die -- Strohmänner.
Die Minorität des Valutaausschusses wird zwar ein
separates Votum auf Vertagung der Vorlage
einbringen, doch dürften dafür nach den jetzt bekannten
Clubbeschlüssen schwerlich mehr als hundert Abge-
ordnete stimmen; allerdings sind auch zahlreiche Wahl-
enthaltungen zu erwarten.

In der laufenden Woche wird das Abge-
ordnetenhaus
die Valutavorlage erledigen und
wenn dies bis Donnerstag gelingt, auch noch die
Handelsverträge zu Ende berathen. Nach den Pfingst-
feiertagen gelangt zuerst das Localbahngesetz,
dann der Handelsetat und der des Acker-
baues
zur Berathung. Hierauf soll die Reform
des Preßgesetzes
und dann der Justiz-
etat
erledigt werden. Man hofft auf diese Weise
noch vor Ablauf dieses Monates die Frühjahrssession
beenden zu können.

Die Angriffe der "Neuen Freien Presse" gegen
den Grafen Pininski waren gestern im Polen-
club
Gegenstand einer Besprechung, welche den Club-
mitgliedern Gelegenheit gab, ihrer Entrüstung über
das anmaßende Auftreten jenes Börsenorgans Ausdruck
zu geben. Doch glauben wir, daß die von einigen
polnischen Abgeordneten ausgesprochene Ansicht, die
"Neue Freie Presse" folge in diesem Falle einer
"Privatfeindschaft", eine entschieden irrthümliche ist,
denn erstens haben Hofrath Beer und nach ihm
Menger, der "Ritter ohne Furcht und Tadel", im
Parlamente mit den offenen und versteckten Angriffen
gegen Pininski begonnen und zweitens sind wir der
Meinung, daß sich Graf Pininski sicherlich niemals so
weit herabgewürdigt hat, um der "Neuen Freien
Presse" derart nahe zu kommen, daß sie eine "Privat-
feindschaft" gegen ihn entwickeln könnte.

Die Wahl in die Delegationen wird vor-
aussichtlich noch im Laufe dieser Woche erfolgen; zu
welchem Zwecke das Abgeordnetenhaus eine Abend-
sitzung ad hoc abhalten dürfte.

Im ungarischen Abgeordnetenhause beginnt
heute die Berathung der Civilehevorlage und dürfte
auch morgen noch fortgesetzt werden, so daß die Ab-
stimmung am Mittwoch erfolgt. Die Gegner der
Vorlage machen die dankenswerthesten Anstrengungen,
dieselbe zu Falle zu bringen und es ist wirklich Aus-
sicht vorhanden, daß der Anschlag von Wekerle und
Comp. gegen die Ueberzeugungen des christlichen Volkes
vereitelt wird. Selbst die judenliberalen Blätter hüben
und drüben fa[n]gen an, ihren falschen Siegesjnbel
herabzustimmen und gefallen sich mehr und mehr in wüsten
Drohungen gegen die überzeugungstreuen Magnaten.
Das Schöpserne schäumt vor Wuth über den erfolg-
reichen Widerstand gegen das Wekerle'sche Attentat auf
[Spaltenumbruch] die christliche Familie und ruft mit charakteristischer
Anmaßung dem Oberhause ein "Biegen oder
Brechen"
zu. So weit ist es hoffentlich in Ungarn
noch nicht, daß derjenige, der in Ausübung seines
Rechtes sich unter die Herrschaft des immer frecher
auftretenden Judenthumes nicht beugen will, gebrochen
werde. Diese Herren mögen zusehen, daß nicht ganz
andere Elemente, als sie vielleicht wünschen, durch den
berechtigten Grimm der endlich zum Erwachen ge-
langenden christlichen Völker gebrochen werden. Allzu
scharf macht schartig, Herr Szeps, auch in Ungarn,
wo Ihr die Welt beglückendes Dasein begann!

Heute beginnt in Klausenburg die Schwur-
gerichtsverhandlung gegen jene 28 Mitglieder des Exe-
cutivcomites der rumänischen National-
partei,
welche seinerzeit behufs Ueberreichung eines
die Beschwerden der ungarländischen Rumänen ent-
haltenden, in mehreren Sprachen verfaßten Memo-
randums
beim Kaiser in Wien eine Audienz zu
erwirken versuchten. Die Oberstaatsanwaltschaft erblickt
in dem Memorandum das Vergehen der Aufreizung
gegen das Gesetz, weil die Giltigkeit des die Union
zwischen Ungarn und Siebenbürgen aussprechenden
Gesetzes angegriffen wurde. Die Verhandlung dürfte
drei Tage dauern.




Aus den Kronländern.

(Eigen-
bericht.) Juden und Socialdemokraten.
Zu diesem Titel kann ich heute einen interessanten Be-
leg liefern. Vorigen Sonntag hielt nämlich der hiesige
Arbeiterkrankenverein eine Delegirtenversammlung ab,
in welcher es heiß herging, denn es handelte sich um
einen -- Juden. Im nahen Schwertberg domicilirt
nämlich ein jüdischer Doctor; dieser war seit einigen
Jahren Vereinsarzt der dortigen zahlreichen Stein-
arbeiter und Mitglieder unseres Vereines. Vor einigen
Wochen hat sich in Schwertberg endlich auch wieder
ein christlicher Doctor niedergelassen. Viele Ar-
beiter wollten nun diesen zum Vereinsarzte haben an
Stelle des Juden, der sich als Arzt nicht gerade ausge-
zeichnet hat, was sogar hier beim k. k. Bezirksgerichte
erwiesen worden ist; allein die Soci mit Vereinsvor-
stand Rab und dem bekannten Amstler aus Schwert-
berg an der Spitze überstimmten die christlichen Ar-
beiter, und so bleibt der Jude vorläufig wieder Ver-
einsarzt, während der in Theorie und Praxis ausge-
zeichnete Christ beiseite gesetzt ist. Interessant ist auch
noch zu vernehmen, was ich gerade höre: der Jude ist
aus Preußen eingewandert, während die Wiege des
Christen mitten in Oberösterreich stand.

(Eigenbericht.) Auf katholischer
Seite verliert man gar häufig den Muth, wenn nicht
eclatante Erfolge gleich zu verzeichnen sind. Mit 1 fl.
Beitrag zu einer guten Sache möchte man gleich
Wunder schauen und von einer gehaltenen Rede erhofft
man sich gleich den Umschwung von ganzen Städten.
Bleiben diese Erfolge aus, so bleibt der zweite Gulden
in der Tasche und statt selbst eine fulminante Rede
einzustudiren, bleibt man jeder öffentlichen Kundgebung
ferne. Was wäre aus der katholischen Bewegung in
Leoben geworden, wenn man vor Jahren die Flinte
gleich ins Kornfeld geworfen? Heute freut man sich,
warum? Weil der Schütze am Platz geblieben, fleißig
Wache gehalten und heute verfügt er bereits über ein
schönes geistiges Revier. Große Mühe, Geldopfer
waren vonnöthen, man brachte beides und so war
an einen Erfolg zu denken. In Köflach wirkt ein
seeleneifriger Dechant. Kaum hatte er diese große
Pfarrei übernommen, so ließ er eine Mission halten.
Die erste schlug zwar nicht fehl, doch nicht durch. Der
geistliche Herr verzagte nicht, er besorgte eine zweite
Mission. Was war die Folge? Die Leute sagten es
laut: Da sah man 30- und 50jährige Männer, die
seit 10 und 20 Jahre nicht mehr gebeichtet hatten und
jetzt die heiligen Sacramente empfingen. Hier in
Graz wurden die Bittprocessionen seit Jahren recht
flau gehalten. Der neue Oberhirt verzagte nicht. Hoch-
derselbe richtete einige väterliche Worte an die Ein-
wohner der Stadt, lud sie ein, ihren Glauben öffent-
lich zu bekennen, er kam selbst mit seinem Clerus und
was war die Folge? Eine imposante Kundgebung aus
allen Kreisen, die viele bis zu Thränen rührte. Also
muthig vorwärts, trotz harten Kampfes. Bei dieser
Gelegenheit darf ich Ihnen auch berichten, welchen
Eindruck der letzte Federkampf zwischen "Reichspost"
und "Gr. Volksblatt" gemacht. (Von unserer Seite
war es kein Federkampf, wir dankten bloß für die Unter-
stützung der "Reichspost" durch die Grazer Collegin.
Die Red.) Der Sieg war auf der Seite der "Reichs-
post", das ist wohl zart genug ausgedrückt. Die Mai-
predigten von P. Heidenreich sind sehr gut besucht,
möge dieser eifrige Priester die Herzen unserer Stadt-
väter recht warm machen, die hätten ja ausgezeichnet
Gelegenheit, viel Großes zu wirken. Wie wir hören
sollen die Vorgänge auf der technischen Hochschule und
ihre Folgen sehr, sehr verstimmen.




Ausland.


Die liberalen Zeitungen zu beiden Seiten der
schwarzgelben Grenzpfähle bringen Jubelnachrichten
über die bevorstehende Trennung des bayerischen
Centrums
von dem großen deutschen Centrum

Wien, Dienſtag Reichspoſt 8. Mai 1894. 105

[Spaltenumbruch]

ſemitiſches Wettkriechen um die intereſſanten Bade-
gäſte
aus dem Orient. Dort war Herr Cooperator
Pöſel, hier iſt Gemeinderath Tomola das
Opfer — des gemeindeausſchüßlichen Zornes. Freilich
erinnert die Sache an den entrüſteten Lehrer, der
ſeinen Schüler fragte: „Bub’, ſoll ich Dich prügeln,
oder mit Verachtung ſtrafen?“ Der Bub antwortete:
„Herr Lehrer, ſtrafen Sie mich lieber mit Verach-
tung!
“ Weh hat ihm die Verachtung ſicher nicht
gethan. So wird auch jene gemeindeausſchüßliche Miß-
billigungsreſolution Herrn Tomola nicht ſehr irritiren.
Wenn ſolche Reſolutionen aber noch öſter ſich wiederholen,
wird man ſie bald als — Ausſchußwaare
zu ſchätzen wiſſen.




Herr Noske

hat am Freitag eine Wählerverſammlung gehalten und
darin gar vieles geſagt. Multa non multum,
natürlich. Von dem vielen ſei nur einiges erwähnt:

1. Er nannte es einen „glücklichen Ge-
danken,
eine Feier der Stadt Wien zu veran-
ſtalten, anläßlich der 25jährigen Wiederkehr jenes
Tages, wo die Volksſchulgeſetze geſchaffen wurde. Es
wird deshalb ein Antrag im Gemeinde-
rathe eingebracht werden,
und die even-
tuellen Gegendemonſtrationen der Antiſemiten, dieſe
Feier herabzuwürdigen, werden nur den Vortheil
bieten, eine vollſtändige Scheidung herbeizuführen.“

Die Feier wird gerade ſo eine Feier der Stadt
Wien
werden, wie das Grübl-Bankett eines war.
Die Herrn Judenliberalen werden hübſch
unter ſich ſein und ein Geſetz feiern, welches ihnen den
Nachwuchs liefern ſoll. Was das chriſtliche
Wien über das Volksſchulgeſetz oder vielmehr über die
judenliberale Feier desſelben deukt, dies feierlich auszu-
drücken, wird ihm der katholiſche Schulverein hoffentlich
Gelegenheit bieten.

2. Natürlich wies Herr Noske auf ſein erſtes
großes parlamentariſches Werk:
ſeine
Interpellation in der „Affaire Deckert“ hin und „ſeines
Werthes voll bewußt“ macht er ſie gleich zur
„Feuerprobe der Coalition!“ Und er verſteigt ſich zu
folgender hohlen Phraſe: „Die deutſchfortſchrittliche
Partei wird in dieſer Frage in keinem Falle der
Coalition ein Opfer bringen.“ Das heißt: die Juden
über alles!
Opfer für alles und jedes, nur darf
den Juden auch nicht ein Haar gekrümmt werden,
ſonſt ade, Coalition! — Judenknechte!




Die polniſchen Abgeordneten und
die „liberale“ Preſſe.

In den dürren Coalitionsblättern ſäuſelt noch
immer der Wind. Es ſind das die Nachwehen der
Kriſe Ganz ſpeciell richtet ſich der Zorn der Coalitions-
organe gegen den Grafen Pininski, dem man ſeine
katholiſche Geſinnung und ſeine Abneigung gegen
Valutaexperimente nicht verzeihen kann. Mit der ſo
raſch geleimten Kriſe im Hohenwartclub hat Graf
Pininski ſelbſtverſtändlich nicht das Geringſte zu
ſchaffen, er hat von ihr vermuthlich nur das erfahren,
was in den Zeitungen ſtand oder in den Couloirs des
Abgeordnetenhauſes erzählt wurde. Aber Graf
Pininski hat, wie man ſich erinnert, vor Kurzem ein-
mal mit Herrn Hofrath Beer lebhaft die Klinge ge-
kreuzt, und der penſionirte Mitverfaſſer des Reichs-
volksſchulgeſetzes iſt, wie man ſich erinnert, bei dieſem
Zweikampf nicht ganz ohne Schramme davon gekommen.
Das heiſcht Rache, und ſeitdem ſteht Graf Pininski
auf der ſchwarzen Liſte der „liberalen“ Blätter unter
A. 1. Er genießt die Ehre, faſt täglich angegriffen zu
werden. Er hüte ſich! Er wird bald nur noch im
Zuſammenhange mit † † † Lueger, Geßmann
und Prinz Liechtenſtein genannt werden, und
dann iſt er „gerichtet“ und „vernichtet“.

Vorläufig ſoll ſich übrigens der Abgeordnete für
den Tarnopoler Landbezirk noch ganz wohl befinden,
aber dieſe Geſundheit iſt offenbar nur eine geheuchelte,
denn wer den „liberalen“ Blicken mißfällt, der iſt ſchon
„moraliſch todt“ und kann ſich gar nicht wohl fühlen.
Die Angriffe auf die hervorragendſte juriſtiſche Kraft
des Polenclubs ſind ganz erklärlich. Graf Pininski
hat ſchon beim Ratengeſetz das Mißfallen gewiſſer
Kreiſe erregt, weil er ein paar verſchärfende Amen-
dementes durchſetzte, jetzt ſtört er wieder gewiſſe Kreiſe
in ihren Valutaſpeculationen — einer der das Ge-
ſchäft ſo ſtört, muß wo möglich umgebracht werden.
Vorläufig ſehen aber die Dinge ſo aus, als ob im
Polenclub gerade die Richtung, welche Graf
Pininski vertritt, die Richtung, die von der
Linken weg will, prononcirter und ſtärker würde.
Viel Sympathie für die Linke und beſonderes Ver-
trauen zu ihr iſt bei den Polen entſchieden nicht vor-
handen, und die Art und Weiſe, wie die „liberale“
Preſſe hervorragende galiziſche Abgeordnete behandelt,
iſt nicht geeignet, ſolche Sympathien zu erwecken.




Merkſt Du was, Amalia?

Von dem würdigen Abſchluß der
Panama-Affaire,
dem Herz-Reinach’-
ſchen Ausgleich
mit der Panama-Liquidations-
maſſe, haben wir bereits geſprochen. Die Sache hat
in Paris, wie von dort telegraphirt wurde, unge-
[Spaltenumbruch] heueres Aufſehen im Publikum erregt, wie natürlich.
Da iſt es nun bezeichnend, daß, abgeſehen ſelbſtver-
ſtändlich von der chriſtlichen Preſſe, die Organe der
„öffentlichen Meinung“ ſich begnügen, den Ausgleichs-
vertrag zu publiciren. Kein kritiſcher Artikel, keine
Notiz, nichts — ſelbſt das „Journal des Debats“,
das in der Panamafrage ſich ziemlich anſtändig ge-
halten hat, ſchweigt. Warum? Nun, Herz und die
Reinach’s ſind Juden, Herz iſt Frei-
maurer,
die Reinach’s wahrſcheinlich auch,
man darf doch die „ehrwürdigen und
lieben Brüder“
nicht ſtören.




Der Fall Rothberger.

Wir lenken die Aufmerkſamkeit unſerer Leſer mit
beſonderem Nachdruck auf unſere Rubrik „Gemeinde-
zeitung“. Leider mußte der bezügliche Bericht am
Samſtag techniſcher Schwierigkeiten wegen zurückbleiben.
Der Fall bleibt aber für alle Zeit actuell, weil
er wieder ein bleibendes Denkmal für die liberale
Mißwirthſchaft in der Gemeindeverwaltung iſt. Die
gebührende Kritik desſelben in unſeren chriſtlichen Ver-
ſammlungen wird nicht auf ſich warten laſſen.




Inland.


Wir wiſſen nicht, ob der Finanzminiſter von
Plener dem Vereine „Reiſender Kaufleute“ ange-
hört, jedenfalls macht er deſſen Mitgliedern ausgiebige
Concurrenz. In der ganzen vergangenen Woche war
er eifrig bemüht, den in Commiſſion übernommenen Artikel
„Valutavorlage“ an dee Mann zu bringen. Selbſt-
redend beſuchte er nur „große Häuſer“, doch wäre es
ihm am Freitag bei der Firma Hohenwart-
club
beinahe ſchlecht ergangen und nur die Inter-
vention des abgeklärten Chefs der Firma und die
Rückſicht auf ein im Cartell „links“ ſtehendes Haus,
welches in der angeprieſenen Waare ſtark engagirt iſt,
bewahrte den excellenzherrlichen Reiſenden vor dem
Schickſale, welches ſchon manchen in dieſem Genre
Thätigen unliebſamer Weiſe ereilt haben ſoll. Mehr
Glück hatte Herr von Plener bei ſeinem ſamſtägigen
Beſuche des polniſchen Geſchäftshauſes, denn dort
wurde die angerühmte „Valutavorlage“ zwar nach
24ſtündiger Bedenkzeit und mit einer kleinen, noch
Geſchäftsgeheimniß bildenden
Ab-
änderung, aber doch acceptirt.

Die morgen beginnende Berathung der Vorlage
im Plenum iſt alſo nur noch Formſache, denn die
Generalverſammlung nimmt ja die Vorſchläge des
Verwaltungsrathes ſtets an, dafür ſorgen ſchon die
vorausgehenden Pourparlers und die — Strohmänner.
Die Minorität des Valutaausſchuſſes wird zwar ein
ſeparates Votum auf Vertagung der Vorlage
einbringen, doch dürften dafür nach den jetzt bekannten
Clubbeſchlüſſen ſchwerlich mehr als hundert Abge-
ordnete ſtimmen; allerdings ſind auch zahlreiche Wahl-
enthaltungen zu erwarten.

In der laufenden Woche wird das Abge-
ordnetenhaus
die Valutavorlage erledigen und
wenn dies bis Donnerſtag gelingt, auch noch die
Handelsverträge zu Ende berathen. Nach den Pfingſt-
feiertagen gelangt zuerſt das Localbahngeſetz,
dann der Handelsetat und der des Acker-
baues
zur Berathung. Hierauf ſoll die Reform
des Preßgeſetzes
und dann der Juſtiz-
etat
erledigt werden. Man hofft auf dieſe Weiſe
noch vor Ablauf dieſes Monates die Frühjahrsſeſſion
beenden zu können.

Die Angriffe der „Neuen Freien Preſſe“ gegen
den Grafen Pininski waren geſtern im Polen-
club
Gegenſtand einer Beſprechung, welche den Club-
mitgliedern Gelegenheit gab, ihrer Entrüſtung über
das anmaßende Auftreten jenes Börſenorgans Ausdruck
zu geben. Doch glauben wir, daß die von einigen
polniſchen Abgeordneten ausgeſprochene Anſicht, die
„Neue Freie Preſſe“ folge in dieſem Falle einer
„Privatfeindſchaft“, eine entſchieden irrthümliche iſt,
denn erſtens haben Hofrath Beer und nach ihm
Menger, der „Ritter ohne Furcht und Tadel“, im
Parlamente mit den offenen und verſteckten Angriffen
gegen Pininski begonnen und zweitens ſind wir der
Meinung, daß ſich Graf Pininski ſicherlich niemals ſo
weit herabgewürdigt hat, um der „Neuen Freien
Preſſe“ derart nahe zu kommen, daß ſie eine „Privat-
feindſchaft“ gegen ihn entwickeln könnte.

Die Wahl in die Delegationen wird vor-
ausſichtlich noch im Laufe dieſer Woche erfolgen; zu
welchem Zwecke das Abgeordnetenhaus eine Abend-
ſitzung ad hoc abhalten dürfte.

Im ungariſchen Abgeordnetenhauſe beginnt
heute die Berathung der Civilehevorlage und dürfte
auch morgen noch fortgeſetzt werden, ſo daß die Ab-
ſtimmung am Mittwoch erfolgt. Die Gegner der
Vorlage machen die dankenswertheſten Anſtrengungen,
dieſelbe zu Falle zu bringen und es iſt wirklich Aus-
ſicht vorhanden, daß der Anſchlag von Wekerle und
Comp. gegen die Ueberzeugungen des chriſtlichen Volkes
vereitelt wird. Selbſt die judenliberalen Blätter hüben
und drüben fa[n]gen an, ihren falſchen Siegesjnbel
herabzuſtimmen und gefallen ſich mehr und mehr in wüſten
Drohungen gegen die überzeugungstreuen Magnaten.
Das Schöpſerne ſchäumt vor Wuth über den erfolg-
reichen Widerſtand gegen das Wekerle’ſche Attentat auf
[Spaltenumbruch] die chriſtliche Familie und ruft mit charakteriſtiſcher
Anmaßung dem Oberhauſe ein „Biegen oder
Brechen“
zu. So weit iſt es hoffentlich in Ungarn
noch nicht, daß derjenige, der in Ausübung ſeines
Rechtes ſich unter die Herrſchaft des immer frecher
auftretenden Judenthumes nicht beugen will, gebrochen
werde. Dieſe Herren mögen zuſehen, daß nicht ganz
andere Elemente, als ſie vielleicht wünſchen, durch den
berechtigten Grimm der endlich zum Erwachen ge-
langenden chriſtlichen Völker gebrochen werden. Allzu
ſcharf macht ſchartig, Herr Szeps, auch in Ungarn,
wo Ihr die Welt beglückendes Daſein begann!

Heute beginnt in Klauſenburg die Schwur-
gerichtsverhandlung gegen jene 28 Mitglieder des Exe-
cutivcomites der rumäniſchen National-
partei,
welche ſeinerzeit behufs Ueberreichung eines
die Beſchwerden der ungarländiſchen Rumänen ent-
haltenden, in mehreren Sprachen verfaßten Memo-
randums
beim Kaiſer in Wien eine Audienz zu
erwirken verſuchten. Die Oberſtaatsanwaltſchaft erblickt
in dem Memorandum das Vergehen der Aufreizung
gegen das Geſetz, weil die Giltigkeit des die Union
zwiſchen Ungarn und Siebenbürgen ausſprechenden
Geſetzes angegriffen wurde. Die Verhandlung dürfte
drei Tage dauern.




Aus den Kronländern.

(Eigen-
bericht.) Juden und Socialdemokraten.
Zu dieſem Titel kann ich heute einen intereſſanten Be-
leg liefern. Vorigen Sonntag hielt nämlich der hieſige
Arbeiterkrankenverein eine Delegirtenverſammlung ab,
in welcher es heiß herging, denn es handelte ſich um
einen — Juden. Im nahen Schwertberg domicilirt
nämlich ein jüdiſcher Doctor; dieſer war ſeit einigen
Jahren Vereinsarzt der dortigen zahlreichen Stein-
arbeiter und Mitglieder unſeres Vereines. Vor einigen
Wochen hat ſich in Schwertberg endlich auch wieder
ein chriſtlicher Doctor niedergelaſſen. Viele Ar-
beiter wollten nun dieſen zum Vereinsarzte haben an
Stelle des Juden, der ſich als Arzt nicht gerade ausge-
zeichnet hat, was ſogar hier beim k. k. Bezirksgerichte
erwieſen worden iſt; allein die Soci mit Vereinsvor-
ſtand Rab und dem bekannten Amſtler aus Schwert-
berg an der Spitze überſtimmten die chriſtlichen Ar-
beiter, und ſo bleibt der Jude vorläufig wieder Ver-
einsarzt, während der in Theorie und Praxis ausge-
zeichnete Chriſt beiſeite geſetzt iſt. Intereſſant iſt auch
noch zu vernehmen, was ich gerade höre: der Jude iſt
aus Preußen eingewandert, während die Wiege des
Chriſten mitten in Oberöſterreich ſtand.

(Eigenbericht.) Auf katholiſcher
Seite verliert man gar häufig den Muth, wenn nicht
eclatante Erfolge gleich zu verzeichnen ſind. Mit 1 fl.
Beitrag zu einer guten Sache möchte man gleich
Wunder ſchauen und von einer gehaltenen Rede erhofft
man ſich gleich den Umſchwung von ganzen Städten.
Bleiben dieſe Erfolge aus, ſo bleibt der zweite Gulden
in der Taſche und ſtatt ſelbſt eine fulminante Rede
einzuſtudiren, bleibt man jeder öffentlichen Kundgebung
ferne. Was wäre aus der katholiſchen Bewegung in
Leoben geworden, wenn man vor Jahren die Flinte
gleich ins Kornfeld geworfen? Heute freut man ſich,
warum? Weil der Schütze am Platz geblieben, fleißig
Wache gehalten und heute verfügt er bereits über ein
ſchönes geiſtiges Revier. Große Mühe, Geldopfer
waren vonnöthen, man brachte beides und ſo war
an einen Erfolg zu denken. In Köflach wirkt ein
ſeeleneifriger Dechant. Kaum hatte er dieſe große
Pfarrei übernommen, ſo ließ er eine Miſſion halten.
Die erſte ſchlug zwar nicht fehl, doch nicht durch. Der
geiſtliche Herr verzagte nicht, er beſorgte eine zweite
Miſſion. Was war die Folge? Die Leute ſagten es
laut: Da ſah man 30- und 50jährige Männer, die
ſeit 10 und 20 Jahre nicht mehr gebeichtet hatten und
jetzt die heiligen Sacramente empfingen. Hier in
Graz wurden die Bittproceſſionen ſeit Jahren recht
flau gehalten. Der neue Oberhirt verzagte nicht. Hoch-
derſelbe richtete einige väterliche Worte an die Ein-
wohner der Stadt, lud ſie ein, ihren Glauben öffent-
lich zu bekennen, er kam ſelbſt mit ſeinem Clerus und
was war die Folge? Eine impoſante Kundgebung aus
allen Kreiſen, die viele bis zu Thränen rührte. Alſo
muthig vorwärts, trotz harten Kampfes. Bei dieſer
Gelegenheit darf ich Ihnen auch berichten, welchen
Eindruck der letzte Federkampf zwiſchen „Reichspoſt“
und „Gr. Volksblatt“ gemacht. (Von unſerer Seite
war es kein Federkampf, wir dankten bloß für die Unter-
ſtützung der „Reichspoſt“ durch die Grazer Collegin.
Die Red.) Der Sieg war auf der Seite der „Reichs-
poſt“, das iſt wohl zart genug ausgedrückt. Die Mai-
predigten von P. Heidenreich ſind ſehr gut beſucht,
möge dieſer eifrige Prieſter die Herzen unſerer Stadt-
väter recht warm machen, die hätten ja ausgezeichnet
Gelegenheit, viel Großes zu wirken. Wie wir hören
ſollen die Vorgänge auf der techniſchen Hochſchule und
ihre Folgen ſehr, ſehr verſtimmen.




Ausland.


Die liberalen Zeitungen zu beiden Seiten der
ſchwarzgelben Grenzpfähle bringen Jubelnachrichten
über die bevorſtehende Trennung des bayeriſchen
Centrums
von dem großen deutſchen Centrum

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[2/0002] Wien, Dienſtag Reichspoſt 8. Mai 1894. 105 ſemitiſches Wettkriechen um die intereſſanten Bade- gäſte aus dem Orient. Dort war Herr Cooperator Pöſel, hier iſt Gemeinderath Tomola das Opfer — des gemeindeausſchüßlichen Zornes. Freilich erinnert die Sache an den entrüſteten Lehrer, der ſeinen Schüler fragte: „Bub’, ſoll ich Dich prügeln, oder mit Verachtung ſtrafen?“ Der Bub antwortete: „Herr Lehrer, ſtrafen Sie mich lieber mit Verach- tung!“ Weh hat ihm die Verachtung ſicher nicht gethan. So wird auch jene gemeindeausſchüßliche Miß- billigungsreſolution Herrn Tomola nicht ſehr irritiren. Wenn ſolche Reſolutionen aber noch öſter ſich wiederholen, wird man ſie bald als — Ausſchußwaare zu ſchätzen wiſſen. Herr Noske hat am Freitag eine Wählerverſammlung gehalten und darin gar vieles geſagt. Multa non multum, natürlich. Von dem vielen ſei nur einiges erwähnt: 1. Er nannte es einen „glücklichen Ge- danken, eine Feier der Stadt Wien zu veran- ſtalten, anläßlich der 25jährigen Wiederkehr jenes Tages, wo die Volksſchulgeſetze geſchaffen wurde. Es wird deshalb ein Antrag im Gemeinde- rathe eingebracht werden, und die even- tuellen Gegendemonſtrationen der Antiſemiten, dieſe Feier herabzuwürdigen, werden nur den Vortheil bieten, eine vollſtändige Scheidung herbeizuführen.“ Die Feier wird gerade ſo eine Feier der Stadt Wien werden, wie das Grübl-Bankett eines war. Die Herrn Judenliberalen werden hübſch unter ſich ſein und ein Geſetz feiern, welches ihnen den Nachwuchs liefern ſoll. Was das chriſtliche Wien über das Volksſchulgeſetz oder vielmehr über die judenliberale Feier desſelben deukt, dies feierlich auszu- drücken, wird ihm der katholiſche Schulverein hoffentlich Gelegenheit bieten. 2. Natürlich wies Herr Noske auf ſein erſtes großes parlamentariſches Werk: ſeine Interpellation in der „Affaire Deckert“ hin und „ſeines Werthes voll bewußt“ macht er ſie gleich zur „Feuerprobe der Coalition!“ Und er verſteigt ſich zu folgender hohlen Phraſe: „Die deutſchfortſchrittliche Partei wird in dieſer Frage in keinem Falle der Coalition ein Opfer bringen.“ Das heißt: die Juden über alles! Opfer für alles und jedes, nur darf den Juden auch nicht ein Haar gekrümmt werden, ſonſt ade, Coalition! — Judenknechte! Die polniſchen Abgeordneten und die „liberale“ Preſſe. In den dürren Coalitionsblättern ſäuſelt noch immer der Wind. Es ſind das die Nachwehen der Kriſe Ganz ſpeciell richtet ſich der Zorn der Coalitions- organe gegen den Grafen Pininski, dem man ſeine katholiſche Geſinnung und ſeine Abneigung gegen Valutaexperimente nicht verzeihen kann. Mit der ſo raſch geleimten Kriſe im Hohenwartclub hat Graf Pininski ſelbſtverſtändlich nicht das Geringſte zu ſchaffen, er hat von ihr vermuthlich nur das erfahren, was in den Zeitungen ſtand oder in den Couloirs des Abgeordnetenhauſes erzählt wurde. Aber Graf Pininski hat, wie man ſich erinnert, vor Kurzem ein- mal mit Herrn Hofrath Beer lebhaft die Klinge ge- kreuzt, und der penſionirte Mitverfaſſer des Reichs- volksſchulgeſetzes iſt, wie man ſich erinnert, bei dieſem Zweikampf nicht ganz ohne Schramme davon gekommen. Das heiſcht Rache, und ſeitdem ſteht Graf Pininski auf der ſchwarzen Liſte der „liberalen“ Blätter unter A. 1. Er genießt die Ehre, faſt täglich angegriffen zu werden. Er hüte ſich! Er wird bald nur noch im Zuſammenhange mit † † † Lueger, Geßmann und Prinz Liechtenſtein genannt werden, und dann iſt er „gerichtet“ und „vernichtet“. Vorläufig ſoll ſich übrigens der Abgeordnete für den Tarnopoler Landbezirk noch ganz wohl befinden, aber dieſe Geſundheit iſt offenbar nur eine geheuchelte, denn wer den „liberalen“ Blicken mißfällt, der iſt ſchon „moraliſch todt“ und kann ſich gar nicht wohl fühlen. Die Angriffe auf die hervorragendſte juriſtiſche Kraft des Polenclubs ſind ganz erklärlich. Graf Pininski hat ſchon beim Ratengeſetz das Mißfallen gewiſſer Kreiſe erregt, weil er ein paar verſchärfende Amen- dementes durchſetzte, jetzt ſtört er wieder gewiſſe Kreiſe in ihren Valutaſpeculationen — einer der das Ge- ſchäft ſo ſtört, muß wo möglich umgebracht werden. Vorläufig ſehen aber die Dinge ſo aus, als ob im Polenclub gerade die Richtung, welche Graf Pininski vertritt, die Richtung, die von der Linken weg will, prononcirter und ſtärker würde. Viel Sympathie für die Linke und beſonderes Ver- trauen zu ihr iſt bei den Polen entſchieden nicht vor- handen, und die Art und Weiſe, wie die „liberale“ Preſſe hervorragende galiziſche Abgeordnete behandelt, iſt nicht geeignet, ſolche Sympathien zu erwecken. Merkſt Du was, Amalia? Von dem würdigen Abſchluß der Panama-Affaire, dem Herz-Reinach’- ſchen Ausgleich mit der Panama-Liquidations- maſſe, haben wir bereits geſprochen. Die Sache hat in Paris, wie von dort telegraphirt wurde, unge- heueres Aufſehen im Publikum erregt, wie natürlich. Da iſt es nun bezeichnend, daß, abgeſehen ſelbſtver- ſtändlich von der chriſtlichen Preſſe, die Organe der „öffentlichen Meinung“ ſich begnügen, den Ausgleichs- vertrag zu publiciren. Kein kritiſcher Artikel, keine Notiz, nichts — ſelbſt das „Journal des Debats“, das in der Panamafrage ſich ziemlich anſtändig ge- halten hat, ſchweigt. Warum? Nun, Herz und die Reinach’s ſind Juden, Herz iſt Frei- maurer, die Reinach’s wahrſcheinlich auch, man darf doch die „ehrwürdigen und lieben Brüder“ nicht ſtören. Der Fall Rothberger. Wir lenken die Aufmerkſamkeit unſerer Leſer mit beſonderem Nachdruck auf unſere Rubrik „Gemeinde- zeitung“. Leider mußte der bezügliche Bericht am Samſtag techniſcher Schwierigkeiten wegen zurückbleiben. Der Fall bleibt aber für alle Zeit actuell, weil er wieder ein bleibendes Denkmal für die liberale Mißwirthſchaft in der Gemeindeverwaltung iſt. Die gebührende Kritik desſelben in unſeren chriſtlichen Ver- ſammlungen wird nicht auf ſich warten laſſen. Inland. Wien, 7. Mai. Wir wiſſen nicht, ob der Finanzminiſter von Plener dem Vereine „Reiſender Kaufleute“ ange- hört, jedenfalls macht er deſſen Mitgliedern ausgiebige Concurrenz. In der ganzen vergangenen Woche war er eifrig bemüht, den in Commiſſion übernommenen Artikel „Valutavorlage“ an dee Mann zu bringen. Selbſt- redend beſuchte er nur „große Häuſer“, doch wäre es ihm am Freitag bei der Firma Hohenwart- club beinahe ſchlecht ergangen und nur die Inter- vention des abgeklärten Chefs der Firma und die Rückſicht auf ein im Cartell „links“ ſtehendes Haus, welches in der angeprieſenen Waare ſtark engagirt iſt, bewahrte den excellenzherrlichen Reiſenden vor dem Schickſale, welches ſchon manchen in dieſem Genre Thätigen unliebſamer Weiſe ereilt haben ſoll. Mehr Glück hatte Herr von Plener bei ſeinem ſamſtägigen Beſuche des polniſchen Geſchäftshauſes, denn dort wurde die angerühmte „Valutavorlage“ zwar nach 24ſtündiger Bedenkzeit und mit einer kleinen, noch Geſchäftsgeheimniß bildenden Ab- änderung, aber doch acceptirt. Die morgen beginnende Berathung der Vorlage im Plenum iſt alſo nur noch Formſache, denn die Generalverſammlung nimmt ja die Vorſchläge des Verwaltungsrathes ſtets an, dafür ſorgen ſchon die vorausgehenden Pourparlers und die — Strohmänner. Die Minorität des Valutaausſchuſſes wird zwar ein ſeparates Votum auf Vertagung der Vorlage einbringen, doch dürften dafür nach den jetzt bekannten Clubbeſchlüſſen ſchwerlich mehr als hundert Abge- ordnete ſtimmen; allerdings ſind auch zahlreiche Wahl- enthaltungen zu erwarten. In der laufenden Woche wird das Abge- ordnetenhaus die Valutavorlage erledigen und wenn dies bis Donnerſtag gelingt, auch noch die Handelsverträge zu Ende berathen. Nach den Pfingſt- feiertagen gelangt zuerſt das Localbahngeſetz, dann der Handelsetat und der des Acker- baues zur Berathung. Hierauf ſoll die Reform des Preßgeſetzes und dann der Juſtiz- etat erledigt werden. Man hofft auf dieſe Weiſe noch vor Ablauf dieſes Monates die Frühjahrsſeſſion beenden zu können. Die Angriffe der „Neuen Freien Preſſe“ gegen den Grafen Pininski waren geſtern im Polen- club Gegenſtand einer Beſprechung, welche den Club- mitgliedern Gelegenheit gab, ihrer Entrüſtung über das anmaßende Auftreten jenes Börſenorgans Ausdruck zu geben. Doch glauben wir, daß die von einigen polniſchen Abgeordneten ausgeſprochene Anſicht, die „Neue Freie Preſſe“ folge in dieſem Falle einer „Privatfeindſchaft“, eine entſchieden irrthümliche iſt, denn erſtens haben Hofrath Beer und nach ihm Menger, der „Ritter ohne Furcht und Tadel“, im Parlamente mit den offenen und verſteckten Angriffen gegen Pininski begonnen und zweitens ſind wir der Meinung, daß ſich Graf Pininski ſicherlich niemals ſo weit herabgewürdigt hat, um der „Neuen Freien Preſſe“ derart nahe zu kommen, daß ſie eine „Privat- feindſchaft“ gegen ihn entwickeln könnte. Die Wahl in die Delegationen wird vor- ausſichtlich noch im Laufe dieſer Woche erfolgen; zu welchem Zwecke das Abgeordnetenhaus eine Abend- ſitzung ad hoc abhalten dürfte. Im ungariſchen Abgeordnetenhauſe beginnt heute die Berathung der Civilehevorlage und dürfte auch morgen noch fortgeſetzt werden, ſo daß die Ab- ſtimmung am Mittwoch erfolgt. Die Gegner der Vorlage machen die dankenswertheſten Anſtrengungen, dieſelbe zu Falle zu bringen und es iſt wirklich Aus- ſicht vorhanden, daß der Anſchlag von Wekerle und Comp. gegen die Ueberzeugungen des chriſtlichen Volkes vereitelt wird. Selbſt die judenliberalen Blätter hüben und drüben fangen an, ihren falſchen Siegesjnbel herabzuſtimmen und gefallen ſich mehr und mehr in wüſten Drohungen gegen die überzeugungstreuen Magnaten. Das Schöpſerne ſchäumt vor Wuth über den erfolg- reichen Widerſtand gegen das Wekerle’ſche Attentat auf die chriſtliche Familie und ruft mit charakteriſtiſcher Anmaßung dem Oberhauſe ein „Biegen oder Brechen“ zu. So weit iſt es hoffentlich in Ungarn noch nicht, daß derjenige, der in Ausübung ſeines Rechtes ſich unter die Herrſchaft des immer frecher auftretenden Judenthumes nicht beugen will, gebrochen werde. Dieſe Herren mögen zuſehen, daß nicht ganz andere Elemente, als ſie vielleicht wünſchen, durch den berechtigten Grimm der endlich zum Erwachen ge- langenden chriſtlichen Völker gebrochen werden. Allzu ſcharf macht ſchartig, Herr Szeps, auch in Ungarn, wo Ihr die Welt beglückendes Daſein begann! Heute beginnt in Klauſenburg die Schwur- gerichtsverhandlung gegen jene 28 Mitglieder des Exe- cutivcomites der rumäniſchen National- partei, welche ſeinerzeit behufs Ueberreichung eines die Beſchwerden der ungarländiſchen Rumänen ent- haltenden, in mehreren Sprachen verfaßten Memo- randums beim Kaiſer in Wien eine Audienz zu erwirken verſuchten. Die Oberſtaatsanwaltſchaft erblickt in dem Memorandum das Vergehen der Aufreizung gegen das Geſetz, weil die Giltigkeit des die Union zwiſchen Ungarn und Siebenbürgen ausſprechenden Geſetzes angegriffen wurde. Die Verhandlung dürfte drei Tage dauern. Aus den Kronländern. Mauthauſen (Oberöſterreich), 5. Mai. (Eigen- bericht.) Juden und Socialdemokraten. Zu dieſem Titel kann ich heute einen intereſſanten Be- leg liefern. Vorigen Sonntag hielt nämlich der hieſige Arbeiterkrankenverein eine Delegirtenverſammlung ab, in welcher es heiß herging, denn es handelte ſich um einen — Juden. Im nahen Schwertberg domicilirt nämlich ein jüdiſcher Doctor; dieſer war ſeit einigen Jahren Vereinsarzt der dortigen zahlreichen Stein- arbeiter und Mitglieder unſeres Vereines. Vor einigen Wochen hat ſich in Schwertberg endlich auch wieder ein chriſtlicher Doctor niedergelaſſen. Viele Ar- beiter wollten nun dieſen zum Vereinsarzte haben an Stelle des Juden, der ſich als Arzt nicht gerade ausge- zeichnet hat, was ſogar hier beim k. k. Bezirksgerichte erwieſen worden iſt; allein die Soci mit Vereinsvor- ſtand Rab und dem bekannten Amſtler aus Schwert- berg an der Spitze überſtimmten die chriſtlichen Ar- beiter, und ſo bleibt der Jude vorläufig wieder Ver- einsarzt, während der in Theorie und Praxis ausge- zeichnete Chriſt beiſeite geſetzt iſt. Intereſſant iſt auch noch zu vernehmen, was ich gerade höre: der Jude iſt aus Preußen eingewandert, während die Wiege des Chriſten mitten in Oberöſterreich ſtand. Graz, 5. Mai. (Eigenbericht.) Auf katholiſcher Seite verliert man gar häufig den Muth, wenn nicht eclatante Erfolge gleich zu verzeichnen ſind. Mit 1 fl. Beitrag zu einer guten Sache möchte man gleich Wunder ſchauen und von einer gehaltenen Rede erhofft man ſich gleich den Umſchwung von ganzen Städten. Bleiben dieſe Erfolge aus, ſo bleibt der zweite Gulden in der Taſche und ſtatt ſelbſt eine fulminante Rede einzuſtudiren, bleibt man jeder öffentlichen Kundgebung ferne. Was wäre aus der katholiſchen Bewegung in Leoben geworden, wenn man vor Jahren die Flinte gleich ins Kornfeld geworfen? Heute freut man ſich, warum? Weil der Schütze am Platz geblieben, fleißig Wache gehalten und heute verfügt er bereits über ein ſchönes geiſtiges Revier. Große Mühe, Geldopfer waren vonnöthen, man brachte beides und ſo war an einen Erfolg zu denken. In Köflach wirkt ein ſeeleneifriger Dechant. Kaum hatte er dieſe große Pfarrei übernommen, ſo ließ er eine Miſſion halten. Die erſte ſchlug zwar nicht fehl, doch nicht durch. Der geiſtliche Herr verzagte nicht, er beſorgte eine zweite Miſſion. Was war die Folge? Die Leute ſagten es laut: Da ſah man 30- und 50jährige Männer, die ſeit 10 und 20 Jahre nicht mehr gebeichtet hatten und jetzt die heiligen Sacramente empfingen. Hier in Graz wurden die Bittproceſſionen ſeit Jahren recht flau gehalten. Der neue Oberhirt verzagte nicht. Hoch- derſelbe richtete einige väterliche Worte an die Ein- wohner der Stadt, lud ſie ein, ihren Glauben öffent- lich zu bekennen, er kam ſelbſt mit ſeinem Clerus und was war die Folge? Eine impoſante Kundgebung aus allen Kreiſen, die viele bis zu Thränen rührte. Alſo muthig vorwärts, trotz harten Kampfes. Bei dieſer Gelegenheit darf ich Ihnen auch berichten, welchen Eindruck der letzte Federkampf zwiſchen „Reichspoſt“ und „Gr. Volksblatt“ gemacht. (Von unſerer Seite war es kein Federkampf, wir dankten bloß für die Unter- ſtützung der „Reichspoſt“ durch die Grazer Collegin. Die Red.) Der Sieg war auf der Seite der „Reichs- poſt“, das iſt wohl zart genug ausgedrückt. Die Mai- predigten von P. Heidenreich ſind ſehr gut beſucht, möge dieſer eifrige Prieſter die Herzen unſerer Stadt- väter recht warm machen, die hätten ja ausgezeichnet Gelegenheit, viel Großes zu wirken. Wie wir hören ſollen die Vorgänge auf der techniſchen Hochſchule und ihre Folgen ſehr, ſehr verſtimmen. Ausland. Wien, 7. Mai. Die liberalen Zeitungen zu beiden Seiten der ſchwarzgelben Grenzpfähle bringen Jubelnachrichten über die bevorſtehende Trennung des bayeriſchen Centrums von dem großen deutſchen Centrum

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 105, Wien, 08.05.1894, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost105_1894/2>, abgerufen am 26.04.2024.