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Reichspost. Nr. 105, Wien, 08.05.1894.

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erste Seite
[Spaltenumbruch]
1. Jahrg.



Redaction, Administration,
Expedition
und Druckerei
VIII. Josefstädterstraße 14.




Stadtexpedition I. Schulerstraße,
Zeitungsbureau Weis.




[Un]frankierte Briefe werden nicht ange-
nommen; Manuscripte in der Regel
nicht zurückgestellt. Unverschlossene
Rectamationen sind portofrei.




Ankündigungs-Bureau:
VIII. Josefstädterstraße 14.
[so]wie bei dem Annoncenbureau für
kathol.-conserv. Blätter Hubert
Friedl,
Wien V./1.




Abonnements werden angenommen
außer in den Expeditionen bei
J. Heindl, I. Stephansplatz 7.




Erscheint täglich 6 Uhr abends
mit Ausnahme der Sonn- und Feier-
tage.


[Spaltenumbruch]
Wien, Dienstag 8. Mai 1894.


Reichspost.
Unabhängiges Tagblatt für das christliche Volk Oesterreichs.

[Spaltenumbruch]
Nr. 105.



Bezugspreise:
Für Wien mit Zustellung ins Ha[us]
ganzjährig ...... 15 [fl.]
vierteljährig ... 3 fl. 80 kr
monatlich ... 1 fl. 30 kr
wöchentlich 30 kr.




Einzelne Nummern 4 kr.,
per Post 5 kr.




Bei [A]bholung in unserer Admini-
stration ganzj. 12 fl., monatlich [1 fl.]

Für Österreich-Ungarn
ganzj. 16 fl. viertelj. 4 fl. 10 kr.
Für Deutschland vierteljährig [6 fl. ]
50 kr: oder 71/2 Mark. Für die
Länder des Weltpostvereines
viertelj 6 fl. oder 10 Mark.




Telephon 1828.






[Spaltenumbruch]
Die Geheimnisse eines Baukets.
(Specialbericht der "Reichspost".)

Am Samstag versammelten sich bei reichbesetzter
Tafel und bei schäumendem Champagner die Mitglieder
des fortschrittlichen Parteiverbandes, um das neu con-
stituirte Präsidium zu ehren. Man muß sich zwar
wundern, daß unter den bestehenden tristen Verhält-
nissen in der Gemeindestube Veranlassung genommen
wurde, ein Banket zu veranstalten, bei dem kaum eine
Feststimmung vorherrschen konnte. Schon die Thatsache,
daß von den 76 Mitgliedern des fortschrittlichen Partei-
verbandes nur 49 Mitglieder sich an der Tafel be-
theiligten, war geeignet, berechtigtes Befremden hervor-
zurufen. Nicht minder bezeichnend war die weitere
Thatsache, daß die gemeinderäthlichen Arrangenre des
Bankets ein besonderes Gewicht darauf legten, die
Tafel bei geschlossenen Thüren abzu-
halten. Diese letztere Thatsache war durch die Besorg-
niß zu erklären, daß vielleicht manche Tischreden in die
Oeffentlichkeit gelangen und vertrauliche Bemerkungen
harmlosen Tafelscherzes in den liberalen Wählerkreisen
eine Mißdeutung erfahren könnten. Dennoch ist es
Ihrem Berichterstatter gelungen, durch die geschlossenen
Thüren zu dringen und die Geheimnisse des Bankets
abzulauschen. Hier mein Bericht.

Zwischen Suppe und Lachs erhob sich Bürgermeister
Dr. Grübl, um auf den Kaiser zu toastiren. In
der Einleitung dazu sprach er von der Friedensmission,
die er sich selbst gestellt, und von der er ein eclatantes
Beispiel dadurch gab, daß er einem Antisemiten
ein Stadtrathsmandat verleihen wollte. (Frauenberger
ruft dazwischen: "Da thun wir nicht mit.") "Es thut
mir das sehr leid; denn so werden Sie als die Unver-
sönlichen gelten." (Frauenberger: Macht nichts!)
"Ihnen mag's nichts machen. Aber unsere Partei wird
discreditirt nach oben, nachdem ich mich verbindlich ge-
macht, den Frieden im Gemeinderathe wiederherzustellen."
(Eisiges Schweigen.) Folgt der Toast.

Matzenauer erhebt sich als zweiter Redner.
(Bravo bei einem Theile der Tafelrunde, Räuspern
und Husten bei einem andern). Meine Freunde!
(Stimmen aus der Ferne: Oho!) Ich dächte doch,
meine Herren, daß wir hier alle als Freunde ver-
sammelt sind, wenn auch einige von uns mit der Wahl
meiner Person zum Vicebürgermeister nicht einver-
standen waren. In dem Augenblicke, wo es sich um die
Wiedereroberung Wiens handelt, sollte doch aller
[Spaltenumbruch] Zwist unter uns selbst schweigen. Sie kennen doch meine
persönliche Bescheidenheit, die auf tiefster Bildung
beruht, obschon damals die achtjährige Schulpflicht
noch nicht bestand. (Heiterkeit.) Sie brauchen das nicht
als einen Hohn auf das Volksschulgesetz aufzufassen,
das ich mit begeistertem Herzen demnächst mit Ihnen
im Dreherparke feiern werde, wenn ich auch nicht die
Wohlthaten desselben zu genießen in der Lage war.
(Bravo!) Meine Freunde, ich werde nichts von unseren
Parteigrundsätzen aufgeben. Das habe ich bei Ueber-
nahme meines Amtes versprochen und ich schwöre es
Ihnen in diesem feierlichen Momente noch einmal zu.
(Richter zuckt auffällig zusammen. Er meldet sich
zum Wort.) Dieser mein Schwur sollte doch genügen,
Sie alle mit mir zu versöhnen, umsomehr da ich bei
der Wahl von Stadträthen mein Ernennungsrecht dem-
nächst ebenso wahren werde, wie bei der Wahl von
Reichsraths- und Landtagsabgeordneten der inneren
Stadt. (Sehr gut! Noske erhebt sich dankend.)

Richter (in sichtlicher Erregung). Meine
Herren! Nur ein Wort! Ich bin der Meinung, daß
bei einer Zusammenkunft von Parteifreunden jede un-
liebsame Anspielung vermieden werden sollte,
überlasse man das doch der "Reichspost". (Zwischenruf:
"Das Blatt nicht nennen)!"

Noske: M. H. Ich komme auf einen höchst
actuellen Punkt zu sprechen: die Affaire Roth-
berger!
(Ruf im Hintergrunde: "Z'widere G'schicht!
Schweigen wir davon!") Warum schweigen, m. H.?
Haben wir etwa Grund, uns der Sache zu schämen?
Hat die Gemeinde nicht die Pflicht, aufstrebende arme
Geschäftsleute zu unterstützen? Läßt sich nicht die
liberale Partei stets die Sorge für den kleinen Mann,
auch wenn er in alten Kleidern handelt, angelegen
sein? Wenn dem so ist, so ist es auch unser Recht, ja
unsere Pflicht, einem solchen armen Mann wie Roth-
berger durch Ueberlassung eines billigen Baugrundes,
wie der am Stephansplatze, unter die Arme zu greifen,
zumal wenn es sich darum handelt, die in den Staats-
grundsätzen verbürgte Gleichberechtigung aller Staats-
bürger ohne Unterschied der Confession in einem recht
eclatanten Falle zum Ausdruck zu bringen! Die
Christen haben vor 500 Jahren die Gründe am
Stephansplatz auch nicht theurer bezahlt! (Bravo!)
Und jetzt sollen die armen Juden ihr "sauer erworbenes
Vermögen" für theuere Gründe ausgeben! Deshalb
hat auch der Richter so entschieden. (Richter: "Woher
wissen Sie, daß ich es war? Ich habe doch den
Namen verschwiegen". Peinliche Pause.)


[Spaltenumbruch]

Damit glaube ich die Affaire Rothberger für uns
als durchaus mit den liberalen Grundsätzen in Ein-
klang stehend hinlänglich aufgeklärt zu haben.

Dr. Scholz stürzt athemlos herein. Entschul-
digen Sie, meine Herren, mein Zuspätkommen; ein
schwerer Diphtheritisfall hielt mich zurück; die Zeug-
nisse habe ich in diesem Falle aber gleich mitgebracht
(zeigt sie) und die Kleider schon unterwegs gewechselt.
(Heiterkeit.)

Frauenberger: Ich bringe mein Glas
der glücklich wiedergeleimten Coalition! Mein Hoch
dem abgeklärten Greis! Mein Hoch Plener! (Stür-
mischer Beifall.) Ich halte mich zu diesem Toaste be-
rechtigt, obschon ich noch nicht Stadtrath bin; denn,
ohne mein bisheriges Wirken rühmen zu wollen, kann
ich kühn behaupten, daß ohne mich und meine Ge-
meinderathsthätigkeit Plener heute noch nicht Minister
wäre. Redner kommt nun auf seine wirklichen Ver-
dienste um die Säuberung Wiens zu sprechen, wird
aber am Weiterreden gehindert, weil das Comite für
das Prix-Denkmal lebhaften Wiederspruch erhebt.

Es folgten noch mehrere Toaste, doch bei der zu-
fälligen Erwähnung der künftig zu besetzenden Stadt-
rathsstellen entstand ein so heftiger Disput zwischen
den zahlreich anwesenden Candidaten, daß ich die
Redner nicht mehr verstehen und mich ungesehcn durch
die geschlossenen Thüren drücken konnte. Nur unbe-
stimmte Töne: "Hoch der Liberalismus!" "Hoch die
Coalition!" "Hoch die Judenknechte!" drangen draußen
noch an mein Ohr.




Wettkriechen.

wird dem "Wiener
Tagblatt" geschrieben:

"In einer am letzten Sonntag hier abgehaltenen Ver-
sammlung hatte der Wiener Bürgerschullehrer und Ge-
meinderath Tomola eine Hetzrede gegen die Juden ge-
halten. Der Gemeindeausschuß von Baden hat in seiner
heutigen Sitzung über Antrag des Ausschusses Director
Winkler mit 18 gegen 7 Stimmen folgende Resolution be-
schlossen: "Der Gemeindeausschuß Baden spricht seine Miß-
billigung darüber aus, daß in einer, auf dem Boden dieser
Stadt abgehaltenen, öffentlichen Wählerversammlung von
Seite eines Redners gegen die jüdischen Bewohner und
Curgäste eine Beschimpfung unfläthigster Art erfolgt ist, und
verwahrt sich gegen verhetzende Reden fremder Elemente."

Die Lorbeeren des Perchtolsdorfer Gemeindeaus-
schusses ließen also die Badener Gemeindepotentaten
nicht schlafen und so veranstalteten auch sie ein anti-anti-




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Die internationale Kunstausstellung
in Wien.

Die Seitenräume des Saales Nr. 1 nimmt die
Malerei Belgiens ein.

Nr. 1. "Vor Anker" von A. Mayeur ist eine,
im Ton sehr feine, flüchtig gemalte Marine. Nr. 5
läßt uns an einer, in guter Freilichtmalerei vor-
geführten "Rückkehr von der Procession" theilnehmen
und hat F. Van Leemputen zum Autor; die
bunten belgischen Volkstypen und der heitere Ton ge-
stalten den Vorgang zu einem frischen, angenehmen
Bilde.

Nr. 27. Ein Portrait Henri Rocheforts von
J. von Beers ist ein kleines, in einer Ecke ver-
stecktes Meisterwerk und führt uns den seinerzeitigen
Redacteur der "Lanterne" an seinem Schreibtische
sitzend vor, wie er das Wort an den Beschauer zu
richten scheint. Der Kopf, ganz im Halbdunkel, könnte
ohne zu verlieren, Hans Holbein an die Seite gesetzt
werden. Desselben Künstlers (Nr. 28) "Auf leichter
Welle" ist eine kleine Novelle, sehr gut gezeichnet und
gemalt. Fast möchte man dem Titel die Worte "Leichte
Waare" vorsetzen, aber das unschuldsvolle Gesichtchen
des Mädchens überzeugt uns eines Besseren, und
Canotiers genießen eben das Privilegium, trotz ihres
leichten Costümes junge Damen herumrudern zu
dürfen. Im Gegensatze zu dieser Darstellung, an der
man ein wenig sein fin de siecle spürt, bringt Belgien
mehrere Bilder, welche ihre Sujets aus der mittel-
alterlichen Vergangenheit holen, ein Genre, welches einst
eifrig gepflegt, heute von den meisten Künstlern ge-
mieden wird. Hierher gehören J. de Vriends'
(Nr. 2) "Kaufherr Wannemaker", der einem nach
Antwerpen mitgebrachten Negersclaven die Freiheit
[Spaltenumbruch] gibt. Van Oudera's Nr. 19 "Die Gallerien des
Juweelspand" ein anziehendes ganz vorzügliches Bild,
welches ein fröhliches, sonnenbeschienenes Treiben zeigt,
ferner A. de Vriendts Nr. 21 "Carl VI. und Odette",
das uns den wahnsinnigen König vorführt, wie er an
der Seite Odettes de Champsdivers, die einen be-
ruhigenden Einfluß auf ihn auszuüben vermochte, mit
seinem Narren Karten spielt, endlich Th. Liebhaerts
(Nr. 25) "heilige Elisabeth von Ungarn" mit ihren
Damen in einer Capelle betend", beide Bilder von
großer Tüchtigkeit, obwohl bei dem letzteren die
Costüme und sonstiges Nebenwerk wohl die Hauptrolle
spielen. P. Verhaerts (Nr. 16), "Testament des
Christoph Columbus" ist eines der wenigen Bilder
eigentlich historischen Inhalts, welche sich in
der Ausstellung vorfinden und verdient Beachtung.

Badende Mädchen (Nr. 7) unter dem Titel "Cu-
pido auf der Jagd" von K. Ooms, "Birkenwald im
Herbst" (Nr. 10) von T. Verstraste mögen noch
genannt werden.

Mit dem Saale Nr. II betreten wir die Aus
stellung des jungen Königreichs Italien. Er enthält
eine Menge von mehr oder minder guten Aquarell-
und Pastellzeichnungen, darunter die hervorstechenden
"Kugelspieler" (Nr. 21) von G. Simoni. "Paradiso
terrestre"
von D. Ferri, welche sehr realistische
Darstellung einen Begriff von der italienischen Auf-
fassung irdischer Glückseligkeit gibt; ferner einige gute
Portraits, darunter eine Büste und endlich einige
Leistungen ersten Ranges, von denen eine ganz beson-
ders unsere Aufmerksamkeit verdient. Es ist dies G.
Chiericis (Nr. 30) "Opfer des Weihnachtsfestes".
Wenn wir auch an dem Vorwurfe gerade kein Wohl-
gefallen haben und wenn auch dieses Bild wie alle
Gemälde des fleißigen Künstlers einen etwas schweren
Ton zeigt, so ist doch die Detailausführung eine an's
Wunderbare grenzende und Chierici steht darin den
holländischen Kleinmalern des 17. Jahrhunderts nicht
[Spaltenumbruch] nach. Dabei ist seinen Werken eine natürliche und, wie
gesagt, gutmüthige Komik eigen, die, selbst im gegen-
wärtigen Falle, wirklich nichts Verletzendes an sich
hat. Es dürfte schwer sein, einen ausgesprocheneren
Antipoden der Freilichtmalerei, des Impressionismus,
und wie alle die heutigen Richtungen der Malerei ge-
nannt werden mögen -- zu finden.

Der Natur des Gegenstandes noch viel weniger
entsprechend, aber von ähnlicher Gediegenheit sind die
Architekturstücke L. Bazzanis. (Nr. 18, 22, 23,)
die, mit photographischer Treue, Ueberreste des antiken
Rom darstellen: den "Triumphbogen des Septimus
Severus", den "Aufstieg zum Capitol" und den "Fuß
der mit Basreliefs bedeckten" Trajanssäule.

Im Saale 3 (dem zweiten der ital. Ausstellung)
unterhält uns A. Cagnoni's (Nr. 8) "Ein unan-
genehmes Ereigniß", indem es uns die Bestürzung einer
Dame mitfühlen läßt, die sich, bei einem Atelierbesuch,
unvorsichtig auf des Künstlers Palette gesetzt hat. In
ein Atelier anderer Art bringt uns S. Marchesi
mit einem Bilde (Nr. 4), welches das goldige Innere
der Cappella Palatina, in Palermo, uns öffnet, in
der wir einen Mönch gewahren, der eifrig mit der
Ausbesserung der schadhaften Mosaiken beschäftigt ist.
Nr. 27 von G. Belloni, Nr. 31 von F. Petiti,
sind sehr verdienstvolle Landschaften, welche einen, bei
den Söhnen Italiens nicht allzuhäufig vorkommenden,
feinen Sinn für landwirthschaftlichen Reiz, für die
Poesie des Waldes und seine stille Einsamkeit bekunden,
während in (Nr. 10) G. Ciardi der sonnigen und
cultivirten Ebene getreu bleibt und ihre Anmuth, dem
Nordländer weniger verständlich, zu interpretiren sucht.
Nicht das "Wo?" ist übrigens heute in der Landschaft
maßgebend, sondern das "Wie" und darin ist dieser
Künstler einer der besten Italiens.


(Fortsetzung folgt.)
[Spaltenumbruch]
1. Jahrg.



Redaction, Adminiſtration,
Expedition
und Druckerei
VIII. Joſefſtädterſtraße 14.




Stadtexpedition I. Schulerſtraße,
Zeitungsbureau Weis.




[Un]frankierte Briefe werden nicht ange-
nommen; Manuſcripte in der Regel
nicht zurückgeſtellt. Unverſchloſſene
Rectamationen ſind portofrei.




Ankündigungs-Bureau:
VIII. Joſefſtädterſtraße 14.
[ſo]wie bei dem Annoncenbureau für
kathol.-conſerv. Blätter Hubert
Friedl,
Wien V./1.




Abonnements werden angenommen
außer in den Expeditionen bei
J. Heindl, I. Stephansplatz 7.




Erſcheint täglich 6 Uhr abends
mit Ausnahme der Sonn- und Feier-
tage.


[Spaltenumbruch]
Wien, Dienſtag 8. Mai 1894.


Reichspoſt.
Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Oeſterreichs.

[Spaltenumbruch]
Nr. 105.



Bezugspreiſe:
Für Wien mit Zuſtellung ins Ha[uſ]
ganzjährig ...... 15 [fl.]
vierteljährig ... 3 fl. 80 kr
monatlich ... 1 fl. 30 kr
wöchentlich 30 kr.




Einzelne Nummern 4 kr.,
per Poſt 5 kr.




Bei [A]bholung in unſerer Admini-
ſtration ganzj. 12 fl., monatlich [1 fl.]

Für Öſterreich-Ungarn
ganzj. 16 fl. viertelj. 4 fl. 10 kr.
Für Deutſchland vierteljährig [6 fl. ]
50 kr: oder 7½ Mark. Für die
Länder des Weltpoſtvereines
viertelj 6 fl. oder 10 Mark.




Telephon 1828.






[Spaltenumbruch]
Die Geheimniſſe eines Baukets.
(Specialbericht der „Reichspoſt“.)

Am Samſtag verſammelten ſich bei reichbeſetzter
Tafel und bei ſchäumendem Champagner die Mitglieder
des fortſchrittlichen Parteiverbandes, um das neu con-
ſtituirte Präſidium zu ehren. Man muß ſich zwar
wundern, daß unter den beſtehenden triſten Verhält-
niſſen in der Gemeindeſtube Veranlaſſung genommen
wurde, ein Banket zu veranſtalten, bei dem kaum eine
Feſtſtimmung vorherrſchen konnte. Schon die Thatſache,
daß von den 76 Mitgliedern des fortſchrittlichen Partei-
verbandes nur 49 Mitglieder ſich an der Tafel be-
theiligten, war geeignet, berechtigtes Befremden hervor-
zurufen. Nicht minder bezeichnend war die weitere
Thatſache, daß die gemeinderäthlichen Arrangenre des
Bankets ein beſonderes Gewicht darauf legten, die
Tafel bei geſchloſſenen Thüren abzu-
halten. Dieſe letztere Thatſache war durch die Beſorg-
niß zu erklären, daß vielleicht manche Tiſchreden in die
Oeffentlichkeit gelangen und vertrauliche Bemerkungen
harmloſen Tafelſcherzes in den liberalen Wählerkreiſen
eine Mißdeutung erfahren könnten. Dennoch iſt es
Ihrem Berichterſtatter gelungen, durch die geſchloſſenen
Thüren zu dringen und die Geheimniſſe des Bankets
abzulauſchen. Hier mein Bericht.

Zwiſchen Suppe und Lachs erhob ſich Bürgermeiſter
Dr. Grübl, um auf den Kaiſer zu toaſtiren. In
der Einleitung dazu ſprach er von der Friedensmiſſion,
die er ſich ſelbſt geſtellt, und von der er ein eclatantes
Beiſpiel dadurch gab, daß er einem Antiſemiten
ein Stadtrathsmandat verleihen wollte. (Frauenberger
ruft dazwiſchen: „Da thun wir nicht mit.“) „Es thut
mir das ſehr leid; denn ſo werden Sie als die Unver-
ſönlichen gelten.“ (Frauenberger: Macht nichts!)
„Ihnen mag’s nichts machen. Aber unſere Partei wird
discreditirt nach oben, nachdem ich mich verbindlich ge-
macht, den Frieden im Gemeinderathe wiederherzuſtellen.“
(Eiſiges Schweigen.) Folgt der Toaſt.

Matzenauer erhebt ſich als zweiter Redner.
(Bravo bei einem Theile der Tafelrunde, Räuspern
und Huſten bei einem andern). Meine Freunde!
(Stimmen aus der Ferne: Oho!) Ich dächte doch,
meine Herren, daß wir hier alle als Freunde ver-
ſammelt ſind, wenn auch einige von uns mit der Wahl
meiner Perſon zum Vicebürgermeiſter nicht einver-
ſtanden waren. In dem Augenblicke, wo es ſich um die
Wiedereroberung Wiens handelt, ſollte doch aller
[Spaltenumbruch] Zwiſt unter uns ſelbſt ſchweigen. Sie kennen doch meine
perſönliche Beſcheidenheit, die auf tiefſter Bildung
beruht, obſchon damals die achtjährige Schulpflicht
noch nicht beſtand. (Heiterkeit.) Sie brauchen das nicht
als einen Hohn auf das Volksſchulgeſetz aufzufaſſen,
das ich mit begeiſtertem Herzen demnächſt mit Ihnen
im Dreherparke feiern werde, wenn ich auch nicht die
Wohlthaten desſelben zu genießen in der Lage war.
(Bravo!) Meine Freunde, ich werde nichts von unſeren
Parteigrundſätzen aufgeben. Das habe ich bei Ueber-
nahme meines Amtes verſprochen und ich ſchwöre es
Ihnen in dieſem feierlichen Momente noch einmal zu.
(Richter zuckt auffällig zuſammen. Er meldet ſich
zum Wort.) Dieſer mein Schwur ſollte doch genügen,
Sie alle mit mir zu verſöhnen, umſomehr da ich bei
der Wahl von Stadträthen mein Ernennungsrecht dem-
nächſt ebenſo wahren werde, wie bei der Wahl von
Reichsraths- und Landtagsabgeordneten der inneren
Stadt. (Sehr gut! Noske erhebt ſich dankend.)

Richter (in ſichtlicher Erregung). Meine
Herren! Nur ein Wort! Ich bin der Meinung, daß
bei einer Zuſammenkunft von Parteifreunden jede un-
liebſame Anſpielung vermieden werden ſollte,
überlaſſe man das doch der „Reichspoſt“. (Zwiſchenruf:
„Das Blatt nicht nennen)!“

Noske: M. H. Ich komme auf einen höchſt
actuellen Punkt zu ſprechen: die Affaire Roth-
berger!
(Ruf im Hintergrunde: „Z’widere G’ſchicht!
Schweigen wir davon!“) Warum ſchweigen, m. H.?
Haben wir etwa Grund, uns der Sache zu ſchämen?
Hat die Gemeinde nicht die Pflicht, aufſtrebende arme
Geſchäftsleute zu unterſtützen? Läßt ſich nicht die
liberale Partei ſtets die Sorge für den kleinen Mann,
auch wenn er in alten Kleidern handelt, angelegen
ſein? Wenn dem ſo iſt, ſo iſt es auch unſer Recht, ja
unſere Pflicht, einem ſolchen armen Mann wie Roth-
berger durch Ueberlaſſung eines billigen Baugrundes,
wie der am Stephansplatze, unter die Arme zu greifen,
zumal wenn es ſich darum handelt, die in den Staats-
grundſätzen verbürgte Gleichberechtigung aller Staats-
bürger ohne Unterſchied der Confeſſion in einem recht
eclatanten Falle zum Ausdruck zu bringen! Die
Chriſten haben vor 500 Jahren die Gründe am
Stephansplatz auch nicht theurer bezahlt! (Bravo!)
Und jetzt ſollen die armen Juden ihr „ſauer erworbenes
Vermögen“ für theuere Gründe ausgeben! Deshalb
hat auch der Richter ſo entſchieden. (Richter: „Woher
wiſſen Sie, daß ich es war? Ich habe doch den
Namen verſchwiegen“. Peinliche Pauſe.)


[Spaltenumbruch]

Damit glaube ich die Affaire Rothberger für uns
als durchaus mit den liberalen Grundſätzen in Ein-
klang ſtehend hinlänglich aufgeklärt zu haben.

Dr. Scholz ſtürzt athemlos herein. Entſchul-
digen Sie, meine Herren, mein Zuſpätkommen; ein
ſchwerer Diphtheritisfall hielt mich zurück; die Zeug-
niſſe habe ich in dieſem Falle aber gleich mitgebracht
(zeigt ſie) und die Kleider ſchon unterwegs gewechſelt.
(Heiterkeit.)

Frauenberger: Ich bringe mein Glas
der glücklich wiedergeleimten Coalition! Mein Hoch
dem abgeklärten Greis! Mein Hoch Plener! (Stür-
miſcher Beifall.) Ich halte mich zu dieſem Toaſte be-
rechtigt, obſchon ich noch nicht Stadtrath bin; denn,
ohne mein bisheriges Wirken rühmen zu wollen, kann
ich kühn behaupten, daß ohne mich und meine Ge-
meinderathsthätigkeit Plener heute noch nicht Miniſter
wäre. Redner kommt nun auf ſeine wirklichen Ver-
dienſte um die Säuberung Wiens zu ſprechen, wird
aber am Weiterreden gehindert, weil das Comite für
das Prix-Denkmal lebhaften Wiederſpruch erhebt.

Es folgten noch mehrere Toaſte, doch bei der zu-
fälligen Erwähnung der künftig zu beſetzenden Stadt-
rathsſtellen entſtand ein ſo heftiger Disput zwiſchen
den zahlreich anweſenden Candidaten, daß ich die
Redner nicht mehr verſtehen und mich ungeſehcn durch
die geſchloſſenen Thüren drücken konnte. Nur unbe-
ſtimmte Töne: „Hoch der Liberalismus!“ „Hoch die
Coalition!“ „Hoch die Judenknechte!“ drangen draußen
noch an mein Ohr.




Wettkriechen.

wird dem „Wiener
Tagblatt“ geſchrieben:

„In einer am letzten Sonntag hier abgehaltenen Ver-
ſammlung hatte der Wiener Bürgerſchullehrer und Ge-
meinderath Tomola eine Hetzrede gegen die Juden ge-
halten. Der Gemeindeausſchuß von Baden hat in ſeiner
heutigen Sitzung über Antrag des Ausſchuſſes Director
Winkler mit 18 gegen 7 Stimmen folgende Reſolution be-
ſchloſſen: „Der Gemeindeausſchuß Baden ſpricht ſeine Miß-
billigung darüber aus, daß in einer, auf dem Boden dieſer
Stadt abgehaltenen, öffentlichen Wählerverſammlung von
Seite eines Redners gegen die jüdiſchen Bewohner und
Curgäſte eine Beſchimpfung unfläthigſter Art erfolgt iſt, und
verwahrt ſich gegen verhetzende Reden fremder Elemente.“

Die Lorbeeren des Perchtolsdorfer Gemeindeaus-
ſchuſſes ließen alſo die Badener Gemeindepotentaten
nicht ſchlafen und ſo veranſtalteten auch ſie ein anti-anti-




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Die internationale Kunſtausſtellung
in Wien.

Die Seitenräume des Saales Nr. 1 nimmt die
Malerei Belgiens ein.

Nr. 1. „Vor Anker“ von A. Mayeur iſt eine,
im Ton ſehr feine, flüchtig gemalte Marine. Nr. 5
läßt uns an einer, in guter Freilichtmalerei vor-
geführten „Rückkehr von der Proceſſion“ theilnehmen
und hat F. Van Leemputen zum Autor; die
bunten belgiſchen Volkstypen und der heitere Ton ge-
ſtalten den Vorgang zu einem friſchen, angenehmen
Bilde.

Nr. 27. Ein Portrait Henri Rocheforts von
J. von Beers iſt ein kleines, in einer Ecke ver-
ſtecktes Meiſterwerk und führt uns den ſeinerzeitigen
Redacteur der „Lanterne“ an ſeinem Schreibtiſche
ſitzend vor, wie er das Wort an den Beſchauer zu
richten ſcheint. Der Kopf, ganz im Halbdunkel, könnte
ohne zu verlieren, Hans Holbein an die Seite geſetzt
werden. Desſelben Künſtlers (Nr. 28) „Auf leichter
Welle“ iſt eine kleine Novelle, ſehr gut gezeichnet und
gemalt. Faſt möchte man dem Titel die Worte „Leichte
Waare“ vorſetzen, aber das unſchuldsvolle Geſichtchen
des Mädchens überzeugt uns eines Beſſeren, und
Canotiers genießen eben das Privilegium, trotz ihres
leichten Coſtümes junge Damen herumrudern zu
dürfen. Im Gegenſatze zu dieſer Darſtellung, an der
man ein wenig ſein fin de siecle ſpürt, bringt Belgien
mehrere Bilder, welche ihre Sujets aus der mittel-
alterlichen Vergangenheit holen, ein Genre, welches einſt
eifrig gepflegt, heute von den meiſten Künſtlern ge-
mieden wird. Hierher gehören J. de Vriends’
(Nr. 2) „Kaufherr Wannemaker“, der einem nach
Antwerpen mitgebrachten Negerſclaven die Freiheit
[Spaltenumbruch] gibt. Van Oudera’s Nr. 19 „Die Gallerien des
Juweelspand“ ein anziehendes ganz vorzügliches Bild,
welches ein fröhliches, ſonnenbeſchienenes Treiben zeigt,
ferner A. de Vriendts Nr. 21 „Carl VI. und Odette“,
das uns den wahnſinnigen König vorführt, wie er an
der Seite Odettes de Champsdivers, die einen be-
ruhigenden Einfluß auf ihn auszuüben vermochte, mit
ſeinem Narren Karten ſpielt, endlich Th. Liebhaerts
(Nr. 25) „heilige Eliſabeth von Ungarn“ mit ihren
Damen in einer Capelle betend“, beide Bilder von
großer Tüchtigkeit, obwohl bei dem letzteren die
Coſtüme und ſonſtiges Nebenwerk wohl die Hauptrolle
ſpielen. P. Verhaerts (Nr. 16), „Teſtament des
Chriſtoph Columbus“ iſt eines der wenigen Bilder
eigentlich hiſtoriſchen Inhalts, welche ſich in
der Ausſtellung vorfinden und verdient Beachtung.

Badende Mädchen (Nr. 7) unter dem Titel „Cu-
pido auf der Jagd“ von K. Ooms, „Birkenwald im
Herbſt“ (Nr. 10) von T. Verſtraſte mögen noch
genannt werden.

Mit dem Saale Nr. II betreten wir die Aus
ſtellung des jungen Königreichs Italien. Er enthält
eine Menge von mehr oder minder guten Aquarell-
und Paſtellzeichnungen, darunter die hervorſtechenden
„Kugelſpieler“ (Nr. 21) von G. Simoni. »Paradiso
terrestre«
von D. Ferri, welche ſehr realiſtiſche
Darſtellung einen Begriff von der italieniſchen Auf-
faſſung irdiſcher Glückſeligkeit gibt; ferner einige gute
Portraits, darunter eine Büſte und endlich einige
Leiſtungen erſten Ranges, von denen eine ganz beſon-
ders unſere Aufmerkſamkeit verdient. Es iſt dies G.
Chiericis (Nr. 30) „Opfer des Weihnachtsfeſtes“.
Wenn wir auch an dem Vorwurfe gerade kein Wohl-
gefallen haben und wenn auch dieſes Bild wie alle
Gemälde des fleißigen Künſtlers einen etwas ſchweren
Ton zeigt, ſo iſt doch die Detailausführung eine an’s
Wunderbare grenzende und Chierici ſteht darin den
holländiſchen Kleinmalern des 17. Jahrhunderts nicht
[Spaltenumbruch] nach. Dabei iſt ſeinen Werken eine natürliche und, wie
geſagt, gutmüthige Komik eigen, die, ſelbſt im gegen-
wärtigen Falle, wirklich nichts Verletzendes an ſich
hat. Es dürfte ſchwer ſein, einen ausgeſprocheneren
Antipoden der Freilichtmalerei, des Impreſſionismus,
und wie alle die heutigen Richtungen der Malerei ge-
nannt werden mögen — zu finden.

Der Natur des Gegenſtandes noch viel weniger
entſprechend, aber von ähnlicher Gediegenheit ſind die
Architekturſtücke L. Bazzanis. (Nr. 18, 22, 23,)
die, mit photographiſcher Treue, Ueberreſte des antiken
Rom darſtellen: den „Triumphbogen des Septimus
Severus“, den „Aufſtieg zum Capitol“ und den „Fuß
der mit Basreliefs bedeckten“ Trajansſäule.

Im Saale 3 (dem zweiten der ital. Ausſtellung)
unterhält uns A. Cagnoni’s (Nr. 8) „Ein unan-
genehmes Ereigniß“, indem es uns die Beſtürzung einer
Dame mitfühlen läßt, die ſich, bei einem Atelierbeſuch,
unvorſichtig auf des Künſtlers Palette geſetzt hat. In
ein Atelier anderer Art bringt uns S. Marcheſi
mit einem Bilde (Nr. 4), welches das goldige Innere
der Cappella Palatina, in Palermo, uns öffnet, in
der wir einen Mönch gewahren, der eifrig mit der
Ausbeſſerung der ſchadhaften Moſaiken beſchäftigt iſt.
Nr. 27 von G. Belloni, Nr. 31 von F. Petiti,
ſind ſehr verdienſtvolle Landſchaften, welche einen, bei
den Söhnen Italiens nicht allzuhäufig vorkommenden,
feinen Sinn für landwirthſchaftlichen Reiz, für die
Poeſie des Waldes und ſeine ſtille Einſamkeit bekunden,
während in (Nr. 10) G. Ciardi der ſonnigen und
cultivirten Ebene getreu bleibt und ihre Anmuth, dem
Nordländer weniger verſtändlich, zu interpretiren ſucht.
Nicht das „Wo?“ iſt übrigens heute in der Landſchaft
maßgebend, ſondern das „Wie“ und darin iſt dieſer
Künſtler einer der beſten Italiens.


(Fortſetzung folgt.)
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[[1]/0001] 1. Jahrg. Redaction, Adminiſtration, Expedition und Druckerei VIII. Joſefſtädterſtraße 14. Stadtexpedition I. Schulerſtraße, Zeitungsbureau Weis. Unfrankierte Briefe werden nicht ange- nommen; Manuſcripte in der Regel nicht zurückgeſtellt. Unverſchloſſene Rectamationen ſind portofrei. Ankündigungs-Bureau: VIII. Joſefſtädterſtraße 14. ſowie bei dem Annoncenbureau für kathol.-conſerv. Blätter Hubert Friedl, Wien V./1. Abonnements werden angenommen außer in den Expeditionen bei J. Heindl, I. Stephansplatz 7. Erſcheint täglich 6 Uhr abends mit Ausnahme der Sonn- und Feier- tage. Wien, Dienſtag 8. Mai 1894. Reichspoſt. Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Oeſterreichs. Nr. 105. Bezugspreiſe: Für Wien mit Zuſtellung ins Hauſ ganzjährig ...... 15 fl. vierteljährig ... 3 fl. 80 kr monatlich ... 1 fl. 30 kr wöchentlich 30 kr. Einzelne Nummern 4 kr., per Poſt 5 kr. Bei Abholung in unſerer Admini- ſtration ganzj. 12 fl., monatlich 1 fl. Für Öſterreich-Ungarn ganzj. 16 fl. viertelj. 4 fl. 10 kr. Für Deutſchland vierteljährig 6 fl. 50 kr: oder 7½ Mark. Für die Länder des Weltpoſtvereines viertelj 6 fl. oder 10 Mark. Telephon 1828. Die Geheimniſſe eines Baukets. (Specialbericht der „Reichspoſt“.) Am Samſtag verſammelten ſich bei reichbeſetzter Tafel und bei ſchäumendem Champagner die Mitglieder des fortſchrittlichen Parteiverbandes, um das neu con- ſtituirte Präſidium zu ehren. Man muß ſich zwar wundern, daß unter den beſtehenden triſten Verhält- niſſen in der Gemeindeſtube Veranlaſſung genommen wurde, ein Banket zu veranſtalten, bei dem kaum eine Feſtſtimmung vorherrſchen konnte. Schon die Thatſache, daß von den 76 Mitgliedern des fortſchrittlichen Partei- verbandes nur 49 Mitglieder ſich an der Tafel be- theiligten, war geeignet, berechtigtes Befremden hervor- zurufen. Nicht minder bezeichnend war die weitere Thatſache, daß die gemeinderäthlichen Arrangenre des Bankets ein beſonderes Gewicht darauf legten, die Tafel bei geſchloſſenen Thüren abzu- halten. Dieſe letztere Thatſache war durch die Beſorg- niß zu erklären, daß vielleicht manche Tiſchreden in die Oeffentlichkeit gelangen und vertrauliche Bemerkungen harmloſen Tafelſcherzes in den liberalen Wählerkreiſen eine Mißdeutung erfahren könnten. Dennoch iſt es Ihrem Berichterſtatter gelungen, durch die geſchloſſenen Thüren zu dringen und die Geheimniſſe des Bankets abzulauſchen. Hier mein Bericht. Zwiſchen Suppe und Lachs erhob ſich Bürgermeiſter Dr. Grübl, um auf den Kaiſer zu toaſtiren. In der Einleitung dazu ſprach er von der Friedensmiſſion, die er ſich ſelbſt geſtellt, und von der er ein eclatantes Beiſpiel dadurch gab, daß er einem Antiſemiten ein Stadtrathsmandat verleihen wollte. (Frauenberger ruft dazwiſchen: „Da thun wir nicht mit.“) „Es thut mir das ſehr leid; denn ſo werden Sie als die Unver- ſönlichen gelten.“ (Frauenberger: Macht nichts!) „Ihnen mag’s nichts machen. Aber unſere Partei wird discreditirt nach oben, nachdem ich mich verbindlich ge- macht, den Frieden im Gemeinderathe wiederherzuſtellen.“ (Eiſiges Schweigen.) Folgt der Toaſt. Matzenauer erhebt ſich als zweiter Redner. (Bravo bei einem Theile der Tafelrunde, Räuspern und Huſten bei einem andern). Meine Freunde! (Stimmen aus der Ferne: Oho!) Ich dächte doch, meine Herren, daß wir hier alle als Freunde ver- ſammelt ſind, wenn auch einige von uns mit der Wahl meiner Perſon zum Vicebürgermeiſter nicht einver- ſtanden waren. In dem Augenblicke, wo es ſich um die Wiedereroberung Wiens handelt, ſollte doch aller Zwiſt unter uns ſelbſt ſchweigen. Sie kennen doch meine perſönliche Beſcheidenheit, die auf tiefſter Bildung beruht, obſchon damals die achtjährige Schulpflicht noch nicht beſtand. (Heiterkeit.) Sie brauchen das nicht als einen Hohn auf das Volksſchulgeſetz aufzufaſſen, das ich mit begeiſtertem Herzen demnächſt mit Ihnen im Dreherparke feiern werde, wenn ich auch nicht die Wohlthaten desſelben zu genießen in der Lage war. (Bravo!) Meine Freunde, ich werde nichts von unſeren Parteigrundſätzen aufgeben. Das habe ich bei Ueber- nahme meines Amtes verſprochen und ich ſchwöre es Ihnen in dieſem feierlichen Momente noch einmal zu. (Richter zuckt auffällig zuſammen. Er meldet ſich zum Wort.) Dieſer mein Schwur ſollte doch genügen, Sie alle mit mir zu verſöhnen, umſomehr da ich bei der Wahl von Stadträthen mein Ernennungsrecht dem- nächſt ebenſo wahren werde, wie bei der Wahl von Reichsraths- und Landtagsabgeordneten der inneren Stadt. (Sehr gut! Noske erhebt ſich dankend.) Richter (in ſichtlicher Erregung). Meine Herren! Nur ein Wort! Ich bin der Meinung, daß bei einer Zuſammenkunft von Parteifreunden jede un- liebſame Anſpielung vermieden werden ſollte, überlaſſe man das doch der „Reichspoſt“. (Zwiſchenruf: „Das Blatt nicht nennen)!“ Noske: M. H. Ich komme auf einen höchſt actuellen Punkt zu ſprechen: die Affaire Roth- berger! (Ruf im Hintergrunde: „Z’widere G’ſchicht! Schweigen wir davon!“) Warum ſchweigen, m. H.? Haben wir etwa Grund, uns der Sache zu ſchämen? Hat die Gemeinde nicht die Pflicht, aufſtrebende arme Geſchäftsleute zu unterſtützen? Läßt ſich nicht die liberale Partei ſtets die Sorge für den kleinen Mann, auch wenn er in alten Kleidern handelt, angelegen ſein? Wenn dem ſo iſt, ſo iſt es auch unſer Recht, ja unſere Pflicht, einem ſolchen armen Mann wie Roth- berger durch Ueberlaſſung eines billigen Baugrundes, wie der am Stephansplatze, unter die Arme zu greifen, zumal wenn es ſich darum handelt, die in den Staats- grundſätzen verbürgte Gleichberechtigung aller Staats- bürger ohne Unterſchied der Confeſſion in einem recht eclatanten Falle zum Ausdruck zu bringen! Die Chriſten haben vor 500 Jahren die Gründe am Stephansplatz auch nicht theurer bezahlt! (Bravo!) Und jetzt ſollen die armen Juden ihr „ſauer erworbenes Vermögen“ für theuere Gründe ausgeben! Deshalb hat auch der Richter ſo entſchieden. (Richter: „Woher wiſſen Sie, daß ich es war? Ich habe doch den Namen verſchwiegen“. Peinliche Pauſe.) Damit glaube ich die Affaire Rothberger für uns als durchaus mit den liberalen Grundſätzen in Ein- klang ſtehend hinlänglich aufgeklärt zu haben. Dr. Scholz ſtürzt athemlos herein. Entſchul- digen Sie, meine Herren, mein Zuſpätkommen; ein ſchwerer Diphtheritisfall hielt mich zurück; die Zeug- niſſe habe ich in dieſem Falle aber gleich mitgebracht (zeigt ſie) und die Kleider ſchon unterwegs gewechſelt. (Heiterkeit.) Frauenberger: Ich bringe mein Glas der glücklich wiedergeleimten Coalition! Mein Hoch dem abgeklärten Greis! Mein Hoch Plener! (Stür- miſcher Beifall.) Ich halte mich zu dieſem Toaſte be- rechtigt, obſchon ich noch nicht Stadtrath bin; denn, ohne mein bisheriges Wirken rühmen zu wollen, kann ich kühn behaupten, daß ohne mich und meine Ge- meinderathsthätigkeit Plener heute noch nicht Miniſter wäre. Redner kommt nun auf ſeine wirklichen Ver- dienſte um die Säuberung Wiens zu ſprechen, wird aber am Weiterreden gehindert, weil das Comite für das Prix-Denkmal lebhaften Wiederſpruch erhebt. Es folgten noch mehrere Toaſte, doch bei der zu- fälligen Erwähnung der künftig zu beſetzenden Stadt- rathsſtellen entſtand ein ſo heftiger Disput zwiſchen den zahlreich anweſenden Candidaten, daß ich die Redner nicht mehr verſtehen und mich ungeſehcn durch die geſchloſſenen Thüren drücken konnte. Nur unbe- ſtimmte Töne: „Hoch der Liberalismus!“ „Hoch die Coalition!“ „Hoch die Judenknechte!“ drangen draußen noch an mein Ohr. Wettkriechen. Aus Baden bei Wien, 4. Mai, wird dem „Wiener Tagblatt“ geſchrieben: „In einer am letzten Sonntag hier abgehaltenen Ver- ſammlung hatte der Wiener Bürgerſchullehrer und Ge- meinderath Tomola eine Hetzrede gegen die Juden ge- halten. Der Gemeindeausſchuß von Baden hat in ſeiner heutigen Sitzung über Antrag des Ausſchuſſes Director Winkler mit 18 gegen 7 Stimmen folgende Reſolution be- ſchloſſen: „Der Gemeindeausſchuß Baden ſpricht ſeine Miß- billigung darüber aus, daß in einer, auf dem Boden dieſer Stadt abgehaltenen, öffentlichen Wählerverſammlung von Seite eines Redners gegen die jüdiſchen Bewohner und Curgäſte eine Beſchimpfung unfläthigſter Art erfolgt iſt, und verwahrt ſich gegen verhetzende Reden fremder Elemente.“ Die Lorbeeren des Perchtolsdorfer Gemeindeaus- ſchuſſes ließen alſo die Badener Gemeindepotentaten nicht ſchlafen und ſo veranſtalteten auch ſie ein anti-anti- Feuilleton. Die internationale Kunſtausſtellung in Wien. Die Seitenräume des Saales Nr. 1 nimmt die Malerei Belgiens ein. Nr. 1. „Vor Anker“ von A. Mayeur iſt eine, im Ton ſehr feine, flüchtig gemalte Marine. Nr. 5 läßt uns an einer, in guter Freilichtmalerei vor- geführten „Rückkehr von der Proceſſion“ theilnehmen und hat F. Van Leemputen zum Autor; die bunten belgiſchen Volkstypen und der heitere Ton ge- ſtalten den Vorgang zu einem friſchen, angenehmen Bilde. Nr. 27. Ein Portrait Henri Rocheforts von J. von Beers iſt ein kleines, in einer Ecke ver- ſtecktes Meiſterwerk und führt uns den ſeinerzeitigen Redacteur der „Lanterne“ an ſeinem Schreibtiſche ſitzend vor, wie er das Wort an den Beſchauer zu richten ſcheint. Der Kopf, ganz im Halbdunkel, könnte ohne zu verlieren, Hans Holbein an die Seite geſetzt werden. Desſelben Künſtlers (Nr. 28) „Auf leichter Welle“ iſt eine kleine Novelle, ſehr gut gezeichnet und gemalt. Faſt möchte man dem Titel die Worte „Leichte Waare“ vorſetzen, aber das unſchuldsvolle Geſichtchen des Mädchens überzeugt uns eines Beſſeren, und Canotiers genießen eben das Privilegium, trotz ihres leichten Coſtümes junge Damen herumrudern zu dürfen. Im Gegenſatze zu dieſer Darſtellung, an der man ein wenig ſein fin de siecle ſpürt, bringt Belgien mehrere Bilder, welche ihre Sujets aus der mittel- alterlichen Vergangenheit holen, ein Genre, welches einſt eifrig gepflegt, heute von den meiſten Künſtlern ge- mieden wird. Hierher gehören J. de Vriends’ (Nr. 2) „Kaufherr Wannemaker“, der einem nach Antwerpen mitgebrachten Negerſclaven die Freiheit gibt. Van Oudera’s Nr. 19 „Die Gallerien des Juweelspand“ ein anziehendes ganz vorzügliches Bild, welches ein fröhliches, ſonnenbeſchienenes Treiben zeigt, ferner A. de Vriendts Nr. 21 „Carl VI. und Odette“, das uns den wahnſinnigen König vorführt, wie er an der Seite Odettes de Champsdivers, die einen be- ruhigenden Einfluß auf ihn auszuüben vermochte, mit ſeinem Narren Karten ſpielt, endlich Th. Liebhaerts (Nr. 25) „heilige Eliſabeth von Ungarn“ mit ihren Damen in einer Capelle betend“, beide Bilder von großer Tüchtigkeit, obwohl bei dem letzteren die Coſtüme und ſonſtiges Nebenwerk wohl die Hauptrolle ſpielen. P. Verhaerts (Nr. 16), „Teſtament des Chriſtoph Columbus“ iſt eines der wenigen Bilder eigentlich hiſtoriſchen Inhalts, welche ſich in der Ausſtellung vorfinden und verdient Beachtung. Badende Mädchen (Nr. 7) unter dem Titel „Cu- pido auf der Jagd“ von K. Ooms, „Birkenwald im Herbſt“ (Nr. 10) von T. Verſtraſte mögen noch genannt werden. Mit dem Saale Nr. II betreten wir die Aus ſtellung des jungen Königreichs Italien. Er enthält eine Menge von mehr oder minder guten Aquarell- und Paſtellzeichnungen, darunter die hervorſtechenden „Kugelſpieler“ (Nr. 21) von G. Simoni. »Paradiso terrestre« von D. Ferri, welche ſehr realiſtiſche Darſtellung einen Begriff von der italieniſchen Auf- faſſung irdiſcher Glückſeligkeit gibt; ferner einige gute Portraits, darunter eine Büſte und endlich einige Leiſtungen erſten Ranges, von denen eine ganz beſon- ders unſere Aufmerkſamkeit verdient. Es iſt dies G. Chiericis (Nr. 30) „Opfer des Weihnachtsfeſtes“. Wenn wir auch an dem Vorwurfe gerade kein Wohl- gefallen haben und wenn auch dieſes Bild wie alle Gemälde des fleißigen Künſtlers einen etwas ſchweren Ton zeigt, ſo iſt doch die Detailausführung eine an’s Wunderbare grenzende und Chierici ſteht darin den holländiſchen Kleinmalern des 17. Jahrhunderts nicht nach. Dabei iſt ſeinen Werken eine natürliche und, wie geſagt, gutmüthige Komik eigen, die, ſelbſt im gegen- wärtigen Falle, wirklich nichts Verletzendes an ſich hat. Es dürfte ſchwer ſein, einen ausgeſprocheneren Antipoden der Freilichtmalerei, des Impreſſionismus, und wie alle die heutigen Richtungen der Malerei ge- nannt werden mögen — zu finden. Der Natur des Gegenſtandes noch viel weniger entſprechend, aber von ähnlicher Gediegenheit ſind die Architekturſtücke L. Bazzanis. (Nr. 18, 22, 23,) die, mit photographiſcher Treue, Ueberreſte des antiken Rom darſtellen: den „Triumphbogen des Septimus Severus“, den „Aufſtieg zum Capitol“ und den „Fuß der mit Basreliefs bedeckten“ Trajansſäule. Im Saale 3 (dem zweiten der ital. Ausſtellung) unterhält uns A. Cagnoni’s (Nr. 8) „Ein unan- genehmes Ereigniß“, indem es uns die Beſtürzung einer Dame mitfühlen läßt, die ſich, bei einem Atelierbeſuch, unvorſichtig auf des Künſtlers Palette geſetzt hat. In ein Atelier anderer Art bringt uns S. Marcheſi mit einem Bilde (Nr. 4), welches das goldige Innere der Cappella Palatina, in Palermo, uns öffnet, in der wir einen Mönch gewahren, der eifrig mit der Ausbeſſerung der ſchadhaften Moſaiken beſchäftigt iſt. Nr. 27 von G. Belloni, Nr. 31 von F. Petiti, ſind ſehr verdienſtvolle Landſchaften, welche einen, bei den Söhnen Italiens nicht allzuhäufig vorkommenden, feinen Sinn für landwirthſchaftlichen Reiz, für die Poeſie des Waldes und ſeine ſtille Einſamkeit bekunden, während in (Nr. 10) G. Ciardi der ſonnigen und cultivirten Ebene getreu bleibt und ihre Anmuth, dem Nordländer weniger verſtändlich, zu interpretiren ſucht. Nicht das „Wo?“ iſt übrigens heute in der Landſchaft maßgebend, ſondern das „Wie“ und darin iſt dieſer Künſtler einer der beſten Italiens. R. (Fortſetzung folgt.)

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 105, Wien, 08.05.1894, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost105_1894/1>, abgerufen am 21.11.2024.