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Reichspost. Nr. 67, Wien, 08.03.1909.

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Nr. 67 Wien, Montag Reichspost 8. März 1909.

[Spaltenumbruch]

mühung der Pforte für die Erhaltung des Friedens in
Betracht zieht, ist es unmöglich zu leugnen, daß dieser
Beschluß gerecht ist!

Gegenüber diesen Angaben der "Jeni Gazetta" erklärt
man auf serbischer Seite, daß der Großvezier gestern
zwar gesagt hat, er wolle das Versprechen der
früheren Regierung möglichst einhalten, müsse
aber auf der Empfindlichkeit Oesterreich-Ungarns
Rechnung trugen, worauf Nenadovic darauf hinwies,
welche gefährliche Konsequenzen eine solche Absperrung
Serbiens für die Erhaltung des Friedens haben könnte.
Das serbische Volk könnte aus Ver-
zweiflung hierüber zum Kriege
gedrängt werden.
Schließlich versprach der
Großvezier, der heutige Ministerrat werde die Frage
beraten.

"Ikdam" meldet,
Nenadovic habe gestern dem Großvezier erklärt, die
territorialen Entschädigungen, welche Serbien reklamiere,
beträfen nicht Oesterreich-Ungarn.

Nenadovic dementierte dies.

"Sabah" meldet: Die
Pforte hat dem Kriegsministerium mitgeteilt, Serbien
und Montenegro hätten Versicherungen gegeben,
daß die außerordentlichen Kriegsvorbereitungen nicht
gegen die Türkei
gerichtet seien.

Montenegrinische Reklamationen.

Das Amtsblatt bespricht in
einem Leitartikel das zwischen Oesterreich-Ungarn und
der Türkei bezüglich Bosniens und der Herzegovina zu-
standegekommene Uebereinkommen. In dem Artikel
heißt es unter anderem: Wir überlassen den Mächten
das Urteil darüber, ob es einem Mandatar gestattet ist,
sich dasjenige, was ihm anvertraut ist, anzueignen. Wir
stellen jedoch im gegenwärtigen Augenblick fest, daß die
Mächte auf dem Berliner Kongreß Oesterreich-Ungarn
Bosnien und die Herzegovina anvertrauten, um diese
Länder zu verwalten, in einem Zeitpunkte, wo diese
Provinzen ein Streitobjekt zwischen den
serbischen Fürstentümern und der
Türkei
bildeten, wodurch also dieser Streit
unbeendet blieb. Infolgedessen ist nach
dem nunmehr erzielten Uebereinkommen mit der
Türkei Oesterreich-Ungarn an den Platz des türkischen
Reiches in diesem noch nicht beendeten
Streite
gegen die serbischen Staaten getreten und
Oesterreich-Ungarn daher durch das erwähnte Ueber-
einkommen nicht Eigentümer, sondern nur Partei gegen
die serbischen Staaten geworden. Diese Feststellung
zwingt sich uns durch das Jubelgeschrei der öster-
reichischen und der ungarischen Presse nach der Unter-
zeichnung des Uebereinkommens mit der Türkei auf.
Sie wollen uns glauben machen, daß nunmehr auf
Seiten Oesterreich-Ungarns in der bosnisch-herzego-
vinischen Frage sich nicht nur die Macht, sondern auch
das Recht befindet, womit sie zugeben, daß vor dem
Uebereinkommen Oesterreich-Ungarn kein Recht zur
Annexion hatte. Welcher Art dieses Recht aber war,
das ist hinreichend durch unsere vorhergehenden Be-
merkungen erhärtet.





Katzbalgereien abholden Sinn des Verfassers, kennt auch
jene großzügige Vergangenheit und Gegenwart umfassende,
echt katholische Weltauffassung und männlich-reife Lebens-
anschauung, deren Geist auch über diesem 2. Bande
schwebt.

Was ich aber bereits bei der Besprechung des
1. Bandes in diesen Blättern erwähnt, muß ich wieder-
holen: Spazierwege sind es nicht immer, die uns der
Verfasser führt; auch hier verlangt die spekulative
Begründung oft geistige Kletterübungen. Schindler
hat außerdem lieber harten Felsen- als blumigen
Wiesengrund unter den Füßen, er führt sichere,
aber nicht eben bequeme Pfade, kurz gesagt: nicht immer
der Stil der Schule, aber immer der Stil des Gelehrten.
Darf ich die Sätze mit Schritten vergleichen, so möchte ich
sagen: nicht selten lange Schritte bei viel Gepäck.

Schon in diesem Teile der speziellen Moraltheologie
begegnet uns speziell österreichischer Brauch und Sitte;
österreichisches Zivil- und Strafrecht wird als Berater an-
gezogen. Das wird im zweiten (Schluß) Teil noch viel
häufiger der Fall sein, gerade dieser Teil geht uns Oester-
reichern in deutscher Sprache ab. Der hochwürdige Ver-
fasser darf uns diesen Teil, wohin immer sein Lebensweg
ihn führen mag, nicht schuldig bleiben, wir freuen uns
darauf ganz besonders; er wird die Freude und den Dank
besonders der österreichischen Theologiebeflissenen gegen den
Verfasser dieses gründlichen moraltheologischen Lehrbuches
voll machen.




Neu eingelaufene Bücher.

Logik und Noetik. Ein Leitfaden für akademische
Vorlesungen sowie zum Selbstunterricht. Von Dr. G. Hage-
mann, weiland Professor der Philosophie an der Akademie zu
Münster. Achte Auflage, durchgesehen und stellenweise neu be-
arbeitet von Dr. Ad. Dyroff, Professor an der Universität
Bonn. Verlag Herder, Freiburg. Preis broschiert Mark 3.40, ge-
bunden Mark 4.--.

Deutsch-österreichische Klassiker Biblio-
thek.
7. Band. Adalbert Stifter. Ausgewählte Werke. Heraus-
gegeben und mit Einleitung versehen von Dr. Otto Rommel;
8. Band. Anastasius Grün. Ausgewählte Werke. Herausgegeben,
mit Einleitung versehen von Dr. Otto Rommel. Elegante Aus-
stattung. Verlag Prochaska, Teschen.

Die Höflich keit. Zwanzig Konferenzen, den Zög-
lingen des bischöflichen Konvikts zu Luxemburg gehalten von
Johann Bernhard Krier. Verlag Herder, Freiburg. Preis
broschiert Mark 1.--, gebunden Mark 1.60.

Galileo Galilei und das kopernikanische
Weltsystem.
Von Adolf Müller S. J. Professor der Astro-
nomie und höheren Mathematik an der Gregorianischen Uni-
versität und Direktor der Sternwarte auf dem Janikulum zu
Rom. Verlag Herder, Freiburg. Preis broschiert Mark 3.40.


[Spaltenumbruch]
Die Haltung der Mächte.
Blätterstimmen zur Intervention des Grasen
Forgach.

(Privattelegramm.) Die gesamte
Presse beschäftigt sich fortgesetzt mit dem Schritte des
österreichisch-ungarischen Gesandten Grafen Forgach
in Belgrad und gibt ihrer Ueberzeugung dahin
Ausdruck, daß Serbien nunmehr zur Vernunft kommen
und die ihm dargebotene Hand nicht zurückweisen werde.

Zu dem gestrigen Schritte des
österreichisch-ungarischen Gesandten in Belgrad bemerkt
die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung":
"Zweifellos ist dieser versöhnliche Schritt der
österreichisch-ungarischen Politik ein Beweis des Ent-
gegenkommens. Er zeigt aufs neue, wie unbegründet
die von russischen, englischen, franzö-
sischen und leider auch einigen deut-
schen Zeitungen erhobenen Klagen

über eine angebliche Intransigenz des Wiener
Kabinetts sind.
Wir können nur wünschen, daß
Serbien die ihm gebotene Hand ergreift. Die allgemeine
Lage würde damit eine Erleichterung erfahren, was umso
mehr zu begrüßen wäre, als sie bis zur Stunde noch
immer unter dem Mangel an Klarheit über die wirklichen
Absichten der serbischen Staatsmänner gelitten hat.

Der "Temps" bespricht den
gestrigen Schritt des österreichisch-ungarischen Gesandten
in Belgrad und sagt, man dürfe darin weder ein
Ultimatum, noch eine Bedrohung,
noch eine Falle erblicken.
Es scheine
vielmehr, daß Freiherr von Aehrenthal aufrichtig
seinen Teil zur Erzielung einer Verständigung
beitragen wolle. Serbien, welches durch den Verzicht
auf seine ungerechten Forderungen die
Sympathie Europas wiedergewonnen habe, sollte die
Interessen Oesterreich-Ungarns in Erwägung ziehen.

Der "Slowo" bespricht
in einem Leitartikel die Balkankrise und sagt, dieselbe habe
jetzt die Grenzen des Möglichen erreicht. Es
obliegt dem Konzert der Mächte, Oesterreich-Ungarn und
Serbien zu einem Kompromiß zu veranlassen.

"Rjetsch" betont die Notwendigkeit einer Einfluß-
nahme der Mächte auf Oesterreich-Ungarn.

(Privattelegramm.) Die
hiesigen Blätter wenden sich in auffälliger Weise
gegen Frankreich und werfen den für die aus-
wärtige Politik verantwortlichen Faktoren eine be-
denkliche Annäherung an den Dreibund
vor. Auch in den hiesigen politischen Kreisen macht sich
ein gewisses Unbehagen über die Oesterreich-Ungarn
freundliche Haltung der französischen Politik maßgebend.




Politische Rundschau.
Oesterreich-Ungarn.


Zu den Salzburger Wahlen wird uns aus
Salzurg geschrieben: Während die Deutschfreisinnigen
-- Altliberale, Deutsche Volkspartei, Deutschradikale
und Alldeutsche -- sich noch nicht über ein gemeinsames
Vorgehen "gegen Schwarz und Rot" einigen konnten,
weil von den Alldeutschen und von der freisinnigen
Beamtenschaft hauptsächlich eine Kandidatur des bis-
herigen Landesausschusses Dr. Stölzl entschieden
bekämpft wird, haben die Sozialdemokraten ihre
Kandidatenliste für die sechs Mandate der vierten Kurie
bekanntgegeben. Da sie den Christlichsozialen Arbeiter-
feindlichkeit vorwarfen, weil diese angeblich nur einen
Arbeiter unter ihren Kandidaten hätten, nämlich den
Fabriksarbeiter Mühlmann von Lend, war man
gespannt, wie viel Arbeiter denn auf der sozialdemokratischen
Liste stehen würden. Hier die Liste: Privatbeamter und
Gewerkschaftssekretär Proksch, Redakteur und Sekretär
Preußler, Sekretär Kloitschnig, Gutsbesitzer Reischl,
Grundbesitzer und Gemeindevorsteher. Viehauser und
Eisenbahnkondukteur Ramsauer. Nun sind zwar die drei
Erstgenannten einmal Arbeiter gewesen, es ist
freilich schon lange her; wenn die Sozialdemokraten
aber die christlichsozialen Kandidaten Baldinger,
der es aus einem Arbeiter zum Kleingewerbetreibenden,
und Rainer, der es aus einem Holzknecht zum Ge-
meindeschreiber gebracht hat, nicht als Arbeitervertreter
gelten lassen wollen, so müssen sie auch ihren drei
Parteibeamten diesen Ehrentitel absprechen. -- Die so-
genannten "deutschen Arbeiter", eine vom Abg. Doktor
Stölzl im Vereine mit dem italienischen
Maurermeister Crozzoli ins Leben gerufene
"gelbe" Organisation, die hauptsächlich in Maxglan
einigen Anhang hat, kandidieren im Wahlbezirke Stadt
Salzburg der vierten Kurie ihren Führer Sindinger,
der natürlich nicht die geringste Aussicht gewählt zu
werden hat. Aus dieser Kandidatur können die soge-
nannten "deutschen" Arbeiter die praktische Arbeiter-
freundlichkeit der Deutschfreisinnigen erkennen: während
die Christlichsozialen ihrer organisierten Arbeiterschaft
drei sichere Mandate einräumen (Neureiter, Mühl-
mann, Rainer), lassen die Deutschfreisinnigen ihren
"Arbeiterführer" in einem sicheren Durchfallsbezirke
kandidieren. Zur Charakterisierung dieser "deutschen
Arbeiter" mag noch angeführt werden, daß
ihre Wortführer in einer Vertrauensmännerversamm-
lung aller Deutschfreisinnigen bittere Beschwerde führten,
daß man sie nicht zum -- -- antiklerikalen
Kartell zugelassen
habe, weil nämlich die
Sozialdemokraten gegen ihren Eintritt ein Veto eingelegt
[Spaltenumbruch] hätten. Als ob das Heil der "deutschen Arbeiter" von
der offiziellen Teilnahme an der Religionshetze abhänge! --
Die Chistlichsozialen Salzburgs haben
für die Gemeinderatswahl im dritten Wahlkörper das
ihnen vom deutschnationalen Bürgerklub angebotene
Wahlkompromiß angenommen, und da auch
der etwas weiter links stehende Wirtschaftsklub sich
diesem Kompromiß angeschlossen hat, so stehen
wir vor der erfreulichen Tatsache, daß die
drei bürgerlichen Parteien geschlossen gegen
den Ansturm der Sozialdemokraten vorgehen. Ein gutes
Zeichen für die Zukunft. Von den fünf zu vergebenden
Mandaten erhalten die Christlichsozialen
zwei,
der Bürgerklub ebenfalls zwei und der Wirt-
schaftsklub eins. Darin tritt die Erstarknng der christlich-
sozialen Partei, welche bisher nur einen Vertreter im
Gemeinderate hatte, deutlich hervor. Ihre Kandidaten
sind die bekannten Parteigenossen Dochterzeuger Bal-
dinger
und Färbermeister Preis, beide aus den
christlichen Arbeiterorganisationen hervorgegangen. Die
Kandidaten des Bürgerklubs sind Gastwirt Haubner und
Gärtner Christanell, der Kandidat der Wirtschaftspartei
ist Buchhändler Winber.

Eine interessante Rede des Exministers
Abg. Dr. Pacak.

Der ehemalige tschechische Lands-
mannminister Abg. Dr. Pacak hat gestern in
Brandeis a. D. in einer Wählerversammlung eine
Rede gehalten, deren Zweck anscheinend war, die
tschechische Oeffentlichkeit für eine Taktik zu gewinnen,
die ein Zusammenge hen aller Slaven im Parlamente
erm ögliche. Die Rede enthält einige sehr interessante
Stellen, die verdienen, dem Gedächtnisse eingeprägt zu
werden. Abg. Dr. Pacak besprach zunächst die Politik
des Kabinetts Baron Beck, dessen Chef den
Tschechen durchaus günstig gesinnt gewesen sei.
Pacak bedauerte den Sturz dieses Kabinetts:
Es sei schade, daß "seine (Baron Becks)
Politik im Interesse des Reiches fowie im Interesse der
Dynastie kein größeres Verständnis und keine größere
Unterstützung an den kompetenten
Stellen und bei verschiedeuen Faktoren gefunden hat,
die sonst nicht genug mit ihrem ,Patriotismus' prahlen
können." Dr. Pacak würdigte dann das gegenwärtige
Kabinett, dem die "wirklichen Feinde des tschechischen
Volkes", Baron Haerdtl und Dr. v. Hochen-
burger,
angehören und verwies dann auf die Grün-
dung der Slavischen Vereinigung. Ein grelles
Streiflicht auf das Verhältnis der Sozialdemo-
kraten zu den Parlamentszertrümmerern wirft folgende
Aeußerung Pacaks: "Neben dieser slavischen Union
sind da aber noch die tschechischen Sozialdemo-
kraten,
welche unter der Elementargewalt des tschechi-
schen Volkes gezwungen sein werden, die slavische Union
in alltschechischen Fragen zu unter-
stützen.
" Zwischen Choc und Nemec und zwischen
ihren beiden Gruppen besteht eben die engste Ge-
sinnungsverwandtschaft und da die Adlergruppe der
Sozialdemokraten ganz im Banne der Nemecgruppe
steht, ist das mehr als seltsame Verhalten der Sozial-
demokraten zu den tschechischen Nebelhornbläsern ver-
ständlich. Dr. Pacak suchte in seiner Rede auch die
Ruthenen und Polen durch allerlei Schmeicheleien
für das allslavische Projekt zu gewinnen. Von den
Ruthenen sagte er, er sei "fest überzeugt, und die Zu-
kunft werde es beweisen, daß in dem Augenblicke, in
welchem wirklich die Würfel fallen werden und in
dem es sich wirklich um die Sache aller
Slaven handeln werde,
die Ruthenen
wie ein Mann hier sein werden, damit
sie der Stimme ihres Herzens und der der
großen slavischen Familie Oesterreichs folgen." Demnach
handelt es sich also derzeit nicht wirklich um die
Sache aller Slaven, was wiederholt von tschechischer
und auch südslavischer Seite behauptet worden ist.
Schließlich forderte Pazak die tschechische Journalistik
auf, nicht eine Taktik nur mit Rücksicht auf die Interessen
irgend einer tschechischen Partei zu diktieren. Es müsse
vielmehr eine Taktik gewählt werden, die allen slavischen
Parteien das Mittun ermögliche. Deshalb gedenken die
vereinigten tschechischen Klubs sowie auch die Slavische
Union, so weit ihnen die Unterstützung aller Slaven
verbürgt ist, behufs Erlangung ihrer berechtigten Wünsche
vorläufig nicht zu den schärfsten parlamentarischen
Waffen, zur Obstruktion, zu greifen; die tschechische
Delegation würde nur dann zur Obstruktion greifen,
wenn sie isoliert wäre und wenn jemand einen Versuch
mit der klaren Tendenz wagen sollte, gegen die Tschechen
zu regieren.

Die Tschechischradikalen und das Rekruten-
kontingentsgesetz.

Aus Prag, 7. d., wird uns
berichtet: Das Exekutivkomitee der Tschechischradilalen
beschloß heute in Anwesenheit der Abgeordneten Hejn,
Hubka und Baxa die tschechischradikalen Abgeordneten
aufzufordern, sowohl die Sprachenvorlagen als das
Rekrutenkontingent und die Annexionsvorlage mit allen
Mitteln zu verhindern. Der tschechischradikale staatsrecht-
liche Partei erwartet, daß auch die anderen tschechischen
Abgeordneten einig mit den tschechischen Staatsrechtlern
vorgehen werden. Die Partei protestierte gegen die
Kriegsgefahr (ob dieser "Protest" auf die Kriegsgefahr
wohl einen großen Eindruck machen wird? D. R.) die
durch die Annexion heraufbeschworen worden sei und
begrüßte die allslavische Einigkeit. -- Der Appell an
"die anderen tschechischen Abgeordneten" und an "die
allslavische Einigkeit", da die Tschechischradikalen durch
ihren Beschluß vorgreifen, ist wohl nur taktische Rück-
zugsdeckung. Die Herren Choc und Baxa wollen sich auf

Nr. 67 Wien, Montag Reichspoſt 8. März 1909.

[Spaltenumbruch]

mühung der Pforte für die Erhaltung des Friedens in
Betracht zieht, iſt es unmöglich zu leugnen, daß dieſer
Beſchluß gerecht iſt!

Gegenüber dieſen Angaben der „Jeni Gazetta“ erklärt
man auf ſerbiſcher Seite, daß der Großvezier geſtern
zwar geſagt hat, er wolle das Verſprechen der
früheren Regierung möglichſt einhalten, müſſe
aber auf der Empfindlichkeit Oeſterreich-Ungarns
Rechnung trugen, worauf Nenadovic darauf hinwies,
welche gefährliche Konſequenzen eine ſolche Abſperrung
Serbiens für die Erhaltung des Friedens haben könnte.
Das ſerbiſche Volk könnte aus Ver-
zweiflung hierüber zum Kriege
gedrängt werden.
Schließlich verſprach der
Großvezier, der heutige Miniſterrat werde die Frage
beraten.

„Ikdam“ meldet,
Nenadovic habe geſtern dem Großvezier erklärt, die
territorialen Entſchädigungen, welche Serbien reklamiere,
beträfen nicht Oeſterreich-Ungarn.

Nenadovic dementierte dies.

„Sabah“ meldet: Die
Pforte hat dem Kriegsminiſterium mitgeteilt, Serbien
und Montenegro hätten Verſicherungen gegeben,
daß die außerordentlichen Kriegsvorbereitungen nicht
gegen die Türkei
gerichtet ſeien.

Montenegriniſche Reklamationen.

Das Amtsblatt beſpricht in
einem Leitartikel das zwiſchen Oeſterreich-Ungarn und
der Türkei bezüglich Bosniens und der Herzegovina zu-
ſtandegekommene Uebereinkommen. In dem Artikel
heißt es unter anderem: Wir überlaſſen den Mächten
das Urteil darüber, ob es einem Mandatar geſtattet iſt,
ſich dasjenige, was ihm anvertraut iſt, anzueignen. Wir
ſtellen jedoch im gegenwärtigen Augenblick feſt, daß die
Mächte auf dem Berliner Kongreß Oeſterreich-Ungarn
Bosnien und die Herzegovina anvertrauten, um dieſe
Länder zu verwalten, in einem Zeitpunkte, wo dieſe
Provinzen ein Streitobjekt zwiſchen den
ſerbiſchen Fürſtentümern und der
Türkei
bildeten, wodurch alſo dieſer Streit
unbeendet blieb. Infolgedeſſen iſt nach
dem nunmehr erzielten Uebereinkommen mit der
Türkei Oeſterreich-Ungarn an den Platz des türkiſchen
Reiches in dieſem noch nicht beendeten
Streite
gegen die ſerbiſchen Staaten getreten und
Oeſterreich-Ungarn daher durch das erwähnte Ueber-
einkommen nicht Eigentümer, ſondern nur Partei gegen
die ſerbiſchen Staaten geworden. Dieſe Feſtſtellung
zwingt ſich uns durch das Jubelgeſchrei der öſter-
reichiſchen und der ungariſchen Preſſe nach der Unter-
zeichnung des Uebereinkommens mit der Türkei auf.
Sie wollen uns glauben machen, daß nunmehr auf
Seiten Oeſterreich-Ungarns in der bosniſch-herzego-
viniſchen Frage ſich nicht nur die Macht, ſondern auch
das Recht befindet, womit ſie zugeben, daß vor dem
Uebereinkommen Oeſterreich-Ungarn kein Recht zur
Annexion hatte. Welcher Art dieſes Recht aber war,
das iſt hinreichend durch unſere vorhergehenden Be-
merkungen erhärtet.





Katzbalgereien abholden Sinn des Verfaſſers, kennt auch
jene großzügige Vergangenheit und Gegenwart umfaſſende,
echt katholiſche Weltauffaſſung und männlich-reife Lebens-
anſchauung, deren Geiſt auch über dieſem 2. Bande
ſchwebt.

Was ich aber bereits bei der Beſprechung des
1. Bandes in dieſen Blättern erwähnt, muß ich wieder-
holen: Spazierwege ſind es nicht immer, die uns der
Verfaſſer führt; auch hier verlangt die ſpekulative
Begründung oft geiſtige Kletterübungen. Schindler
hat außerdem lieber harten Felſen- als blumigen
Wieſengrund unter den Füßen, er führt ſichere,
aber nicht eben bequeme Pfade, kurz geſagt: nicht immer
der Stil der Schule, aber immer der Stil des Gelehrten.
Darf ich die Sätze mit Schritten vergleichen, ſo möchte ich
ſagen: nicht ſelten lange Schritte bei viel Gepäck.

Schon in dieſem Teile der ſpeziellen Moraltheologie
begegnet uns ſpeziell öſterreichiſcher Brauch und Sitte;
öſterreichiſches Zivil- und Strafrecht wird als Berater an-
gezogen. Das wird im zweiten (Schluß) Teil noch viel
häufiger der Fall ſein, gerade dieſer Teil geht uns Oeſter-
reichern in deutſcher Sprache ab. Der hochwürdige Ver-
faſſer darf uns dieſen Teil, wohin immer ſein Lebensweg
ihn führen mag, nicht ſchuldig bleiben, wir freuen uns
darauf ganz beſonders; er wird die Freude und den Dank
beſonders der öſterreichiſchen Theologiebefliſſenen gegen den
Verfaſſer dieſes gründlichen moraltheologiſchen Lehrbuches
voll machen.




Neu eingelaufene Bücher.

Logik und Noetik. Ein Leitfaden für akademiſche
Vorleſungen ſowie zum Selbſtunterricht. Von Dr. G. Hage-
mann, weiland Profeſſor der Philoſophie an der Akademie zu
Münſter. Achte Auflage, durchgeſehen und ſtellenweiſe neu be-
arbeitet von Dr. Ad. Dyroff, Profeſſor an der Univerſität
Bonn. Verlag Herder, Freiburg. Preis broſchiert Mark 3.40, ge-
bunden Mark 4.—.

Deutſch-öſterreichiſche Klaſſiker Biblio-
thek.
7. Band. Adalbert Stifter. Ausgewählte Werke. Heraus-
gegeben und mit Einleitung verſehen von Dr. Otto Rommel;
8. Band. Anaſtaſius Grün. Ausgewählte Werke. Herausgegeben,
mit Einleitung verſehen von Dr. Otto Rommel. Elegante Aus-
ſtattung. Verlag Prochaska, Teſchen.

Die Höflich keit. Zwanzig Konferenzen, den Zög-
lingen des biſchöflichen Konvikts zu Luxemburg gehalten von
Johann Bernhard Krier. Verlag Herder, Freiburg. Preis
broſchiert Mark 1.—, gebunden Mark 1.60.

Galileo Galilei und das kopernikaniſche
Weltſyſtem.
Von Adolf Müller S. J. Profeſſor der Aſtro-
nomie und höheren Mathematik an der Gregorianiſchen Uni-
verſität und Direktor der Sternwarte auf dem Janikulum zu
Rom. Verlag Herder, Freiburg. Preis broſchiert Mark 3.40.


[Spaltenumbruch]
Die Haltung der Mächte.
Blätterſtimmen zur Intervention des Graſen
Forgach.

(Privattelegramm.) Die geſamte
Preſſe beſchäftigt ſich fortgeſetzt mit dem Schritte des
öſterreichiſch-ungariſchen Geſandten Grafen Forgach
in Belgrad und gibt ihrer Ueberzeugung dahin
Ausdruck, daß Serbien nunmehr zur Vernunft kommen
und die ihm dargebotene Hand nicht zurückweiſen werde.

Zu dem geſtrigen Schritte des
öſterreichiſch-ungariſchen Geſandten in Belgrad bemerkt
die „Norddeutſche Allgemeine Zeitung“:
„Zweifellos iſt dieſer verſöhnliche Schritt der
öſterreichiſch-ungariſchen Politik ein Beweis des Ent-
gegenkommens. Er zeigt aufs neue, wie unbegründet
die von ruſſiſchen, engliſchen, franzö-
ſiſchen und leider auch einigen deut-
ſchen Zeitungen erhobenen Klagen

über eine angebliche Intranſigenz des Wiener
Kabinetts ſind.
Wir können nur wünſchen, daß
Serbien die ihm gebotene Hand ergreift. Die allgemeine
Lage würde damit eine Erleichterung erfahren, was umſo
mehr zu begrüßen wäre, als ſie bis zur Stunde noch
immer unter dem Mangel an Klarheit über die wirklichen
Abſichten der ſerbiſchen Staatsmänner gelitten hat.

Der „Temps“ beſpricht den
geſtrigen Schritt des öſterreichiſch-ungariſchen Geſandten
in Belgrad und ſagt, man dürfe darin weder ein
Ultimatum, noch eine Bedrohung,
noch eine Falle erblicken.
Es ſcheine
vielmehr, daß Freiherr von Aehrenthal aufrichtig
ſeinen Teil zur Erzielung einer Verſtändigung
beitragen wolle. Serbien, welches durch den Verzicht
auf ſeine ungerechten Forderungen die
Sympathie Europas wiedergewonnen habe, ſollte die
Intereſſen Oeſterreich-Ungarns in Erwägung ziehen.

Der „Slowo“ beſpricht
in einem Leitartikel die Balkankriſe und ſagt, dieſelbe habe
jetzt die Grenzen des Möglichen erreicht. Es
obliegt dem Konzert der Mächte, Oeſterreich-Ungarn und
Serbien zu einem Kompromiß zu veranlaſſen.

„Rjetſch“ betont die Notwendigkeit einer Einfluß-
nahme der Mächte auf Oeſterreich-Ungarn.

(Privattelegramm.) Die
hieſigen Blätter wenden ſich in auffälliger Weiſe
gegen Frankreich und werfen den für die aus-
wärtige Politik verantwortlichen Faktoren eine be-
denkliche Annäherung an den Dreibund
vor. Auch in den hieſigen politiſchen Kreiſen macht ſich
ein gewiſſes Unbehagen über die Oeſterreich-Ungarn
freundliche Haltung der franzöſiſchen Politik maßgebend.




Politiſche Rundſchau.
Oeſterreich-Ungarn.


Zu den Salzburger Wahlen wird uns aus
Salzurg geſchrieben: Während die Deutſchfreiſinnigen
— Altliberale, Deutſche Volkspartei, Deutſchradikale
und Alldeutſche — ſich noch nicht über ein gemeinſames
Vorgehen „gegen Schwarz und Rot“ einigen konnten,
weil von den Alldeutſchen und von der freiſinnigen
Beamtenſchaft hauptſächlich eine Kandidatur des bis-
herigen Landesausſchuſſes Dr. Stölzl entſchieden
bekämpft wird, haben die Sozialdemokraten ihre
Kandidatenliſte für die ſechs Mandate der vierten Kurie
bekanntgegeben. Da ſie den Chriſtlichſozialen Arbeiter-
feindlichkeit vorwarfen, weil dieſe angeblich nur einen
Arbeiter unter ihren Kandidaten hätten, nämlich den
Fabriksarbeiter Mühlmann von Lend, war man
geſpannt, wie viel Arbeiter denn auf der ſozialdemokratiſchen
Liſte ſtehen würden. Hier die Liſte: Privatbeamter und
Gewerkſchaftsſekretär Prokſch, Redakteur und Sekretär
Preußler, Sekretär Kloitſchnig, Gutsbeſitzer Reiſchl,
Grundbeſitzer und Gemeindevorſteher. Viehauſer und
Eiſenbahnkondukteur Ramſauer. Nun ſind zwar die drei
Erſtgenannten einmal Arbeiter geweſen, es iſt
freilich ſchon lange her; wenn die Sozialdemokraten
aber die chriſtlichſozialen Kandidaten Baldinger,
der es aus einem Arbeiter zum Kleingewerbetreibenden,
und Rainer, der es aus einem Holzknecht zum Ge-
meindeſchreiber gebracht hat, nicht als Arbeitervertreter
gelten laſſen wollen, ſo müſſen ſie auch ihren drei
Parteibeamten dieſen Ehrentitel abſprechen. — Die ſo-
genannten „deutſchen Arbeiter“, eine vom Abg. Doktor
Stölzl im Vereine mit dem italieniſchen
Maurermeiſter Crozzoli ins Leben gerufene
„gelbe“ Organiſation, die hauptſächlich in Maxglan
einigen Anhang hat, kandidieren im Wahlbezirke Stadt
Salzburg der vierten Kurie ihren Führer Sindinger,
der natürlich nicht die geringſte Ausſicht gewählt zu
werden hat. Aus dieſer Kandidatur können die ſoge-
nannten „deutſchen“ Arbeiter die praktiſche Arbeiter-
freundlichkeit der Deutſchfreiſinnigen erkennen: während
die Chriſtlichſozialen ihrer organiſierten Arbeiterſchaft
drei ſichere Mandate einräumen (Neureiter, Mühl-
mann, Rainer), laſſen die Deutſchfreiſinnigen ihren
„Arbeiterführer“ in einem ſicheren Durchfallsbezirke
kandidieren. Zur Charakteriſierung dieſer „deutſchen
Arbeiter“ mag noch angeführt werden, daß
ihre Wortführer in einer Vertrauensmännerverſamm-
lung aller Deutſchfreiſinnigen bittere Beſchwerde führten,
daß man ſie nicht zum — — antiklerikalen
Kartell zugelaſſen
habe, weil nämlich die
Sozialdemokraten gegen ihren Eintritt ein Veto eingelegt
[Spaltenumbruch] hätten. Als ob das Heil der „deutſchen Arbeiter“ von
der offiziellen Teilnahme an der Religionshetze abhänge! —
Die Chiſtlichſozialen Salzburgs haben
für die Gemeinderatswahl im dritten Wahlkörper das
ihnen vom deutſchnationalen Bürgerklub angebotene
Wahlkompromiß angenommen, und da auch
der etwas weiter links ſtehende Wirtſchaftsklub ſich
dieſem Kompromiß angeſchloſſen hat, ſo ſtehen
wir vor der erfreulichen Tatſache, daß die
drei bürgerlichen Parteien geſchloſſen gegen
den Anſturm der Sozialdemokraten vorgehen. Ein gutes
Zeichen für die Zukunft. Von den fünf zu vergebenden
Mandaten erhalten die Chriſtlichſozialen
zwei,
der Bürgerklub ebenfalls zwei und der Wirt-
ſchaftsklub eins. Darin tritt die Erſtarknng der chriſtlich-
ſozialen Partei, welche bisher nur einen Vertreter im
Gemeinderate hatte, deutlich hervor. Ihre Kandidaten
ſind die bekannten Parteigenoſſen Dochterzeuger Bal-
dinger
und Färbermeiſter Preis, beide aus den
chriſtlichen Arbeiterorganiſationen hervorgegangen. Die
Kandidaten des Bürgerklubs ſind Gaſtwirt Haubner und
Gärtner Chriſtanell, der Kandidat der Wirtſchaftspartei
iſt Buchhändler Winber.

Eine intereſſante Rede des Exminiſters
Abg. Dr. Pacak.

Der ehemalige tſchechiſche Lands-
mannminiſter Abg. Dr. Pacak hat geſtern in
Brandeis a. D. in einer Wählerverſammlung eine
Rede gehalten, deren Zweck anſcheinend war, die
tſchechiſche Oeffentlichkeit für eine Taktik zu gewinnen,
die ein Zuſammenge hen aller Slaven im Parlamente
erm ögliche. Die Rede enthält einige ſehr intereſſante
Stellen, die verdienen, dem Gedächtniſſe eingeprägt zu
werden. Abg. Dr. Pacak beſprach zunächſt die Politik
des Kabinetts Baron Beck, deſſen Chef den
Tſchechen durchaus günſtig geſinnt geweſen ſei.
Pacak bedauerte den Sturz dieſes Kabinetts:
Es ſei ſchade, daß „ſeine (Baron Becks)
Politik im Intereſſe des Reiches fowie im Intereſſe der
Dynaſtie kein größeres Verſtändnis und keine größere
Unterſtützung an den kompetenten
Stellen und bei verſchiedeuen Faktoren gefunden hat,
die ſonſt nicht genug mit ihrem ‚Patriotismus‘ prahlen
können.“ Dr. Pacak würdigte dann das gegenwärtige
Kabinett, dem die „wirklichen Feinde des tſchechiſchen
Volkes“, Baron Haerdtl und Dr. v. Hochen-
burger,
angehören und verwies dann auf die Grün-
dung der Slaviſchen Vereinigung. Ein grelles
Streiflicht auf das Verhältnis der Sozialdemo-
kraten zu den Parlamentszertrümmerern wirft folgende
Aeußerung Pacaks: „Neben dieſer ſlaviſchen Union
ſind da aber noch die tſchechiſchen Sozialdemo-
kraten,
welche unter der Elementargewalt des tſchechi-
ſchen Volkes gezwungen ſein werden, die ſlaviſche Union
in alltſchechiſchen Fragen zu unter-
ſtützen.
“ Zwiſchen Choc und Nemec und zwiſchen
ihren beiden Gruppen beſteht eben die engſte Ge-
ſinnungsverwandtſchaft und da die Adlergruppe der
Sozialdemokraten ganz im Banne der Nemecgruppe
ſteht, iſt das mehr als ſeltſame Verhalten der Sozial-
demokraten zu den tſchechiſchen Nebelhornbläſern ver-
ſtändlich. Dr. Pacak ſuchte in ſeiner Rede auch die
Ruthenen und Polen durch allerlei Schmeicheleien
für das allſlaviſche Projekt zu gewinnen. Von den
Ruthenen ſagte er, er ſei „feſt überzeugt, und die Zu-
kunft werde es beweiſen, daß in dem Augenblicke, in
welchem wirklich die Würfel fallen werden und in
dem es ſich wirklich um die Sache aller
Slaven handeln werde,
die Ruthenen
wie ein Mann hier ſein werden, damit
ſie der Stimme ihres Herzens und der der
großen ſlaviſchen Familie Oeſterreichs folgen.“ Demnach
handelt es ſich alſo derzeit nicht wirklich um die
Sache aller Slaven, was wiederholt von tſchechiſcher
und auch ſüdſlaviſcher Seite behauptet worden iſt.
Schließlich forderte Pazak die tſchechiſche Journaliſtik
auf, nicht eine Taktik nur mit Rückſicht auf die Intereſſen
irgend einer tſchechiſchen Partei zu diktieren. Es müſſe
vielmehr eine Taktik gewählt werden, die allen ſlaviſchen
Parteien das Mittun ermögliche. Deshalb gedenken die
vereinigten tſchechiſchen Klubs ſowie auch die Slaviſche
Union, ſo weit ihnen die Unterſtützung aller Slaven
verbürgt iſt, behufs Erlangung ihrer berechtigten Wünſche
vorläufig nicht zu den ſchärfſten parlamentariſchen
Waffen, zur Obſtruktion, zu greifen; die tſchechiſche
Delegation würde nur dann zur Obſtruktion greifen,
wenn ſie iſoliert wäre und wenn jemand einen Verſuch
mit der klaren Tendenz wagen ſollte, gegen die Tſchechen
zu regieren.

Die Tſchechiſchradikalen und das Rekruten-
kontingentsgeſetz.

Aus Prag, 7. d., wird uns
berichtet: Das Exekutivkomitee der Tſchechiſchradilalen
beſchloß heute in Anweſenheit der Abgeordneten Hejn,
Hubka und Baxa die tſchechiſchradikalen Abgeordneten
aufzufordern, ſowohl die Sprachenvorlagen als das
Rekrutenkontingent und die Annexionsvorlage mit allen
Mitteln zu verhindern. Der tſchechiſchradikale ſtaatsrecht-
liche Partei erwartet, daß auch die anderen tſchechiſchen
Abgeordneten einig mit den tſchechiſchen Staatsrechtlern
vorgehen werden. Die Partei proteſtierte gegen die
Kriegsgefahr (ob dieſer „Proteſt“ auf die Kriegsgefahr
wohl einen großen Eindruck machen wird? D. R.) die
durch die Annexion heraufbeſchworen worden ſei und
begrüßte die allſlaviſche Einigkeit. — Der Appell an
„die anderen tſchechiſchen Abgeordneten“ und an „die
allſlaviſche Einigkeit“, da die Tſchechiſchradikalen durch
ihren Beſchluß vorgreifen, iſt wohl nur taktiſche Rück-
zugsdeckung. Die Herren Choc und Baxa wollen ſich auf

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[3/0003] Nr. 67 Wien, Montag Reichspoſt 8. März 1909. mühung der Pforte für die Erhaltung des Friedens in Betracht zieht, iſt es unmöglich zu leugnen, daß dieſer Beſchluß gerecht iſt! Gegenüber dieſen Angaben der „Jeni Gazetta“ erklärt man auf ſerbiſcher Seite, daß der Großvezier geſtern zwar geſagt hat, er wolle das Verſprechen der früheren Regierung möglichſt einhalten, müſſe aber auf der Empfindlichkeit Oeſterreich-Ungarns Rechnung trugen, worauf Nenadovic darauf hinwies, welche gefährliche Konſequenzen eine ſolche Abſperrung Serbiens für die Erhaltung des Friedens haben könnte. Das ſerbiſche Volk könnte aus Ver- zweiflung hierüber zum Kriege gedrängt werden. Schließlich verſprach der Großvezier, der heutige Miniſterrat werde die Frage beraten. Konſtantinopel, 7. März. „Ikdam“ meldet, Nenadovic habe geſtern dem Großvezier erklärt, die territorialen Entſchädigungen, welche Serbien reklamiere, beträfen nicht Oeſterreich-Ungarn. Nenadovic dementierte dies. Kouſtantinopel, 7. März. „Sabah“ meldet: Die Pforte hat dem Kriegsminiſterium mitgeteilt, Serbien und Montenegro hätten Verſicherungen gegeben, daß die außerordentlichen Kriegsvorbereitungen nicht gegen die Türkei gerichtet ſeien. Montenegriniſche Reklamationen. Cetinje, 6. März. Das Amtsblatt beſpricht in einem Leitartikel das zwiſchen Oeſterreich-Ungarn und der Türkei bezüglich Bosniens und der Herzegovina zu- ſtandegekommene Uebereinkommen. In dem Artikel heißt es unter anderem: Wir überlaſſen den Mächten das Urteil darüber, ob es einem Mandatar geſtattet iſt, ſich dasjenige, was ihm anvertraut iſt, anzueignen. Wir ſtellen jedoch im gegenwärtigen Augenblick feſt, daß die Mächte auf dem Berliner Kongreß Oeſterreich-Ungarn Bosnien und die Herzegovina anvertrauten, um dieſe Länder zu verwalten, in einem Zeitpunkte, wo dieſe Provinzen ein Streitobjekt zwiſchen den ſerbiſchen Fürſtentümern und der Türkei bildeten, wodurch alſo dieſer Streit unbeendet blieb. Infolgedeſſen iſt nach dem nunmehr erzielten Uebereinkommen mit der Türkei Oeſterreich-Ungarn an den Platz des türkiſchen Reiches in dieſem noch nicht beendeten Streite gegen die ſerbiſchen Staaten getreten und Oeſterreich-Ungarn daher durch das erwähnte Ueber- einkommen nicht Eigentümer, ſondern nur Partei gegen die ſerbiſchen Staaten geworden. Dieſe Feſtſtellung zwingt ſich uns durch das Jubelgeſchrei der öſter- reichiſchen und der ungariſchen Preſſe nach der Unter- zeichnung des Uebereinkommens mit der Türkei auf. Sie wollen uns glauben machen, daß nunmehr auf Seiten Oeſterreich-Ungarns in der bosniſch-herzego- viniſchen Frage ſich nicht nur die Macht, ſondern auch das Recht befindet, womit ſie zugeben, daß vor dem Uebereinkommen Oeſterreich-Ungarn kein Recht zur Annexion hatte. Welcher Art dieſes Recht aber war, das iſt hinreichend durch unſere vorhergehenden Be- merkungen erhärtet. Katzbalgereien abholden Sinn des Verfaſſers, kennt auch jene großzügige Vergangenheit und Gegenwart umfaſſende, echt katholiſche Weltauffaſſung und männlich-reife Lebens- anſchauung, deren Geiſt auch über dieſem 2. Bande ſchwebt. Was ich aber bereits bei der Beſprechung des 1. Bandes in dieſen Blättern erwähnt, muß ich wieder- holen: Spazierwege ſind es nicht immer, die uns der Verfaſſer führt; auch hier verlangt die ſpekulative Begründung oft geiſtige Kletterübungen. Schindler hat außerdem lieber harten Felſen- als blumigen Wieſengrund unter den Füßen, er führt ſichere, aber nicht eben bequeme Pfade, kurz geſagt: nicht immer der Stil der Schule, aber immer der Stil des Gelehrten. Darf ich die Sätze mit Schritten vergleichen, ſo möchte ich ſagen: nicht ſelten lange Schritte bei viel Gepäck. Schon in dieſem Teile der ſpeziellen Moraltheologie begegnet uns ſpeziell öſterreichiſcher Brauch und Sitte; öſterreichiſches Zivil- und Strafrecht wird als Berater an- gezogen. 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Heraus- gegeben und mit Einleitung verſehen von Dr. Otto Rommel; 8. Band. Anaſtaſius Grün. Ausgewählte Werke. Herausgegeben, mit Einleitung verſehen von Dr. Otto Rommel. Elegante Aus- ſtattung. Verlag Prochaska, Teſchen. Die Höflich keit. Zwanzig Konferenzen, den Zög- lingen des biſchöflichen Konvikts zu Luxemburg gehalten von Johann Bernhard Krier. Verlag Herder, Freiburg. Preis broſchiert Mark 1.—, gebunden Mark 1.60. Galileo Galilei und das kopernikaniſche Weltſyſtem. Von Adolf Müller S. J. Profeſſor der Aſtro- nomie und höheren Mathematik an der Gregorianiſchen Uni- verſität und Direktor der Sternwarte auf dem Janikulum zu Rom. Verlag Herder, Freiburg. Preis broſchiert Mark 3.40. Die Haltung der Mächte. Blätterſtimmen zur Intervention des Graſen Forgach. Berlin, 7. März. (Privattelegramm.) Die geſamte Preſſe beſchäftigt ſich fortgeſetzt mit dem Schritte des öſterreichiſch-ungariſchen Geſandten Grafen Forgach in Belgrad und gibt ihrer Ueberzeugung dahin Ausdruck, daß Serbien nunmehr zur Vernunft kommen und die ihm dargebotene Hand nicht zurückweiſen werde. Berlin, 7. März. Zu dem geſtrigen Schritte des öſterreichiſch-ungariſchen Geſandten in Belgrad bemerkt die „Norddeutſche Allgemeine Zeitung“: „Zweifellos iſt dieſer verſöhnliche Schritt der öſterreichiſch-ungariſchen Politik ein Beweis des Ent- gegenkommens. Er zeigt aufs neue, wie unbegründet die von ruſſiſchen, engliſchen, franzö- ſiſchen und leider auch einigen deut- ſchen Zeitungen erhobenen Klagen über eine angebliche Intranſigenz des Wiener Kabinetts ſind. Wir können nur wünſchen, daß Serbien die ihm gebotene Hand ergreift. 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Zu den Salzburger Wahlen wird uns aus Salzurg geſchrieben: Während die Deutſchfreiſinnigen — Altliberale, Deutſche Volkspartei, Deutſchradikale und Alldeutſche — ſich noch nicht über ein gemeinſames Vorgehen „gegen Schwarz und Rot“ einigen konnten, weil von den Alldeutſchen und von der freiſinnigen Beamtenſchaft hauptſächlich eine Kandidatur des bis- herigen Landesausſchuſſes Dr. Stölzl entſchieden bekämpft wird, haben die Sozialdemokraten ihre Kandidatenliſte für die ſechs Mandate der vierten Kurie bekanntgegeben. Da ſie den Chriſtlichſozialen Arbeiter- feindlichkeit vorwarfen, weil dieſe angeblich nur einen Arbeiter unter ihren Kandidaten hätten, nämlich den Fabriksarbeiter Mühlmann von Lend, war man geſpannt, wie viel Arbeiter denn auf der ſozialdemokratiſchen Liſte ſtehen würden. Hier die Liſte: Privatbeamter und Gewerkſchaftsſekretär Prokſch, Redakteur und Sekretär Preußler, Sekretär Kloitſchnig, Gutsbeſitzer Reiſchl, Grundbeſitzer und Gemeindevorſteher. Viehauſer und Eiſenbahnkondukteur Ramſauer. Nun ſind zwar die drei Erſtgenannten einmal Arbeiter geweſen, es iſt freilich ſchon lange her; wenn die Sozialdemokraten aber die chriſtlichſozialen Kandidaten Baldinger, der es aus einem Arbeiter zum Kleingewerbetreibenden, und Rainer, der es aus einem Holzknecht zum Ge- meindeſchreiber gebracht hat, nicht als Arbeitervertreter gelten laſſen wollen, ſo müſſen ſie auch ihren drei Parteibeamten dieſen Ehrentitel abſprechen. — Die ſo- genannten „deutſchen Arbeiter“, eine vom Abg. Doktor Stölzl im Vereine mit dem italieniſchen Maurermeiſter Crozzoli ins Leben gerufene „gelbe“ Organiſation, die hauptſächlich in Maxglan einigen Anhang hat, kandidieren im Wahlbezirke Stadt Salzburg der vierten Kurie ihren Führer Sindinger, der natürlich nicht die geringſte Ausſicht gewählt zu werden hat. 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Pacak bedauerte den Sturz dieſes Kabinetts: Es ſei ſchade, daß „ſeine (Baron Becks) Politik im Intereſſe des Reiches fowie im Intereſſe der Dynaſtie kein größeres Verſtändnis und keine größere Unterſtützung an den kompetenten Stellen und bei verſchiedeuen Faktoren gefunden hat, die ſonſt nicht genug mit ihrem ‚Patriotismus‘ prahlen können.“ Dr. Pacak würdigte dann das gegenwärtige Kabinett, dem die „wirklichen Feinde des tſchechiſchen Volkes“, Baron Haerdtl und Dr. v. Hochen- burger, angehören und verwies dann auf die Grün- dung der Slaviſchen Vereinigung. Ein grelles Streiflicht auf das Verhältnis der Sozialdemo- kraten zu den Parlamentszertrümmerern wirft folgende Aeußerung Pacaks: „Neben dieſer ſlaviſchen Union ſind da aber noch die tſchechiſchen Sozialdemo- kraten, welche unter der Elementargewalt des tſchechi- ſchen Volkes gezwungen ſein werden, die ſlaviſche Union in alltſchechiſchen Fragen zu unter- ſtützen.“ Zwiſchen Choc und Nemec und zwiſchen ihren beiden Gruppen beſteht eben die engſte Ge- ſinnungsverwandtſchaft und da die Adlergruppe der Sozialdemokraten ganz im Banne der Nemecgruppe ſteht, iſt das mehr als ſeltſame Verhalten der Sozial- demokraten zu den tſchechiſchen Nebelhornbläſern ver- ſtändlich. Dr. Pacak ſuchte in ſeiner Rede auch die Ruthenen und Polen durch allerlei Schmeicheleien für das allſlaviſche Projekt zu gewinnen. Von den Ruthenen ſagte er, er ſei „feſt überzeugt, und die Zu- kunft werde es beweiſen, daß in dem Augenblicke, in welchem wirklich die Würfel fallen werden und in dem es ſich wirklich um die Sache aller Slaven handeln werde, die Ruthenen wie ein Mann hier ſein werden, damit ſie der Stimme ihres Herzens und der der großen ſlaviſchen Familie Oeſterreichs folgen.“ Demnach handelt es ſich alſo derzeit nicht wirklich um die Sache aller Slaven, was wiederholt von tſchechiſcher und auch ſüdſlaviſcher Seite behauptet worden iſt. Schließlich forderte Pazak die tſchechiſche Journaliſtik auf, nicht eine Taktik nur mit Rückſicht auf die Intereſſen irgend einer tſchechiſchen Partei zu diktieren. Es müſſe vielmehr eine Taktik gewählt werden, die allen ſlaviſchen Parteien das Mittun ermögliche. Deshalb gedenken die vereinigten tſchechiſchen Klubs ſowie auch die Slaviſche Union, ſo weit ihnen die Unterſtützung aller Slaven verbürgt iſt, behufs Erlangung ihrer berechtigten Wünſche vorläufig nicht zu den ſchärfſten parlamentariſchen Waffen, zur Obſtruktion, zu greifen; die tſchechiſche Delegation würde nur dann zur Obſtruktion greifen, wenn ſie iſoliert wäre und wenn jemand einen Verſuch mit der klaren Tendenz wagen ſollte, gegen die Tſchechen zu regieren. Die Tſchechiſchradikalen und das Rekruten- kontingentsgeſetz. Aus Prag, 7. d., wird uns berichtet: Das Exekutivkomitee der Tſchechiſchradilalen beſchloß heute in Anweſenheit der Abgeordneten Hejn, Hubka und Baxa die tſchechiſchradikalen Abgeordneten aufzufordern, ſowohl die Sprachenvorlagen als das Rekrutenkontingent und die Annexionsvorlage mit allen Mitteln zu verhindern. Der tſchechiſchradikale ſtaatsrecht- liche Partei erwartet, daß auch die anderen tſchechiſchen Abgeordneten einig mit den tſchechiſchen Staatsrechtlern vorgehen werden. Die Partei proteſtierte gegen die Kriegsgefahr (ob dieſer „Proteſt“ auf die Kriegsgefahr wohl einen großen Eindruck machen wird? D. R.) die durch die Annexion heraufbeſchworen worden ſei und begrüßte die allſlaviſche Einigkeit. — Der Appell an „die anderen tſchechiſchen Abgeordneten“ und an „die allſlaviſche Einigkeit“, da die Tſchechiſchradikalen durch ihren Beſchluß vorgreifen, iſt wohl nur taktiſche Rück- zugsdeckung. Die Herren Choc und Baxa wollen ſich auf

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 67, Wien, 08.03.1909, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost067_1909/3>, abgerufen am 09.12.2024.