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Reichspost. Nr. 67, Wien, 08.03.1909.

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Wien, Montag Reichspost 8. März 1909. Nr. 67

[Spaltenumbruch] die Haltung "der anderen" und auf die "allslavische
Einigkeit" ausreden können.

Die Deutsche Agrarpartei und die Christ-
lichsozialen.

Gegenüber der andeutungsvollen tenden-
ziösen Meldungen der "N. Fr. Pr." von Verhandlungen
der Deutschen Agrarpartei mit den christlichsozialen
Agrariern erklärt die "Korr. Austria": Wahr ist ledig-
lich, daß Abg. Graf Kolowrat an die Mitglieder
der Deutschen Agrarpartei ein Rundschreiben richtete, in
dem er diese zur Vereinigung mit den christlichsozalen
Agrariern aufforderte, da die bestehende internationale
"Agrarische Vereinigung" ihre geplanten Zwecke bisher
nicht erreicht hätte. Die weiteren Behauptungen sind
Phantasie und Kombination. In dem Rundschreiben
Graf Kolowrats ist auch mit keinem Worte von irgend
einem Zusammenhang zwischen der Ernennung Doktor
Weiskirchners zum Handelsminister und seiner
Tätigkeit als Präsident, noch von der in durchsichtiger
Absicht behaupteten angeblichen Mißstimmung der christ-
lichsozialen Agrarier die Rede. Verhandlungen zwischen
den deutschfreiheitlichen und christlichsozialen Agrariern
wurden eigentlich nicht geführt, ausschließlich Abg. R. v.
Pantz betrieb solche für seine Person, ohne indes
damit Anklang bei seinen Partei-
genossen zu finden.
Insbesonders nahm auch
der geschäftsführende Obmann der großen "Agrarischen
Vereinigung" Abg. Fink an solchen sogenannten Ver-
handlungen nicht teil. Die christlichsoziale Partei ist
gerne bereit, mit den deutschfreisinnigen Agrariern sowie
mit jeder anderen Gruppe des deutschen Nationalverbandes
bei nationalen oder wirtschaftlichen Aktionen zusammen-
zuarbeiten. An eine organische Verbindung beider
Parteien wäre jedoch nur zu denken, wenn sich die
deutschen Agrarier an die christlichsoziale Partei an-
schließen.




Ausland.

Kaiser Wilhelm begrüßte, wie aus Berlin
vom 7. März gemeldet wird, die Kaiserin-Witwe von
Rußland auf der Durchreise nach London im Schlesischen
Bahnhof und geleitete sie bis Charlottenburg.

König Eduard ist heute vormittag einer
Meldung aus Paris vom 7. d. M. zufolge nach Biaritz
abgereist. Mit Rücksicht auf sein Inkognito, war nur
der englische Botschafter Bertic im Bahnhofe erschienen.

Die Gerüchte von einem Komplott
gegen König Georg
von Griechenland sind,
wie aus Athen vom 7. d. M. berichtet wird, absolut
unbegründet.

Die italienischen Kammerwahlen
fanden, wie der Draht vom 7. d. M. aus Rom meldet,
gestern in ganz Italien statt. Sie vollzogen sich ohne
besondere Zwischenfälle. Bisher liegen folgende Berichte
vor: In Rom wurde im ersten Wahlbezirke der Repu-
blikaner Mazza gegen den Konservativen Tenerani, im
zweiten Wahlbezirte der Sozialist Bissolati gegen den
Konservativen Santini, der bisher diesem Bezirk vertreten
hatte, gewählt. Im dritten Wahlbezirke wurde der
Ministerielle Guido Baccelli wiedergewählt. Im vierten
Wahlbezirke ist eine Stichwahl zwischen den beiden
Ministeriellen Prinz Leo Caetani und Gabrielli wahr-
scheinlich. Im fünften Wahlbezirke wurde der Repu-
blikaner Barzilai wieder gewählt. Ferner wurden die
ehemaligen Minister Luzzatti und Fortis wiedergewählt.




Bevorstehender Einmarsch russischer
Truppen in Persien.

Die Vorgänge in Persien, deren Bedeutung hinter
den internationalen Verwicklungen in Europa bisher
nicht zu voller Geltung gekommen ist, lenken die Auf-
merksamkeit immer mehr auf sich. Nach der heute vor-
liegenden Meldung aus Petersburg scheint eine
militärische Intervention Rußlands bevorzustehen. Es
heißt darin: Die Nachrichten aus Persien lauten über-
aus beunruhigend. In maßgebenden Kreisen wird die
Notwendigkeit einer Einmischung Rußlands betont. Der
russische Generalkonsul in Dschulfa stellte den kämpfen-
den persischen Parteien eine Art Ultimatum
des Inhalts, daß die russischen Truppen
einmarschieren
würden, falls sich die
Kämpfenden nicht aus dem Grenzgebiet zurückziehen. --
In Marand finden Massenhinrichtungen statt.

Diese Nachricht kann keineswegs überraschen, denn
es war schon lange zu erkennen, daß Rußland in
Persien Besonderes vorhabe; schon seit Monaten wurde
darüber zwischen den Kabinetten von Petersburg und
London verhandelt, und schon wiederholt ist angedeutet
worden, daß eine Intervention Rußlands bevorstehe,
trotzdem anderseits immer versichert wurde, man werde
den persischen Wirren gegenüber das Prinzip der Nicht-
einmischung befolgen. -- Das Einschreiten Rußlands in
Persien gewinnt im Hinblick auf die Nachbarschaft der
Türkei besondere Bedeutung und dürfte auch auf die
europäische Politik des Zarenreiches nicht ohne Einfluß
bleiben.




Die Angelegenheiten der Türkei.
Das türkisch-bulgarische Abkommen.

(Privattelegramm.) Nach
Berichten aus Konstantinopel steht die Unter-
zeichnung des türkisch-russisch-bulgarischen Abkommens
unmittelbar bevor. Man hofft von diesem
Schritte eine wesentliche Entspannung der
Lage auf dem Balkan.


[Spaltenumbruch]

Der türkische Minister des
Aeußern Rifaat Pascha ist nach Berlin ab-
gereist.

Bedenkliche Vorgänge bei der Yildiz-Besatzung.

Gestern hat ein
Soldat der zweiten Division, welche die Yildiz-Besatzung
beistellt, nachdem er von einem Offizier bestraft worden
war, mit herbeigerufenen Kameraden vor dem Tore des
Yildiz unter Hochrufen auf den Sultan demonstriert.
Die Manifestanten wurden mit Mühe beruhigt.

(Privattelegramm.) Wie die
Blätter aus Konstantinopel melden, kam es im Yildiz-
kiosk zwischen den Offizieren der jüngeren Gene-
ration, die nach der Verfassungserteilung auf Vorschlag
des jungtürkischen Komitees dahin kommandiert wurden,
und den Offizieren des früheren Regimes zu
ernsten Konflikten. Die Truppen sollen für die
älteren
Offiziere eingetreten sein. Unter den Rufen:
Es lebe der Sultan! wurde die Entfernung der jüngeren
Offiziere gefordert. Der Großvezier und der Kriegs-
minister wurden sofort nach dem Palais berufen. Nähere
Einzelheiten fehlen noch.

Die Beduinenüberfälle auf die Hedschasbahn.

Die Ueberfälle der
Beduinen auf die Hedschasbahn und die Telegraphen
dauern fort, da zur Bewältiguug der Beduinen
langwierige Expeditionen nötig wären. Die Pforte ist
bemüht, durch Verhandlungen Frieden zu stiften.




Die Koalitionskrise in Ungarn.
Ungarn und die Handelsverträge.

Ueber Einladung der Pester
Lloydgesellschaft fand heute in der Frage der mit den
Balkanstaaten abzuschließenden Handelsverträge eine Ver-
sammlung statt, an der die Handels- und Gewerbe-
korporationen, sowie andere Interessenten teilnahmen. Die
Versammlung nahm eine Resolution an, in der unter
anderem ausgeführt wird: Sämtliche Zweige der
ungarischen Volkswirtschaft erfordern eine Regelung
der Handelsbeziehungen mit den Balkan-
staaten,
besonders mit Rumänien, Serbien,
Bulgarien und der Türkei, durch Tarifverträge
mit längerer Dauer.
Den Erzeugnissen der
ungarischen Industrie müssen die Absatzmärkte in den be-
nachbarten industriearmen Orientländern durch Tarif-
verträge gesichert werden. Die Balkanstaaten würden gegen
Gewährung günstiger Zollsätze für ihre landwirtschaftlichen
Artikel auch Ungarn günstige Zollsätze bieten können.
In Ergänzung des Beschlußantrages wurde gegen den
geplanten rumänischen Gesetzentwurf, be-
treffend die prohibitive Besteuerung des
rumänischen Holzexportes Protest erhoben,
da hiedurch die interessierten ungarischen Unternehmer ge-
schädigt werden würden.




Letzte Telegramme.
Die italienischen Kammerwahlen.

Bisher sind 155
Wahlresultate bekannt. Gewählt wurden 83 bisherige
ministerielle Deputierte und 22 neue. 19 bisherige Ab-
geordnete der konstitutionellen Opposition und ein neuer,
9 bisherige radikale Abgeordnete und 2 neue, 11 bisherige
sozialistische Abgeordnete und 5 neue, ferner 2 Katholiken.
22 Stichwahlen sind erforderlich. Wiedergewählt wurden
die Minister Arlando, Bartolini, Lacava, Carcano und
Rava, die Unterstaatssekretäre Facta, Sanardelli, Dari,
Fasce, Cottafari, Pompilli und Ciufelli, die ehemaligen
Minister Salandra, Morelli, Qualtierotti, Capabelli, Martini,
Guicciardini, Giusso und Chimirri und der Kammer-
präsident Marcora. In beiden Wahlbezirken von Messina
wurde Ministerpräsident Giolitti gewählt, ebenso in Dronero.
In Trapani wurde Nasi wiedergewählt.

Die serbischen Rüstungen.

(Privattelegramm.) Die Rüstungen
werden ohne irgend eine Einschränkung fortgesetzt.
Bis Ende April soll die Armee schlag-
fertig sein.
Der Kriegsminister ließ einen Plan zur
Armierung der Belgrader Festung ausarbeiten. Den
Zeitungen wurde verboten, weitere Einzelheiten über die
Rüstungen zu veröffentlichen.

Der Pfarrer Tremel suspendiert.

(Privattelegramm.) Der Pfarrer
Tremel von Volsbach hat heute vom erzbischöflichen
Ordinariat folgendes Schreiben erhalten: "Nachdem Sie
unserer Aufforderung nicht nachkommen wollen und gleich-
zeitig die Berufung zum hochwürdigen Ordinariat Würzburg
angekündigt haben, sind Sie ipso facto der suspensio [a]
divinis
verfallen. Wir sehen uns daher zu unserem tiefen
Bedauern in die Notwendigkeit versetzt, für die Pfarrei
Volsbach einen Vikar quoad spiritualia auf Ihre Kosten
aufzustellen, und zwar in der Person des Herrn Sub-
präventievverwesers Kümmermann, der am Samstag den
6. d. in Volsbach eintrifft.

Das Vetorecht der Staaten bei der
Papstwahl.

(Privat.) Wie den Blättern aus
Rom gemeldet wird, habe der Papst an das Kardinals-
kollegium eine Bulle
g[e]richtet, in welcher das
Vetorecht weltlicher Autoritäten bei der Papstwahl
aufgehoben und den Kardinälen bei Strafe der Ex-
kommunikation verboten wird, eine direkte oder indirekte
Beeinflussung während des Konklaves durch weltliche Auto-
ritäten zu dulden.




[Spaltenumbruch]
Tagesbericht.


* Kalender für Dienstag den 9. März 1909.

Katholiken: Franziska. -- Griechen (24. Febr.): Enthauptung des
hl. Johannes. -- Sonnenaufgang 6 Uhr 28 Minuten morgens.
-- Sonnenuntergang 5 Uhr 55 Minuten abends. -- Mondes-
aufgang 8 Uhr 20 Minuten abends. -- Mondesuntergang 7 Uhr
41 Minuten morgens.

* Geschichtskalender für den 9. März.

1451. Amerigo
Vespucci, ital. Seefahrer, geb. Florenz. -- 1661. Tod des
Kardinals und Ministers Mazarin. -- 1749. Graf Mirabeau,
franz. Redner, geb. Vignon bei Nemours. -- 1831. F. M. Klinger,
Dichter ("Sturm und Drang"), gest. Dorpat. -- 1832. Tod des
Komponisten Murio Clementi. -- 1888. Kaiser Wilhelm I., gest.
Berlin. -- 1889. Kaiser Johannes von Abessinien fällt bei
Metemneh gegen den Mahdi. -- 1895. Leop Sacher-Masoch,
Schriftsteller, gest. Lindheim, Hessen. -- 1904. Augustus Lord
Loftus, engl. Diplomat, gest. London. -- 1906. Martin von
Mathusius, Theolog, gest. Greifswalde als Professor. -- 1908.
Professor v. Braumühl, bekannter Mathematiker, gest. in
München.

* Auszeichnungen und Ernennungen.

Der Kaiser
hat dem Ministerialsekretär Ludwig Leon im Ackerbaumini-
sterium den Titel und Charakter eines Sektionsrates, dem
Sekretär des Vereines für Güterbeamte Otto Ritter Egger
von Möllwald den Titel eines kaiserlichen Rates und
dem gräflich Abensperg und Traunschen Rentmeister Josef
Stagl in Groß-Schweinbart, dem Sicherheitswachmann
der Wiener Polizeidirektion Josef Hofmann II für die
Rettung eines Menschen vom Tode des Ertrinkens das
Silberne Verdienstkreuz verliehen. Der Minister für Kultus
und Unterricht hat den Supplenten an der Handelsakademie
in Graz Dr. Viktor Pöschl zum wirklichen Lehrer an
dieser Anstalt ernannt.

* Sanktionierte Gesetzentwürfe.

Der Kaiser hat
dem vom Landtage des Erzherzogtums ob der Enns be-
schlossenen Entwurfe eines Gesetzes, womit einige Para-
graphen des Gemeindestatuts der Landeshaupt-
stadt Linz
abgeändert werden und dem vom Landtage
der gefürsteten Grafschaft Tirol beschlossenen Gesetzentwurf
betreffend die Errichtung einer öffentlichen Mädchen-Bürger-
schule in der Landeshauptstadt Innsbruck
die Sanktion erteilt.

* Beeidigung.

Der Kaiser, welcher seit Donners-
tag nachmittag in Schönbrunn weilte, ist heute früh
um 3/48 Uhr in der Hofburg eingetroffen und hat um
3/410 Uhr vormittags vor Beginn der allgemeinen Audienzen
den neuernannten Minister Dr. Ladislaus Ritter
v. Dulemba beeidigt.

* Eidesleistung der Neuassentierten.

Gestern Sonn-
tag um 10 Uhr vormittags fand in der Roßauerkaserne,
im Artilleriearsenal und in der Landwehrkaserne im
5. Bezirk die feierliche Eidesabnahme der nach dem 1. No-
vember v. J. zum Präsenzdienst und zur militärischen Aus-
bildung eingerückten Soldaten nach vorausgegangenem
feierlichen Gottesdienst statt. In der Roßauerkaserne war
ein Bataillon mit Fahne und Musik des Insanterie-
Regiments Nr. 67 gestellt. Hier wohnte auch der Kom-
mandant der 93. Infanteriebrigade GM. Schleyer der
Eidesleistung bei.

* Handelsminister Dr. Weiskirchner bei Bgm.
Dr. Lueger in Lovrana.

Aus Lovrana meldet man
uns vom 6. d.: Heute traf hier der Statthalter von Triest
Prinz Hohenlohe zum Besuche des Handelsministers
Dr. Weiskirchner und des Bgm. Dr. Lueger
ein. Nachmittags machte der Handelsminister in Begleitung
des Hofrates Pranter und der kaiserlichen Räte Dr.
Eder und Seis einen Spaziergang in die Altstadt, wo
er den neuerbauten Molo und das Postamt besichtigte,
dessen Verlegung aus räumlichen Rücksichten dringend not-
wendig erscheint. Das gestern hier herrschende Schirokko-
wetter hat das Befinden des Bürgermeisters nicht ungünstig
beeinflußt. Im Laufe des heutigen Tages sind auch noch
Präsidialvorstand Magistratsrat Dr. Bibl und General-
direktor der Oesterreichischen Länderbank L. A. Lohnstein
zum Besuche des Bürgermeisters eingelangt.

* Zusammenkunft katholischer Philologen.

Heute
Montag, 8 Uhr abends, findet in Trötters Restauration
"Zum Magistrat", 1. Bez., Lichtenfelsgasse 3, eine Zu-
sammenkunft der katholischen Philologen der Wiener
Universität statt, in welcher nach Erörterung von auf die
geplante Vereinsgründung bezüglichen Angelegenheiten
formaler Natur stud. phil. Otto Karl Spitz einen Vor-
trag über die jungrömische Dichterschule halten wird.

* Massenverhaftung von Studenten in Rußland.

Man telegraphiert uns aus Warschau vom 7. d. M.:
Gestern nachmittag fand in der hiesigen Universität eine
von 500 Studenten besuchte Protestversammlung gegen das
Warschauer Studentengesetz statt. Die Polizei schritt ein
und forderte die akademische Jugend auf, die Universität
zu verlassen., Die Studenten versammelten sich jedoch in
einem Saale und weigerten sich, die Universität zu ver-
lassen. Militär schritt ein, verhaftete die 500 Studenten
und verteilte sie in die Arreste der verschiedenen Polizei-
bezirke. 142 der verhafteten Studenten müssen in den
nächsten 24 Stunden Warschau und Kongreß-Polen über-
haupt verlassen.

* Schwerer Rodelunfall.

Aus Mödling, 7. d.,
wird uns gemeldet: Gestern nachmittag verunglückte hier
auf dem Liechtenstein der 25jährige Hausbesitzerssohn
Friedrich Maller aus Maria-Enzersdorf beim Rodeln
und erlitt einen doppelten Bruch des linken Fußes. Maller
wurde ins hiesige Krankenhaus gebracht. Der Unfall er-
eignete sich dadurch, daß Maller mit seinem Schlitten, in
dem mehrere Personen saßen, an der Kurve bei der oberen
Wiese nächst der Fürstenstraße einem zweiten Schlitten
ausweichen wollte. Hiebei kippte die Rodel um und Maller
geriet so unglücklich unter den schweren Schlitten, daß er
sich den Fuß zweimal brach.

* Krawalle bei den Krankenkassenwahlen in Asch.

Man telegraphiert uns aus Asch vom 7. d. M.: Anlä[ßl]ich
der heute hier stattgefundenen Wahlen in den Ausschuß der
hiesigen Bezirkskrankenkassen kam es zwischen Sozialdemo-
kraten und Deutschnationalen zu großen turbulenten Sze[n]en.
Die Wahlagitation wurde von beiden Seiten ungemein leb-
haft betrieben. Die Sozialdemokraten waren bis mittag
im Vorsprung, erst nachmittags wurden die Aussichten für
die Deutschnationalen günstiger. Mittags kam es zwischen

Wien, Montag Reichspoſt 8. März 1909. Nr. 67

[Spaltenumbruch] die Haltung „der anderen“ und auf die „allſlaviſche
Einigkeit“ ausreden können.

Die Deutſche Agrarpartei und die Chriſt-
lichſozialen.

Gegenüber der andeutungsvollen tenden-
ziöſen Meldungen der „N. Fr. Pr.“ von Verhandlungen
der Deutſchen Agrarpartei mit den chriſtlichſozialen
Agrariern erklärt die „Korr. Auſtria“: Wahr iſt ledig-
lich, daß Abg. Graf Kolowrat an die Mitglieder
der Deutſchen Agrarpartei ein Rundſchreiben richtete, in
dem er dieſe zur Vereinigung mit den chriſtlichſozalen
Agrariern aufforderte, da die beſtehende internationale
„Agrariſche Vereinigung“ ihre geplanten Zwecke bisher
nicht erreicht hätte. Die weiteren Behauptungen ſind
Phantaſie und Kombination. In dem Rundſchreiben
Graf Kolowrats iſt auch mit keinem Worte von irgend
einem Zuſammenhang zwiſchen der Ernennung Doktor
Weiskirchners zum Handelsminiſter und ſeiner
Tätigkeit als Präſident, noch von der in durchſichtiger
Abſicht behaupteten angeblichen Mißſtimmung der chriſt-
lichſozialen Agrarier die Rede. Verhandlungen zwiſchen
den deutſchfreiheitlichen und chriſtlichſozialen Agrariern
wurden eigentlich nicht geführt, ausſchließlich Abg. R. v.
Pantz betrieb ſolche für ſeine Perſon, ohne indes
damit Anklang bei ſeinen Partei-
genoſſen zu finden.
Insbeſonders nahm auch
der geſchäftsführende Obmann der großen „Agrariſchen
Vereinigung“ Abg. Fink an ſolchen ſogenannten Ver-
handlungen nicht teil. Die chriſtlichſoziale Partei iſt
gerne bereit, mit den deutſchfreiſinnigen Agrariern ſowie
mit jeder anderen Gruppe des deutſchen Nationalverbandes
bei nationalen oder wirtſchaftlichen Aktionen zuſammen-
zuarbeiten. An eine organiſche Verbindung beider
Parteien wäre jedoch nur zu denken, wenn ſich die
deutſchen Agrarier an die chriſtlichſoziale Partei an-
ſchließen.




Ausland.

Kaiſer Wilhelm begrüßte, wie aus Berlin
vom 7. März gemeldet wird, die Kaiſerin-Witwe von
Rußland auf der Durchreiſe nach London im Schleſiſchen
Bahnhof und geleitete ſie bis Charlottenburg.

König Eduard iſt heute vormittag einer
Meldung aus Paris vom 7. d. M. zufolge nach Biaritz
abgereiſt. Mit Rückſicht auf ſein Inkognito, war nur
der engliſche Botſchafter Bertic im Bahnhofe erſchienen.

Die Gerüchte von einem Komplott
gegen König Georg
von Griechenland ſind,
wie aus Athen vom 7. d. M. berichtet wird, abſolut
unbegründet.

Die italieniſchen Kammerwahlen
fanden, wie der Draht vom 7. d. M. aus Rom meldet,
geſtern in ganz Italien ſtatt. Sie vollzogen ſich ohne
beſondere Zwiſchenfälle. Bisher liegen folgende Berichte
vor: In Rom wurde im erſten Wahlbezirke der Repu-
blikaner Mazza gegen den Konſervativen Tenerani, im
zweiten Wahlbezirte der Sozialiſt Biſſolati gegen den
Konſervativen Santini, der bisher dieſem Bezirk vertreten
hatte, gewählt. Im dritten Wahlbezirke wurde der
Miniſterielle Guido Baccelli wiedergewählt. Im vierten
Wahlbezirke iſt eine Stichwahl zwiſchen den beiden
Miniſteriellen Prinz Leo Caetani und Gabrielli wahr-
ſcheinlich. Im fünften Wahlbezirke wurde der Repu-
blikaner Barzilai wieder gewählt. Ferner wurden die
ehemaligen Miniſter Luzzatti und Fortis wiedergewählt.




Bevorſtehender Einmarſch ruſſiſcher
Truppen in Perſien.

Die Vorgänge in Perſien, deren Bedeutung hinter
den internationalen Verwicklungen in Europa bisher
nicht zu voller Geltung gekommen iſt, lenken die Auf-
merkſamkeit immer mehr auf ſich. Nach der heute vor-
liegenden Meldung aus Petersburg ſcheint eine
militäriſche Intervention Rußlands bevorzuſtehen. Es
heißt darin: Die Nachrichten aus Perſien lauten über-
aus beunruhigend. In maßgebenden Kreiſen wird die
Notwendigkeit einer Einmiſchung Rußlands betont. Der
ruſſiſche Generalkonſul in Dſchulfa ſtellte den kämpfen-
den perſiſchen Parteien eine Art Ultimatum
des Inhalts, daß die ruſſiſchen Truppen
einmarſchieren
würden, falls ſich die
Kämpfenden nicht aus dem Grenzgebiet zurückziehen. —
In Marand finden Maſſenhinrichtungen ſtatt.

Dieſe Nachricht kann keineswegs überraſchen, denn
es war ſchon lange zu erkennen, daß Rußland in
Perſien Beſonderes vorhabe; ſchon ſeit Monaten wurde
darüber zwiſchen den Kabinetten von Petersburg und
London verhandelt, und ſchon wiederholt iſt angedeutet
worden, daß eine Intervention Rußlands bevorſtehe,
trotzdem anderſeits immer verſichert wurde, man werde
den perſiſchen Wirren gegenüber das Prinzip der Nicht-
einmiſchung befolgen. — Das Einſchreiten Rußlands in
Perſien gewinnt im Hinblick auf die Nachbarſchaft der
Türkei beſondere Bedeutung und dürfte auch auf die
europäiſche Politik des Zarenreiches nicht ohne Einfluß
bleiben.




Die Angelegenheiten der Türkei.
Das türkiſch-bulgariſche Abkommen.

(Privattelegramm.) Nach
Berichten aus Konſtantinopel ſteht die Unter-
zeichnung des türkiſch-ruſſiſch-bulgariſchen Abkommens
unmittelbar bevor. Man hofft von dieſem
Schritte eine weſentliche Entſpannung der
Lage auf dem Balkan.


[Spaltenumbruch]

Der türkiſche Miniſter des
Aeußern Rifaat Paſcha iſt nach Berlin ab-
gereiſt.

Bedenkliche Vorgänge bei der Yildiz-Beſatzung.

Geſtern hat ein
Soldat der zweiten Diviſion, welche die Yildiz-Beſatzung
beiſtellt, nachdem er von einem Offizier beſtraft worden
war, mit herbeigerufenen Kameraden vor dem Tore des
Yildiz unter Hochrufen auf den Sultan demonſtriert.
Die Manifeſtanten wurden mit Mühe beruhigt.

(Privattelegramm.) Wie die
Blätter aus Konſtantinopel melden, kam es im Yildiz-
kiosk zwiſchen den Offizieren der jüngeren Gene-
ration, die nach der Verfaſſungserteilung auf Vorſchlag
des jungtürkiſchen Komitees dahin kommandiert wurden,
und den Offizieren des früheren Regimes zu
ernſten Konflikten. Die Truppen ſollen für die
älteren
Offiziere eingetreten ſein. Unter den Rufen:
Es lebe der Sultan! wurde die Entfernung der jüngeren
Offiziere gefordert. Der Großvezier und der Kriegs-
miniſter wurden ſofort nach dem Palais berufen. Nähere
Einzelheiten fehlen noch.

Die Beduinenüberfälle auf die Hedſchasbahn.

Die Ueberfälle der
Beduinen auf die Hedſchasbahn und die Telegraphen
dauern fort, da zur Bewältiguug der Beduinen
langwierige Expeditionen nötig wären. Die Pforte iſt
bemüht, durch Verhandlungen Frieden zu ſtiften.




Die Koalitionskriſe in Ungarn.
Ungarn und die Handelsverträge.

Ueber Einladung der Peſter
Lloydgeſellſchaft fand heute in der Frage der mit den
Balkanſtaaten abzuſchließenden Handelsverträge eine Ver-
ſammlung ſtatt, an der die Handels- und Gewerbe-
korporationen, ſowie andere Intereſſenten teilnahmen. Die
Verſammlung nahm eine Reſolution an, in der unter
anderem ausgeführt wird: Sämtliche Zweige der
ungariſchen Volkswirtſchaft erfordern eine Regelung
der Handelsbeziehungen mit den Balkan-
ſtaaten,
beſonders mit Rumänien, Serbien,
Bulgarien und der Türkei, durch Tarifverträge
mit längerer Dauer.
Den Erzeugniſſen der
ungariſchen Induſtrie müſſen die Abſatzmärkte in den be-
nachbarten induſtriearmen Orientländern durch Tarif-
verträge geſichert werden. Die Balkanſtaaten würden gegen
Gewährung günſtiger Zollſätze für ihre landwirtſchaftlichen
Artikel auch Ungarn günſtige Zollſätze bieten können.
In Ergänzung des Beſchlußantrages wurde gegen den
geplanten rumäniſchen Geſetzentwurf, be-
treffend die prohibitive Beſteuerung des
rumäniſchen Holzexportes Proteſt erhoben,
da hiedurch die intereſſierten ungariſchen Unternehmer ge-
ſchädigt werden würden.




Letzte Telegramme.
Die italieniſchen Kammerwahlen.

Bisher ſind 155
Wahlreſultate bekannt. Gewählt wurden 83 bisherige
miniſterielle Deputierte und 22 neue. 19 bisherige Ab-
geordnete der konſtitutionellen Oppoſition und ein neuer,
9 bisherige radikale Abgeordnete und 2 neue, 11 bisherige
ſozialiſtiſche Abgeordnete und 5 neue, ferner 2 Katholiken.
22 Stichwahlen ſind erforderlich. Wiedergewählt wurden
die Miniſter Arlando, Bartolini, Lacava, Carcano und
Rava, die Unterſtaatsſekretäre Facta, Sanardelli, Dari,
Fasce, Cottafari, Pompilli und Ciufelli, die ehemaligen
Miniſter Salandra, Morelli, Qualtierotti, Capabelli, Martini,
Guicciardini, Giuſſo und Chimirri und der Kammer-
präſident Marcora. In beiden Wahlbezirken von Meſſina
wurde Miniſterpräſident Giolitti gewählt, ebenſo in Dronero.
In Trapani wurde Naſi wiedergewählt.

Die ſerbiſchen Rüſtungen.

(Privattelegramm.) Die Rüſtungen
werden ohne irgend eine Einſchränkung fortgeſetzt.
Bis Ende April ſoll die Armee ſchlag-
fertig ſein.
Der Kriegsminiſter ließ einen Plan zur
Armierung der Belgrader Feſtung ausarbeiten. Den
Zeitungen wurde verboten, weitere Einzelheiten über die
Rüſtungen zu veröffentlichen.

Der Pfarrer Tremel ſuspendiert.

(Privattelegramm.) Der Pfarrer
Tremel von Volsbach hat heute vom erzbiſchöflichen
Ordinariat folgendes Schreiben erhalten: „Nachdem Sie
unſerer Aufforderung nicht nachkommen wollen und gleich-
zeitig die Berufung zum hochwürdigen Ordinariat Würzburg
angekündigt haben, ſind Sie ipso facto der suspensio [a]
divinis
verfallen. Wir ſehen uns daher zu unſerem tiefen
Bedauern in die Notwendigkeit verſetzt, für die Pfarrei
Volsbach einen Vikar quoad spiritualia auf Ihre Koſten
aufzuſtellen, und zwar in der Perſon des Herrn Sub-
präventievverweſers Kümmermann, der am Samstag den
6. d. in Volsbach eintrifft.

Das Vetorecht der Staaten bei der
Papſtwahl.

(Privat.) Wie den Blättern aus
Rom gemeldet wird, habe der Papſt an das Kardinals-
kollegium eine Bulle
g[e]richtet, in welcher das
Vetorecht weltlicher Autoritäten bei der Papſtwahl
aufgehoben und den Kardinälen bei Strafe der Ex-
kommunikation verboten wird, eine direkte oder indirekte
Beeinfluſſung während des Konklaves durch weltliche Auto-
ritäten zu dulden.




[Spaltenumbruch]
Tagesbericht.


* Kalender für Dienstag den 9. März 1909.

Katholiken: Franziska. — Griechen (24. Febr.): Enthauptung des
hl. Johannes. — Sonnenaufgang 6 Uhr 28 Minuten morgens.
— Sonnenuntergang 5 Uhr 55 Minuten abends. — Mondes-
aufgang 8 Uhr 20 Minuten abends. — Mondesuntergang 7 Uhr
41 Minuten morgens.

* Geſchichtskalender für den 9. März.

1451. Amerigo
Veſpucci, ital. Seefahrer, geb. Florenz. — 1661. Tod des
Kardinals und Miniſters Mazarin. — 1749. Graf Mirabeau,
franz. Redner, geb. Vignon bei Nemours. — 1831. F. M. Klinger,
Dichter („Sturm und Drang“), geſt. Dorpat. — 1832. Tod des
Komponiſten Murio Clementi. — 1888. Kaiſer Wilhelm I., geſt.
Berlin. — 1889. Kaiſer Johannes von Abeſſinien fällt bei
Metemneh gegen den Mahdi. — 1895. Leop Sacher-Maſoch,
Schriftſteller, geſt. Lindheim, Heſſen. — 1904. Auguſtus Lord
Loftus, engl. Diplomat, geſt. London. — 1906. Martin von
Mathuſius, Theolog, geſt. Greifswalde als Profeſſor. — 1908.
Profeſſor v. Braumühl, bekannter Mathematiker, geſt. in
München.

* Auszeichnungen und Ernennungen.

Der Kaiſer
hat dem Miniſterialſekretär Ludwig Leon im Ackerbaumini-
ſterium den Titel und Charakter eines Sektionsrates, dem
Sekretär des Vereines für Güterbeamte Otto Ritter Egger
von Möllwald den Titel eines kaiſerlichen Rates und
dem gräflich Abensperg und Traunſchen Rentmeiſter Joſef
Stagl in Groß-Schweinbart, dem Sicherheitswachmann
der Wiener Polizeidirektion Joſef Hofmann II für die
Rettung eines Menſchen vom Tode des Ertrinkens das
Silberne Verdienſtkreuz verliehen. Der Miniſter für Kultus
und Unterricht hat den Supplenten an der Handelsakademie
in Graz Dr. Viktor Pöſchl zum wirklichen Lehrer an
dieſer Anſtalt ernannt.

* Sanktionierte Geſetzentwürfe.

Der Kaiſer hat
dem vom Landtage des Erzherzogtums ob der Enns be-
ſchloſſenen Entwurfe eines Geſetzes, womit einige Para-
graphen des Gemeindeſtatuts der Landeshaupt-
ſtadt Linz
abgeändert werden und dem vom Landtage
der gefürſteten Grafſchaft Tirol beſchloſſenen Geſetzentwurf
betreffend die Errichtung einer öffentlichen Mädchen-Bürger-
ſchule in der Landeshauptſtadt Innsbruck
die Sanktion erteilt.

* Beeidigung.

Der Kaiſer, welcher ſeit Donners-
tag nachmittag in Schönbrunn weilte, iſt heute früh
um ¾8 Uhr in der Hofburg eingetroffen und hat um
¾10 Uhr vormittags vor Beginn der allgemeinen Audienzen
den neuernannten Miniſter Dr. Ladislaus Ritter
v. Dulemba beeidigt.

* Eidesleiſtung der Neuaſſentierten.

Geſtern Sonn-
tag um 10 Uhr vormittags fand in der Roßauerkaſerne,
im Artilleriearſenal und in der Landwehrkaſerne im
5. Bezirk die feierliche Eidesabnahme der nach dem 1. No-
vember v. J. zum Präſenzdienſt und zur militäriſchen Aus-
bildung eingerückten Soldaten nach vorausgegangenem
feierlichen Gottesdienſt ſtatt. In der Roßauerkaſerne war
ein Bataillon mit Fahne und Muſik des Inſanterie-
Regiments Nr. 67 geſtellt. Hier wohnte auch der Kom-
mandant der 93. Infanteriebrigade GM. Schleyer der
Eidesleiſtung bei.

* Handelsminiſter Dr. Weiskirchner bei Bgm.
Dr. Lueger in Lovrana.

Aus Lovrana meldet man
uns vom 6. d.: Heute traf hier der Statthalter von Trieſt
Prinz Hohenlohe zum Beſuche des Handelsminiſters
Dr. Weiskirchner und des Bgm. Dr. Lueger
ein. Nachmittags machte der Handelsminiſter in Begleitung
des Hofrates Pranter und der kaiſerlichen Räte Dr.
Eder und Seis einen Spaziergang in die Altſtadt, wo
er den neuerbauten Molo und das Poſtamt beſichtigte,
deſſen Verlegung aus räumlichen Rückſichten dringend not-
wendig erſcheint. Das geſtern hier herrſchende Schirokko-
wetter hat das Befinden des Bürgermeiſters nicht ungünſtig
beeinflußt. Im Laufe des heutigen Tages ſind auch noch
Präſidialvorſtand Magiſtratsrat Dr. Bibl und General-
direktor der Oeſterreichiſchen Länderbank L. A. Lohnſtein
zum Beſuche des Bürgermeiſters eingelangt.

* Zuſammenkunft katholiſcher Philologen.

Heute
Montag, 8 Uhr abends, findet in Trötters Reſtauration
„Zum Magiſtrat“, 1. Bez., Lichtenfelsgaſſe 3, eine Zu-
ſammenkunft der katholiſchen Philologen der Wiener
Univerſität ſtatt, in welcher nach Erörterung von auf die
geplante Vereinsgründung bezüglichen Angelegenheiten
formaler Natur stud. phil. Otto Karl Spitz einen Vor-
trag über die jungrömiſche Dichterſchule halten wird.

* Maſſenverhaftung von Studenten in Rußland.

Man telegraphiert uns aus Warſchau vom 7. d. M.:
Geſtern nachmittag fand in der hieſigen Univerſität eine
von 500 Studenten beſuchte Proteſtverſammlung gegen das
Warſchauer Studentengeſetz ſtatt. Die Polizei ſchritt ein
und forderte die akademiſche Jugend auf, die Univerſität
zu verlaſſen., Die Studenten verſammelten ſich jedoch in
einem Saale und weigerten ſich, die Univerſität zu ver-
laſſen. Militär ſchritt ein, verhaftete die 500 Studenten
und verteilte ſie in die Arreſte der verſchiedenen Polizei-
bezirke. 142 der verhafteten Studenten müſſen in den
nächſten 24 Stunden Warſchau und Kongreß-Polen über-
haupt verlaſſen.

* Schwerer Rodelunfall.

Aus Mödling, 7. d.,
wird uns gemeldet: Geſtern nachmittag verunglückte hier
auf dem Liechtenſtein der 25jährige Hausbeſitzersſohn
Friedrich Maller aus Maria-Enzersdorf beim Rodeln
und erlitt einen doppelten Bruch des linken Fußes. Maller
wurde ins hieſige Krankenhaus gebracht. Der Unfall er-
eignete ſich dadurch, daß Maller mit ſeinem Schlitten, in
dem mehrere Perſonen ſaßen, an der Kurve bei der oberen
Wieſe nächſt der Fürſtenſtraße einem zweiten Schlitten
ausweichen wollte. Hiebei kippte die Rodel um und Maller
geriet ſo unglücklich unter den ſchweren Schlitten, daß er
ſich den Fuß zweimal brach.

* Krawalle bei den Krankenkaſſenwahlen in Aſch.

Man telegraphiert uns aus Aſch vom 7. d. M.: Anlä[ßl]ich
der heute hier ſtattgefundenen Wahlen in den Ausſchuß der
hieſigen Bezirkskrankenkaſſen kam es zwiſchen Sozialdemo-
kraten und Deutſchnationalen zu großen turbulenten Sze[n]en.
Die Wahlagitation wurde von beiden Seiten ungemein leb-
haft betrieben. Die Sozialdemokraten waren bis mittag
im Vorſprung, erſt nachmittags wurden die Ausſichten für
die Deutſchnationalen günſtiger. Mittags kam es zwiſchen

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[4/0004] Wien, Montag Reichspoſt 8. März 1909. Nr. 67 die Haltung „der anderen“ und auf die „allſlaviſche Einigkeit“ ausreden können. Die Deutſche Agrarpartei und die Chriſt- lichſozialen. Gegenüber der andeutungsvollen tenden- ziöſen Meldungen der „N. Fr. Pr.“ von Verhandlungen der Deutſchen Agrarpartei mit den chriſtlichſozialen Agrariern erklärt die „Korr. Auſtria“: Wahr iſt ledig- lich, daß Abg. Graf Kolowrat an die Mitglieder der Deutſchen Agrarpartei ein Rundſchreiben richtete, in dem er dieſe zur Vereinigung mit den chriſtlichſozalen Agrariern aufforderte, da die beſtehende internationale „Agrariſche Vereinigung“ ihre geplanten Zwecke bisher nicht erreicht hätte. Die weiteren Behauptungen ſind Phantaſie und Kombination. In dem Rundſchreiben Graf Kolowrats iſt auch mit keinem Worte von irgend einem Zuſammenhang zwiſchen der Ernennung Doktor Weiskirchners zum Handelsminiſter und ſeiner Tätigkeit als Präſident, noch von der in durchſichtiger Abſicht behaupteten angeblichen Mißſtimmung der chriſt- lichſozialen Agrarier die Rede. Verhandlungen zwiſchen den deutſchfreiheitlichen und chriſtlichſozialen Agrariern wurden eigentlich nicht geführt, ausſchließlich Abg. R. v. Pantz betrieb ſolche für ſeine Perſon, ohne indes damit Anklang bei ſeinen Partei- genoſſen zu finden. Insbeſonders nahm auch der geſchäftsführende Obmann der großen „Agrariſchen Vereinigung“ Abg. Fink an ſolchen ſogenannten Ver- handlungen nicht teil. Die chriſtlichſoziale Partei iſt gerne bereit, mit den deutſchfreiſinnigen Agrariern ſowie mit jeder anderen Gruppe des deutſchen Nationalverbandes bei nationalen oder wirtſchaftlichen Aktionen zuſammen- zuarbeiten. An eine organiſche Verbindung beider Parteien wäre jedoch nur zu denken, wenn ſich die deutſchen Agrarier an die chriſtlichſoziale Partei an- ſchließen. Ausland. Kaiſer Wilhelm begrüßte, wie aus Berlin vom 7. März gemeldet wird, die Kaiſerin-Witwe von Rußland auf der Durchreiſe nach London im Schleſiſchen Bahnhof und geleitete ſie bis Charlottenburg. König Eduard iſt heute vormittag einer Meldung aus Paris vom 7. d. M. zufolge nach Biaritz abgereiſt. Mit Rückſicht auf ſein Inkognito, war nur der engliſche Botſchafter Bertic im Bahnhofe erſchienen. Die Gerüchte von einem Komplott gegen König Georg von Griechenland ſind, wie aus Athen vom 7. d. M. berichtet wird, abſolut unbegründet. Die italieniſchen Kammerwahlen fanden, wie der Draht vom 7. d. M. aus Rom meldet, geſtern in ganz Italien ſtatt. Sie vollzogen ſich ohne beſondere Zwiſchenfälle. Bisher liegen folgende Berichte vor: In Rom wurde im erſten Wahlbezirke der Repu- blikaner Mazza gegen den Konſervativen Tenerani, im zweiten Wahlbezirte der Sozialiſt Biſſolati gegen den Konſervativen Santini, der bisher dieſem Bezirk vertreten hatte, gewählt. Im dritten Wahlbezirke wurde der Miniſterielle Guido Baccelli wiedergewählt. Im vierten Wahlbezirke iſt eine Stichwahl zwiſchen den beiden Miniſteriellen Prinz Leo Caetani und Gabrielli wahr- ſcheinlich. Im fünften Wahlbezirke wurde der Repu- blikaner Barzilai wieder gewählt. Ferner wurden die ehemaligen Miniſter Luzzatti und Fortis wiedergewählt. Bevorſtehender Einmarſch ruſſiſcher Truppen in Perſien. Die Vorgänge in Perſien, deren Bedeutung hinter den internationalen Verwicklungen in Europa bisher nicht zu voller Geltung gekommen iſt, lenken die Auf- merkſamkeit immer mehr auf ſich. Nach der heute vor- liegenden Meldung aus Petersburg ſcheint eine militäriſche Intervention Rußlands bevorzuſtehen. Es heißt darin: Die Nachrichten aus Perſien lauten über- aus beunruhigend. In maßgebenden Kreiſen wird die Notwendigkeit einer Einmiſchung Rußlands betont. Der ruſſiſche Generalkonſul in Dſchulfa ſtellte den kämpfen- den perſiſchen Parteien eine Art Ultimatum des Inhalts, daß die ruſſiſchen Truppen einmarſchieren würden, falls ſich die Kämpfenden nicht aus dem Grenzgebiet zurückziehen. — In Marand finden Maſſenhinrichtungen ſtatt. Dieſe Nachricht kann keineswegs überraſchen, denn es war ſchon lange zu erkennen, daß Rußland in Perſien Beſonderes vorhabe; ſchon ſeit Monaten wurde darüber zwiſchen den Kabinetten von Petersburg und London verhandelt, und ſchon wiederholt iſt angedeutet worden, daß eine Intervention Rußlands bevorſtehe, trotzdem anderſeits immer verſichert wurde, man werde den perſiſchen Wirren gegenüber das Prinzip der Nicht- einmiſchung befolgen. — Das Einſchreiten Rußlands in Perſien gewinnt im Hinblick auf die Nachbarſchaft der Türkei beſondere Bedeutung und dürfte auch auf die europäiſche Politik des Zarenreiches nicht ohne Einfluß bleiben. Die Angelegenheiten der Türkei. Das türkiſch-bulgariſche Abkommen. Berlin, 7. März. (Privattelegramm.) Nach Berichten aus Konſtantinopel ſteht die Unter- zeichnung des türkiſch-ruſſiſch-bulgariſchen Abkommens unmittelbar bevor. Man hofft von dieſem Schritte eine weſentliche Entſpannung der Lage auf dem Balkan. Petersburg, 7. März. Der türkiſche Miniſter des Aeußern Rifaat Paſcha iſt nach Berlin ab- gereiſt. Bedenkliche Vorgänge bei der Yildiz-Beſatzung. Konſtantinopel, 7. März. Geſtern hat ein Soldat der zweiten Diviſion, welche die Yildiz-Beſatzung beiſtellt, nachdem er von einem Offizier beſtraft worden war, mit herbeigerufenen Kameraden vor dem Tore des Yildiz unter Hochrufen auf den Sultan demonſtriert. Die Manifeſtanten wurden mit Mühe beruhigt. Berlin, 7. März. (Privattelegramm.) Wie die Blätter aus Konſtantinopel melden, kam es im Yildiz- kiosk zwiſchen den Offizieren der jüngeren Gene- ration, die nach der Verfaſſungserteilung auf Vorſchlag des jungtürkiſchen Komitees dahin kommandiert wurden, und den Offizieren des früheren Regimes zu ernſten Konflikten. Die Truppen ſollen für die älteren Offiziere eingetreten ſein. Unter den Rufen: Es lebe der Sultan! wurde die Entfernung der jüngeren Offiziere gefordert. Der Großvezier und der Kriegs- miniſter wurden ſofort nach dem Palais berufen. Nähere Einzelheiten fehlen noch. Die Beduinenüberfälle auf die Hedſchasbahn. Konſtantinopel, 7. März. Die Ueberfälle der Beduinen auf die Hedſchasbahn und die Telegraphen dauern fort, da zur Bewältiguug der Beduinen langwierige Expeditionen nötig wären. Die Pforte iſt bemüht, durch Verhandlungen Frieden zu ſtiften. Die Koalitionskriſe in Ungarn. Ungarn und die Handelsverträge. Ofen-Peſt, 7. März. Ueber Einladung der Peſter Lloydgeſellſchaft fand heute in der Frage der mit den Balkanſtaaten abzuſchließenden Handelsverträge eine Ver- ſammlung ſtatt, an der die Handels- und Gewerbe- korporationen, ſowie andere Intereſſenten teilnahmen. Die Verſammlung nahm eine Reſolution an, in der unter anderem ausgeführt wird: Sämtliche Zweige der ungariſchen Volkswirtſchaft erfordern eine Regelung der Handelsbeziehungen mit den Balkan- ſtaaten, beſonders mit Rumänien, Serbien, Bulgarien und der Türkei, durch Tarifverträge mit längerer Dauer. Den Erzeugniſſen der ungariſchen Induſtrie müſſen die Abſatzmärkte in den be- nachbarten induſtriearmen Orientländern durch Tarif- verträge geſichert werden. Die Balkanſtaaten würden gegen Gewährung günſtiger Zollſätze für ihre landwirtſchaftlichen Artikel auch Ungarn günſtige Zollſätze bieten können. In Ergänzung des Beſchlußantrages wurde gegen den geplanten rumäniſchen Geſetzentwurf, be- treffend die prohibitive Beſteuerung des rumäniſchen Holzexportes Proteſt erhoben, da hiedurch die intereſſierten ungariſchen Unternehmer ge- ſchädigt werden würden. Letzte Telegramme. Die italieniſchen Kammerwahlen. Rom, 8. März, 2½ Uhr morgens. Bisher ſind 155 Wahlreſultate bekannt. Gewählt wurden 83 bisherige miniſterielle Deputierte und 22 neue. 19 bisherige Ab- geordnete der konſtitutionellen Oppoſition und ein neuer, 9 bisherige radikale Abgeordnete und 2 neue, 11 bisherige ſozialiſtiſche Abgeordnete und 5 neue, ferner 2 Katholiken. 22 Stichwahlen ſind erforderlich. Wiedergewählt wurden die Miniſter Arlando, Bartolini, Lacava, Carcano und Rava, die Unterſtaatsſekretäre Facta, Sanardelli, Dari, Fasce, Cottafari, Pompilli und Ciufelli, die ehemaligen Miniſter Salandra, Morelli, Qualtierotti, Capabelli, Martini, Guicciardini, Giuſſo und Chimirri und der Kammer- präſident Marcora. In beiden Wahlbezirken von Meſſina wurde Miniſterpräſident Giolitti gewählt, ebenſo in Dronero. In Trapani wurde Naſi wiedergewählt. Die ſerbiſchen Rüſtungen. Belgrad, 8. März. (Privattelegramm.) Die Rüſtungen werden ohne irgend eine Einſchränkung fortgeſetzt. Bis Ende April ſoll die Armee ſchlag- fertig ſein. Der Kriegsminiſter ließ einen Plan zur Armierung der Belgrader Feſtung ausarbeiten. Den Zeitungen wurde verboten, weitere Einzelheiten über die Rüſtungen zu veröffentlichen. Der Pfarrer Tremel ſuspendiert. Bayreuth, 7. März. (Privattelegramm.) Der Pfarrer Tremel von Volsbach hat heute vom erzbiſchöflichen Ordinariat folgendes Schreiben erhalten: „Nachdem Sie unſerer Aufforderung nicht nachkommen wollen und gleich- zeitig die Berufung zum hochwürdigen Ordinariat Würzburg angekündigt haben, ſind Sie ipso facto der suspensio a divinis verfallen. Wir ſehen uns daher zu unſerem tiefen Bedauern in die Notwendigkeit verſetzt, für die Pfarrei Volsbach einen Vikar quoad spiritualia auf Ihre Koſten aufzuſtellen, und zwar in der Perſon des Herrn Sub- präventievverweſers Kümmermann, der am Samstag den 6. d. in Volsbach eintrifft. Das Vetorecht der Staaten bei der Papſtwahl. Mailand, 8. März. (Privat.) Wie den Blättern aus Rom gemeldet wird, habe der Papſt an das Kardinals- kollegium eine Bulle gerichtet, in welcher das Vetorecht weltlicher Autoritäten bei der Papſtwahl aufgehoben und den Kardinälen bei Strafe der Ex- kommunikation verboten wird, eine direkte oder indirekte Beeinfluſſung während des Konklaves durch weltliche Auto- ritäten zu dulden. Tagesbericht. Wien, 8. März. * Kalender für Dienstag den 9. März 1909. Katholiken: Franziska. — Griechen (24. Febr.): Enthauptung des hl. Johannes. — Sonnenaufgang 6 Uhr 28 Minuten morgens. — Sonnenuntergang 5 Uhr 55 Minuten abends. — Mondes- aufgang 8 Uhr 20 Minuten abends. — Mondesuntergang 7 Uhr 41 Minuten morgens. * Geſchichtskalender für den 9. März. 1451. Amerigo Veſpucci, ital. Seefahrer, geb. Florenz. — 1661. Tod des Kardinals und Miniſters Mazarin. — 1749. Graf Mirabeau, franz. Redner, geb. Vignon bei Nemours. — 1831. F. M. Klinger, Dichter („Sturm und Drang“), geſt. Dorpat. — 1832. Tod des Komponiſten Murio Clementi. — 1888. Kaiſer Wilhelm I., geſt. Berlin. — 1889. Kaiſer Johannes von Abeſſinien fällt bei Metemneh gegen den Mahdi. — 1895. Leop Sacher-Maſoch, Schriftſteller, geſt. Lindheim, Heſſen. — 1904. Auguſtus Lord Loftus, engl. Diplomat, geſt. London. — 1906. Martin von Mathuſius, Theolog, geſt. Greifswalde als Profeſſor. — 1908. Profeſſor v. Braumühl, bekannter Mathematiker, geſt. in München. * Auszeichnungen und Ernennungen. Der Kaiſer hat dem Miniſterialſekretär Ludwig Leon im Ackerbaumini- ſterium den Titel und Charakter eines Sektionsrates, dem Sekretär des Vereines für Güterbeamte Otto Ritter Egger von Möllwald den Titel eines kaiſerlichen Rates und dem gräflich Abensperg und Traunſchen Rentmeiſter Joſef Stagl in Groß-Schweinbart, dem Sicherheitswachmann der Wiener Polizeidirektion Joſef Hofmann II für die Rettung eines Menſchen vom Tode des Ertrinkens das Silberne Verdienſtkreuz verliehen. Der Miniſter für Kultus und Unterricht hat den Supplenten an der Handelsakademie in Graz Dr. Viktor Pöſchl zum wirklichen Lehrer an dieſer Anſtalt ernannt. * Sanktionierte Geſetzentwürfe. Der Kaiſer hat dem vom Landtage des Erzherzogtums ob der Enns be- ſchloſſenen Entwurfe eines Geſetzes, womit einige Para- graphen des Gemeindeſtatuts der Landeshaupt- ſtadt Linz abgeändert werden und dem vom Landtage der gefürſteten Grafſchaft Tirol beſchloſſenen Geſetzentwurf betreffend die Errichtung einer öffentlichen Mädchen-Bürger- ſchule in der Landeshauptſtadt Innsbruck die Sanktion erteilt. * Beeidigung. Der Kaiſer, welcher ſeit Donners- tag nachmittag in Schönbrunn weilte, iſt heute früh um ¾8 Uhr in der Hofburg eingetroffen und hat um ¾10 Uhr vormittags vor Beginn der allgemeinen Audienzen den neuernannten Miniſter Dr. Ladislaus Ritter v. Dulemba beeidigt. * Eidesleiſtung der Neuaſſentierten. Geſtern Sonn- tag um 10 Uhr vormittags fand in der Roßauerkaſerne, im Artilleriearſenal und in der Landwehrkaſerne im 5. Bezirk die feierliche Eidesabnahme der nach dem 1. No- vember v. J. zum Präſenzdienſt und zur militäriſchen Aus- bildung eingerückten Soldaten nach vorausgegangenem feierlichen Gottesdienſt ſtatt. In der Roßauerkaſerne war ein Bataillon mit Fahne und Muſik des Inſanterie- Regiments Nr. 67 geſtellt. Hier wohnte auch der Kom- mandant der 93. Infanteriebrigade GM. Schleyer der Eidesleiſtung bei. * Handelsminiſter Dr. Weiskirchner bei Bgm. Dr. Lueger in Lovrana. Aus Lovrana meldet man uns vom 6. d.: Heute traf hier der Statthalter von Trieſt Prinz Hohenlohe zum Beſuche des Handelsminiſters Dr. Weiskirchner und des Bgm. Dr. Lueger ein. Nachmittags machte der Handelsminiſter in Begleitung des Hofrates Pranter und der kaiſerlichen Räte Dr. Eder und Seis einen Spaziergang in die Altſtadt, wo er den neuerbauten Molo und das Poſtamt beſichtigte, deſſen Verlegung aus räumlichen Rückſichten dringend not- wendig erſcheint. Das geſtern hier herrſchende Schirokko- wetter hat das Befinden des Bürgermeiſters nicht ungünſtig beeinflußt. Im Laufe des heutigen Tages ſind auch noch Präſidialvorſtand Magiſtratsrat Dr. Bibl und General- direktor der Oeſterreichiſchen Länderbank L. A. Lohnſtein zum Beſuche des Bürgermeiſters eingelangt. * Zuſammenkunft katholiſcher Philologen. Heute Montag, 8 Uhr abends, findet in Trötters Reſtauration „Zum Magiſtrat“, 1. Bez., Lichtenfelsgaſſe 3, eine Zu- ſammenkunft der katholiſchen Philologen der Wiener Univerſität ſtatt, in welcher nach Erörterung von auf die geplante Vereinsgründung bezüglichen Angelegenheiten formaler Natur stud. phil. Otto Karl Spitz einen Vor- trag über die jungrömiſche Dichterſchule halten wird. * Maſſenverhaftung von Studenten in Rußland. Man telegraphiert uns aus Warſchau vom 7. d. M.: Geſtern nachmittag fand in der hieſigen Univerſität eine von 500 Studenten beſuchte Proteſtverſammlung gegen das Warſchauer Studentengeſetz ſtatt. Die Polizei ſchritt ein und forderte die akademiſche Jugend auf, die Univerſität zu verlaſſen., Die Studenten verſammelten ſich jedoch in einem Saale und weigerten ſich, die Univerſität zu ver- laſſen. Militär ſchritt ein, verhaftete die 500 Studenten und verteilte ſie in die Arreſte der verſchiedenen Polizei- bezirke. 142 der verhafteten Studenten müſſen in den nächſten 24 Stunden Warſchau und Kongreß-Polen über- haupt verlaſſen. * Schwerer Rodelunfall. Aus Mödling, 7. d., wird uns gemeldet: Geſtern nachmittag verunglückte hier auf dem Liechtenſtein der 25jährige Hausbeſitzersſohn Friedrich Maller aus Maria-Enzersdorf beim Rodeln und erlitt einen doppelten Bruch des linken Fußes. Maller wurde ins hieſige Krankenhaus gebracht. Der Unfall er- eignete ſich dadurch, daß Maller mit ſeinem Schlitten, in dem mehrere Perſonen ſaßen, an der Kurve bei der oberen Wieſe nächſt der Fürſtenſtraße einem zweiten Schlitten ausweichen wollte. Hiebei kippte die Rodel um und Maller geriet ſo unglücklich unter den ſchweren Schlitten, daß er ſich den Fuß zweimal brach. * Krawalle bei den Krankenkaſſenwahlen in Aſch. Man telegraphiert uns aus Aſch vom 7. d. M.: Anläßlich der heute hier ſtattgefundenen Wahlen in den Ausſchuß der hieſigen Bezirkskrankenkaſſen kam es zwiſchen Sozialdemo- kraten und Deutſchnationalen zu großen turbulenten Szenen. Die Wahlagitation wurde von beiden Seiten ungemein leb- haft betrieben. Die Sozialdemokraten waren bis mittag im Vorſprung, erſt nachmittags wurden die Ausſichten für die Deutſchnationalen günſtiger. Mittags kam es zwiſchen

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 67, Wien, 08.03.1909, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost067_1909/4>, abgerufen am 21.11.2024.