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Reichspost. Nr. 19, Wien, 24.01.1899.

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19 Wien, Dienstag Reichspost 24. Jänner 1899

[Spaltenumbruch] Temperamente und dem denselben entsprechenden ver-
schiedenen Wegen. Die Abgeordneten des Reichsrathes
müssen in der von uns eben geschilderten Atmosphäre
ihre Thatkraft verringern, die Hindernisse und die
Reibungsflächen mit den anderen Gruppen des Hauses
influenciren sie direct, vielleicht auch wieder
Willen, aber sie müssen mit denselben rechnen, da unsere
Politiker am heimatlichen Boden diese Hindernisse
unterschätzen oder mit einem gewissen Elan über die-
selben hinwegzukommen glauben. Innerhalb der er-
forderlichen Grenzen gehalten, ist der frische kräftige
Vorstoß aus der Heimat von Nutzen und es
verhallt gewiß nicht ungehört in unserem Verbande
und den mit ihm befreundeten Gruppen, aber in dem
Chaos, das am Beginne der Reichsrathssession sich ent-
wickelt, könnte es bald geschehen, daß ein unbedachter
Vorstoß statt einer Klärung einen Umsturz herbei-
führt. Auf denselben lauern unsere nationalen Feinde,
und speciell wenn es uns beifallen könnte, die auf
autonomistischer Grundlage vereinte Rechte
zu veranlassen, würden den warmen Platz
sehr gerne die Italiener beziehen. Wir müssen daher in
der Rechten eine Klärung der Beziehungen zur
Regierung, eine offene Aussprache derselben über
ihre Pläne und ihre Taktik verlangen und durch die
Rechte unsere nationalen Forderungen befriedigt zu er-
halten suchen. In dieser Hinsicht gibt es kein Entweder
-- Oder!" -- Die Gruppe des Herrn Dr. Sustersic
hat damit einen deutlichen Wink mit dem Zaunpfahl
bekommen, daß die Herren in Wien durchaus
regierungsfähig bleiben wollen. Das haben sie mit
ihren jungczechischen Bundesgenossen gemein.

Mähren.
Brünn.

(Im "Prügelcafe". -- Der
ideale Agitator. -- Kaizl-Concert.
-- Von unseren "rothen" Geister-
sehern.)
Das "deutsche Haus" in Brünn öffnet
seine gastlichen Pforten sowohl den Deutschen,
als auch den Teutschen und den Daitschen.
Kein Wunder daher, wenn große Prügeleien bei Ver-
mengung dieser drei verschiedenen Arten von Deutschen
zu entstehen pflegen. Saß da ein teutscher Student
mitten unter seinen Commilitonen. Er hatte wohl
schon zehn Humpen zu Ehren Bismarck's, den elften
zu Ehren Wolff's und den zwölften zu Ehren
Schönerer's geleert und saß jetzt im Dusel traurig da
und beneidete einen "Saujuden" um die "schöne
Maid",
in deren Gesellschaft sich dieser Unwürdige
befand. Er hatte seinem Neid und Grolle in der be-
reits angedeuteten Weise etwas zu laut Ausdruck ver-
liehen und so beschloß denn der Hebräer "färchterliche"
Rache zu nehmen. Er stellte sich dem "Jünglinge"
gegenüber auf und fixirte ihn. Der junge völkische
Mann, der wohl einmal der Stolz der "völkischen
Gliederung" in Mähren sein wird, verträgt und er-
trägt viel, beim 15. Humpen schließlich alles Mögliche,
aber das kann er doch nicht ertragen, daß solch ein
"frecher" Jude ihn betrachtet. Es dauert nicht lange,
und es beginnt die denkwürdige Schlacht zwischen
Teutschen und Daitschen. Während die Namen vom
Jordan den Makkabäern alle Ehre machten
und wie Löwen kämpften, zeigten die Teutschen
nicht die bewährte Kraft ihrer Altvordern
und wurden mit Hilfe von Hausknechten "hinausbug-
sirt" .... Nun sitzen sie beim Humpen, betrachten
wehmüthig ihr Antlitz, das einer czechischen Trikolore
auffallend ähnlich sieht. In dem Cassabericht der deutschen
socialdemokratischen Wahlkreisorganisation des VI. mäh-
rischen Wahlkreises finden wir unter den Ausgaben für
die Zeit vom 1. September bis 30. November 1898
auch folgende Post: "Für Agitation an den Ge-
nossen Hanusch
130 fl." Er verdient 's ja
eigentlich! Wenn man das Uebermaß von "Bildung" (?)
und "Aufklärung" in Betracht zieht, das dieser Genosse
den Nordmährern bereits zugewendet hat, begreift man
den "Idealismus" des braven Genossen nicht, der für
2 Monate "nur" eine Post von 130 fl. stehen hat...
Den Brünner Socialdemokraten kann man bei dem
Bestreben, etwas mehr Humor in's politische Leben
hineinzubringen, nicht eine gewisse Originalität abspre-
chen. Die Agitation gegen den Zeitungsstempel wurde
auf Brünner Boden eifrig geführt. Nun pflegt jeden
Sonntag zwischen 11 bis 12 Uhr Vormittags in den
Glacisanlagen ein Militärconcert stattzufinden, bei dem
sich namentlich die jüdische Bourgeoisie -- kostet es ja
keinen Kreuzer -- ihr Rendezvous zu geben pflegte. In
der letzten Zeit vertheilten nun die Genossen Flugblätter
folgenden Inhalts:

"Socialdemokraten Brünns, Achtung! Sonntag,
den 8. Jänner 1899 findet um 11 Uhr Vormittags in
den Glacisanlagen ein Promenadeconcert zu Gunsten
der mißhandelten Preßfreiheit statt:
Programm: 1. Hymne an die Preßfreiheit.
2. Klagelieder über die Confiscationspraxis. 3. Varia-
tionen über den § 23. 4. "Weg mit dem Zeitungs-
stempel", Trauermarsch von Dr. Kaizl. 5. Galopp,
ausgeführt von sämmtlichen Mitwirkenden unter Po-
lizeibegleitung. Um Zuspruch bittet die socialdemokrati-
sche Partei Brünns." Sonntag, den 8. ergriff zunächst
die Militärmusik vor den Zeitungsstempelmusikern die
Flucht, dann wurden die vier Programmpunkte glück-
lich erledigt, an der Erledigung des fünften Punktes
hatte unsere Polizei rühmlichen Antheil genommen. Wie
wäre es denn gewesen, wenn man etwa Herrn Graf
Dzieduszycki zum Galopp nach Brünn ein-
geladen hätte, dem bekanntlich jedes "eilige Marsch-
tempo" in der Frage der Aufhebung des Zeitungs-
[Spaltenumbruch] stempels zuwider ist? Wir glauben, der Mann hätte
bei Punkt 5 des Programmes ein so eiliges Marsch-
tempo eingeschlagen, wie noch nie in seinem
Leben. Nun was nicht ist, kann ja noch
werden! -- Unsere Genossen wittern jetzt überall
Verrath. Seitdem die czechischnationalen Arbeiter
alle möglichen Schandthaten dieser braven Sippschaft
ans Tageslicht gebracht, können sich die davon Be-
troffenen nicht beruhigen. Bei einer in der letzten
Zeit in Brünn abgehaltenen socialdemokratischen
Parteiconferenz, der auch der "rühmlichst" bekannte
Krapka-Pawlischowski aus Wien bei-
wohnte und auf der Genosse Habermann, von
dem man nicht mit Sicherheit weiß, ob er nicht den
Ausstand auf Cuba mitgemacht habe, die erste
Violine spielte, wurde beschlossen, in Organisations-
Versammlungen keine (im "Prügeln"?) ungeübte
Elemente hineinzulassen, um so die abfällige Kritik
in gegnerischen Organen zu vermeiden. Da muß es
also schon tüchtig "stinken", wenn die Herrschaften
hinter Schloß und Riegel ihre geheimen Conventikel
abhalten wollen und die Kritik der Gegner so sehr
fürchten.

Olmütz.

(Der jungczechische Radica-
lismus an der Arbeit.)
Eine mährische Corre-
spondenz weist im "Vaterland" auf die kirchenfeindlichen
Wühlereien hin, die in Mähren von radical-
czechischer Seite
gegen die katholischen Institutionen
und speciell gegen den Olmützer Fürstbischof systematisch ver-
übt werden. "Seit dem 8. November v. J., der als Wahl-
tag des gegenwärtigen Fürstbischofs gilt, vergeht -- so
schreibt man dem citirten Blatte -- kein Tag, wo der
Kirchenfürst nicht in der gemeinsten Weise mit Koth be-
worfen würde; und zwar deshalb, weil er nicht so national
gesinnt ist, wie die radicalböhmischen (czechischen) Blätter es
fordern. Und da ist diesen Leuten kein Mittel, keine Ver-
dächtigung, keine Beleidigung, keine Injurie zu gemein, um
ihren fanatischen Haß zur Geltung zu bringen. Man ver-
schreit ihn als einen Germanisator, man schont seine Be-
amten und Bediensteten nicht und spielt sie einmal gegen
ihn, ein andermal ihn gegen sie aus ... Es ist das ein
merkwürdiges Zeichen der Zeit, wohin wir steuern. Die
radicalböhmische Partei, die man noch vor
kurzer Zeit in Mähren gar nicht kannte, sie erhebt
heute ihr Haupt mit einer Unverfrorenheit, die zu ernsten
Befürchtungen Anlaß gibt. Frech greift sie die Religion
an, indem sie über die Heiligen-
verehrung, die Beicht, die Volks-
missionen, ja selbst das aller-
heiligste Altarssacrament
in unglaublich
frivoler Weise sich ausspricht und mit ihrem Hohn
und Spotte alle, alle Leute zu terrorisiren sucht.
Daß die Bösgesinnten auch des Kaisers Majestät nahe
treten ist dabei selbstverständlich, und auch Majestätsbeleidi-
gungen werden dort, wo man es gar nicht vermuthen sollte,
auf die leichte Achsel genommen. Wir glauben zur Orien-
tirung der Leser anführen zu müssen, daß die radicale
Partei
an den Fürsterzbischof von Olmütz geradezu
Forderungen stellt, die er zu befriedigen verpflichtet sei. Vor
Allem muß er vergessen, daß er ein katholischer Bischof ist
und eine große Erzdiöcese leitet, die Slaven und Deutsche
umfaßt, und soll er sich mit Leib und Seele der radicalen
Partei verschreiben; er muß das Priesterseminar in Olmütz
und das Clericalseminar zu Kremsier nach Vorschrift der
Radicalen einrichten und die Priesterstandscandidaten an
erster Stelle zu Aposteln der Nationalidee heranbilden lassen;
er muß seine Einkünfte, die doch nach der Vorschrift der
Kirche in erster Linie zu Liebeswerken verwendet werden
müssen, ausschließlich für nationale Zwecke widmen und
die böhmische Universität in Mähren errichten und
dotiren; er muß seine Beamten und Bediensteten, die er
von seinem Vorgänger übernommen und die als treue
Diener ihres Herren und nicht als politische Agitatoren
gelten wollten, entlassen und radicalböhmische junge Leute
anstellen, die dann das Hoch- und Erzstift in nationaler
und administrativer Richtung regeneriren werden; er muß
seinen Priestern vorschreiben, daß sie sie mit dem Wenigen,
das sie nach dem Ableben hinterlassen, ganz und gar nicht
kirchliche, sondern nationale Zweae fördern, wobei der
Kirchenfürst buchstäblich in den radicalen Blättern der Erb-
schleicherei geziehen wird; er darf Canonicatsstellen oder
überhaupt Kirchenpfründen nicht den nach seiner oberhirt-
lichen Meinung Würdigsten, mag der Priester böhmisch oder
deutsch sprechen, vergeben, sondern er muß zuerst bei den
radicalen Elementen anfragen, ob dies genehm ist oder
nicht ..." So berichtet man dem "Vaterland". Man
darf nicht vergessen, daß die Jungczechen Mährens unter
der Führung des Juden Dr. Stransky stehen.

Böhmen.
Prag.

(Neue czechische Partei-
gebilde.)
Wiederholt schon ist über finanzielle und
wirthschaftliche Mißwirthschaft des nationalczechischen
Stadtregimentes geklagt worden. Die neuesten Actionen
in Sachen der elektrischen Straßenbahnen, des Prager
bürgerlichen Bräuhauses, des Huß-Denkmals etc. haben
in verschiedenen Kreisen den Unmuth gemehrt. Damit
hängen die Bestrebungen zusammen, daß im Schoße
des Prager Stadtverordneten-Collegiums aus einer
Reihe von Abgeordneten ohne Unterschied der politischen
Gesinnung eine neue Partei bloß auf Grund der
bürgerlichen Freiheit und des Vertrauens der Wähler
gebildet werde. In diese Partei, so erklären "Katolicke
Listy", sollen nur solche Stadtverordnete aufgenommen
werden, die "weder geschäftlich mit der Prager Stadt-
gemeinde in Verbindung stehen, noch Actienspeculanten
unter dem Schutze des Wappens und der Firma der
Stadt Prag sind." Diese Partei würde nach dem
citirten Blatt das Grab des Compromisses zwischen
Jung- und Altczechen, beziehungsweise der Fäulniß im
Altstädter Rathhause werden. ... Als die jungczechische
Partei vor acht Jahren den Einfluß der Altzechen
brach, verbündeten sich mit ihr die sogenannten
"Realisten", deren Organ der Prager "Czas" ist.
Diese von Professor Masaryk geführte Richtung macht
[Spaltenumbruch] schon seit längerer Zeit aus ihrer wachsenden Un-
zufriedenheit mit der politischen Haltung und wirth-
schaftlichen Unfruchtbarkeit der Jungczechen kein Hehl
mehr; neuestens aber droht sie offen mit ihrem
Abfall und fordert, daß die Realisten sich als
selbstständige national-czechische
Partei
formiren. Der Prager "Czas" schreibt
diesfalls: "Organisiren wir uns!
Alle Fractionen organisiren sich. Der Verfall
des Jungczechenthums fordert dazu
auf.
Es mahnen uns Viele: Organisirt Euch, Ihr
Realisten ebenfalls! Auch Viele von den Unserigen
sagen: Organisiren wir uns! Ihr werdet sehen, daß
wir stärker sind, als Ihr glaubt. Unsere Organisation
muß auf neuen Männern begründet
sein, auf Männern, welche von der Wurzel auf in den
Anschauungen des Realismus aufgewachsen sind, auf
Männern der Zukunft, welche unfähig sind, mit der
Vergangenheit zu pactiren. Sollen wir uns aber auf
der Basis des Realismus organisiren, so muß noch
eine letzte Vorbereitung getroffen werden. Es müssen
unsere Hauptgrundsätze und Erfahrungen in ein
festes Programmsystem zusammen-
gefügt
werden, damit auch das jüngste und das
breiteste Lesepublikum sogleich wisse, was wir
wollen und nicht wollen.
Diese Arbeit
unternehmen wir soeben. Dann werden wir zu den
breiten Schichten sagen können: "So sind wir! Wenn
Ihr wollt, kommt mit uns!" -- Der Jungczechismus
bröckelt ab; er zeigt sehr früh die Spuren der Alters-
schwäche des Zerfalls. Von der einen Seite machen neue
radicale Parteigebilde von der einen Seite, und christlich-
nationale Parteiformationen von der anderen Seite
ihre Erbansprüche geltend.

Prag.

(Die Erregung dauert fort.)
Am 21. d. Abends gab es in der Neustadt wiederum
Straßenaufzüge des nationalen Mob. Mehrere Hundert
Excedenten schaarten sich zusammen und zogen, von der
Polizei verfolgt, lärmend in den Stadttheil "Weinberge",
von da aber, bedrängt durch die Polizei, wiederum zurück
in die Stadt. An der Ecke der Korngasse stieß die Rotte
auf zwei deutsche Studenten, deren Einer, ein Mediciner,
alsbald einen Stockhieb über den Hut und einen Faustschlag
ins Gesicht erhielt, während dem andern, einem Juristen,
der Ueberrock zerrissen wurde. Beide deutsche Studenten
mußten sich eilig in ein Haus flüchten, wo die Polizei sie
gegen den Pöbel schützte und dann nach Hause geleitete
Dem Militär ist in Folge der wiederholten Straßenexcesse
und der Gewaltthaten gegen Deutsche wieder Bereitschaft
commandirt. Auch am Sonntag, den 22. d. Abends, kam
es auf dem Wenzelsplatze zu Zusammenrottungen czechischer
Elemente; doch konnten sich die Haufen gegenüber der ver-
stärkten Polizeiwachmannschaft nicht beisammenhalten; sie
wurden auseinandergejagt und zerstreut, ehe sie wieder Unheil
angerichtet hatten. -- Im Laufe des Sonntags wurden in
Prag drei czechische Arbeiterversammlungen abgehalten, von
deren einer in Michle die Theilnehmer massig gegen die
innere Stadt zogen; sie wurden aber von der Polizei
vorher zerstreut. -- In der deutschen Presse erheben sich
Beschwerden darüber, daß am 21. d. M. der Stadtgemeinde
Saaz die Pflicht auferlegt wurde, aus eigenen Mitteln die
Schäden der nächtlichen Ruhestörungen vom 28. November
1897 und die Kosten der Schadenerhebungscommissionen zu
ersetzen, während der Commune Prag bis heute ein solcher
Schaden-Ersatz für die Massen-Zerstörungen an deutschem
Hab und Gut aus den Schreckenstagen vom 30. November
und 1. December 1897 noch nicht auferlegt ist. In der
Aula der Universität hielten die czechischen Studenten am
22 d. M. eine Versammlung ab, in welcher beschlossen
wurde, es sei dahin zu streben, daß den deutschen Stu-
denten das Tragen farbiger Abzeichen in Prag verboten
werde, anderseits aber sei eine Organisirung der czechischen
Studentenschaft nach dem Muster der deutschen Studenten
in Aussicht zu nehmen, letztere jedoch nicht zu provociren.

Eger.

Eine Lehrerversammlung Westböhmens,
besucht von mehreren hundert Theilnehmern, beschäftigte
sich am 22. d. mit den Forderungen der Lehrerschaft
auf Gehaltserhöhung und eine Reihe weiterer Standes-
ansprüche. Diese in acht Punkten zusammengefaßten
Forderungen fanden einhellige Annahme. Auch die west-
böhmischen Abgeordneten des Reichsrathes und Land-
tages waren zu dieser Bersammlung geladen, und es
waren dazu Dr. Zdenko Schücker, Röhling, Iro, Jintl
und Dr. Reiniger erschienen. Dieselben sagten in kürzeren
Ansprachen zu, die Ansprüche der Lehrer in den gesetz-
gebenden Körperschaften kräftig zu unterstützen und
ernteten dafür großen Beifall.




Telegramme.
Die Dreyfus-Affaire.

Das "Journal" erklärt,
es habe vom Präsidenten der Strafkammer, Löw, die
Bestätigung erhalten, daß die Untersuchung
über das gesammte Actenmateriale des Revisions-
processes vor dem 15. Februar beendet sein könnte.
Nach der Einvernahme Esterhazy's werde die Straf-
kammer nur noch das Borderau zu prüfen haben. Die
Vernehmung der Experten sei abgeschlossen.

Esterhazy wird heute
vor dem Cassationshofe erscheinen.

Eine Anzahl von Gelehrten (!) veröffentlichen im
"Figaro" einen Aufruf, in welchem alle guten Franzosen
aufgefordert werden, sich im Interesse Frankreichs im
Vorhinein vor der Entscheidung des Cassationshofes zu
beugen.

Krise in Belgien.

Das Journal "Le
Patriote"
bestätigt die Gerüchte über Meinungs-
verschiedenheiten
zwischen dem König
und einigen Ministern hinsichtlich der Wahl-
reform
und fügt hinzu, heute würden sich im

19 Wien, Dienſtag Reichspoſt 24. Jänner 1899

[Spaltenumbruch] Temperamente und dem denſelben entſprechenden ver-
ſchiedenen Wegen. Die Abgeordneten des Reichsrathes
müſſen in der von uns eben geſchilderten Atmoſphäre
ihre Thatkraft verringern, die Hinderniſſe und die
Reibungsflächen mit den anderen Gruppen des Hauſes
influenciren ſie direct, vielleicht auch wieder
Willen, aber ſie müſſen mit denſelben rechnen, da unſere
Politiker am heimatlichen Boden dieſe Hinderniſſe
unterſchätzen oder mit einem gewiſſen Elan über die-
ſelben hinwegzukommen glauben. Innerhalb der er-
forderlichen Grenzen gehalten, iſt der friſche kräftige
Vorſtoß aus der Heimat von Nutzen und es
verhallt gewiß nicht ungehört in unſerem Verbande
und den mit ihm befreundeten Gruppen, aber in dem
Chaos, das am Beginne der Reichsrathsſeſſion ſich ent-
wickelt, könnte es bald geſchehen, daß ein unbedachter
Vorſtoß ſtatt einer Klärung einen Umſturz herbei-
führt. Auf denſelben lauern unſere nationalen Feinde,
und ſpeciell wenn es uns beifallen könnte, die auf
autonomiſtiſcher Grundlage vereinte Rechte
zu veranlaſſen, würden den warmen Platz
ſehr gerne die Italiener beziehen. Wir müſſen daher in
der Rechten eine Klärung der Beziehungen zur
Regierung, eine offene Ausſprache derſelben über
ihre Pläne und ihre Taktik verlangen und durch die
Rechte unſere nationalen Forderungen befriedigt zu er-
halten ſuchen. In dieſer Hinſicht gibt es kein Entweder
— Oder!“ — Die Gruppe des Herrn Dr. Suſterſic
hat damit einen deutlichen Wink mit dem Zaunpfahl
bekommen, daß die Herren in Wien durchaus
regierungsfähig bleiben wollen. Das haben ſie mit
ihren jungczechiſchen Bundesgenoſſen gemein.

Mähren.
Brünn.

(Im „Prügelcafé“. — Der
ideale Agitator. — Kaizl-Concert.
— Von unſeren „rothen“ Geiſter-
ſehern.)
Das „deutſche Haus“ in Brünn öffnet
ſeine gaſtlichen Pforten ſowohl den Deutſchen,
als auch den Teutſchen und den Daitſchen.
Kein Wunder daher, wenn große Prügeleien bei Ver-
mengung dieſer drei verſchiedenen Arten von Deutſchen
zu entſtehen pflegen. Saß da ein teutſcher Student
mitten unter ſeinen Commilitonen. Er hatte wohl
ſchon zehn Humpen zu Ehren Bismarck’s, den elften
zu Ehren Wolff’s und den zwölften zu Ehren
Schönerer’s geleert und ſaß jetzt im Duſel traurig da
und beneidete einen „Saujuden“ um die „ſchöne
Maid“,
in deren Geſellſchaft ſich dieſer Unwürdige
befand. Er hatte ſeinem Neid und Grolle in der be-
reits angedeuteten Weiſe etwas zu laut Ausdruck ver-
liehen und ſo beſchloß denn der Hebräer „färchterliche“
Rache zu nehmen. Er ſtellte ſich dem „Jünglinge“
gegenüber auf und fixirte ihn. Der junge völkiſche
Mann, der wohl einmal der Stolz der „völkiſchen
Gliederung“ in Mähren ſein wird, verträgt und er-
trägt viel, beim 15. Humpen ſchließlich alles Mögliche,
aber das kann er doch nicht ertragen, daß ſolch ein
„frecher“ Jude ihn betrachtet. Es dauert nicht lange,
und es beginnt die denkwürdige Schlacht zwiſchen
Teutſchen und Daitſchen. Während die Namen vom
Jordan den Makkabäern alle Ehre machten
und wie Löwen kämpften, zeigten die Teutſchen
nicht die bewährte Kraft ihrer Altvordern
und wurden mit Hilfe von Hausknechten „hinausbug-
ſirt“ .... Nun ſitzen ſie beim Humpen, betrachten
wehmüthig ihr Antlitz, das einer czechiſchen Trikolore
auffallend ähnlich ſieht. In dem Caſſabericht der deutſchen
ſocialdemokratiſchen Wahlkreisorganiſation des VI. mäh-
riſchen Wahlkreiſes finden wir unter den Ausgaben für
die Zeit vom 1. September bis 30. November 1898
auch folgende Poſt: „Für Agitation an den Ge-
noſſen Hanuſch
130 fl.“ Er verdient ’s ja
eigentlich! Wenn man das Uebermaß von „Bildung“ (?)
und „Aufklärung“ in Betracht zieht, das dieſer Genoſſe
den Nordmährern bereits zugewendet hat, begreift man
den „Idealismus“ des braven Genoſſen nicht, der für
2 Monate „nur“ eine Poſt von 130 fl. ſtehen hat...
Den Brünner Socialdemokraten kann man bei dem
Beſtreben, etwas mehr Humor in’s politiſche Leben
hineinzubringen, nicht eine gewiſſe Originalität abſpre-
chen. Die Agitation gegen den Zeitungsſtempel wurde
auf Brünner Boden eifrig geführt. Nun pflegt jeden
Sonntag zwiſchen 11 bis 12 Uhr Vormittags in den
Glacisanlagen ein Militärconcert ſtattzufinden, bei dem
ſich namentlich die jüdiſche Bourgeoiſie — koſtet es ja
keinen Kreuzer — ihr Rendezvous zu geben pflegte. In
der letzten Zeit vertheilten nun die Genoſſen Flugblätter
folgenden Inhalts:

„Socialdemokraten Brünns, Achtung! Sonntag,
den 8. Jänner 1899 findet um 11 Uhr Vormittags in
den Glacisanlagen ein Promenadeconcert zu Gunſten
der mißhandelten Preßfreiheit ſtatt:
Programm: 1. Hymne an die Preßfreiheit.
2. Klagelieder über die Confiscationspraxis. 3. Varia-
tionen über den § 23. 4. „Weg mit dem Zeitungs-
ſtempel“, Trauermarſch von Dr. Kaizl. 5. Galopp,
ausgeführt von ſämmtlichen Mitwirkenden unter Po-
lizeibegleitung. Um Zuſpruch bittet die ſocialdemokrati-
ſche Partei Brünns.“ Sonntag, den 8. ergriff zunächſt
die Militärmuſik vor den Zeitungsſtempelmuſikern die
Flucht, dann wurden die vier Programmpunkte glück-
lich erledigt, an der Erledigung des fünften Punktes
hatte unſere Polizei rühmlichen Antheil genommen. Wie
wäre es denn geweſen, wenn man etwa Herrn Graf
Dzieduszycki zum Galopp nach Brünn ein-
geladen hätte, dem bekanntlich jedes „eilige Marſch-
tempo“ in der Frage der Aufhebung des Zeitungs-
[Spaltenumbruch] ſtempels zuwider iſt? Wir glauben, der Mann hätte
bei Punkt 5 des Programmes ein ſo eiliges Marſch-
tempo eingeſchlagen, wie noch nie in ſeinem
Leben. Nun was nicht iſt, kann ja noch
werden! — Unſere Genoſſen wittern jetzt überall
Verrath. Seitdem die czechiſchnationalen Arbeiter
alle möglichen Schandthaten dieſer braven Sippſchaft
ans Tageslicht gebracht, können ſich die davon Be-
troffenen nicht beruhigen. Bei einer in der letzten
Zeit in Brünn abgehaltenen ſocialdemokratiſchen
Parteiconferenz, der auch der „rühmlichſt“ bekannte
Krapka-Pawliſchowski aus Wien bei-
wohnte und auf der Genoſſe Habermann, von
dem man nicht mit Sicherheit weiß, ob er nicht den
Auſſtand auf Cuba mitgemacht habe, die erſte
Violine ſpielte, wurde beſchloſſen, in Organiſations-
Verſammlungen keine (im „Prügeln“?) ungeübte
Elemente hineinzulaſſen, um ſo die abfällige Kritik
in gegneriſchen Organen zu vermeiden. Da muß es
alſo ſchon tüchtig „ſtinken“, wenn die Herrſchaften
hinter Schloß und Riegel ihre geheimen Conventikel
abhalten wollen und die Kritik der Gegner ſo ſehr
fürchten.

Olmütz.

(Der jungczechiſche Radica-
lismus an der Arbeit.)
Eine mähriſche Corre-
ſpondenz weiſt im „Vaterland“ auf die kirchenfeindlichen
Wühlereien hin, die in Mähren von radical-
czechiſcher Seite
gegen die katholiſchen Inſtitutionen
und ſpeciell gegen den Olmützer Fürſtbiſchof ſyſtematiſch ver-
übt werden. „Seit dem 8. November v. J., der als Wahl-
tag des gegenwärtigen Fürſtbiſchofs gilt, vergeht — ſo
ſchreibt man dem citirten Blatte — kein Tag, wo der
Kirchenfürſt nicht in der gemeinſten Weiſe mit Koth be-
worfen würde; und zwar deshalb, weil er nicht ſo national
geſinnt iſt, wie die radicalböhmiſchen (czechiſchen) Blätter es
fordern. Und da iſt dieſen Leuten kein Mittel, keine Ver-
dächtigung, keine Beleidigung, keine Injurie zu gemein, um
ihren fanatiſchen Haß zur Geltung zu bringen. Man ver-
ſchreit ihn als einen Germaniſator, man ſchont ſeine Be-
amten und Bedienſteten nicht und ſpielt ſie einmal gegen
ihn, ein andermal ihn gegen ſie aus ... Es iſt das ein
merkwürdiges Zeichen der Zeit, wohin wir ſteuern. Die
radicalböhmiſche Partei, die man noch vor
kurzer Zeit in Mähren gar nicht kannte, ſie erhebt
heute ihr Haupt mit einer Unverfrorenheit, die zu ernſten
Befürchtungen Anlaß gibt. Frech greift ſie die Religion
an, indem ſie über die Heiligen-
verehrung, die Beicht, die Volks-
miſſionen, ja ſelbſt das aller-
heiligſte Altarsſacrament
in unglaublich
frivoler Weiſe ſich ausſpricht und mit ihrem Hohn
und Spotte alle, alle Leute zu terroriſiren ſucht.
Daß die Bösgeſinnten auch des Kaiſers Majeſtät nahe
treten iſt dabei ſelbſtverſtändlich, und auch Majeſtätsbeleidi-
gungen werden dort, wo man es gar nicht vermuthen ſollte,
auf die leichte Achſel genommen. Wir glauben zur Orien-
tirung der Leſer anführen zu müſſen, daß die radicale
Partei
an den Fürſterzbiſchof von Olmütz geradezu
Forderungen ſtellt, die er zu befriedigen verpflichtet ſei. Vor
Allem muß er vergeſſen, daß er ein katholiſcher Biſchof iſt
und eine große Erzdiöceſe leitet, die Slaven und Deutſche
umfaßt, und ſoll er ſich mit Leib und Seele der radicalen
Partei verſchreiben; er muß das Prieſterſeminar in Olmütz
und das Clericalſeminar zu Kremſier nach Vorſchrift der
Radicalen einrichten und die Prieſterſtandscandidaten an
erſter Stelle zu Apoſteln der Nationalidee heranbilden laſſen;
er muß ſeine Einkünfte, die doch nach der Vorſchrift der
Kirche in erſter Linie zu Liebeswerken verwendet werden
müſſen, ausſchließlich für nationale Zwecke widmen und
die böhmiſche Univerſität in Mähren errichten und
dotiren; er muß ſeine Beamten und Bedienſteten, die er
von ſeinem Vorgänger übernommen und die als treue
Diener ihres Herren und nicht als politiſche Agitatoren
gelten wollten, entlaſſen und radicalböhmiſche junge Leute
anſtellen, die dann das Hoch- und Erzſtift in nationaler
und adminiſtrativer Richtung regeneriren werden; er muß
ſeinen Prieſtern vorſchreiben, daß ſie ſie mit dem Wenigen,
das ſie nach dem Ableben hinterlaſſen, ganz und gar nicht
kirchliche, ſondern nationale Zweae fördern, wobei der
Kirchenfürſt buchſtäblich in den radicalen Blättern der Erb-
ſchleicherei geziehen wird; er darf Canonicatsſtellen oder
überhaupt Kirchenpfründen nicht den nach ſeiner oberhirt-
lichen Meinung Würdigſten, mag der Prieſter böhmiſch oder
deutſch ſprechen, vergeben, ſondern er muß zuerſt bei den
radicalen Elementen anfragen, ob dies genehm iſt oder
nicht ...“ So berichtet man dem „Vaterland“. Man
darf nicht vergeſſen, daß die Jungczechen Mährens unter
der Führung des Juden Dr. Stransky ſtehen.

Böhmen.
Prag.

(Neue czechiſche Partei-
gebilde.)
Wiederholt ſchon iſt über finanzielle und
wirthſchaftliche Mißwirthſchaft des nationalczechiſchen
Stadtregimentes geklagt worden. Die neueſten Actionen
in Sachen der elektriſchen Straßenbahnen, des Prager
bürgerlichen Bräuhauſes, des Huß-Denkmals ꝛc. haben
in verſchiedenen Kreiſen den Unmuth gemehrt. Damit
hängen die Beſtrebungen zuſammen, daß im Schoße
des Prager Stadtverordneten-Collegiums aus einer
Reihe von Abgeordneten ohne Unterſchied der politiſchen
Geſinnung eine neue Partei bloß auf Grund der
bürgerlichen Freiheit und des Vertrauens der Wähler
gebildet werde. In dieſe Partei, ſo erklären „Katolické
Liſty“, ſollen nur ſolche Stadtverordnete aufgenommen
werden, die „weder geſchäftlich mit der Prager Stadt-
gemeinde in Verbindung ſtehen, noch Actienſpeculanten
unter dem Schutze des Wappens und der Firma der
Stadt Prag ſind.“ Dieſe Partei würde nach dem
citirten Blatt das Grab des Compromiſſes zwiſchen
Jung- und Altczechen, beziehungsweiſe der Fäulniß im
Altſtädter Rathhauſe werden. ... Als die jungczechiſche
Partei vor acht Jahren den Einfluß der Altzechen
brach, verbündeten ſich mit ihr die ſogenannten
„Realiſten“, deren Organ der Prager „Czas“ iſt.
Dieſe von Profeſſor Maſaryk geführte Richtung macht
[Spaltenumbruch] ſchon ſeit längerer Zeit aus ihrer wachſenden Un-
zufriedenheit mit der politiſchen Haltung und wirth-
ſchaftlichen Unfruchtbarkeit der Jungczechen kein Hehl
mehr; neueſtens aber droht ſie offen mit ihrem
Abfall und fordert, daß die Realiſten ſich als
ſelbſtſtändige national-czechiſche
Partei
formiren. Der Prager „Czas“ ſchreibt
diesfalls: „Organiſiren wir uns!
Alle Fractionen organiſiren ſich. Der Verfall
des Jungczechenthums fordert dazu
auf.
Es mahnen uns Viele: Organiſirt Euch, Ihr
Realiſten ebenfalls! Auch Viele von den Unſerigen
ſagen: Organiſiren wir uns! Ihr werdet ſehen, daß
wir ſtärker ſind, als Ihr glaubt. Unſere Organiſation
muß auf neuen Männern begründet
ſein, auf Männern, welche von der Wurzel auf in den
Anſchauungen des Realismus aufgewachſen ſind, auf
Männern der Zukunft, welche unfähig ſind, mit der
Vergangenheit zu pactiren. Sollen wir uns aber auf
der Baſis des Realismus organiſiren, ſo muß noch
eine letzte Vorbereitung getroffen werden. Es müſſen
unſere Hauptgrundſätze und Erfahrungen in ein
feſtes Programmſyſtem zuſammen-
gefügt
werden, damit auch das jüngſte und das
breiteſte Leſepublikum ſogleich wiſſe, was wir
wollen und nicht wollen.
Dieſe Arbeit
unternehmen wir ſoeben. Dann werden wir zu den
breiten Schichten ſagen können: „So ſind wir! Wenn
Ihr wollt, kommt mit uns!“ — Der Jungczechismus
bröckelt ab; er zeigt ſehr früh die Spuren der Alters-
ſchwäche des Zerfalls. Von der einen Seite machen neue
radicale Parteigebilde von der einen Seite, und chriſtlich-
nationale Parteiformationen von der anderen Seite
ihre Erbanſprüche geltend.

Prag.

(Die Erregung dauert fort.)
Am 21. d. Abends gab es in der Neuſtadt wiederum
Straßenaufzüge des nationalen Mob. Mehrere Hundert
Excedenten ſchaarten ſich zuſammen und zogen, von der
Polizei verfolgt, lärmend in den Stadttheil „Weinberge“,
von da aber, bedrängt durch die Polizei, wiederum zurück
in die Stadt. An der Ecke der Korngaſſe ſtieß die Rotte
auf zwei deutſche Studenten, deren Einer, ein Mediciner,
alsbald einen Stockhieb über den Hut und einen Fauſtſchlag
ins Geſicht erhielt, während dem andern, einem Juriſten,
der Ueberrock zerriſſen wurde. Beide deutſche Studenten
mußten ſich eilig in ein Haus flüchten, wo die Polizei ſie
gegen den Pöbel ſchützte und dann nach Hauſe geleitete
Dem Militär iſt in Folge der wiederholten Straßenexceſſe
und der Gewaltthaten gegen Deutſche wieder Bereitſchaft
commandirt. Auch am Sonntag, den 22. d. Abends, kam
es auf dem Wenzelsplatze zu Zuſammenrottungen czechiſcher
Elemente; doch konnten ſich die Haufen gegenüber der ver-
ſtärkten Polizeiwachmannſchaft nicht beiſammenhalten; ſie
wurden auseinandergejagt und zerſtreut, ehe ſie wieder Unheil
angerichtet hatten. — Im Laufe des Sonntags wurden in
Prag drei czechiſche Arbeiterverſammlungen abgehalten, von
deren einer in Michle die Theilnehmer maſſig gegen die
innere Stadt zogen; ſie wurden aber von der Polizei
vorher zerſtreut. — In der deutſchen Preſſe erheben ſich
Beſchwerden darüber, daß am 21. d. M. der Stadtgemeinde
Saaz die Pflicht auferlegt wurde, aus eigenen Mitteln die
Schäden der nächtlichen Ruheſtörungen vom 28. November
1897 und die Koſten der Schadenerhebungscommiſſionen zu
erſetzen, während der Commune Prag bis heute ein ſolcher
Schaden-Erſatz für die Maſſen-Zerſtörungen an deutſchem
Hab und Gut aus den Schreckenstagen vom 30. November
und 1. December 1897 noch nicht auferlegt iſt. In der
Aula der Univerſität hielten die czechiſchen Studenten am
22 d. M. eine Verſammlung ab, in welcher beſchloſſen
wurde, es ſei dahin zu ſtreben, daß den deutſchen Stu-
denten das Tragen farbiger Abzeichen in Prag verboten
werde, anderſeits aber ſei eine Organiſirung der czechiſchen
Studentenſchaft nach dem Muſter der deutſchen Studenten
in Ausſicht zu nehmen, letztere jedoch nicht zu provociren.

Eger.

Eine Lehrerverſammlung Weſtböhmens,
beſucht von mehreren hundert Theilnehmern, beſchäftigte
ſich am 22. d. mit den Forderungen der Lehrerſchaft
auf Gehaltserhöhung und eine Reihe weiterer Standes-
anſprüche. Dieſe in acht Punkten zuſammengefaßten
Forderungen fanden einhellige Annahme. Auch die weſt-
böhmiſchen Abgeordneten des Reichsrathes und Land-
tages waren zu dieſer Berſammlung geladen, und es
waren dazu Dr. Zdenko Schücker, Röhling, Iro, Jintl
und Dr. Reiniger erſchienen. Dieſelben ſagten in kürzeren
Anſprachen zu, die Anſprüche der Lehrer in den geſetz-
gebenden Körperſchaften kräftig zu unterſtützen und
ernteten dafür großen Beifall.




Telegramme.
Die Dreyfus-Affaire.

Das „Journal“ erklärt,
es habe vom Präſidenten der Strafkammer, Löw, die
Beſtätigung erhalten, daß die Unterſuchung
über das geſammte Actenmateriale des Reviſions-
proceſſes vor dem 15. Februar beendet ſein könnte.
Nach der Einvernahme Eſterhazy’s werde die Straf-
kammer nur noch das Borderau zu prüfen haben. Die
Vernehmung der Experten ſei abgeſchloſſen.

Eſterhazy wird heute
vor dem Caſſationshofe erſcheinen.

Eine Anzahl von Gelehrten (!) veröffentlichen im
„Figaro“ einen Aufruf, in welchem alle guten Franzoſen
aufgefordert werden, ſich im Intereſſe Frankreichs im
Vorhinein vor der Entſcheidung des Caſſationshofes zu
beugen.

Kriſe in Belgien.

Das Journal „Le
Patriote“
beſtätigt die Gerüchte über Meinungs-
verſchiedenheiten
zwiſchen dem König
und einigen Miniſtern hinſichtlich der Wahl-
reform
und fügt hinzu, heute würden ſich im

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[5/0005] 19 Wien, Dienſtag Reichspoſt 24. Jänner 1899 Temperamente und dem denſelben entſprechenden ver- ſchiedenen Wegen. Die Abgeordneten des Reichsrathes müſſen in der von uns eben geſchilderten Atmoſphäre ihre Thatkraft verringern, die Hinderniſſe und die Reibungsflächen mit den anderen Gruppen des Hauſes influenciren ſie direct, vielleicht auch wieder Willen, aber ſie müſſen mit denſelben rechnen, da unſere Politiker am heimatlichen Boden dieſe Hinderniſſe unterſchätzen oder mit einem gewiſſen Elan über die- ſelben hinwegzukommen glauben. Innerhalb der er- forderlichen Grenzen gehalten, iſt der friſche kräftige Vorſtoß aus der Heimat von Nutzen und es verhallt gewiß nicht ungehört in unſerem Verbande und den mit ihm befreundeten Gruppen, aber in dem Chaos, das am Beginne der Reichsrathsſeſſion ſich ent- wickelt, könnte es bald geſchehen, daß ein unbedachter Vorſtoß ſtatt einer Klärung einen Umſturz herbei- führt. Auf denſelben lauern unſere nationalen Feinde, und ſpeciell wenn es uns beifallen könnte, die auf autonomiſtiſcher Grundlage vereinte Rechte zu veranlaſſen, würden den warmen Platz ſehr gerne die Italiener beziehen. Wir müſſen daher in der Rechten eine Klärung der Beziehungen zur Regierung, eine offene Ausſprache derſelben über ihre Pläne und ihre Taktik verlangen und durch die Rechte unſere nationalen Forderungen befriedigt zu er- halten ſuchen. In dieſer Hinſicht gibt es kein Entweder — Oder!“ — Die Gruppe des Herrn Dr. Suſterſic hat damit einen deutlichen Wink mit dem Zaunpfahl bekommen, daß die Herren in Wien durchaus regierungsfähig bleiben wollen. Das haben ſie mit ihren jungczechiſchen Bundesgenoſſen gemein. Mähren. Brünn. (Im „Prügelcafé“. — Der ideale Agitator. — Kaizl-Concert. — Von unſeren „rothen“ Geiſter- ſehern.) Das „deutſche Haus“ in Brünn öffnet ſeine gaſtlichen Pforten ſowohl den Deutſchen, als auch den Teutſchen und den Daitſchen. Kein Wunder daher, wenn große Prügeleien bei Ver- mengung dieſer drei verſchiedenen Arten von Deutſchen zu entſtehen pflegen. Saß da ein teutſcher Student mitten unter ſeinen Commilitonen. Er hatte wohl ſchon zehn Humpen zu Ehren Bismarck’s, den elften zu Ehren Wolff’s und den zwölften zu Ehren Schönerer’s geleert und ſaß jetzt im Duſel traurig da und beneidete einen „Saujuden“ um die „ſchöne Maid“, in deren Geſellſchaft ſich dieſer Unwürdige befand. Er hatte ſeinem Neid und Grolle in der be- reits angedeuteten Weiſe etwas zu laut Ausdruck ver- liehen und ſo beſchloß denn der Hebräer „färchterliche“ Rache zu nehmen. Er ſtellte ſich dem „Jünglinge“ gegenüber auf und fixirte ihn. Der junge völkiſche Mann, der wohl einmal der Stolz der „völkiſchen Gliederung“ in Mähren ſein wird, verträgt und er- trägt viel, beim 15. Humpen ſchließlich alles Mögliche, aber das kann er doch nicht ertragen, daß ſolch ein „frecher“ Jude ihn betrachtet. Es dauert nicht lange, und es beginnt die denkwürdige Schlacht zwiſchen Teutſchen und Daitſchen. Während die Namen vom Jordan den Makkabäern alle Ehre machten und wie Löwen kämpften, zeigten die Teutſchen nicht die bewährte Kraft ihrer Altvordern und wurden mit Hilfe von Hausknechten „hinausbug- ſirt“ .... Nun ſitzen ſie beim Humpen, betrachten wehmüthig ihr Antlitz, das einer czechiſchen Trikolore auffallend ähnlich ſieht. In dem Caſſabericht der deutſchen ſocialdemokratiſchen Wahlkreisorganiſation des VI. mäh- riſchen Wahlkreiſes finden wir unter den Ausgaben für die Zeit vom 1. September bis 30. November 1898 auch folgende Poſt: „Für Agitation an den Ge- noſſen Hanuſch 130 fl.“ Er verdient ’s ja eigentlich! Wenn man das Uebermaß von „Bildung“ (?) und „Aufklärung“ in Betracht zieht, das dieſer Genoſſe den Nordmährern bereits zugewendet hat, begreift man den „Idealismus“ des braven Genoſſen nicht, der für 2 Monate „nur“ eine Poſt von 130 fl. ſtehen hat... Den Brünner Socialdemokraten kann man bei dem Beſtreben, etwas mehr Humor in’s politiſche Leben hineinzubringen, nicht eine gewiſſe Originalität abſpre- chen. Die Agitation gegen den Zeitungsſtempel wurde auf Brünner Boden eifrig geführt. Nun pflegt jeden Sonntag zwiſchen 11 bis 12 Uhr Vormittags in den Glacisanlagen ein Militärconcert ſtattzufinden, bei dem ſich namentlich die jüdiſche Bourgeoiſie — koſtet es ja keinen Kreuzer — ihr Rendezvous zu geben pflegte. In der letzten Zeit vertheilten nun die Genoſſen Flugblätter folgenden Inhalts: „Socialdemokraten Brünns, Achtung! Sonntag, den 8. Jänner 1899 findet um 11 Uhr Vormittags in den Glacisanlagen ein Promenadeconcert zu Gunſten der mißhandelten Preßfreiheit ſtatt: Programm: 1. Hymne an die Preßfreiheit. 2. Klagelieder über die Confiscationspraxis. 3. Varia- tionen über den § 23. 4. „Weg mit dem Zeitungs- ſtempel“, Trauermarſch von Dr. Kaizl. 5. Galopp, ausgeführt von ſämmtlichen Mitwirkenden unter Po- lizeibegleitung. Um Zuſpruch bittet die ſocialdemokrati- ſche Partei Brünns.“ Sonntag, den 8. ergriff zunächſt die Militärmuſik vor den Zeitungsſtempelmuſikern die Flucht, dann wurden die vier Programmpunkte glück- lich erledigt, an der Erledigung des fünften Punktes hatte unſere Polizei rühmlichen Antheil genommen. Wie wäre es denn geweſen, wenn man etwa Herrn Graf Dzieduszycki zum Galopp nach Brünn ein- geladen hätte, dem bekanntlich jedes „eilige Marſch- tempo“ in der Frage der Aufhebung des Zeitungs- ſtempels zuwider iſt? Wir glauben, der Mann hätte bei Punkt 5 des Programmes ein ſo eiliges Marſch- tempo eingeſchlagen, wie noch nie in ſeinem Leben. Nun was nicht iſt, kann ja noch werden! — Unſere Genoſſen wittern jetzt überall Verrath. Seitdem die czechiſchnationalen Arbeiter alle möglichen Schandthaten dieſer braven Sippſchaft ans Tageslicht gebracht, können ſich die davon Be- troffenen nicht beruhigen. Bei einer in der letzten Zeit in Brünn abgehaltenen ſocialdemokratiſchen Parteiconferenz, der auch der „rühmlichſt“ bekannte Krapka-Pawliſchowski aus Wien bei- wohnte und auf der Genoſſe Habermann, von dem man nicht mit Sicherheit weiß, ob er nicht den Auſſtand auf Cuba mitgemacht habe, die erſte Violine ſpielte, wurde beſchloſſen, in Organiſations- Verſammlungen keine (im „Prügeln“?) ungeübte Elemente hineinzulaſſen, um ſo die abfällige Kritik in gegneriſchen Organen zu vermeiden. Da muß es alſo ſchon tüchtig „ſtinken“, wenn die Herrſchaften hinter Schloß und Riegel ihre geheimen Conventikel abhalten wollen und die Kritik der Gegner ſo ſehr fürchten. Olmütz. (Der jungczechiſche Radica- lismus an der Arbeit.) Eine mähriſche Corre- ſpondenz weiſt im „Vaterland“ auf die kirchenfeindlichen Wühlereien hin, die in Mähren von radical- czechiſcher Seite gegen die katholiſchen Inſtitutionen und ſpeciell gegen den Olmützer Fürſtbiſchof ſyſtematiſch ver- übt werden. „Seit dem 8. November v. J., der als Wahl- tag des gegenwärtigen Fürſtbiſchofs gilt, vergeht — ſo ſchreibt man dem citirten Blatte — kein Tag, wo der Kirchenfürſt nicht in der gemeinſten Weiſe mit Koth be- worfen würde; und zwar deshalb, weil er nicht ſo national geſinnt iſt, wie die radicalböhmiſchen (czechiſchen) Blätter es fordern. Und da iſt dieſen Leuten kein Mittel, keine Ver- dächtigung, keine Beleidigung, keine Injurie zu gemein, um ihren fanatiſchen Haß zur Geltung zu bringen. Man ver- ſchreit ihn als einen Germaniſator, man ſchont ſeine Be- amten und Bedienſteten nicht und ſpielt ſie einmal gegen ihn, ein andermal ihn gegen ſie aus ... Es iſt das ein merkwürdiges Zeichen der Zeit, wohin wir ſteuern. Die radicalböhmiſche Partei, die man noch vor kurzer Zeit in Mähren gar nicht kannte, ſie erhebt heute ihr Haupt mit einer Unverfrorenheit, die zu ernſten Befürchtungen Anlaß gibt. Frech greift ſie die Religion an, indem ſie über die Heiligen- verehrung, die Beicht, die Volks- miſſionen, ja ſelbſt das aller- heiligſte Altarsſacrament in unglaublich frivoler Weiſe ſich ausſpricht und mit ihrem Hohn und Spotte alle, alle Leute zu terroriſiren ſucht. Daß die Bösgeſinnten auch des Kaiſers Majeſtät nahe treten iſt dabei ſelbſtverſtändlich, und auch Majeſtätsbeleidi- gungen werden dort, wo man es gar nicht vermuthen ſollte, auf die leichte Achſel genommen. Wir glauben zur Orien- tirung der Leſer anführen zu müſſen, daß die radicale Partei an den Fürſterzbiſchof von Olmütz geradezu Forderungen ſtellt, die er zu befriedigen verpflichtet ſei. Vor Allem muß er vergeſſen, daß er ein katholiſcher Biſchof iſt und eine große Erzdiöceſe leitet, die Slaven und Deutſche umfaßt, und ſoll er ſich mit Leib und Seele der radicalen Partei verſchreiben; er muß das Prieſterſeminar in Olmütz und das Clericalſeminar zu Kremſier nach Vorſchrift der Radicalen einrichten und die Prieſterſtandscandidaten an erſter Stelle zu Apoſteln der Nationalidee heranbilden laſſen; er muß ſeine Einkünfte, die doch nach der Vorſchrift der Kirche in erſter Linie zu Liebeswerken verwendet werden müſſen, ausſchließlich für nationale Zwecke widmen und die böhmiſche Univerſität in Mähren errichten und dotiren; er muß ſeine Beamten und Bedienſteten, die er von ſeinem Vorgänger übernommen und die als treue Diener ihres Herren und nicht als politiſche Agitatoren gelten wollten, entlaſſen und radicalböhmiſche junge Leute anſtellen, die dann das Hoch- und Erzſtift in nationaler und adminiſtrativer Richtung regeneriren werden; er muß ſeinen Prieſtern vorſchreiben, daß ſie ſie mit dem Wenigen, das ſie nach dem Ableben hinterlaſſen, ganz und gar nicht kirchliche, ſondern nationale Zweae fördern, wobei der Kirchenfürſt buchſtäblich in den radicalen Blättern der Erb- ſchleicherei geziehen wird; er darf Canonicatsſtellen oder überhaupt Kirchenpfründen nicht den nach ſeiner oberhirt- lichen Meinung Würdigſten, mag der Prieſter böhmiſch oder deutſch ſprechen, vergeben, ſondern er muß zuerſt bei den radicalen Elementen anfragen, ob dies genehm iſt oder nicht ...“ So berichtet man dem „Vaterland“. Man darf nicht vergeſſen, daß die Jungczechen Mährens unter der Führung des Juden Dr. Stransky ſtehen. Böhmen. Prag. (Neue czechiſche Partei- gebilde.) Wiederholt ſchon iſt über finanzielle und wirthſchaftliche Mißwirthſchaft des nationalczechiſchen Stadtregimentes geklagt worden. Die neueſten Actionen in Sachen der elektriſchen Straßenbahnen, des Prager bürgerlichen Bräuhauſes, des Huß-Denkmals ꝛc. haben in verſchiedenen Kreiſen den Unmuth gemehrt. Damit hängen die Beſtrebungen zuſammen, daß im Schoße des Prager Stadtverordneten-Collegiums aus einer Reihe von Abgeordneten ohne Unterſchied der politiſchen Geſinnung eine neue Partei bloß auf Grund der bürgerlichen Freiheit und des Vertrauens der Wähler gebildet werde. In dieſe Partei, ſo erklären „Katolické Liſty“, ſollen nur ſolche Stadtverordnete aufgenommen werden, die „weder geſchäftlich mit der Prager Stadt- gemeinde in Verbindung ſtehen, noch Actienſpeculanten unter dem Schutze des Wappens und der Firma der Stadt Prag ſind.“ Dieſe Partei würde nach dem citirten Blatt das Grab des Compromiſſes zwiſchen Jung- und Altczechen, beziehungsweiſe der Fäulniß im Altſtädter Rathhauſe werden. ... Als die jungczechiſche Partei vor acht Jahren den Einfluß der Altzechen brach, verbündeten ſich mit ihr die ſogenannten „Realiſten“, deren Organ der Prager „Czas“ iſt. Dieſe von Profeſſor Maſaryk geführte Richtung macht ſchon ſeit längerer Zeit aus ihrer wachſenden Un- zufriedenheit mit der politiſchen Haltung und wirth- ſchaftlichen Unfruchtbarkeit der Jungczechen kein Hehl mehr; neueſtens aber droht ſie offen mit ihrem Abfall und fordert, daß die Realiſten ſich als ſelbſtſtändige national-czechiſche Partei formiren. Der Prager „Czas“ ſchreibt diesfalls: „Organiſiren wir uns! Alle Fractionen organiſiren ſich. Der Verfall des Jungczechenthums fordert dazu auf. Es mahnen uns Viele: Organiſirt Euch, Ihr Realiſten ebenfalls! Auch Viele von den Unſerigen ſagen: Organiſiren wir uns! Ihr werdet ſehen, daß wir ſtärker ſind, als Ihr glaubt. Unſere Organiſation muß auf neuen Männern begründet ſein, auf Männern, welche von der Wurzel auf in den Anſchauungen des Realismus aufgewachſen ſind, auf Männern der Zukunft, welche unfähig ſind, mit der Vergangenheit zu pactiren. Sollen wir uns aber auf der Baſis des Realismus organiſiren, ſo muß noch eine letzte Vorbereitung getroffen werden. Es müſſen unſere Hauptgrundſätze und Erfahrungen in ein feſtes Programmſyſtem zuſammen- gefügt werden, damit auch das jüngſte und das breiteſte Leſepublikum ſogleich wiſſe, was wir wollen und nicht wollen. Dieſe Arbeit unternehmen wir ſoeben. Dann werden wir zu den breiten Schichten ſagen können: „So ſind wir! Wenn Ihr wollt, kommt mit uns!“ — Der Jungczechismus bröckelt ab; er zeigt ſehr früh die Spuren der Alters- ſchwäche des Zerfalls. Von der einen Seite machen neue radicale Parteigebilde von der einen Seite, und chriſtlich- nationale Parteiformationen von der anderen Seite ihre Erbanſprüche geltend. Prag. (Die Erregung dauert fort.) Am 21. d. Abends gab es in der Neuſtadt wiederum Straßenaufzüge des nationalen Mob. Mehrere Hundert Excedenten ſchaarten ſich zuſammen und zogen, von der Polizei verfolgt, lärmend in den Stadttheil „Weinberge“, von da aber, bedrängt durch die Polizei, wiederum zurück in die Stadt. An der Ecke der Korngaſſe ſtieß die Rotte auf zwei deutſche Studenten, deren Einer, ein Mediciner, alsbald einen Stockhieb über den Hut und einen Fauſtſchlag ins Geſicht erhielt, während dem andern, einem Juriſten, der Ueberrock zerriſſen wurde. Beide deutſche Studenten mußten ſich eilig in ein Haus flüchten, wo die Polizei ſie gegen den Pöbel ſchützte und dann nach Hauſe geleitete Dem Militär iſt in Folge der wiederholten Straßenexceſſe und der Gewaltthaten gegen Deutſche wieder Bereitſchaft commandirt. Auch am Sonntag, den 22. d. Abends, kam es auf dem Wenzelsplatze zu Zuſammenrottungen czechiſcher Elemente; doch konnten ſich die Haufen gegenüber der ver- ſtärkten Polizeiwachmannſchaft nicht beiſammenhalten; ſie wurden auseinandergejagt und zerſtreut, ehe ſie wieder Unheil angerichtet hatten. — Im Laufe des Sonntags wurden in Prag drei czechiſche Arbeiterverſammlungen abgehalten, von deren einer in Michle die Theilnehmer maſſig gegen die innere Stadt zogen; ſie wurden aber von der Polizei vorher zerſtreut. — In der deutſchen Preſſe erheben ſich Beſchwerden darüber, daß am 21. d. M. der Stadtgemeinde Saaz die Pflicht auferlegt wurde, aus eigenen Mitteln die Schäden der nächtlichen Ruheſtörungen vom 28. November 1897 und die Koſten der Schadenerhebungscommiſſionen zu erſetzen, während der Commune Prag bis heute ein ſolcher Schaden-Erſatz für die Maſſen-Zerſtörungen an deutſchem Hab und Gut aus den Schreckenstagen vom 30. November und 1. December 1897 noch nicht auferlegt iſt. In der Aula der Univerſität hielten die czechiſchen Studenten am 22 d. M. eine Verſammlung ab, in welcher beſchloſſen wurde, es ſei dahin zu ſtreben, daß den deutſchen Stu- denten das Tragen farbiger Abzeichen in Prag verboten werde, anderſeits aber ſei eine Organiſirung der czechiſchen Studentenſchaft nach dem Muſter der deutſchen Studenten in Ausſicht zu nehmen, letztere jedoch nicht zu provociren. Eger. Eine Lehrerverſammlung Weſtböhmens, beſucht von mehreren hundert Theilnehmern, beſchäftigte ſich am 22. d. mit den Forderungen der Lehrerſchaft auf Gehaltserhöhung und eine Reihe weiterer Standes- anſprüche. Dieſe in acht Punkten zuſammengefaßten Forderungen fanden einhellige Annahme. Auch die weſt- böhmiſchen Abgeordneten des Reichsrathes und Land- tages waren zu dieſer Berſammlung geladen, und es waren dazu Dr. Zdenko Schücker, Röhling, Iro, Jintl und Dr. Reiniger erſchienen. Dieſelben ſagten in kürzeren Anſprachen zu, die Anſprüche der Lehrer in den geſetz- gebenden Körperſchaften kräftig zu unterſtützen und ernteten dafür großen Beifall. Telegramme. Die Dreyfus-Affaire. Paris, 23. Jänner. Das „Journal“ erklärt, es habe vom Präſidenten der Strafkammer, Löw, die Beſtätigung erhalten, daß die Unterſuchung über das geſammte Actenmateriale des Reviſions- proceſſes vor dem 15. Februar beendet ſein könnte. Nach der Einvernahme Eſterhazy’s werde die Straf- kammer nur noch das Borderau zu prüfen haben. Die Vernehmung der Experten ſei abgeſchloſſen. Paris, 23. Jänner. Eſterhazy wird heute vor dem Caſſationshofe erſcheinen. Eine Anzahl von Gelehrten (!) veröffentlichen im „Figaro“ einen Aufruf, in welchem alle guten Franzoſen aufgefordert werden, ſich im Intereſſe Frankreichs im Vorhinein vor der Entſcheidung des Caſſationshofes zu beugen. Kriſe in Belgien. Brüſſel, 23 Jänner. Das Journal „Le Patriote“ beſtätigt die Gerüchte über Meinungs- verſchiedenheiten zwiſchen dem König und einigen Miniſtern hinſichtlich der Wahl- reform und fügt hinzu, heute würden ſich im

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Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 19, Wien, 24.01.1899, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost019_1899/5>, abgerufen am 24.11.2024.