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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 36. Köln, 6. Juli 1848.

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sen, M. Bakunin, stark kompromittirten, indem sie ihn als ein Werkzeug oder in jüngster Zeit gewonnenen Agenten Rußlands darstellen, den der größte Theil der Schuld der neuerdings verhafteten unglücklichen polnischen Patrioten treffe. George Sand hat diese Papiere einigen ihrer Vertrauten gezeigt. Wir haben hier nichts gegen ein Slawenreich, aber durch den Verrath der polnischen Patrioten wird es nimmermehr zu Stande kommen.

- Flocon, der Exminister, zog bekanntlich am 23. in der Nationalversammlung gegen die Intrigue zu Felde, die im Auslande gegen die Republik gesponnen wurde. Er nannte zwar kein Land, bezeichnete es aber mit den Worten: "a l'etranger", was lange Zeit mit England gleichlautend hieß. Lord Normanby hat in Folge dessen dem Minister Bastide im Namen Palmerstons eine energische Protestation zugehen lassen, worauf ihm heute unser armer Bastide demüthigst Folgendes antwortet: "Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten an S. Excellenz den Hr. Gesandten von England. Milord. Meine Meinung und diejenige meiner Regierung ist, daß die Regierung J. M. der Königin zu loyal ist, um irgend einen Theil an der Aufwiegelung zu den schrecklichen Ereignissen von Paris genommen zu haben. Ich sehe durchaus nichts Anstössiges darin, daß Sie dieser Erklärung sowohl als Ihrer Note diejenige Veröffentlichung geben, die Sie für passend finden. Ich würde dieß selbst mit um so größerem Vergnügen sehen, als dieß eine neue Probe der gegenseitigen Freundschaftsgefühle wäre, die unsere beiden Regierungen beleben. Ich habe die Ehre zu sein, Milord, Ihr ganz ergebenster

(gez.) Jules Bastide.

- Die Theater von Paris haben die Erlaubniß erhalten, ihre Vorstellungen wieder zu beginnen, aber mit der Bedingung, daß der Vorhang um 10 Uhr fällt.

- Herr Gornet, der nach der "Gazette des Tribunaur" fusillirt worden ist, (siehe d. gestr. Ztg.) protestirt heute im "Journal des Debats" gegen diese Verläumdung.

- Die "Reforme" bringt einen Artikel unter der Ueberschrift: "Die Conspiration der Verläumdung." Sie zeigt in diesem Artikel vor allem ihre Ohnmacht zu begreifen, wie trotz des allgemeinen Wahlrechts so tragische Konflikte statt haben konnten. Die altrepublikanische Partei ist durch die jüngsten Ereignisse wie vor den Kopf geschlagen; ihre alten Phrasen haben den Sinn verloren; ihre politischen Dogmen zerschellen an den Thatsachen. Wir entfernen aus diesem Artikel alle Stellen, welche nichts als irre Ausdrücke einer über sich selbst erschrockenen Rathlosigkeit sind. Die Reforme beginnt ihren Artikel mit der Auseinansetzung der Gründe, die sie bestimmt haben, seit 10 Tagen schweigend "den Bürgerkrieg mit allen seinen Diktaturen" an sich vorüberziehen zu lassen. Die freie Sprache war nicht erlaubt; die Polemik konnte überdem die blutende Wunde nur noch weiter aufreißen u. s. w.

"Aber," fährt sie fort, "wir wollen nicht, wir dürfen nicht länger die Sache der Gerechtigkeit desertiren, die Rechte des Unglücks und die Pflichten der Presse gegen die Besiegten. Diese schmählichen Saturnalien, die sich vor unsern Augen aufrollen, dieses öffentliche Ausschreien verdächtiger Namen, diese infamen Denunciationen, diese wilden Verläumdungen, die von allen Seiten her zischen, diese wüsten Ausschweifungen der Parteien, die sich zu Lieferanten der Kerker machen, alles das ist traurig und verdient Züchtigung, denn es entehrt, es erniedrigt ein Land: es ist dies die Gemeinheit und die Gewaltsamkeit zusammengekuppelt. Glaubt man der Sache der Civilisation zu dienen, indem man Barrikaden von Verläumdungen aufwirft gegen die Barrikaden der Empörung, indem man ganze Stadtviertel als ein Bagno denuncirt, als ein Lager von Verpesteten, indem man vergiftete Chroniken erfindet, so scheußliche Chroniken, daß sie die Annalen eines Volkes von Menschenfressern besudeln würden? - Wir sind und waren gegen die Junirevolution, - Aber in diesem Hauptpunkt einverstanden, daß es keine legitime Insurrektion gibt, wenn das Recht existirt (das allgemeine Wahlrecht) und sich bethätigen kann, haben wir nur Entrüstung und Verachtung für die Verkäufer der gräulichen Verläumdungen, die da Handel treiben mit abgeschnittenen Köpfen, Wahlsprüchen des Verbrecherargots, brennendem Vitriol, schauerlichen Verstümmlungen, vergifteten Waaren und vor allem mit ewigen Denunciationen gegen die Feinde, welche sie geniren und die sie verderben wollen, indem sie sie dem Henker als Beute hinwerfen. Die Journale der Reaktion, welche Boutique halten mit diesen Schlächtereien und so ihre alten Rachepläne ausführen, haben sie die Thatsachen verificirt durch eine ernsthafte Untersuchung, ehe sie dieselben als Futter hinwarfen dem Haß, der Furcht! Haben sie so viel Ehrgefühl besessen zu kontrolliren, ehe sie denuncirten, ehe sie die öffentliche Meinung, die Justiz, die Leidenschaften des Augenblicks provocirten? Nein, tausend Mal nein! Nicht ein einziges dieser Blätter kann Zeugen beibringen, Beweise liefern und die Regierung selbst hat die Mehrzahl dieser ekelhaften Geschichten Lügen gestraft, welche die Presse der Reaktion erfindet und verbreitet zum Vortheil ihrer Ideen und ihrer Staatsmänner, die unter den Barrikaden des Februars vergraben lagen. Was dem Volk fehlt, ist nicht das Gewissen, es ist das Vertrauen auf die Institutionen, es ist die Ueberzeugung, daß seine Eroberungen ihm nicht gestohlen werden. So oft hat man es betrogen! Die Könige und die Aristokraten haben es so lange beherrscht durch die Gewalt und durch die List, man hat es so oft verdammt, wie Samson, die Säulen des Tempels zu erschüttern, daß in seinen Augen die Gewalt das nothwendige Instrument ist, das fatale Instrument aller socialen und politischen Entwicklungen."

- Pagnerre, Generalsekretär des Vollziehungsausschusses und der provisorischen Regierung, hat sein unbezahltes Amt als Direktor der Nationalwechselbank niedergelegt.

- Huber's Verwundung und Arrestation, die wir gestern meldeten, bestätigt sich nicht. Derselbe hat trotz allen emsigen Nachforschungen der Polizei bis heute noch nicht aufgefunden werden können.

- Goudchaux, der neue Finanzminister hat heute seine großen Rettungspläne der Nationalversammlung vorgelegt. Sie zertrümmern mit weniger Ausnahme Alles, was die Februar-Revolution geschaffen. (Siehe die Sitzung der Nationalversammlung vom 3. Juli.

- Mole will an Thiers Stelle im Departement der Gironde als Kandidat der Nationalversammlung auftreten. Die Mobilgarden werden Paris verlassen und an die französischen Gränzen versetzt werden. 300 neue Arrestationen haben seit zwei Tagen statt gefunden.

Die "Demokratie Pacifique" ruft dem "Constitutionel" zu: Schacherer in Feuilletons, wenn der Socialismus so verbrecherisch ist, wie Ihr sagt, schlagt euch selbst am meisten die Brust, denn Ihr habt die erregendsten socialistischen Romane von Eugen Sue veröffentlicht; wenn das Gemälde des Elends das Volk vergiftet, habt Ihr es vergiftet bis auf das Mark der Knochen und dieß ohne Glauben, ohne Ueberzeugung, aus blosem Merkantilismus. Zeigt also mehr Reue oder mehr Klugheit.

Die Thierspartei hat bei der Bildung der Bureaus der Nationalversammlung einen glänzenden Sieg davon getragen. Der Club der Straße von Poitiers, die Reunion des Herrn Baragnay-d'Hillier hat unter den 15 Präsidenten der Bureaus 9 der Ihrigen untergebracht. Von der alten Executivkommission ist nur Arago ernannt worden. Herr Marrast konnte in dem Bureau, dem er angehörte, nicht zur Präsidentschaft gelangen. Er erlag seinem Konkurrenten Vivien, einem Freunde von Thiers. Wir geben nachstehend die Liste der Präsidenten und Sekretäre der Bureaus, es ist dieß eine Statistik der Macht der verschiedenen Parteien in der Nationalversammlung.

Es sind genannt für das erste Büreau Girard und Chauffour, für das zweite Dufaure und Buffet, für das dritte Thiers und Louvet, für das vierte Pages (de l'Ariege), für das fünfte Billault und Perignon, für das 6. G. de Beaumont und Chavoir, für das 7. F. Arago und B. Lafranc, für das 8. Baze und Pigeon, für das 9. Baroche und Aug. Avond, für das 10. Cormenin und Oscar Lafayette, für das 11. Dupin und Barailler, für das 12. Vivien und Guichard, für das 13. de Tracy und Freslon, für das 14. Byrand und Maissiat, für das 15. Berryer und St. Beuve.

- Die Nachricht, daß der verhaftete Grandmenil, Hauptredakteur und Gerant der Reforme ist, beruht auf einer von den Herrn des "Constitutionnel" und des "Droit" absichtlich ausgestreuten Lüge.

Nationalversammlung. Sitzung vom 3. Juli. Präsident Marie eröffnete dieselbe um 2 1/4 Uhr. Das Gerücht, die Pariser Bürgerwehr unterzeichne eine Petition, welche die Arretirung mehrerer Deputirten und selbst des kürzlich noch so gefeierten Lamartine beantrage und daß derselbe bei Gelegenheit der geheime Kreditdiskussionen das Wort ergreifen werde, hatte die Neugierde doppelt gehoben und die Tribünen frühzeitig gefüllt. Nach Verlesung des Protokolls und Ertheilung mehrerer Urlaube bestieg der Konseilpräsident Cavaignac den Redestuhl. Ich bin, begann er, vorigen Freitag die Verpflichtung Ihnen gegenüber eingegangen, Ihnen die Lage der Nationalwerkstätten am 23. Juni zu schildern. Wohlan, ich erkläre Ihnen, daß ich dieselben genau geprüft habe: die Beschaffenheit dieser Werkstätten im Augenblick des Ausbruchs der Insurrektion war eine furchtbare. Der Gedanke, der diese Anstalten ins Leben rief, mag ein guter, menschenfreundlicher gewesen sein, aber er wurde im Laufe der Zeit gänzlich entartet, indem sich diese Anstalten zu einer der drohendsten Gefahren umwandelten, welche je über der Freiheit schwebten. Wir Alle, die wir uns in Folge Ihres Vertrauens am Staatsruder befinden, waren von dieser Wahrheit durchdrungen. Jeder von uns kennt die Anstrengungen, welche die Versammlung machte, um diese Werkstätten der Staatsgefahr aufzuheben; ich brauche daher wohl nicht in die Einzelnheiten einzutreten, um ihnen das Furchtbare ihrer Organisation zu wiederholen. Das Gute, das sie schufen, wurde bei Weitem von dem Schlechten, das sie bargen, überwogen. Als sie sahen, daß sich die Bürgerwehr zu jedem Preise dieser Gefahr entledigen wollte, brach der Kampf los. Es ist erwiesen, daß die Nationalwerkstätten den thätigsten Theil am Kampfe nahmen. Die Zahl der Theilnehmer erreicht an 40,000. Der Effektivbestand der Werkstätten betrug am 23. Juni 105 bis 106,000 Mann. Die kräftigsten, geschicktesten, tüchtigsten Arbeiter derselben fielen im Kampfe oder wurden gefangen. Diese Thatsache hat die Untersuchungsbehörde amtlich ermittelt. Der Effektivbestand ist bedeutend geschmolzen, die ganze innere Organisation der Werkstätten, die, auf militärischer Grundlage gebaut, eine fortdauernde Staatsgefahr bildeten, ist radikal vernichtet (dissous) und ich kann der Versammlung die Versicherung geben, daß jede Gefahr vorüber ist.

Aber es bleibt uns noch eine gewisse Zahl honetter Arbeiter übrig, die sich keineswegs weigern, in die Privatwerkstätten zurückzukehren! Sie sind ohne Beschäftigung; der Finanzminister wird Ihnen die betreffenden Gesetzentwürfe vorlegen.

Goudhaux folgt dem Redner auf der Tribüne und legt seinen neuen Finanzplan vor. Derselbe besteht: 1) Im Rückzug des Eisenbahn-Expropriationsgesetzes. (Bravos.) 2) Rückzahlung der Sparkassenbeträge, theilweise in Geld, theilweise in Renten. 3) Rückzug der Expropriation der Assekuranzgesellschaft. 4) Beibehaltung des Hypothekar-Gesetzes, aber nur pro 1848. 5) Progressivsteuer auf Erbschaften und Schenkungen u. s. w.

Cavaignac nahm wiederholt das Wort, um die Eile oder Dringlichkeit dieser fünf Gesetzentwürfe zu bevorworten.

Sie wurde angenommen:

Lasteyrie brachte die Todtenfeier in Erwähnung. Sie wurde auf den 6. Juli mit großem Pomp festgesetzt. (4 Uhr.)

(Nach 4 Uhr.) Nach Anhörung des Lasteyrie'schen Antrages rücksichtlich der großen Leichenfeier schritt die Versammlung zu ihrer eigentlichen Tagesordnung zurück, indem sie die am Sonnabend abgebrochene Diskussion der Wahlordnung für die Gemeinde-, Arrondissements- und General- (oder Departements-) Räthe wieder aufnahm. Das neue Gesetz besteht aus 14 Paragraphen, denen unzählige Amendements angehängt wurden und die schon am Sonnabend den größten Theil der Sitzung in Anspruch nahmen. Clement stellte am Schluß der heutigen Debatte noch einen Additional-Paragraphen, welcher also lautet: "Die Sitzungen der Gemeinde-, Arrondissements- und Departementsräthe sind öffentlich, es müßte denn die Mehrheit der Glieder verlangen, daß sich die Versammlung als geheimen Ausschuß konstituire."

Senard, Minister des Innern bekämpft diesen Additional-Paragraphen. Die Versammlung entschied jedoch die Oeffentlichkeit für die Sitzungen der General- oder Departements-Räthe. Nach dieser kleinen Schlappe für das neue Ministerium, zu der auch dieses Mal Marrast beitrug, indem er sich gegen die ministerielle Bekämpfung erhob, nahm die Versammlung das Gesammtgesetz mit unbedeutendem Mehr an und ging um 6 Uhr auseinander.

- Das Wichtigste der heutigen Sitzung sind die Goudchauxschen Finanzdekrets-Entwürfe, deren Text wir uns indeß bisher noch nicht verschaffen konnten. Wir müssen daher auf den Moniteur verweisen.

Großbritannien.
* London, 3. Juli.

Die Times vergleicht heute die französischen mit den englischen Zuständen und bemerkt in Betreff der letztern: "Unsere Bevölkerung vermehrt sich alle 10 Jahre um eine Million. Unsere Armentaxe steigt und wird wahrscheinlich noch mehr steigen. Sollte der jetzige Zustand der Dinge fortdauern, so werden 6 Millionen Pfund nicht hinreichen, um die unproduktiven Paupers des Königreichs zu unterhalten. Unsere Armuth wird uns mehr kosten als unsere Marine. Mit einem Worte, wir werden für die unfruchtbarste Faulheit mehr bezahlen müssen, als für die Bewachung aller unsrer asiatischen, afrikanischen, amerikanischen und australischen Besitzungen. Und wenn alles dies geschehen ist, so wird wahrscheinlich, bei der jetzigen Lage der Bevökerung, noch genug Noth und Unzufriedenheit durchaus unbekannt und unberücksichtigt geblieben sein." Dann zu der Auswanderung nach den Kolonien, als dem einzigen Mittel gegen alle Noth übergehend, fährt die Times fort: "Wenn sich das Parlament nicht mit der Auswanderungsfrage beschäftigen will, so hört das englische Volk indeß nicht auf die Sache im Auge zu behalten. Die nationale Bedeutung der Kolonieen wird immer größer und immer besser erkannt. Jede Familie, die ihre Verbindungen in Amerika, in Australien oder am Kap hat, erhält monatliche Berichte über die Ressourcen und Bedürfnisse unserer dortigen Besitzungen. Man vergleicht das was man von dort hört, mit dem was man hier sieht. Man fühlt, daß es absurd ist, Menschen in einem Theile des Reiches hungern zu lassen, während sie in dem andern prosperiren und eben durch diese Prosperität dem Mutterlande wieder von unendlichem Nutzen sein könnten. - In diesem Augenblicke konsumirt Australien mit seinen 280,000 Bewohnern mehr britische Manufaktur-Waaren und beschäftigt mehr britische Hände, als das ganze britische Nordamerika mit einer Population von 2 Millionen im Jahre 1774.

Was ist daher nicht von diesem Australien zu erwarten, wenn seine Bewohnerzahl sich verzehnfacht hat! Man sieht, die Times, die noch eben die Deportation der französischen Insurgenten als etwas kaum ausführbares in Zweifel zog, bleibt nichts destoweniger ihrem Lieblingsprojekt, der Emigration, getreu.

* London, 1. Juli.

Das weitverbreitete Wochenblatt "The Economist," ein Organ der Freihandelspartei, spricht sich über die Junirevolution in einer Weise aus, die der deutschen Presse, insoweit sie den bürgerlichen Liberalismus vertritt, zu einigem Licht verhelfen könnte, wenn überhaupt die Bornirtheit dem Licht zugänglich wäre.

". . . . Die schlimmsten Feinde Frankreichs, wie Diejenigen, welche von dem hastigen und übereilten Verfahren der provisorischen Regierung die schlimmsten Folgen erwarteten, haben ihre düstersten Ahnungen in den schrecklichen Ereignissen des 23., 24., 25. und 26. Juni weit übertroffen gesehen. Brüder im Kampf gegen Brüder unter dem Symbol der "Fraternite;" Häuser in Festungen verwandelt; Nachbarn gegen Nachbarn aufgestanden; Männer und Frauen von gleicher Wuth erfüllt, unerschrocken in der Schlacht mitkämpfend, oder ihren Gefangenen, die ihre Mitbürger waren, den Hals abschneidend; Diener der Religion mitten in ihrem Friedenswerk erschossen; eine Hauptstadt verbarrikadirt, jede Straße ein Schlachtfeld und dieses mit größerer Hartnäckigkeit vertheidigt, als einst bei Lodi und Waterloo geschah. Kein Beispiel von so blutiger Metzelei in der ganzen neueren Geschichte ... Doch begegnen wir Beispielen von Selbstaufopferung in der vergeblichen Hoffnung, den Orkan zu besänftigen. Der Erzbischof von Paris begibt sich, mit einem grünen Zweige in der Hand nach der stärksten Barrikade; bei seiner Erscheinung hört plötzlich das Feuern auf; bald aber fällt er durch eine Kugel, die eine unbekannte Hand entsendet (es ist jetzt erwiesen, daß Einer aus den Reihen der wüthenden Mobilgarde ihn erschoß); die Insurgenten beeifern sich, ihm Beistand zu leisten und verlangen ein Certifikat, daß der unglückliche Schuß nicht von ihrer Seite gekommen. Dieser und ähnliche Züge verbieten uns, zu behaupten, daß der Kampf in Paris ein Krieg von hungrigen, wüthenden, wilden Thiere gewesen sei. Ein schrecklicher Ausbruch von ungezähmter Leidenschaft war es allerdings, aber immer noch von menschlicher Leidenschaft: große Verbrechen mit großen Tugenden untermischt, zu gleicher Zeit Entsetzen und Bewunderung erregend ... Es ist eine Krisis und, wir fürchten, nicht die einzige, in Folge einer gewaltigen Lebensstörung; ein Paroxismus, ein Krampf, der eine ungeheuere noch schlecht verstandene gesellschaftliche Krankheit verräth ... Von dem Augenblick an, wo Lamartine dem Volk auf seinem Weg nach dem Hotel de Ville, um die provisorische Regierung zu installiren, auseinandersetzte, daß die Revolution diesmal nicht wieder betrogen werden solle, bis zu dem Augenblicke der Abdankung und Uebertragung der Gewalt in Cavaignac's Hände: war das Betragen der Regierung nichts als eine Masse von Irrthümern und Abgeschmacktheiten ...

"Die in Paris und in Frankreich an der Tagesordnung befindlichen Theorien, der zwischen Arbeit und Kapital durch ganz Europa beginnende Kampf, das Verlangen nach anderen gesellschaftlichen Einrichtungen in Folge der großen Armuth der Massen, unter denen sich nach Leroux, 8 Millionen Bettler befinden: dies Alles deutete eben so sehr auf eine sociale, als eine politische Revolution hin. In der That, die Feindseligkeit zwischen Arbeitern und "Bourgeoisie" war kein Geheimniß und sie zu versöhnen oder ihre Interessen friedlich in Einklang zu bringen, war eine der großen Aufgaben, die Louis Philipp und Guizot völlig vernachlässigt hatten und deren Lösung nun der Republik oblag ...

"Die eigentliche Ursache des Aufstandes lag darin, daß sich das Volk getäuscht sah. Es hatte schon lange Zeit seine Hoffnung auf eine bessere Gesellschaftseinrichtung gesetzt, die allen Klassen zu dem nämlichen Wohlsein verhelfen sollte, welches bisher die Reichen genossen, die ohne Arbeit ein behagliches Leben führten. Die Revolution sollte die Verwirklichung solcher Hoffnungen sein und letztere wurden von der provisorischen Regierung selbst durch Errichtung der National-Ateliers gehegt und gepflegt. Als Louis Blanc bei Seite geschoben und Emil Thomas entlassen wurde, befürchtete man sofort einen Aufstand. Truppen wurden nach Paris gezogen und die den Arbeitern keineswegs freundliche Nationalgarde schlagfertig gehalten. So wie man nun Maßregeln zur Entlassung der Arbeiter ergriff, brach die Insurrektion aus ... Das Mißvergnügen unter der großen Masse der Arbeiter, das aus ihren getäuschten Hoffnungen entsprang, der Unwillen, daß sie nach ihrer Voraussetzung von denen verrathen worden, denen sie selbst die Regierung übertragen und die ihnen schöne Versprechungen gemacht; dies sind die Gefühle, die dem mörderischen Ausbruche in Paris zu Grunde liegen. Daß einige Personen von Intriganten benutzt, andere von Emissären der verschiedenen Prätendenten durch Gold zu Excessen aufgereizt und mit den Mitteln der Kriegsführung ausgerüstet worden sein mögen, wird Niemand läugnen. Allein die Grundlage des Ganzen war das Mißvergnügen der Arbeiter über getäuschte Hoffnungen und ihr Unwille, sich verrathen zu sehen. . . . Es ist leichter, den Hauptgrund dieses beklagenswerthen Ausbruches aufzufinden, als die wahrscheinlichen Folgen desselben anzugeben ... Zu dem Gefühl des Unwillens über vorausgesestten Verrath wird sich, fürchten wir, das Gefühl der Rache gesellen. Das Hinschlachten von Kameraden, Verwandten und Freunden muß auf beiden Seiten die vorhandene Stimmung noch verschlimmern. Die Revolution war eine soziale, sie ist jetzt ein Klassenkampf geworden. Die Nationalversammlung, welche die Sieger vertritt, verlangte nach einem Rachedekret, daß ihr siegreicher General ihnen abschlug. Mit dieser einen zu Boden geschlagenen Insurrektion ist der Krieg der Armuth gegen den Reichthum, der Arbeit gegen das Kapital nicht beendigt u. s. w."

So spricht sich der "Economist" über die Junirevolution aus. Seine Anschauung als englischer Bourgeois und Freetrader (Freihandelsmann) bringt es mit sich, daß er nur in der Durchführung des Freihandelssystems in allen Ländern das Heilmittel für die gesellschaftlichen Leiden erblickt. Daher erklärt es sich auch, daß so viel Schiefes und Unrichtiges und gradezu Falsches neben vielem Richtigen in seiner Beleuchtung der Pariser Ereignisse neben her läuft. Im Vergleich aber mit den Organen des deutsch-bürgerlichen Liberalismus, insbesondere mit einer "Kölnischen Zeitung" und Konsorten, steht der "Economist" da als Heros von Einsicht, als ein Salomo in Beurtheilung von Ereignissen und Zuständen fremder Länder und als ein Nestor in Welterfahrung.

Amerika.
* Boston, 13. Juni.

Die so lang verschobene Unternehmung, "der Illinois-Kanal", ist nun seit etwa 2 Monaten dem Verkehr übergeben. Jetzt kann man also von Liverpool nach New-Orleans fahren, von da den Missisippi hinauf bis St. Louis; von da den Illinois-Fluß hinauf bis Peru; dann nach Chicago auf dem Kanal; hierauf über die Seen bis Buffalo; nun besteigt man die kleine Jacht, die uns auf dem Kanal bis Albany bringt und jetzt gehts den Hudson-Fluß hinab bis New-York. So bleibt man beständig auf dem Wasser und durchschneidet auch von New-Orleans aus mit Dampfböten den ganzen Kontinent. Möge der Leser einmal die Landkarte zur Hand nehmen und ungefähr die Tausende von englischen Meilen berechnet, die jetzt in ununterbrochener und schneller Fahrt auf dem Wasser zurückgelegt werden. Die Idee zu dem Unternehmen war großartig, die Ausführung noch mehr. Aber noch großartiger ist der Gedanke, daß diese Herumfahrt zu Wasser binnen einigen Jahren durch Eisen-

sen, M. Bakunin, stark kompromittirten, indem sie ihn als ein Werkzeug oder in jüngster Zeit gewonnenen Agenten Rußlands darstellen, den der größte Theil der Schuld der neuerdings verhafteten unglücklichen polnischen Patrioten treffe. George Sand hat diese Papiere einigen ihrer Vertrauten gezeigt. Wir haben hier nichts gegen ein Slawenreich, aber durch den Verrath der polnischen Patrioten wird es nimmermehr zu Stande kommen.

‒ Flocon, der Exminister, zog bekanntlich am 23. in der Nationalversammlung gegen die Intrigue zu Felde, die im Auslande gegen die Republik gesponnen wurde. Er nannte zwar kein Land, bezeichnete es aber mit den Worten: „á l'étranger“, was lange Zeit mit England gleichlautend hieß. Lord Normanby hat in Folge dessen dem Minister Bastide im Namen Palmerstons eine energische Protestation zugehen lassen, worauf ihm heute unser armer Bastide demüthigst Folgendes antwortet: „Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten an S. Excellenz den Hr. Gesandten von England. Milord. Meine Meinung und diejenige meiner Regierung ist, daß die Regierung J. M. der Königin zu loyal ist, um irgend einen Theil an der Aufwiegelung zu den schrecklichen Ereignissen von Paris genommen zu haben. Ich sehe durchaus nichts Anstössiges darin, daß Sie dieser Erklärung sowohl als Ihrer Note diejenige Veröffentlichung geben, die Sie für passend finden. Ich würde dieß selbst mit um so größerem Vergnügen sehen, als dieß eine neue Probe der gegenseitigen Freundschaftsgefühle wäre, die unsere beiden Regierungen beleben. Ich habe die Ehre zu sein, Milord, Ihr ganz ergebenster

(gez.) Jules Bastide.

‒ Die Theater von Paris haben die Erlaubniß erhalten, ihre Vorstellungen wieder zu beginnen, aber mit der Bedingung, daß der Vorhang um 10 Uhr fällt.

‒ Herr Gornet, der nach der „Gazette des Tribunaur“ fusillirt worden ist, (siehe d. gestr. Ztg.) protestirt heute im „Journal des Dèbats“ gegen diese Verläumdung.

‒ Die „Reforme“ bringt einen Artikel unter der Ueberschrift: „Die Conspiration der Verläumdung.“ Sie zeigt in diesem Artikel vor allem ihre Ohnmacht zu begreifen, wie trotz des allgemeinen Wahlrechts so tragische Konflikte statt haben konnten. Die altrepublikanische Partei ist durch die jüngsten Ereignisse wie vor den Kopf geschlagen; ihre alten Phrasen haben den Sinn verloren; ihre politischen Dogmen zerschellen an den Thatsachen. Wir entfernen aus diesem Artikel alle Stellen, welche nichts als irre Ausdrücke einer über sich selbst erschrockenen Rathlosigkeit sind. Die Reforme beginnt ihren Artikel mit der Auseinansetzung der Gründe, die sie bestimmt haben, seit 10 Tagen schweigend „den Bürgerkrieg mit allen seinen Diktaturen“ an sich vorüberziehen zu lassen. Die freie Sprache war nicht erlaubt; die Polemik konnte überdem die blutende Wunde nur noch weiter aufreißen u. s. w.

„Aber,“ fährt sie fort, „wir wollen nicht, wir dürfen nicht länger die Sache der Gerechtigkeit desertiren, die Rechte des Unglücks und die Pflichten der Presse gegen die Besiegten. Diese schmählichen Saturnalien, die sich vor unsern Augen aufrollen, dieses öffentliche Ausschreien verdächtiger Namen, diese infamen Denunciationen, diese wilden Verläumdungen, die von allen Seiten her zischen, diese wüsten Ausschweifungen der Parteien, die sich zu Lieferanten der Kerker machen, alles das ist traurig und verdient Züchtigung, denn es entehrt, es erniedrigt ein Land: es ist dies die Gemeinheit und die Gewaltsamkeit zusammengekuppelt. Glaubt man der Sache der Civilisation zu dienen, indem man Barrikaden von Verläumdungen aufwirft gegen die Barrikaden der Empörung, indem man ganze Stadtviertel als ein Bagno denuncirt, als ein Lager von Verpesteten, indem man vergiftete Chroniken erfindet, so scheußliche Chroniken, daß sie die Annalen eines Volkes von Menschenfressern besudeln würden? ‒ Wir sind und waren gegen die Junirevolution, ‒ Aber in diesem Hauptpunkt einverstanden, daß es keine legitime Insurrektion gibt, wenn das Recht existirt (das allgemeine Wahlrecht) und sich bethätigen kann, haben wir nur Entrüstung und Verachtung für die Verkäufer der gräulichen Verläumdungen, die da Handel treiben mit abgeschnittenen Köpfen, Wahlsprüchen des Verbrecherargots, brennendem Vitriol, schauerlichen Verstümmlungen, vergifteten Waaren und vor allem mit ewigen Denunciationen gegen die Feinde, welche sie geniren und die sie verderben wollen, indem sie sie dem Henker als Beute hinwerfen. Die Journale der Reaktion, welche Boutique halten mit diesen Schlächtereien und so ihre alten Rachepläne ausführen, haben sie die Thatsachen verificirt durch eine ernsthafte Untersuchung, ehe sie dieselben als Futter hinwarfen dem Haß, der Furcht! Haben sie so viel Ehrgefühl besessen zu kontrolliren, ehe sie denuncirten, ehe sie die öffentliche Meinung, die Justiz, die Leidenschaften des Augenblicks provocirten? Nein, tausend Mal nein! Nicht ein einziges dieser Blätter kann Zeugen beibringen, Beweise liefern und die Regierung selbst hat die Mehrzahl dieser ekelhaften Geschichten Lügen gestraft, welche die Presse der Reaktion erfindet und verbreitet zum Vortheil ihrer Ideen und ihrer Staatsmänner, die unter den Barrikaden des Februars vergraben lagen. Was dem Volk fehlt, ist nicht das Gewissen, es ist das Vertrauen auf die Institutionen, es ist die Ueberzeugung, daß seine Eroberungen ihm nicht gestohlen werden. So oft hat man es betrogen! Die Könige und die Aristokraten haben es so lange beherrscht durch die Gewalt und durch die List, man hat es so oft verdammt, wie Samson, die Säulen des Tempels zu erschüttern, daß in seinen Augen die Gewalt das nothwendige Instrument ist, das fatale Instrument aller socialen und politischen Entwicklungen.“

‒ Pagnerre, Generalsekretär des Vollziehungsausschusses und der provisorischen Regierung, hat sein unbezahltes Amt als Direktor der Nationalwechselbank niedergelegt.

‒ Huber's Verwundung und Arrestation, die wir gestern meldeten, bestätigt sich nicht. Derselbe hat trotz allen emsigen Nachforschungen der Polizei bis heute noch nicht aufgefunden werden können.

‒ Goudchaux, der neue Finanzminister hat heute seine großen Rettungspläne der Nationalversammlung vorgelegt. Sie zertrümmern mit weniger Ausnahme Alles, was die Februar-Revolution geschaffen. (Siehe die Sitzung der Nationalversammlung vom 3. Juli.

Molé will an Thiers Stelle im Departement der Gironde als Kandidat der Nationalversammlung auftreten. Die Mobilgarden werden Paris verlassen und an die französischen Gränzen versetzt werden. 300 neue Arrestationen haben seit zwei Tagen statt gefunden.

Die „Demokratie Pacifique“ ruft dem „Constitutionel“ zu: Schacherer in Feuilletons, wenn der Socialismus so verbrecherisch ist, wie Ihr sagt, schlagt euch selbst am meisten die Brust, denn Ihr habt die erregendsten socialistischen Romane von Eugen Sue veröffentlicht; wenn das Gemälde des Elends das Volk vergiftet, habt Ihr es vergiftet bis auf das Mark der Knochen und dieß ohne Glauben, ohne Ueberzeugung, aus blosem Merkantilismus. Zeigt also mehr Reue oder mehr Klugheit.

Die Thierspartei hat bei der Bildung der Bureaus der Nationalversammlung einen glänzenden Sieg davon getragen. Der Club der Straße von Poitiers, die Reunion des Herrn Baragnay-d'Hillier hat unter den 15 Präsidenten der Bureaus 9 der Ihrigen untergebracht. Von der alten Executivkommission ist nur Arago ernannt worden. Herr Marrast konnte in dem Bureau, dem er angehörte, nicht zur Präsidentschaft gelangen. Er erlag seinem Konkurrenten Vivien, einem Freunde von Thiers. Wir geben nachstehend die Liste der Präsidenten und Sekretäre der Bureaus, es ist dieß eine Statistik der Macht der verschiedenen Parteien in der Nationalversammlung.

Es sind genannt für das erste Büreau Girard und Chauffour, für das zweite Dufaure und Buffet, für das dritte Thiers und Louvet, für das vierte Pagès (de l'Ariége), für das fünfte Billault und Pèrignon, für das 6. G. de Beaumont und Chavoir, für das 7. F. Arago und B. Lafranc, für das 8. Baze und Pigeon, für das 9. Baroche und Aug. Avond, für das 10. Cormenin und Oscar Lafayette, für das 11. Dupin und Barailler, für das 12. Vivien und Guichard, für das 13. de Tracy und Freslon, für das 14. Byrand und Maissiat, für das 15. Berryer und St. Beuve.

‒ Die Nachricht, daß der verhaftete Grandmènil, Hauptredakteur und Gerant der Réforme ist, beruht auf einer von den Herrn des „Constitutionnel“ und des „Droit“ absichtlich ausgestreuten Lüge.

Nationalversammlung. Sitzung vom 3. Juli. Präsident Marie eröffnete dieselbe um 2 1/4 Uhr. Das Gerücht, die Pariser Bürgerwehr unterzeichne eine Petition, welche die Arretirung mehrerer Deputirten und selbst des kürzlich noch so gefeierten Lamartine beantrage und daß derselbe bei Gelegenheit der geheime Kreditdiskussionen das Wort ergreifen werde, hatte die Neugierde doppelt gehoben und die Tribünen frühzeitig gefüllt. Nach Verlesung des Protokolls und Ertheilung mehrerer Urlaube bestieg der Konseilpräsident Cavaignac den Redestuhl. Ich bin, begann er, vorigen Freitag die Verpflichtung Ihnen gegenüber eingegangen, Ihnen die Lage der Nationalwerkstätten am 23. Juni zu schildern. Wohlan, ich erkläre Ihnen, daß ich dieselben genau geprüft habe: die Beschaffenheit dieser Werkstätten im Augenblick des Ausbruchs der Insurrektion war eine furchtbare. Der Gedanke, der diese Anstalten ins Leben rief, mag ein guter, menschenfreundlicher gewesen sein, aber er wurde im Laufe der Zeit gänzlich entartet, indem sich diese Anstalten zu einer der drohendsten Gefahren umwandelten, welche je über der Freiheit schwebten. Wir Alle, die wir uns in Folge Ihres Vertrauens am Staatsruder befinden, waren von dieser Wahrheit durchdrungen. Jeder von uns kennt die Anstrengungen, welche die Versammlung machte, um diese Werkstätten der Staatsgefahr aufzuheben; ich brauche daher wohl nicht in die Einzelnheiten einzutreten, um ihnen das Furchtbare ihrer Organisation zu wiederholen. Das Gute, das sie schufen, wurde bei Weitem von dem Schlechten, das sie bargen, überwogen. Als sie sahen, daß sich die Bürgerwehr zu jedem Preise dieser Gefahr entledigen wollte, brach der Kampf los. Es ist erwiesen, daß die Nationalwerkstätten den thätigsten Theil am Kampfe nahmen. Die Zahl der Theilnehmer erreicht an 40,000. Der Effektivbestand der Werkstätten betrug am 23. Juni 105 bis 106,000 Mann. Die kräftigsten, geschicktesten, tüchtigsten Arbeiter derselben fielen im Kampfe oder wurden gefangen. Diese Thatsache hat die Untersuchungsbehörde amtlich ermittelt. Der Effektivbestand ist bedeutend geschmolzen, die ganze innere Organisation der Werkstätten, die, auf militärischer Grundlage gebaut, eine fortdauernde Staatsgefahr bildeten, ist radikal vernichtet (dissous) und ich kann der Versammlung die Versicherung geben, daß jede Gefahr vorüber ist.

Aber es bleibt uns noch eine gewisse Zahl honetter Arbeiter übrig, die sich keineswegs weigern, in die Privatwerkstätten zurückzukehren! Sie sind ohne Beschäftigung; der Finanzminister wird Ihnen die betreffenden Gesetzentwürfe vorlegen.

Goudhaux folgt dem Redner auf der Tribüne und legt seinen neuen Finanzplan vor. Derselbe besteht: 1) Im Rückzug des Eisenbahn-Expropriationsgesetzes. (Bravos.) 2) Rückzahlung der Sparkassenbeträge, theilweise in Geld, theilweise in Renten. 3) Rückzug der Expropriation der Assekuranzgesellschaft. 4) Beibehaltung des Hypothekar-Gesetzes, aber nur pro 1848. 5) Progressivsteuer auf Erbschaften und Schenkungen u. s. w.

Cavaignac nahm wiederholt das Wort, um die Eile oder Dringlichkeit dieser fünf Gesetzentwürfe zu bevorworten.

Sie wurde angenommen:

Lasteyrie brachte die Todtenfeier in Erwähnung. Sie wurde auf den 6. Juli mit großem Pomp festgesetzt. (4 Uhr.)

(Nach 4 Uhr.) Nach Anhörung des Lasteyrie'schen Antrages rücksichtlich der großen Leichenfeier schritt die Versammlung zu ihrer eigentlichen Tagesordnung zurück, indem sie die am Sonnabend abgebrochene Diskussion der Wahlordnung für die Gemeinde-, Arrondissements- und General- (oder Departements-) Räthe wieder aufnahm. Das neue Gesetz besteht aus 14 Paragraphen, denen unzählige Amendements angehängt wurden und die schon am Sonnabend den größten Theil der Sitzung in Anspruch nahmen. Clement stellte am Schluß der heutigen Debatte noch einen Additional-Paragraphen, welcher also lautet: „Die Sitzungen der Gemeinde-, Arrondissements- und Departementsräthe sind öffentlich, es müßte denn die Mehrheit der Glieder verlangen, daß sich die Versammlung als geheimen Ausschuß konstituire.“

Senard, Minister des Innern bekämpft diesen Additional-Paragraphen. Die Versammlung entschied jedoch die Oeffentlichkeit für die Sitzungen der General- oder Departements-Räthe. Nach dieser kleinen Schlappe für das neue Ministerium, zu der auch dieses Mal Marrast beitrug, indem er sich gegen die ministerielle Bekämpfung erhob, nahm die Versammlung das Gesammtgesetz mit unbedeutendem Mehr an und ging um 6 Uhr auseinander.

‒ Das Wichtigste der heutigen Sitzung sind die Goudchauxschen Finanzdekrets-Entwürfe, deren Text wir uns indeß bisher noch nicht verschaffen konnten. Wir müssen daher auf den Moniteur verweisen.

Großbritannien.
* London, 3. Juli.

Die Times vergleicht heute die französischen mit den englischen Zuständen und bemerkt in Betreff der letztern: „Unsere Bevölkerung vermehrt sich alle 10 Jahre um eine Million. Unsere Armentaxe steigt und wird wahrscheinlich noch mehr steigen. Sollte der jetzige Zustand der Dinge fortdauern, so werden 6 Millionen Pfund nicht hinreichen, um die unproduktiven Paupers des Königreichs zu unterhalten. Unsere Armuth wird uns mehr kosten als unsere Marine. Mit einem Worte, wir werden für die unfruchtbarste Faulheit mehr bezahlen müssen, als für die Bewachung aller unsrer asiatischen, afrikanischen, amerikanischen und australischen Besitzungen. Und wenn alles dies geschehen ist, so wird wahrscheinlich, bei der jetzigen Lage der Bevökerung, noch genug Noth und Unzufriedenheit durchaus unbekannt und unberücksichtigt geblieben sein.“ Dann zu der Auswanderung nach den Kolonien, als dem einzigen Mittel gegen alle Noth übergehend, fährt die Times fort: „Wenn sich das Parlament nicht mit der Auswanderungsfrage beschäftigen will, so hört das englische Volk indeß nicht auf die Sache im Auge zu behalten. Die nationale Bedeutung der Kolonieen wird immer größer und immer besser erkannt. Jede Familie, die ihre Verbindungen in Amerika, in Australien oder am Kap hat, erhält monatliche Berichte über die Ressourcen und Bedürfnisse unserer dortigen Besitzungen. Man vergleicht das was man von dort hört, mit dem was man hier sieht. Man fühlt, daß es absurd ist, Menschen in einem Theile des Reiches hungern zu lassen, während sie in dem andern prosperiren und eben durch diese Prosperität dem Mutterlande wieder von unendlichem Nutzen sein könnten. ‒ In diesem Augenblicke konsumirt Australien mit seinen 280,000 Bewohnern mehr britische Manufaktur-Waaren und beschäftigt mehr britische Hände, als das ganze britische Nordamerika mit einer Population von 2 Millionen im Jahre 1774.

Was ist daher nicht von diesem Australien zu erwarten, wenn seine Bewohnerzahl sich verzehnfacht hat! Man sieht, die Times, die noch eben die Deportation der französischen Insurgenten als etwas kaum ausführbares in Zweifel zog, bleibt nichts destoweniger ihrem Lieblingsprojekt, der Emigration, getreu.

* London, 1. Juli.

Das weitverbreitete Wochenblatt „The Economist,“ ein Organ der Freihandelspartei, spricht sich über die Junirevolution in einer Weise aus, die der deutschen Presse, insoweit sie den bürgerlichen Liberalismus vertritt, zu einigem Licht verhelfen könnte, wenn überhaupt die Bornirtheit dem Licht zugänglich wäre.

„. . . . Die schlimmsten Feinde Frankreichs, wie Diejenigen, welche von dem hastigen und übereilten Verfahren der provisorischen Regierung die schlimmsten Folgen erwarteten, haben ihre düstersten Ahnungen in den schrecklichen Ereignissen des 23., 24., 25. und 26. Juni weit übertroffen gesehen. Brüder im Kampf gegen Brüder unter dem Symbol der „Fraternité;“ Häuser in Festungen verwandelt; Nachbarn gegen Nachbarn aufgestanden; Männer und Frauen von gleicher Wuth erfüllt, unerschrocken in der Schlacht mitkämpfend, oder ihren Gefangenen, die ihre Mitbürger waren, den Hals abschneidend; Diener der Religion mitten in ihrem Friedenswerk erschossen; eine Hauptstadt verbarrikadirt, jede Straße ein Schlachtfeld und dieses mit größerer Hartnäckigkeit vertheidigt, als einst bei Lodi und Waterloo geschah. Kein Beispiel von so blutiger Metzelei in der ganzen neueren Geschichte … Doch begegnen wir Beispielen von Selbstaufopferung in der vergeblichen Hoffnung, den Orkan zu besänftigen. Der Erzbischof von Paris begibt sich, mit einem grünen Zweige in der Hand nach der stärksten Barrikade; bei seiner Erscheinung hört plötzlich das Feuern auf; bald aber fällt er durch eine Kugel, die eine unbekannte Hand entsendet (es ist jetzt erwiesen, daß Einer aus den Reihen der wüthenden Mobilgarde ihn erschoß); die Insurgenten beeifern sich, ihm Beistand zu leisten und verlangen ein Certifikat, daß der unglückliche Schuß nicht von ihrer Seite gekommen. Dieser und ähnliche Züge verbieten uns, zu behaupten, daß der Kampf in Paris ein Krieg von hungrigen, wüthenden, wilden Thiere gewesen sei. Ein schrecklicher Ausbruch von ungezähmter Leidenschaft war es allerdings, aber immer noch von menschlicher Leidenschaft: große Verbrechen mit großen Tugenden untermischt, zu gleicher Zeit Entsetzen und Bewunderung erregend … Es ist eine Krisis und, wir fürchten, nicht die einzige, in Folge einer gewaltigen Lebensstörung; ein Paroxismus, ein Krampf, der eine ungeheuere noch schlecht verstandene gesellschaftliche Krankheit verräth … Von dem Augenblick an, wo Lamartine dem Volk auf seinem Weg nach dem Hotel de Ville, um die provisorische Regierung zu installiren, auseinandersetzte, daß die Revolution diesmal nicht wieder betrogen werden solle, bis zu dem Augenblicke der Abdankung und Uebertragung der Gewalt in Cavaignac's Hände: war das Betragen der Regierung nichts als eine Masse von Irrthümern und Abgeschmacktheiten …

„Die in Paris und in Frankreich an der Tagesordnung befindlichen Theorien, der zwischen Arbeit und Kapital durch ganz Europa beginnende Kampf, das Verlangen nach anderen gesellschaftlichen Einrichtungen in Folge der großen Armuth der Massen, unter denen sich nach Leroux, 8 Millionen Bettler befinden: dies Alles deutete eben so sehr auf eine sociale, als eine politische Revolution hin. In der That, die Feindseligkeit zwischen Arbeitern und „Bourgeoisie“ war kein Geheimniß und sie zu versöhnen oder ihre Interessen friedlich in Einklang zu bringen, war eine der großen Aufgaben, die Louis Philipp und Guizot völlig vernachlässigt hatten und deren Lösung nun der Republik oblag …

„Die eigentliche Ursache des Aufstandes lag darin, daß sich das Volk getäuscht sah. Es hatte schon lange Zeit seine Hoffnung auf eine bessere Gesellschaftseinrichtung gesetzt, die allen Klassen zu dem nämlichen Wohlsein verhelfen sollte, welches bisher die Reichen genossen, die ohne Arbeit ein behagliches Leben führten. Die Revolution sollte die Verwirklichung solcher Hoffnungen sein und letztere wurden von der provisorischen Regierung selbst durch Errichtung der National-Ateliers gehegt und gepflegt. Als Louis Blanc bei Seite geschoben und Emil Thomas entlassen wurde, befürchtete man sofort einen Aufstand. Truppen wurden nach Paris gezogen und die den Arbeitern keineswegs freundliche Nationalgarde schlagfertig gehalten. So wie man nun Maßregeln zur Entlassung der Arbeiter ergriff, brach die Insurrektion aus … Das Mißvergnügen unter der großen Masse der Arbeiter, das aus ihren getäuschten Hoffnungen entsprang, der Unwillen, daß sie nach ihrer Voraussetzung von denen verrathen worden, denen sie selbst die Regierung übertragen und die ihnen schöne Versprechungen gemacht; dies sind die Gefühle, die dem mörderischen Ausbruche in Paris zu Grunde liegen. Daß einige Personen von Intriganten benutzt, andere von Emissären der verschiedenen Prätendenten durch Gold zu Excessen aufgereizt und mit den Mitteln der Kriegsführung ausgerüstet worden sein mögen, wird Niemand läugnen. Allein die Grundlage des Ganzen war das Mißvergnügen der Arbeiter über getäuschte Hoffnungen und ihr Unwille, sich verrathen zu sehen. . . . Es ist leichter, den Hauptgrund dieses beklagenswerthen Ausbruches aufzufinden, als die wahrscheinlichen Folgen desselben anzugeben … Zu dem Gefühl des Unwillens über vorausgesestten Verrath wird sich, fürchten wir, das Gefühl der Rache gesellen. Das Hinschlachten von Kameraden, Verwandten und Freunden muß auf beiden Seiten die vorhandene Stimmung noch verschlimmern. Die Revolution war eine soziale, sie ist jetzt ein Klassenkampf geworden. Die Nationalversammlung, welche die Sieger vertritt, verlangte nach einem Rachedekret, daß ihr siegreicher General ihnen abschlug. Mit dieser einen zu Boden geschlagenen Insurrektion ist der Krieg der Armuth gegen den Reichthum, der Arbeit gegen das Kapital nicht beendigt u. s. w.“

So spricht sich der „Economist“ über die Junirevolution aus. Seine Anschauung als englischer Bourgeois und Freetrader (Freihandelsmann) bringt es mit sich, daß er nur in der Durchführung des Freihandelssystems in allen Ländern das Heilmittel für die gesellschaftlichen Leiden erblickt. Daher erklärt es sich auch, daß so viel Schiefes und Unrichtiges und gradezu Falsches neben vielem Richtigen in seiner Beleuchtung der Pariser Ereignisse neben her läuft. Im Vergleich aber mit den Organen des deutsch-bürgerlichen Liberalismus, insbesondere mit einer „Kölnischen Zeitung“ und Konsorten, steht der „Economist“ da als Heros von Einsicht, als ein Salomo in Beurtheilung von Ereignissen und Zuständen fremder Länder und als ein Nestor in Welterfahrung.

Amerika.
* Boston, 13. Juni.

Die so lang verschobene Unternehmung, „der Illinois-Kanal“, ist nun seit etwa 2 Monaten dem Verkehr übergeben. Jetzt kann man also von Liverpool nach New-Orleans fahren, von da den Missisippi hinauf bis St. Louis; von da den Illinois-Fluß hinauf bis Peru; dann nach Chicago auf dem Kanal; hierauf über die Seen bis Buffalo; nun besteigt man die kleine Jacht, die uns auf dem Kanal bis Albany bringt und jetzt gehts den Hudson-Fluß hinab bis New-York. So bleibt man beständig auf dem Wasser und durchschneidet auch von New-Orleans aus mit Dampfböten den ganzen Kontinent. Möge der Leser einmal die Landkarte zur Hand nehmen und ungefähr die Tausende von englischen Meilen berechnet, die jetzt in ununterbrochener und schneller Fahrt auf dem Wasser zurückgelegt werden. Die Idee zu dem Unternehmen war großartig, die Ausführung noch mehr. Aber noch großartiger ist der Gedanke, daß diese Herumfahrt zu Wasser binnen einigen Jahren durch Eisen-

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          <p><pb facs="#f0003" n="0179"/>
sen, M. <hi rendition="#g">Bakunin,</hi> stark                         kompromittirten, indem sie ihn als ein Werkzeug oder in jüngster Zeit                         gewonnenen <hi rendition="#g">Agenten Rußlands</hi> darstellen, den der                         größte Theil der Schuld der neuerdings verhafteten unglücklichen polnischen                         Patrioten treffe. George Sand hat diese Papiere einigen ihrer Vertrauten                         gezeigt. Wir haben hier nichts gegen ein Slawenreich, aber durch den <hi rendition="#g">Verrath</hi> der polnischen Patrioten wird es nimmermehr                         zu Stande kommen.</p>
          <p>&#x2012; Flocon, der Exminister, zog bekanntlich am 23. in der Nationalversammlung                         gegen die Intrigue zu Felde, die im Auslande gegen die Republik gesponnen                         wurde. Er nannte zwar kein Land, bezeichnete es aber mit den Worten: &#x201E;á                         l'étranger&#x201C;, was lange Zeit mit England gleichlautend hieß. Lord Normanby                         hat in Folge dessen dem Minister Bastide im Namen Palmerstons eine                         energische Protestation zugehen lassen, worauf ihm heute unser armer Bastide                         demüthigst Folgendes antwortet: &#x201E;Der Minister der auswärtigen                         Angelegenheiten an S. Excellenz den Hr. Gesandten von England. Milord. Meine                         Meinung und diejenige meiner Regierung ist, daß die Regierung J. M. der                         Königin zu loyal ist, um irgend einen Theil an der Aufwiegelung zu den                         schrecklichen Ereignissen von Paris genommen zu haben. Ich sehe durchaus                         nichts Anstössiges darin, daß Sie dieser Erklärung sowohl als Ihrer Note                         diejenige Veröffentlichung geben, die Sie für passend finden. Ich würde dieß                         selbst mit um so größerem Vergnügen sehen, als dieß eine neue Probe der                         gegenseitigen Freundschaftsgefühle wäre, die unsere beiden Regierungen                         beleben. Ich habe die Ehre zu sein, Milord, Ihr ganz ergebenster</p>
          <p>(gez.) Jules Bastide.</p>
          <p>&#x2012; Die Theater von Paris haben die Erlaubniß erhalten, ihre Vorstellungen                         wieder zu beginnen, aber mit der Bedingung, daß der Vorhang um 10 Uhr                         fällt.</p>
          <p>&#x2012; Herr <hi rendition="#g">Gornet,</hi> der nach der <hi rendition="#g">&#x201E;Gazette des Tribunaur&#x201C;</hi> fusillirt worden ist, (siehe d. gestr.                         Ztg.) protestirt heute im &#x201E;Journal des Dèbats&#x201C; gegen diese Verläumdung.</p>
          <p>&#x2012; Die &#x201E;<hi rendition="#g">Reforme</hi>&#x201C; bringt einen Artikel unter der                         Ueberschrift: <hi rendition="#g">&#x201E;Die Conspiration der Verläumdung.&#x201C;</hi> Sie zeigt in diesem Artikel vor allem ihre Ohnmacht zu begreifen, wie trotz                         des allgemeinen Wahlrechts so tragische Konflikte statt haben konnten. Die                         altrepublikanische Partei ist durch die jüngsten Ereignisse wie vor den Kopf                         geschlagen; ihre alten Phrasen haben den Sinn verloren; ihre politischen                         Dogmen zerschellen an den Thatsachen. Wir entfernen aus diesem Artikel alle                         Stellen, welche nichts als irre Ausdrücke einer über sich selbst                         erschrockenen Rathlosigkeit sind. Die Reforme beginnt ihren Artikel mit der                         Auseinansetzung der Gründe, die sie bestimmt haben, seit 10 Tagen schweigend                         &#x201E;den Bürgerkrieg mit allen seinen Diktaturen&#x201C; an sich vorüberziehen zu                         lassen. Die freie Sprache war nicht erlaubt; die Polemik konnte überdem die                         blutende Wunde nur noch weiter aufreißen u. s. w.</p>
          <p>&#x201E;Aber,&#x201C; fährt sie fort, &#x201E;wir wollen nicht, wir dürfen nicht länger die Sache                         der Gerechtigkeit desertiren, die Rechte des Unglücks und die Pflichten der                         Presse gegen die Besiegten. Diese schmählichen Saturnalien, die sich vor                         unsern Augen aufrollen, dieses öffentliche Ausschreien verdächtiger Namen,                         diese infamen Denunciationen, diese wilden Verläumdungen, die von allen                         Seiten her zischen, diese wüsten Ausschweifungen der Parteien, die sich zu                         Lieferanten der Kerker machen, alles das ist traurig und verdient                         Züchtigung, denn es entehrt, es erniedrigt ein Land: es ist dies die                         Gemeinheit und die Gewaltsamkeit zusammengekuppelt. Glaubt man der Sache der                         Civilisation zu dienen, indem man Barrikaden von Verläumdungen aufwirft                         gegen die Barrikaden der Empörung, indem man ganze Stadtviertel als ein                         Bagno denuncirt, als ein Lager von Verpesteten, indem man vergiftete                         Chroniken erfindet, so scheußliche Chroniken, daß sie die Annalen eines                         Volkes von Menschenfressern besudeln würden? &#x2012; Wir sind und waren gegen die                         Junirevolution, &#x2012; Aber in diesem Hauptpunkt einverstanden, daß es keine                         legitime Insurrektion gibt, wenn das Recht existirt (das allgemeine                         Wahlrecht) und sich bethätigen kann, haben wir nur Entrüstung und Verachtung                         für die Verkäufer der gräulichen Verläumdungen, die da Handel treiben mit                         abgeschnittenen Köpfen, Wahlsprüchen des Verbrecherargots, brennendem                         Vitriol, schauerlichen Verstümmlungen, vergifteten Waaren und vor allem mit                         ewigen Denunciationen gegen die Feinde, welche sie geniren und die sie                         verderben wollen, indem sie sie dem Henker als Beute hinwerfen. Die Journale                         der Reaktion, welche Boutique halten mit diesen Schlächtereien und so ihre                         alten Rachepläne ausführen, haben sie die Thatsachen verificirt durch eine                         ernsthafte Untersuchung, ehe sie dieselben als Futter hinwarfen dem Haß, der                         Furcht! Haben sie so viel Ehrgefühl besessen zu kontrolliren, ehe sie                         denuncirten, ehe sie die öffentliche Meinung, die Justiz, die Leidenschaften                         des Augenblicks provocirten? Nein, tausend Mal nein! Nicht ein einziges                         dieser Blätter kann Zeugen beibringen, Beweise liefern und die Regierung                         selbst hat die Mehrzahl dieser ekelhaften Geschichten Lügen gestraft, welche                         die Presse der Reaktion erfindet und verbreitet zum Vortheil ihrer Ideen und                         ihrer Staatsmänner, die unter den Barrikaden des Februars vergraben lagen.                         Was dem Volk fehlt, ist nicht das Gewissen, es ist das Vertrauen auf die                         Institutionen, es ist die Ueberzeugung, daß seine Eroberungen ihm nicht                         gestohlen werden. So oft hat man es betrogen! Die Könige und die                         Aristokraten haben es so lange beherrscht durch die Gewalt und durch die                         List, man hat es so oft verdammt, wie Samson, die Säulen des Tempels zu                         erschüttern, daß in seinen Augen die Gewalt das nothwendige Instrument ist,                         das fatale Instrument aller socialen und politischen Entwicklungen.&#x201C;</p>
          <p>&#x2012; Pagnerre, Generalsekretär des Vollziehungsausschusses und der                         provisorischen Regierung, hat sein unbezahltes Amt als Direktor der                         Nationalwechselbank niedergelegt.</p>
          <p>&#x2012; Huber's Verwundung und Arrestation, die wir gestern meldeten, bestätigt                         sich nicht. Derselbe hat trotz allen emsigen Nachforschungen der Polizei bis                         heute noch nicht aufgefunden werden können.</p>
          <p>&#x2012; Goudchaux, der neue Finanzminister hat heute seine großen Rettungspläne der                         Nationalversammlung vorgelegt. Sie zertrümmern mit weniger Ausnahme Alles,                         was die Februar-Revolution geschaffen. (Siehe die Sitzung der                         Nationalversammlung vom 3. Juli.</p>
          <p>&#x2012; <hi rendition="#g">Molé</hi> will an Thiers Stelle im Departement der                         Gironde als Kandidat der Nationalversammlung auftreten. Die Mobilgarden                         werden Paris verlassen und an die französischen Gränzen versetzt werden. 300                         neue Arrestationen haben seit zwei Tagen statt gefunden.</p>
          <p>Die &#x201E;Demokratie Pacifique&#x201C; ruft dem &#x201E;Constitutionel&#x201C; zu: Schacherer in                         Feuilletons, wenn der Socialismus so verbrecherisch ist, wie Ihr sagt,                         schlagt euch selbst am meisten die Brust, denn Ihr habt die erregendsten                         socialistischen Romane von Eugen Sue veröffentlicht; wenn das Gemälde des                         Elends das Volk vergiftet, habt Ihr es vergiftet bis auf das Mark der                         Knochen und dieß ohne Glauben, ohne Ueberzeugung, aus blosem Merkantilismus.                         Zeigt also mehr Reue oder mehr Klugheit.</p>
          <p>Die <hi rendition="#g">Thierspartei</hi> hat bei der Bildung der Bureaus der                         Nationalversammlung einen glänzenden Sieg davon getragen. Der Club der                         Straße von Poitiers, die Reunion des Herrn Baragnay-d'Hillier hat unter den                         15 Präsidenten der Bureaus 9 der Ihrigen untergebracht. Von der alten                         Executivkommission ist nur Arago ernannt worden. Herr Marrast konnte in dem                         Bureau, dem er angehörte, nicht zur Präsidentschaft gelangen. Er erlag                         seinem Konkurrenten Vivien, einem Freunde von Thiers. Wir geben nachstehend                         die Liste der Präsidenten und Sekretäre der Bureaus, es ist dieß eine                         Statistik der Macht der verschiedenen Parteien in der                         Nationalversammlung.</p>
          <p>Es sind genannt für das erste Büreau Girard und Chauffour, für das zweite                         Dufaure und Buffet, für das dritte Thiers und Louvet, für das vierte Pagès                         (de l'Ariége), für das fünfte Billault und Pèrignon, für das 6. G. de                         Beaumont und Chavoir, für das 7. F. Arago und B. Lafranc, für das 8. Baze                         und Pigeon, für das 9. Baroche und Aug. Avond, für das 10. Cormenin und                         Oscar Lafayette, für das 11. Dupin und Barailler, für das 12. Vivien und                         Guichard, für das 13. de Tracy und Freslon, für das 14. Byrand und Maissiat,                         für das 15. Berryer und St. Beuve.</p>
          <p>&#x2012; Die Nachricht, daß der verhaftete <hi rendition="#g">Grandmènil,</hi> Hauptredakteur und Gerant der <hi rendition="#g">Réforme</hi> ist, beruht                         auf einer von den Herrn des &#x201E;Constitutionnel&#x201C; und des &#x201E;Droit&#x201C; absichtlich                         ausgestreuten Lüge.</p>
          <p><hi rendition="#g">Nationalversammlung.</hi> Sitzung vom 3. Juli. Präsident                         Marie eröffnete dieselbe um 2 1/4 Uhr. Das Gerücht, die Pariser Bürgerwehr                         unterzeichne eine Petition, welche die Arretirung mehrerer Deputirten und                         selbst des kürzlich noch so gefeierten Lamartine beantrage und daß derselbe                         bei Gelegenheit der geheime Kreditdiskussionen das Wort ergreifen werde,                         hatte die Neugierde doppelt gehoben und die Tribünen frühzeitig gefüllt.                         Nach Verlesung des Protokolls und Ertheilung mehrerer Urlaube bestieg der                         Konseilpräsident <hi rendition="#g">Cavaignac</hi> den Redestuhl. Ich bin,                         begann er, vorigen Freitag die Verpflichtung Ihnen gegenüber eingegangen,                         Ihnen die Lage der Nationalwerkstätten am 23. Juni zu schildern. Wohlan, ich                         erkläre Ihnen, daß ich dieselben genau geprüft habe: die Beschaffenheit                         dieser Werkstätten im Augenblick des Ausbruchs der Insurrektion war eine                         furchtbare. Der Gedanke, der diese Anstalten ins Leben rief, mag ein guter,                         menschenfreundlicher gewesen sein, aber er wurde im Laufe der Zeit gänzlich                         entartet, indem sich diese Anstalten zu einer der drohendsten Gefahren                         umwandelten, welche je über der Freiheit schwebten. Wir Alle, die wir uns in                         Folge Ihres Vertrauens am Staatsruder befinden, waren von dieser Wahrheit                         durchdrungen. Jeder von uns kennt die Anstrengungen, welche die Versammlung                         machte, um diese Werkstätten der Staatsgefahr aufzuheben; ich brauche daher                         wohl nicht in die Einzelnheiten einzutreten, um ihnen das Furchtbare ihrer                         Organisation zu wiederholen. Das Gute, das sie schufen, wurde bei Weitem von                         dem Schlechten, das sie bargen, überwogen. Als sie sahen, daß sich die                         Bürgerwehr zu jedem Preise dieser Gefahr entledigen wollte, brach der Kampf                         los. Es ist erwiesen, daß die Nationalwerkstätten den thätigsten Theil am                         Kampfe nahmen. Die Zahl der Theilnehmer erreicht an 40,000. Der                         Effektivbestand der Werkstätten betrug am 23. Juni 105 bis 106,000 Mann. Die                         kräftigsten, geschicktesten, tüchtigsten Arbeiter derselben fielen im Kampfe                         oder wurden gefangen. Diese Thatsache hat die Untersuchungsbehörde amtlich                         ermittelt. Der Effektivbestand ist bedeutend geschmolzen, die ganze innere                         Organisation der Werkstätten, die, auf militärischer Grundlage gebaut, eine                         fortdauernde Staatsgefahr bildeten, ist radikal vernichtet (dissous) und ich                         kann der Versammlung die Versicherung geben, daß jede Gefahr vorüber                         ist.</p>
          <p>Aber es bleibt uns noch eine gewisse Zahl honetter Arbeiter übrig, die sich                         keineswegs weigern, in die Privatwerkstätten zurückzukehren! Sie sind ohne                         Beschäftigung; der Finanzminister wird Ihnen die betreffenden Gesetzentwürfe                         vorlegen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Goudhaux</hi> folgt dem Redner auf der Tribüne und legt                         seinen neuen Finanzplan vor. Derselbe besteht: 1) Im Rückzug des                         Eisenbahn-Expropriationsgesetzes. (Bravos.) 2) Rückzahlung der                         Sparkassenbeträge, theilweise in Geld, theilweise in Renten. 3) Rückzug der                         Expropriation der Assekuranzgesellschaft. 4) Beibehaltung des                         Hypothekar-Gesetzes, aber nur pro 1848. 5) Progressivsteuer auf Erbschaften                         und Schenkungen u. s. w.</p>
          <p><hi rendition="#g">Cavaignac</hi> nahm wiederholt das Wort, um die Eile oder                         Dringlichkeit dieser fünf Gesetzentwürfe zu bevorworten.</p>
          <p>Sie wurde angenommen:</p>
          <p><hi rendition="#g">Lasteyrie</hi> brachte die Todtenfeier in Erwähnung. Sie                         wurde auf den 6. Juli mit großem Pomp festgesetzt. (4 Uhr.)</p>
          <p>(Nach 4 Uhr.) Nach Anhörung des Lasteyrie'schen Antrages rücksichtlich der                         großen Leichenfeier schritt die Versammlung zu ihrer eigentlichen                         Tagesordnung zurück, indem sie die am Sonnabend abgebrochene Diskussion der                         Wahlordnung für die Gemeinde-, Arrondissements- und General- (oder                         Departements-) Räthe wieder aufnahm. Das neue Gesetz besteht aus 14                         Paragraphen, denen unzählige Amendements angehängt wurden und die schon am                         Sonnabend den größten Theil der Sitzung in Anspruch nahmen. Clement stellte                         am Schluß der heutigen Debatte noch einen Additional-Paragraphen, welcher                         also lautet: &#x201E;Die Sitzungen der Gemeinde-, Arrondissements- und                         Departementsräthe sind <hi rendition="#g">öffentlich,</hi> es müßte denn die                         Mehrheit der Glieder verlangen, daß sich die Versammlung als geheimen                         Ausschuß konstituire.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Senard,</hi> Minister des Innern bekämpft diesen                         Additional-Paragraphen. Die Versammlung entschied jedoch die Oeffentlichkeit                         für die Sitzungen der General- oder Departements-Räthe. Nach dieser kleinen                         Schlappe für das neue Ministerium, zu der auch dieses Mal Marrast beitrug,                         indem er sich <hi rendition="#g">gegen</hi> die ministerielle Bekämpfung                         erhob, nahm die Versammlung das Gesammtgesetz mit unbedeutendem Mehr an und                         ging um 6 Uhr auseinander.</p>
          <p>&#x2012; Das Wichtigste der heutigen Sitzung sind die Goudchauxschen <hi rendition="#g">Finanzdekrets-Entwürfe,</hi> deren Text wir uns indeß                         bisher noch nicht verschaffen konnten. Wir müssen daher auf den Moniteur                         verweisen.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Großbritannien.</head>
        <div xml:id="ar036_024" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 3. Juli.</head>
          <p>Die Times vergleicht heute die französischen mit den englischen Zuständen und                         bemerkt in Betreff der letztern: &#x201E;Unsere Bevölkerung vermehrt sich alle 10                         Jahre um eine Million. Unsere Armentaxe steigt und wird wahrscheinlich noch                         mehr steigen. Sollte der jetzige Zustand der Dinge fortdauern, so werden 6                         Millionen Pfund nicht hinreichen, um die unproduktiven Paupers des                         Königreichs zu unterhalten. Unsere Armuth wird uns mehr kosten als unsere                         Marine. Mit einem Worte, wir werden für die unfruchtbarste Faulheit mehr                         bezahlen müssen, als für die Bewachung aller unsrer asiatischen,                         afrikanischen, amerikanischen und australischen Besitzungen. Und wenn alles                         dies geschehen ist, so wird wahrscheinlich, bei der jetzigen Lage der                         Bevökerung, noch genug Noth und Unzufriedenheit durchaus unbekannt und                         unberücksichtigt geblieben sein.&#x201C; Dann zu der Auswanderung nach den                         Kolonien, als dem einzigen Mittel gegen alle Noth übergehend, fährt die                         Times fort: &#x201E;Wenn sich das Parlament nicht mit der Auswanderungsfrage                         beschäftigen will, so hört das englische Volk indeß nicht auf die Sache im                         Auge zu behalten. Die nationale Bedeutung der Kolonieen wird immer größer                         und immer besser erkannt. Jede Familie, die ihre Verbindungen in Amerika, in                         Australien oder am Kap hat, erhält monatliche Berichte über die Ressourcen                         und Bedürfnisse unserer dortigen Besitzungen. Man vergleicht das was man von                         dort hört, mit dem was man hier sieht. Man fühlt, daß es absurd ist,                         Menschen in einem Theile des Reiches hungern zu lassen, während sie in dem                         andern prosperiren und eben durch diese Prosperität dem Mutterlande wieder                         von unendlichem Nutzen sein könnten. &#x2012; In diesem Augenblicke konsumirt                         Australien mit seinen 280,000 Bewohnern mehr britische Manufaktur-Waaren und                         beschäftigt mehr britische Hände, als das ganze britische Nordamerika mit                         einer Population von 2 Millionen im Jahre 1774.</p>
          <p>Was ist daher nicht von diesem Australien zu erwarten, wenn seine                         Bewohnerzahl sich verzehnfacht hat! Man sieht, die Times, die noch eben die                         Deportation der französischen Insurgenten als etwas kaum ausführbares in                         Zweifel zog, bleibt nichts destoweniger ihrem Lieblingsprojekt, der                         Emigration, getreu.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar036_025" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 1. Juli.</head>
          <p>Das weitverbreitete Wochenblatt &#x201E;The Economist,&#x201C; ein Organ der                         Freihandelspartei, spricht sich über die Junirevolution in einer Weise aus,                         die der deutschen Presse, insoweit sie den bürgerlichen Liberalismus                         vertritt, zu einigem Licht verhelfen könnte, wenn überhaupt die Bornirtheit                         dem Licht zugänglich wäre.</p>
          <p>&#x201E;. . . . Die schlimmsten Feinde Frankreichs, wie Diejenigen, welche von dem                         hastigen und übereilten Verfahren der provisorischen Regierung die                         schlimmsten Folgen erwarteten, haben ihre düstersten Ahnungen in den                         schrecklichen Ereignissen des 23., 24., 25. und 26. Juni weit übertroffen                         gesehen. Brüder im Kampf gegen Brüder unter dem Symbol der &#x201E;Fraternité;&#x201C;                         Häuser in Festungen verwandelt; Nachbarn gegen Nachbarn aufgestanden; Männer                         und Frauen von gleicher Wuth erfüllt, unerschrocken in der Schlacht                         mitkämpfend, oder ihren Gefangenen, die ihre Mitbürger waren, den Hals                         abschneidend; Diener der Religion mitten in ihrem Friedenswerk erschossen;                         eine Hauptstadt verbarrikadirt, jede Straße ein Schlachtfeld und dieses mit                         größerer Hartnäckigkeit vertheidigt, als einst bei Lodi und Waterloo                         geschah. Kein Beispiel von so blutiger Metzelei in der ganzen neueren                         Geschichte &#x2026; Doch begegnen wir Beispielen von Selbstaufopferung in der                         vergeblichen Hoffnung, den Orkan zu besänftigen. Der Erzbischof von Paris                         begibt sich, mit einem grünen Zweige in der Hand nach der stärksten                         Barrikade; bei seiner Erscheinung hört plötzlich das Feuern auf; bald aber                         fällt er durch eine Kugel, die eine unbekannte Hand entsendet (es ist jetzt                         erwiesen, daß Einer aus den Reihen der wüthenden Mobilgarde ihn erschoß);                         die Insurgenten beeifern sich, ihm Beistand zu leisten und verlangen ein                         Certifikat, daß der unglückliche Schuß nicht von ihrer Seite gekommen.                         Dieser und ähnliche Züge verbieten uns, zu behaupten, daß der Kampf in Paris                         ein Krieg von hungrigen, wüthenden, wilden Thiere gewesen sei. Ein                         schrecklicher Ausbruch von ungezähmter Leidenschaft war es allerdings, aber                         immer noch von menschlicher Leidenschaft: große Verbrechen mit großen                         Tugenden untermischt, zu gleicher Zeit Entsetzen und Bewunderung erregend &#x2026;                         Es ist eine Krisis und, wir fürchten, nicht die einzige, in Folge einer                         gewaltigen Lebensstörung; ein Paroxismus, ein Krampf, der eine ungeheuere                         noch schlecht verstandene gesellschaftliche Krankheit verräth &#x2026; Von dem                         Augenblick an, wo Lamartine dem Volk auf seinem Weg nach dem Hotel de Ville,                         um die provisorische Regierung zu installiren, auseinandersetzte, daß die                         Revolution diesmal nicht wieder betrogen werden solle, bis zu dem                         Augenblicke der Abdankung und Uebertragung der Gewalt in Cavaignac's Hände:                         war das Betragen der Regierung nichts als eine Masse von Irrthümern und                         Abgeschmacktheiten &#x2026;</p>
          <p>&#x201E;Die in Paris und in Frankreich an der Tagesordnung befindlichen Theorien,                         der zwischen Arbeit und Kapital durch ganz Europa beginnende Kampf, das                         Verlangen nach anderen gesellschaftlichen Einrichtungen in Folge der großen                         Armuth der Massen, unter denen sich nach Leroux, 8 Millionen Bettler                         befinden: dies Alles deutete eben so sehr auf eine sociale, als eine                         politische Revolution hin. In der That, die Feindseligkeit zwischen                         Arbeitern und &#x201E;Bourgeoisie&#x201C; war kein Geheimniß und sie zu versöhnen oder                         ihre Interessen friedlich in Einklang zu bringen, war eine der großen                         Aufgaben, die Louis Philipp und Guizot völlig vernachlässigt hatten und                         deren Lösung nun der Republik oblag &#x2026;</p>
          <p>&#x201E;Die eigentliche Ursache des Aufstandes lag darin, daß sich das Volk                         getäuscht sah. Es hatte schon lange Zeit seine Hoffnung auf eine bessere                         Gesellschaftseinrichtung gesetzt, die allen Klassen zu dem nämlichen                         Wohlsein verhelfen sollte, welches bisher die Reichen genossen, die ohne                         Arbeit ein behagliches Leben führten. Die Revolution sollte die                         Verwirklichung solcher Hoffnungen sein und letztere wurden von der                         provisorischen Regierung selbst durch Errichtung der National-Ateliers                         gehegt und gepflegt. Als Louis Blanc bei Seite geschoben und Emil Thomas                         entlassen wurde, befürchtete man sofort einen Aufstand. Truppen wurden nach                         Paris gezogen und die den Arbeitern keineswegs freundliche Nationalgarde                         schlagfertig gehalten. So wie man nun Maßregeln zur Entlassung der Arbeiter                         ergriff, brach die Insurrektion aus &#x2026; Das Mißvergnügen unter der großen                         Masse der Arbeiter, das aus ihren getäuschten Hoffnungen entsprang, der                         Unwillen, daß sie nach ihrer Voraussetzung von denen verrathen worden, denen                         sie selbst die Regierung übertragen und die ihnen schöne Versprechungen                         gemacht; dies sind die Gefühle, die dem mörderischen Ausbruche in Paris zu                         Grunde liegen. Daß einige Personen von Intriganten benutzt, andere von                         Emissären der verschiedenen Prätendenten durch Gold zu Excessen aufgereizt                         und mit den Mitteln der Kriegsführung ausgerüstet worden sein mögen, wird                         Niemand läugnen. Allein die Grundlage des Ganzen war das Mißvergnügen der                         Arbeiter über getäuschte Hoffnungen und ihr Unwille, sich verrathen zu                         sehen. . . . Es ist leichter, den Hauptgrund dieses beklagenswerthen                         Ausbruches aufzufinden, als die wahrscheinlichen Folgen desselben anzugeben                         &#x2026; Zu dem Gefühl des Unwillens über vorausgesestten Verrath wird sich,                         fürchten wir, das Gefühl der Rache gesellen. Das Hinschlachten von                         Kameraden, Verwandten und Freunden muß auf beiden Seiten die vorhandene                         Stimmung noch verschlimmern. Die Revolution war eine <hi rendition="#g">soziale, sie ist jetzt ein Klassenkampf geworden.</hi> Die                         Nationalversammlung, welche die Sieger vertritt, verlangte nach einem                         Rachedekret, daß ihr siegreicher General ihnen abschlug. Mit dieser einen zu                         Boden geschlagenen Insurrektion ist der Krieg der Armuth gegen den                         Reichthum, der Arbeit gegen das Kapital nicht beendigt u. s. w.&#x201C;</p>
          <p>So spricht sich der &#x201E;Economist&#x201C; über die Junirevolution aus. Seine Anschauung                         als englischer Bourgeois und Freetrader (Freihandelsmann) bringt es mit                         sich, daß er nur in der Durchführung des Freihandelssystems in allen Ländern                         das Heilmittel für die gesellschaftlichen Leiden erblickt. Daher erklärt es                         sich auch, daß so viel Schiefes und Unrichtiges und gradezu Falsches neben                         vielem Richtigen in seiner Beleuchtung der Pariser Ereignisse neben her                         läuft. Im Vergleich aber mit den Organen des deutsch-bürgerlichen                         Liberalismus, insbesondere mit einer &#x201E;Kölnischen Zeitung&#x201C; und Konsorten,                         steht der &#x201E;Economist&#x201C; da als Heros von Einsicht, als ein Salomo in                         Beurtheilung von Ereignissen und Zuständen fremder Länder und als ein Nestor                         in Welterfahrung.</p>
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        <head>Amerika.</head>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Boston, 13. Juni.</head>
          <p>Die so lang verschobene Unternehmung, &#x201E;der Illinois-Kanal&#x201C;, ist nun seit etwa                         2 Monaten dem Verkehr übergeben. Jetzt kann man also von Liverpool nach                         New-Orleans fahren, von da den Missisippi hinauf bis St. Louis; von da den                         Illinois-Fluß hinauf bis Peru; dann nach Chicago auf dem Kanal; hierauf über                         die Seen bis Buffalo; nun besteigt man die kleine Jacht, die uns auf dem                         Kanal bis Albany bringt und jetzt gehts den Hudson-Fluß hinab bis New-York.                         So bleibt man beständig auf dem Wasser und durchschneidet auch von                         New-Orleans aus mit Dampfböten den ganzen Kontinent. Möge der Leser einmal                         die Landkarte zur Hand nehmen und ungefähr die Tausende von englischen                         Meilen berechnet, die jetzt in ununterbrochener und schneller Fahrt auf dem                         Wasser zurückgelegt werden. Die Idee zu dem Unternehmen war großartig, die                         Ausführung noch mehr. Aber noch großartiger ist der Gedanke, daß diese                         Herumfahrt zu Wasser binnen einigen Jahren durch Eisen-
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[0179/0003] sen, M. Bakunin, stark kompromittirten, indem sie ihn als ein Werkzeug oder in jüngster Zeit gewonnenen Agenten Rußlands darstellen, den der größte Theil der Schuld der neuerdings verhafteten unglücklichen polnischen Patrioten treffe. George Sand hat diese Papiere einigen ihrer Vertrauten gezeigt. Wir haben hier nichts gegen ein Slawenreich, aber durch den Verrath der polnischen Patrioten wird es nimmermehr zu Stande kommen. ‒ Flocon, der Exminister, zog bekanntlich am 23. in der Nationalversammlung gegen die Intrigue zu Felde, die im Auslande gegen die Republik gesponnen wurde. Er nannte zwar kein Land, bezeichnete es aber mit den Worten: „á l'étranger“, was lange Zeit mit England gleichlautend hieß. Lord Normanby hat in Folge dessen dem Minister Bastide im Namen Palmerstons eine energische Protestation zugehen lassen, worauf ihm heute unser armer Bastide demüthigst Folgendes antwortet: „Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten an S. Excellenz den Hr. Gesandten von England. Milord. Meine Meinung und diejenige meiner Regierung ist, daß die Regierung J. M. der Königin zu loyal ist, um irgend einen Theil an der Aufwiegelung zu den schrecklichen Ereignissen von Paris genommen zu haben. Ich sehe durchaus nichts Anstössiges darin, daß Sie dieser Erklärung sowohl als Ihrer Note diejenige Veröffentlichung geben, die Sie für passend finden. Ich würde dieß selbst mit um so größerem Vergnügen sehen, als dieß eine neue Probe der gegenseitigen Freundschaftsgefühle wäre, die unsere beiden Regierungen beleben. Ich habe die Ehre zu sein, Milord, Ihr ganz ergebenster (gez.) Jules Bastide. ‒ Die Theater von Paris haben die Erlaubniß erhalten, ihre Vorstellungen wieder zu beginnen, aber mit der Bedingung, daß der Vorhang um 10 Uhr fällt. ‒ Herr Gornet, der nach der „Gazette des Tribunaur“ fusillirt worden ist, (siehe d. gestr. Ztg.) protestirt heute im „Journal des Dèbats“ gegen diese Verläumdung. ‒ Die „Reforme“ bringt einen Artikel unter der Ueberschrift: „Die Conspiration der Verläumdung.“ Sie zeigt in diesem Artikel vor allem ihre Ohnmacht zu begreifen, wie trotz des allgemeinen Wahlrechts so tragische Konflikte statt haben konnten. Die altrepublikanische Partei ist durch die jüngsten Ereignisse wie vor den Kopf geschlagen; ihre alten Phrasen haben den Sinn verloren; ihre politischen Dogmen zerschellen an den Thatsachen. Wir entfernen aus diesem Artikel alle Stellen, welche nichts als irre Ausdrücke einer über sich selbst erschrockenen Rathlosigkeit sind. Die Reforme beginnt ihren Artikel mit der Auseinansetzung der Gründe, die sie bestimmt haben, seit 10 Tagen schweigend „den Bürgerkrieg mit allen seinen Diktaturen“ an sich vorüberziehen zu lassen. Die freie Sprache war nicht erlaubt; die Polemik konnte überdem die blutende Wunde nur noch weiter aufreißen u. s. w. „Aber,“ fährt sie fort, „wir wollen nicht, wir dürfen nicht länger die Sache der Gerechtigkeit desertiren, die Rechte des Unglücks und die Pflichten der Presse gegen die Besiegten. Diese schmählichen Saturnalien, die sich vor unsern Augen aufrollen, dieses öffentliche Ausschreien verdächtiger Namen, diese infamen Denunciationen, diese wilden Verläumdungen, die von allen Seiten her zischen, diese wüsten Ausschweifungen der Parteien, die sich zu Lieferanten der Kerker machen, alles das ist traurig und verdient Züchtigung, denn es entehrt, es erniedrigt ein Land: es ist dies die Gemeinheit und die Gewaltsamkeit zusammengekuppelt. Glaubt man der Sache der Civilisation zu dienen, indem man Barrikaden von Verläumdungen aufwirft gegen die Barrikaden der Empörung, indem man ganze Stadtviertel als ein Bagno denuncirt, als ein Lager von Verpesteten, indem man vergiftete Chroniken erfindet, so scheußliche Chroniken, daß sie die Annalen eines Volkes von Menschenfressern besudeln würden? ‒ Wir sind und waren gegen die Junirevolution, ‒ Aber in diesem Hauptpunkt einverstanden, daß es keine legitime Insurrektion gibt, wenn das Recht existirt (das allgemeine Wahlrecht) und sich bethätigen kann, haben wir nur Entrüstung und Verachtung für die Verkäufer der gräulichen Verläumdungen, die da Handel treiben mit abgeschnittenen Köpfen, Wahlsprüchen des Verbrecherargots, brennendem Vitriol, schauerlichen Verstümmlungen, vergifteten Waaren und vor allem mit ewigen Denunciationen gegen die Feinde, welche sie geniren und die sie verderben wollen, indem sie sie dem Henker als Beute hinwerfen. Die Journale der Reaktion, welche Boutique halten mit diesen Schlächtereien und so ihre alten Rachepläne ausführen, haben sie die Thatsachen verificirt durch eine ernsthafte Untersuchung, ehe sie dieselben als Futter hinwarfen dem Haß, der Furcht! Haben sie so viel Ehrgefühl besessen zu kontrolliren, ehe sie denuncirten, ehe sie die öffentliche Meinung, die Justiz, die Leidenschaften des Augenblicks provocirten? Nein, tausend Mal nein! Nicht ein einziges dieser Blätter kann Zeugen beibringen, Beweise liefern und die Regierung selbst hat die Mehrzahl dieser ekelhaften Geschichten Lügen gestraft, welche die Presse der Reaktion erfindet und verbreitet zum Vortheil ihrer Ideen und ihrer Staatsmänner, die unter den Barrikaden des Februars vergraben lagen. Was dem Volk fehlt, ist nicht das Gewissen, es ist das Vertrauen auf die Institutionen, es ist die Ueberzeugung, daß seine Eroberungen ihm nicht gestohlen werden. So oft hat man es betrogen! Die Könige und die Aristokraten haben es so lange beherrscht durch die Gewalt und durch die List, man hat es so oft verdammt, wie Samson, die Säulen des Tempels zu erschüttern, daß in seinen Augen die Gewalt das nothwendige Instrument ist, das fatale Instrument aller socialen und politischen Entwicklungen.“ ‒ Pagnerre, Generalsekretär des Vollziehungsausschusses und der provisorischen Regierung, hat sein unbezahltes Amt als Direktor der Nationalwechselbank niedergelegt. ‒ Huber's Verwundung und Arrestation, die wir gestern meldeten, bestätigt sich nicht. Derselbe hat trotz allen emsigen Nachforschungen der Polizei bis heute noch nicht aufgefunden werden können. ‒ Goudchaux, der neue Finanzminister hat heute seine großen Rettungspläne der Nationalversammlung vorgelegt. Sie zertrümmern mit weniger Ausnahme Alles, was die Februar-Revolution geschaffen. (Siehe die Sitzung der Nationalversammlung vom 3. Juli. ‒ Molé will an Thiers Stelle im Departement der Gironde als Kandidat der Nationalversammlung auftreten. Die Mobilgarden werden Paris verlassen und an die französischen Gränzen versetzt werden. 300 neue Arrestationen haben seit zwei Tagen statt gefunden. Die „Demokratie Pacifique“ ruft dem „Constitutionel“ zu: Schacherer in Feuilletons, wenn der Socialismus so verbrecherisch ist, wie Ihr sagt, schlagt euch selbst am meisten die Brust, denn Ihr habt die erregendsten socialistischen Romane von Eugen Sue veröffentlicht; wenn das Gemälde des Elends das Volk vergiftet, habt Ihr es vergiftet bis auf das Mark der Knochen und dieß ohne Glauben, ohne Ueberzeugung, aus blosem Merkantilismus. Zeigt also mehr Reue oder mehr Klugheit. Die Thierspartei hat bei der Bildung der Bureaus der Nationalversammlung einen glänzenden Sieg davon getragen. Der Club der Straße von Poitiers, die Reunion des Herrn Baragnay-d'Hillier hat unter den 15 Präsidenten der Bureaus 9 der Ihrigen untergebracht. Von der alten Executivkommission ist nur Arago ernannt worden. Herr Marrast konnte in dem Bureau, dem er angehörte, nicht zur Präsidentschaft gelangen. Er erlag seinem Konkurrenten Vivien, einem Freunde von Thiers. Wir geben nachstehend die Liste der Präsidenten und Sekretäre der Bureaus, es ist dieß eine Statistik der Macht der verschiedenen Parteien in der Nationalversammlung. Es sind genannt für das erste Büreau Girard und Chauffour, für das zweite Dufaure und Buffet, für das dritte Thiers und Louvet, für das vierte Pagès (de l'Ariége), für das fünfte Billault und Pèrignon, für das 6. G. de Beaumont und Chavoir, für das 7. F. Arago und B. Lafranc, für das 8. Baze und Pigeon, für das 9. Baroche und Aug. Avond, für das 10. Cormenin und Oscar Lafayette, für das 11. Dupin und Barailler, für das 12. Vivien und Guichard, für das 13. de Tracy und Freslon, für das 14. Byrand und Maissiat, für das 15. Berryer und St. Beuve. ‒ Die Nachricht, daß der verhaftete Grandmènil, Hauptredakteur und Gerant der Réforme ist, beruht auf einer von den Herrn des „Constitutionnel“ und des „Droit“ absichtlich ausgestreuten Lüge. Nationalversammlung. Sitzung vom 3. Juli. Präsident Marie eröffnete dieselbe um 2 1/4 Uhr. Das Gerücht, die Pariser Bürgerwehr unterzeichne eine Petition, welche die Arretirung mehrerer Deputirten und selbst des kürzlich noch so gefeierten Lamartine beantrage und daß derselbe bei Gelegenheit der geheime Kreditdiskussionen das Wort ergreifen werde, hatte die Neugierde doppelt gehoben und die Tribünen frühzeitig gefüllt. Nach Verlesung des Protokolls und Ertheilung mehrerer Urlaube bestieg der Konseilpräsident Cavaignac den Redestuhl. Ich bin, begann er, vorigen Freitag die Verpflichtung Ihnen gegenüber eingegangen, Ihnen die Lage der Nationalwerkstätten am 23. Juni zu schildern. Wohlan, ich erkläre Ihnen, daß ich dieselben genau geprüft habe: die Beschaffenheit dieser Werkstätten im Augenblick des Ausbruchs der Insurrektion war eine furchtbare. Der Gedanke, der diese Anstalten ins Leben rief, mag ein guter, menschenfreundlicher gewesen sein, aber er wurde im Laufe der Zeit gänzlich entartet, indem sich diese Anstalten zu einer der drohendsten Gefahren umwandelten, welche je über der Freiheit schwebten. Wir Alle, die wir uns in Folge Ihres Vertrauens am Staatsruder befinden, waren von dieser Wahrheit durchdrungen. Jeder von uns kennt die Anstrengungen, welche die Versammlung machte, um diese Werkstätten der Staatsgefahr aufzuheben; ich brauche daher wohl nicht in die Einzelnheiten einzutreten, um ihnen das Furchtbare ihrer Organisation zu wiederholen. Das Gute, das sie schufen, wurde bei Weitem von dem Schlechten, das sie bargen, überwogen. Als sie sahen, daß sich die Bürgerwehr zu jedem Preise dieser Gefahr entledigen wollte, brach der Kampf los. Es ist erwiesen, daß die Nationalwerkstätten den thätigsten Theil am Kampfe nahmen. Die Zahl der Theilnehmer erreicht an 40,000. Der Effektivbestand der Werkstätten betrug am 23. Juni 105 bis 106,000 Mann. Die kräftigsten, geschicktesten, tüchtigsten Arbeiter derselben fielen im Kampfe oder wurden gefangen. Diese Thatsache hat die Untersuchungsbehörde amtlich ermittelt. Der Effektivbestand ist bedeutend geschmolzen, die ganze innere Organisation der Werkstätten, die, auf militärischer Grundlage gebaut, eine fortdauernde Staatsgefahr bildeten, ist radikal vernichtet (dissous) und ich kann der Versammlung die Versicherung geben, daß jede Gefahr vorüber ist. Aber es bleibt uns noch eine gewisse Zahl honetter Arbeiter übrig, die sich keineswegs weigern, in die Privatwerkstätten zurückzukehren! Sie sind ohne Beschäftigung; der Finanzminister wird Ihnen die betreffenden Gesetzentwürfe vorlegen. Goudhaux folgt dem Redner auf der Tribüne und legt seinen neuen Finanzplan vor. Derselbe besteht: 1) Im Rückzug des Eisenbahn-Expropriationsgesetzes. (Bravos.) 2) Rückzahlung der Sparkassenbeträge, theilweise in Geld, theilweise in Renten. 3) Rückzug der Expropriation der Assekuranzgesellschaft. 4) Beibehaltung des Hypothekar-Gesetzes, aber nur pro 1848. 5) Progressivsteuer auf Erbschaften und Schenkungen u. s. w. Cavaignac nahm wiederholt das Wort, um die Eile oder Dringlichkeit dieser fünf Gesetzentwürfe zu bevorworten. Sie wurde angenommen: Lasteyrie brachte die Todtenfeier in Erwähnung. Sie wurde auf den 6. Juli mit großem Pomp festgesetzt. (4 Uhr.) (Nach 4 Uhr.) Nach Anhörung des Lasteyrie'schen Antrages rücksichtlich der großen Leichenfeier schritt die Versammlung zu ihrer eigentlichen Tagesordnung zurück, indem sie die am Sonnabend abgebrochene Diskussion der Wahlordnung für die Gemeinde-, Arrondissements- und General- (oder Departements-) Räthe wieder aufnahm. Das neue Gesetz besteht aus 14 Paragraphen, denen unzählige Amendements angehängt wurden und die schon am Sonnabend den größten Theil der Sitzung in Anspruch nahmen. Clement stellte am Schluß der heutigen Debatte noch einen Additional-Paragraphen, welcher also lautet: „Die Sitzungen der Gemeinde-, Arrondissements- und Departementsräthe sind öffentlich, es müßte denn die Mehrheit der Glieder verlangen, daß sich die Versammlung als geheimen Ausschuß konstituire.“ Senard, Minister des Innern bekämpft diesen Additional-Paragraphen. Die Versammlung entschied jedoch die Oeffentlichkeit für die Sitzungen der General- oder Departements-Räthe. Nach dieser kleinen Schlappe für das neue Ministerium, zu der auch dieses Mal Marrast beitrug, indem er sich gegen die ministerielle Bekämpfung erhob, nahm die Versammlung das Gesammtgesetz mit unbedeutendem Mehr an und ging um 6 Uhr auseinander. ‒ Das Wichtigste der heutigen Sitzung sind die Goudchauxschen Finanzdekrets-Entwürfe, deren Text wir uns indeß bisher noch nicht verschaffen konnten. Wir müssen daher auf den Moniteur verweisen. Großbritannien. * London, 3. Juli. Die Times vergleicht heute die französischen mit den englischen Zuständen und bemerkt in Betreff der letztern: „Unsere Bevölkerung vermehrt sich alle 10 Jahre um eine Million. Unsere Armentaxe steigt und wird wahrscheinlich noch mehr steigen. Sollte der jetzige Zustand der Dinge fortdauern, so werden 6 Millionen Pfund nicht hinreichen, um die unproduktiven Paupers des Königreichs zu unterhalten. Unsere Armuth wird uns mehr kosten als unsere Marine. Mit einem Worte, wir werden für die unfruchtbarste Faulheit mehr bezahlen müssen, als für die Bewachung aller unsrer asiatischen, afrikanischen, amerikanischen und australischen Besitzungen. Und wenn alles dies geschehen ist, so wird wahrscheinlich, bei der jetzigen Lage der Bevökerung, noch genug Noth und Unzufriedenheit durchaus unbekannt und unberücksichtigt geblieben sein.“ Dann zu der Auswanderung nach den Kolonien, als dem einzigen Mittel gegen alle Noth übergehend, fährt die Times fort: „Wenn sich das Parlament nicht mit der Auswanderungsfrage beschäftigen will, so hört das englische Volk indeß nicht auf die Sache im Auge zu behalten. Die nationale Bedeutung der Kolonieen wird immer größer und immer besser erkannt. Jede Familie, die ihre Verbindungen in Amerika, in Australien oder am Kap hat, erhält monatliche Berichte über die Ressourcen und Bedürfnisse unserer dortigen Besitzungen. Man vergleicht das was man von dort hört, mit dem was man hier sieht. Man fühlt, daß es absurd ist, Menschen in einem Theile des Reiches hungern zu lassen, während sie in dem andern prosperiren und eben durch diese Prosperität dem Mutterlande wieder von unendlichem Nutzen sein könnten. ‒ In diesem Augenblicke konsumirt Australien mit seinen 280,000 Bewohnern mehr britische Manufaktur-Waaren und beschäftigt mehr britische Hände, als das ganze britische Nordamerika mit einer Population von 2 Millionen im Jahre 1774. Was ist daher nicht von diesem Australien zu erwarten, wenn seine Bewohnerzahl sich verzehnfacht hat! Man sieht, die Times, die noch eben die Deportation der französischen Insurgenten als etwas kaum ausführbares in Zweifel zog, bleibt nichts destoweniger ihrem Lieblingsprojekt, der Emigration, getreu. * London, 1. Juli. Das weitverbreitete Wochenblatt „The Economist,“ ein Organ der Freihandelspartei, spricht sich über die Junirevolution in einer Weise aus, die der deutschen Presse, insoweit sie den bürgerlichen Liberalismus vertritt, zu einigem Licht verhelfen könnte, wenn überhaupt die Bornirtheit dem Licht zugänglich wäre. „. . . . Die schlimmsten Feinde Frankreichs, wie Diejenigen, welche von dem hastigen und übereilten Verfahren der provisorischen Regierung die schlimmsten Folgen erwarteten, haben ihre düstersten Ahnungen in den schrecklichen Ereignissen des 23., 24., 25. und 26. Juni weit übertroffen gesehen. Brüder im Kampf gegen Brüder unter dem Symbol der „Fraternité;“ Häuser in Festungen verwandelt; Nachbarn gegen Nachbarn aufgestanden; Männer und Frauen von gleicher Wuth erfüllt, unerschrocken in der Schlacht mitkämpfend, oder ihren Gefangenen, die ihre Mitbürger waren, den Hals abschneidend; Diener der Religion mitten in ihrem Friedenswerk erschossen; eine Hauptstadt verbarrikadirt, jede Straße ein Schlachtfeld und dieses mit größerer Hartnäckigkeit vertheidigt, als einst bei Lodi und Waterloo geschah. Kein Beispiel von so blutiger Metzelei in der ganzen neueren Geschichte … Doch begegnen wir Beispielen von Selbstaufopferung in der vergeblichen Hoffnung, den Orkan zu besänftigen. Der Erzbischof von Paris begibt sich, mit einem grünen Zweige in der Hand nach der stärksten Barrikade; bei seiner Erscheinung hört plötzlich das Feuern auf; bald aber fällt er durch eine Kugel, die eine unbekannte Hand entsendet (es ist jetzt erwiesen, daß Einer aus den Reihen der wüthenden Mobilgarde ihn erschoß); die Insurgenten beeifern sich, ihm Beistand zu leisten und verlangen ein Certifikat, daß der unglückliche Schuß nicht von ihrer Seite gekommen. Dieser und ähnliche Züge verbieten uns, zu behaupten, daß der Kampf in Paris ein Krieg von hungrigen, wüthenden, wilden Thiere gewesen sei. Ein schrecklicher Ausbruch von ungezähmter Leidenschaft war es allerdings, aber immer noch von menschlicher Leidenschaft: große Verbrechen mit großen Tugenden untermischt, zu gleicher Zeit Entsetzen und Bewunderung erregend … Es ist eine Krisis und, wir fürchten, nicht die einzige, in Folge einer gewaltigen Lebensstörung; ein Paroxismus, ein Krampf, der eine ungeheuere noch schlecht verstandene gesellschaftliche Krankheit verräth … Von dem Augenblick an, wo Lamartine dem Volk auf seinem Weg nach dem Hotel de Ville, um die provisorische Regierung zu installiren, auseinandersetzte, daß die Revolution diesmal nicht wieder betrogen werden solle, bis zu dem Augenblicke der Abdankung und Uebertragung der Gewalt in Cavaignac's Hände: war das Betragen der Regierung nichts als eine Masse von Irrthümern und Abgeschmacktheiten … „Die in Paris und in Frankreich an der Tagesordnung befindlichen Theorien, der zwischen Arbeit und Kapital durch ganz Europa beginnende Kampf, das Verlangen nach anderen gesellschaftlichen Einrichtungen in Folge der großen Armuth der Massen, unter denen sich nach Leroux, 8 Millionen Bettler befinden: dies Alles deutete eben so sehr auf eine sociale, als eine politische Revolution hin. In der That, die Feindseligkeit zwischen Arbeitern und „Bourgeoisie“ war kein Geheimniß und sie zu versöhnen oder ihre Interessen friedlich in Einklang zu bringen, war eine der großen Aufgaben, die Louis Philipp und Guizot völlig vernachlässigt hatten und deren Lösung nun der Republik oblag … „Die eigentliche Ursache des Aufstandes lag darin, daß sich das Volk getäuscht sah. Es hatte schon lange Zeit seine Hoffnung auf eine bessere Gesellschaftseinrichtung gesetzt, die allen Klassen zu dem nämlichen Wohlsein verhelfen sollte, welches bisher die Reichen genossen, die ohne Arbeit ein behagliches Leben führten. Die Revolution sollte die Verwirklichung solcher Hoffnungen sein und letztere wurden von der provisorischen Regierung selbst durch Errichtung der National-Ateliers gehegt und gepflegt. Als Louis Blanc bei Seite geschoben und Emil Thomas entlassen wurde, befürchtete man sofort einen Aufstand. Truppen wurden nach Paris gezogen und die den Arbeitern keineswegs freundliche Nationalgarde schlagfertig gehalten. So wie man nun Maßregeln zur Entlassung der Arbeiter ergriff, brach die Insurrektion aus … Das Mißvergnügen unter der großen Masse der Arbeiter, das aus ihren getäuschten Hoffnungen entsprang, der Unwillen, daß sie nach ihrer Voraussetzung von denen verrathen worden, denen sie selbst die Regierung übertragen und die ihnen schöne Versprechungen gemacht; dies sind die Gefühle, die dem mörderischen Ausbruche in Paris zu Grunde liegen. Daß einige Personen von Intriganten benutzt, andere von Emissären der verschiedenen Prätendenten durch Gold zu Excessen aufgereizt und mit den Mitteln der Kriegsführung ausgerüstet worden sein mögen, wird Niemand läugnen. Allein die Grundlage des Ganzen war das Mißvergnügen der Arbeiter über getäuschte Hoffnungen und ihr Unwille, sich verrathen zu sehen. . . . Es ist leichter, den Hauptgrund dieses beklagenswerthen Ausbruches aufzufinden, als die wahrscheinlichen Folgen desselben anzugeben … Zu dem Gefühl des Unwillens über vorausgesestten Verrath wird sich, fürchten wir, das Gefühl der Rache gesellen. Das Hinschlachten von Kameraden, Verwandten und Freunden muß auf beiden Seiten die vorhandene Stimmung noch verschlimmern. Die Revolution war eine soziale, sie ist jetzt ein Klassenkampf geworden. Die Nationalversammlung, welche die Sieger vertritt, verlangte nach einem Rachedekret, daß ihr siegreicher General ihnen abschlug. Mit dieser einen zu Boden geschlagenen Insurrektion ist der Krieg der Armuth gegen den Reichthum, der Arbeit gegen das Kapital nicht beendigt u. s. w.“ So spricht sich der „Economist“ über die Junirevolution aus. Seine Anschauung als englischer Bourgeois und Freetrader (Freihandelsmann) bringt es mit sich, daß er nur in der Durchführung des Freihandelssystems in allen Ländern das Heilmittel für die gesellschaftlichen Leiden erblickt. Daher erklärt es sich auch, daß so viel Schiefes und Unrichtiges und gradezu Falsches neben vielem Richtigen in seiner Beleuchtung der Pariser Ereignisse neben her läuft. Im Vergleich aber mit den Organen des deutsch-bürgerlichen Liberalismus, insbesondere mit einer „Kölnischen Zeitung“ und Konsorten, steht der „Economist“ da als Heros von Einsicht, als ein Salomo in Beurtheilung von Ereignissen und Zuständen fremder Länder und als ein Nestor in Welterfahrung. Amerika. * Boston, 13. Juni. Die so lang verschobene Unternehmung, „der Illinois-Kanal“, ist nun seit etwa 2 Monaten dem Verkehr übergeben. Jetzt kann man also von Liverpool nach New-Orleans fahren, von da den Missisippi hinauf bis St. Louis; von da den Illinois-Fluß hinauf bis Peru; dann nach Chicago auf dem Kanal; hierauf über die Seen bis Buffalo; nun besteigt man die kleine Jacht, die uns auf dem Kanal bis Albany bringt und jetzt gehts den Hudson-Fluß hinab bis New-York. So bleibt man beständig auf dem Wasser und durchschneidet auch von New-Orleans aus mit Dampfböten den ganzen Kontinent. Möge der Leser einmal die Landkarte zur Hand nehmen und ungefähr die Tausende von englischen Meilen berechnet, die jetzt in ununterbrochener und schneller Fahrt auf dem Wasser zurückgelegt werden. Die Idee zu dem Unternehmen war großartig, die Ausführung noch mehr. Aber noch großartiger ist der Gedanke, daß diese Herumfahrt zu Wasser binnen einigen Jahren durch Eisen-

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 36. Köln, 6. Juli 1848, S. 0179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz036_1848/3>, abgerufen am 29.03.2024.