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[Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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Amerika in seiner ganzen Erstreckung von 57 Grad nördlicher Breite, bis zur
Magellanischen Meerenge, wird von einer abgeschlossenen Race bewohnt,
von der man jedoch die Esquimaux ausschließen muß, die, wie früher be-
merkt, vielmehr zu den Europäern gehören.

Man unterscheidet 3 Stämme sogenannter Polarmenschen. Die Samojeden,
ein mongolischer Stamm in Nordasien, elende, preßhafte, von Kälte verkrüppel-
te Menschen, verschieden von den größeren Samojeden auf dem Altai. Die
Finnen im Norden, die man eigentlich Uralier oder Tschuden nennen sollte,
und die Esquimaux, von denen uns in neuerer Zeit englische Reisende eine
fast zu oft wiederholte Beschreibung geliefert haben. Diese Menschen leben in
Schneehütten, und haben von aller Vegetation so gar keine Idee, daß nach
Capt. Parry ihre Sprache keinen Ausdruck für die grüne Farbe hat.

Schon tausend und mehr Jahre vor der Entdeckung von Amerika, im 10ten
Jahrhundert durch die Normannen, sind lebende Esquimaux bis zu den euro-
päischen Küsten gelangt. Cornel. Nepos und Pompon. Mela berichten von In-
dern welche durch Schiffbruch an die nördlich germanischen Küsten verschlagen,
zu einem keltischen König gekommen wären. Ohne Zweifel waren dies
Esquimaux, von der Küste von Labrador; denn unter Inder verstanden die
Alten alle Völker von dunkler Hautfarbe, und an Ost-Indier ist in diesem
Falle ohnehin nicht zu denken. Auch in viel neuerer Zeit 1682 und 1684 sind
2 mal lebende Esquimaux in ihren Fellbooten, (die nicht umfallen können,
da sie wie ein Schlauch die Schiffenden umgeben) auf den Orkney-Inseln, Egga
und Westram angekommen, und das eine Boot wird noch jetzt in der Kirche

eines

Amerika in seiner ganzen Erstreckung von 57 Grad nördlicher Breite, bis zur
Magellanischen Meerenge, wird von einer abgeschlossenen Race bewohnt,
von der man jedoch die Esquimaux ausschließen muß, die, wie früher be-
merkt, vielmehr zu den Europäern gehören.

Man unterscheidet 3 Stämme sogenannter Polarmenschen. Die Samojeden,
ein mongolischer Stamm in Nordasien, elende, preßhafte, von Kälte verkrüppel-
te Menschen, verschieden von den größeren Samojeden auf dem Altai. Die
Finnen im Norden, die man eigentlich Uralier oder Tschuden nennen sollte,
und die Esquimaux, von denen uns in neuerer Zeit englische Reisende eine
fast zu oft wiederholte Beschreibung geliefert haben. Diese Menschen leben in
Schneehütten, und haben von aller Vegetation so gar keine Idee, daß nach
Capt. Parry ihre Sprache keinen Ausdruck für die grüne Farbe hat.

Schon tausend und mehr Jahre vor der Entdeckung von Amerika, im 10ten
Jahrhundert durch die Normannen, sind lebende Esquimaux bis zu den euro-
päischen Küsten gelangt. Cornel. Nepos und Pompon. Mela berichten von In-
dern welche durch Schiffbruch an die nördlich germanischen Küsten verschlagen,
zu einem keltischen König gekommen wären. Ohne Zweifel waren dies
Esquimaux, von der Küste von Labrador; denn unter Inder verstanden die
Alten alle Völker von dunkler Hautfarbe, und an Ost-Indier ist in diesem
Falle ohnehin nicht zu denken. Auch in viel neuerer Zeit 1682 und 1684 sind
2 mal lebende Esquimaux in ihren Fellbooten, (die nicht umfallen können,
da sie wie ein Schlauch die Schiffenden umgeben) auf den Orkney-Inseln, Egga
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[48r/0099] Amerika in seiner ganzen Erstreckung von 57 Grad nördl. Breite, bis zur Magellanischen Meerenge, wird von einer abgeschlossenen Race bewohnt, von der man jedoch die Esquimaux ausschließen muß, die, wie früher be- merkt, vielmehr zu den Europäern gehören. Man unterscheidet 3 Stämme sogenannter Polarmenschen. Die Samojeden, ein mongolischer Stamm in Nordasien, elende, preßhafte, von Kälte verkrüppel- te Menschen, verschieden von den größeren Samojeden auf dem Altai. Die Finnen im Norden, die man eigentlich Uralier oder Tschuden nennen sollte, und die Esquimaux, von denen uns in neuerer Zeit englische Reisende eine fast zu oft wiederholte Beschreibung geliefert haben. Diese Menschen leben in Schneehütten, und haben von aller Vegetation so gar keine Idee, daß nach Capt. Parry ihre Sprache keinen Ausdruck für die grüne Farbe hat. Schon tausend und mehr Jahre vor der Entdeckung von Amerika, im 10 Jahrhundert durch die Normannen, sind lebende Esquimaux bis zu den euro- päischen Küsten gelangt. Cornel. Nepos und Pompon. Mela berichten von In- dern welche durch Schiffbruch an die nördlich germanischen Küsten verschlagen, zu einem keltischen König gekommen wären. Ohne Zweifel waren dies Esquimaux, von der Küste von Labrador; denn unter Inder verstanden die Alten alle Völker von dunkler Hautfarbe, und an Ost-Indier ist in diesem Falle ohnehin nicht zu denken. Auch in viel neuerer Zeit 1682 und 1684 sind 2 mal lebende Esquimaux in ihren Fellbooten, (die nicht umfallen können, da sie wie ein Schlauch die Schiffenden umgeben) auf den Orkney Inseln, Egga und Westram angekommen, und das eine Boot wird noch jetzt in der Kirche eines

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Hamel, Jürgen u. Klaus Harro Tiemann (Hg.) (1993): Alexander von Humboldt: Über das Universum. Die Kosmosvorträge 1827/28 in der Berliner Singakademie. Frankfurt a. M.: Insel. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

Abweichungen dieser Druckedition von der Manuskriptvorlage werden im Text an der entsprechenden Stelle in editorischen Kommentaren ausgewiesen.

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Zitationshilfe: [Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 48r. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/99>, abgerufen am 23.11.2024.