Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 48. Stuttgart/Tübingen, 30. November 1856.[Beginn Spaltensatz]
einen Prinzen, sey es nun bekäme oder ihm entsagte, Sollte manchen Lesern das hier Vorgebrachte nicht Dem Helden, dem tüchtigen Sohn des reichen Vater und Sohn schüttelten sich die Hände und Nun begann die Mutter, indem sie die Hand des "Jch will Euch immer abnehmen und in klein "Das freilich, aber ich seh's einer am Mund an, "Ja, Mutter, das machet Jhr mir zu schwer; eine Der Bursche lachte und sagte: "Mutter, Jhr soll- "Ja, Mutter, da seyd ruhig und da habe ich mein [Beginn Spaltensatz]
einen Prinzen, sey es nun bekäme oder ihm entsagte, Sollte manchen Lesern das hier Vorgebrachte nicht Dem Helden, dem tüchtigen Sohn des reichen Vater und Sohn schüttelten sich die Hände und Nun begann die Mutter, indem sie die Hand des „Jch will Euch immer abnehmen und in klein „Das freilich, aber ich seh's einer am Mund an, „Ja, Mutter, das machet Jhr mir zu schwer; eine Der Bursche lachte und sagte: „Mutter, Jhr soll- „Ja, Mutter, da seyd ruhig und da habe ich mein <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <p><pb facs="#f0007" n="1135"/><fw type="pageNum" place="top">1135</fw><cb type="start"/> einen Prinzen, sey es nun bekäme oder ihm entsagte,<lb/> so ist dieß, ganz abgesehen von aller literarischen Be-<lb/> urtheilung, ein Merkmal der Cultur, das einem wohl<lb/> zu denken geben kann.</p><lb/> <p>Sollte manchen Lesern das hier Vorgebrachte nicht<lb/> allzu erfreulich und genießbar gewesen seyn, und wären<lb/> sie dennoch bis hieher gefolgt, so erhalten sie zum loh-<lb/> nenden Schluß im Folgenden eine heitere Episode der<lb/> neuen Geschichte.</p><lb/> <p>Dem Helden, dem tüchtigen Sohn des reichen<lb/> Bauern, hat bei einer zufälligen Begegnung ein armes<lb/> Mädchen wunderbar das Herz gerührt; aber da alsbald<lb/> Standesgefühl und Gewissenhaftigkeit in ihm einander<lb/> wach gerufen, hat er sich rasch losgerissen. Gedrängt<lb/> von den Eltern, den eigenen Herd zu gründen, zieht<lb/> er endlich aus, zu Roß, die volle Geldgurte um den<lb/> Leib, eine Prinzessin Bauerntochter zu suchen, und fin-<lb/> det wieder jenes barfüßige Mädchen, die ehemalige<lb/> Gänsehirtin, um nicht wieder von ihr zu lassen. —<lb/> Bei seinem Abschied vom Hause fällt nun zwischen<lb/> Mutter und Sohn das folgende Gespräch vor.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Vater und Sohn schüttelten sich die Hände und<lb/> die Mutter sagte: „Jch geb' dir noch ein Stück das<lb/> Geleite.“ Der Bursche führte nun das Pferd am Zügel<lb/> und ging neben der Mutter her, still, bis hinaus vor<lb/> den Hof, und erst bei einer Biegung des Weges sagte<lb/> die Mutter zagend: „Jch möchte dir gern Anweisungen<lb/> geben.“ — „Ja, ja, nur zu! Jch höre gern drauf.“</p><lb/> <p>Nun begann die Mutter, indem sie die Hand des<lb/> Sohnes faßte: „Bleib' stehen, ich kann im Gehen nicht<lb/> gut reden. — Schau, daß sie dir gefällt, das ist na-<lb/> türlich das Erste; ohne Lieb' ist keine Freud', und ich<lb/> bin nun eine alte Frau. Gelt ich darf Alles sagen?“<lb/> — „Ja, ja!“ — „Wenn du dich nicht darauf freust<lb/> und es nicht wie ein Gnadengeschenk vom Himmel an-<lb/> siehst, daß du ihr einen Kuß geben darfst, da ist's die<lb/> rechte Liebe nicht, aber — Bleib' doch stehen! — Und<lb/> auch diese Liebe reicht noch nicht aus, da kann sich noch<lb/> etwas anderes dahinter verstecken. Glaub' mir —“ Die<lb/> alte Frau hielt stotternd inne und wurde flammroth<lb/> im Gesichte. „Schau, wo der rechte Respekt nicht<lb/> ist, und wo man nicht Freud' daran hat, daß eine<lb/> Frau grad so eine Sache in die Hand nimmt und grad<lb/> so wegstellt und nicht anders, da geht's schwer. Und<lb/> vor Allem achte darauf, wie sie sich zu den Dienstboten<lb/> stellt.“</p><lb/> <p>„Jch will Euch immer abnehmen und in klein<lb/> Geld wechseln, was Jhr meinet, Mutter; das Sprechen<lb/><cb n="2"/> wird Euch schwer. Jetzt das verstehe ich schon: sie<lb/> darf nicht zu stolz und nicht zu vertraut seyn.“</p><lb/> <p>„Das freilich, aber ich seh's einer am Mund an,<lb/> ob der Mund schon geflucht und geschimpft und geschol-<lb/> ten hat, und ob er's gern thut. Ja, wenn du sie im<lb/> Aerger weinen sehen, wenn du sie im Zorn ertappen<lb/> könntest, da wäre sie am besten kennen zu lernen; da<lb/> springt der versteckte inwendige Mensch heraus, und das<lb/> ist oft einer mit Geierkrallen wie ein Teufel. O Kind,<lb/> ich hab' viel erfahren und in's Aug' gefaßt! Jch seh'<lb/> daran, wie eine das Licht auslöscht, wie's in ihr aus-<lb/> sieht und was sie für ein Gemüth hat. Die so im<lb/> Vorbeigehen mit einem Hui das Licht ausbläst, mag's<lb/> fünkeln und blaken, das ist eine, die sich auf ihr schnel-<lb/> les Schaffen was einbildet, und sie thut doch Alles<lb/> nur halb und hat keine Ruhe im Gemüth.“</p><lb/> <p>„Ja, Mutter, das machet Jhr mir zu schwer; eine<lb/> Lotterie ist und bleibt es immer.“ — „Ja, ja, du<lb/> brauchst auch nicht Alles zu behalten, was ich mein',<lb/> nur so obenhin. Wenn dir's nachher vorkommt, wirst<lb/> schon finden, wie ich's gemeint habe. Und dann paß<lb/> auf, ob sie gut beim Arbeiten redet, ob sie etwas in<lb/> die Hand nimmt, wenn sie mit dir spricht, und nicht<lb/> allemal still hält, wenn sie ein Wort sagt, und nicht<lb/> eine Scheinarbeit thut. Jch sage dir, Arbeitsamkeit ist<lb/> bei einer Frau Alles. Meiner Mutter Red' ist immer<lb/> gewesen: ein Mädchen darf nie mit leeren Händen ge-<lb/> hen und muß über drei Zäune springen, um ein Fe-<lb/> derchen aufzulesen. Und dabei muß sie doch beim<lb/> Schaffen ruhig und stetig seyn, nicht so um sich rasen<lb/> und aufbegehren, als wolle sie jetzt grad' ein Stück von<lb/> der Welt herunter reißen. Und wenn sie dir Red' und<lb/> Antwort gibt, merk' auf, ob sie nicht zu blöd' und<lb/> nicht zu keck ist. Du glaubst gar nicht, die Mädchen<lb/> sind ganz anders, wenn sie einen Mannshut sehen, als<lb/> wenn sie unter sich sind, und die, wo immer gar so<lb/> thun, als ob sie bei jedem sagen wollten: friß mich<lb/> nicht! das sind die schlimmsten. Aber die, so ein ge-<lb/> wetztes Mundstück haben, und die meinen, wenn jemand<lb/> in der Stube sey, dürfte das Maul gar nicht stille<lb/> stehen, die sind noch ärger.“</p><lb/> <p>Der Bursche lachte und sagte: „Mutter, Jhr soll-<lb/> tet einmal predigen gehen in der Welt herum und<lb/> Kirche halten für die Mädchen allein.“ — „Ja, das<lb/> könnte ich auch,“ sagte die Mutter, ebenfalls lachend.<lb/> „Aber ich bringe das Letzte zuerst vor. Natürlich, daß<lb/> du zuerst drauf siehst, wie sie zu Eltern und Geschwi-<lb/> stern steht; du bist ja selber ein gutes Kind, da brauch'<lb/> ich dir nichts zu sagen. Das vierte Gebot kennst du.“</p><lb/> <p>„Ja, Mutter, da seyd ruhig und da habe ich mein<lb/> besonderes Merkzeichen: die viel Wesens von der<lb/><cb type="end"/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [1135/0007]
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einen Prinzen, sey es nun bekäme oder ihm entsagte,
so ist dieß, ganz abgesehen von aller literarischen Be-
urtheilung, ein Merkmal der Cultur, das einem wohl
zu denken geben kann.
Sollte manchen Lesern das hier Vorgebrachte nicht
allzu erfreulich und genießbar gewesen seyn, und wären
sie dennoch bis hieher gefolgt, so erhalten sie zum loh-
nenden Schluß im Folgenden eine heitere Episode der
neuen Geschichte.
Dem Helden, dem tüchtigen Sohn des reichen
Bauern, hat bei einer zufälligen Begegnung ein armes
Mädchen wunderbar das Herz gerührt; aber da alsbald
Standesgefühl und Gewissenhaftigkeit in ihm einander
wach gerufen, hat er sich rasch losgerissen. Gedrängt
von den Eltern, den eigenen Herd zu gründen, zieht
er endlich aus, zu Roß, die volle Geldgurte um den
Leib, eine Prinzessin Bauerntochter zu suchen, und fin-
det wieder jenes barfüßige Mädchen, die ehemalige
Gänsehirtin, um nicht wieder von ihr zu lassen. —
Bei seinem Abschied vom Hause fällt nun zwischen
Mutter und Sohn das folgende Gespräch vor.
Vater und Sohn schüttelten sich die Hände und
die Mutter sagte: „Jch geb' dir noch ein Stück das
Geleite.“ Der Bursche führte nun das Pferd am Zügel
und ging neben der Mutter her, still, bis hinaus vor
den Hof, und erst bei einer Biegung des Weges sagte
die Mutter zagend: „Jch möchte dir gern Anweisungen
geben.“ — „Ja, ja, nur zu! Jch höre gern drauf.“
Nun begann die Mutter, indem sie die Hand des
Sohnes faßte: „Bleib' stehen, ich kann im Gehen nicht
gut reden. — Schau, daß sie dir gefällt, das ist na-
türlich das Erste; ohne Lieb' ist keine Freud', und ich
bin nun eine alte Frau. Gelt ich darf Alles sagen?“
— „Ja, ja!“ — „Wenn du dich nicht darauf freust
und es nicht wie ein Gnadengeschenk vom Himmel an-
siehst, daß du ihr einen Kuß geben darfst, da ist's die
rechte Liebe nicht, aber — Bleib' doch stehen! — Und
auch diese Liebe reicht noch nicht aus, da kann sich noch
etwas anderes dahinter verstecken. Glaub' mir —“ Die
alte Frau hielt stotternd inne und wurde flammroth
im Gesichte. „Schau, wo der rechte Respekt nicht
ist, und wo man nicht Freud' daran hat, daß eine
Frau grad so eine Sache in die Hand nimmt und grad
so wegstellt und nicht anders, da geht's schwer. Und
vor Allem achte darauf, wie sie sich zu den Dienstboten
stellt.“
„Jch will Euch immer abnehmen und in klein
Geld wechseln, was Jhr meinet, Mutter; das Sprechen
wird Euch schwer. Jetzt das verstehe ich schon: sie
darf nicht zu stolz und nicht zu vertraut seyn.“
„Das freilich, aber ich seh's einer am Mund an,
ob der Mund schon geflucht und geschimpft und geschol-
ten hat, und ob er's gern thut. Ja, wenn du sie im
Aerger weinen sehen, wenn du sie im Zorn ertappen
könntest, da wäre sie am besten kennen zu lernen; da
springt der versteckte inwendige Mensch heraus, und das
ist oft einer mit Geierkrallen wie ein Teufel. O Kind,
ich hab' viel erfahren und in's Aug' gefaßt! Jch seh'
daran, wie eine das Licht auslöscht, wie's in ihr aus-
sieht und was sie für ein Gemüth hat. Die so im
Vorbeigehen mit einem Hui das Licht ausbläst, mag's
fünkeln und blaken, das ist eine, die sich auf ihr schnel-
les Schaffen was einbildet, und sie thut doch Alles
nur halb und hat keine Ruhe im Gemüth.“
„Ja, Mutter, das machet Jhr mir zu schwer; eine
Lotterie ist und bleibt es immer.“ — „Ja, ja, du
brauchst auch nicht Alles zu behalten, was ich mein',
nur so obenhin. Wenn dir's nachher vorkommt, wirst
schon finden, wie ich's gemeint habe. Und dann paß
auf, ob sie gut beim Arbeiten redet, ob sie etwas in
die Hand nimmt, wenn sie mit dir spricht, und nicht
allemal still hält, wenn sie ein Wort sagt, und nicht
eine Scheinarbeit thut. Jch sage dir, Arbeitsamkeit ist
bei einer Frau Alles. Meiner Mutter Red' ist immer
gewesen: ein Mädchen darf nie mit leeren Händen ge-
hen und muß über drei Zäune springen, um ein Fe-
derchen aufzulesen. Und dabei muß sie doch beim
Schaffen ruhig und stetig seyn, nicht so um sich rasen
und aufbegehren, als wolle sie jetzt grad' ein Stück von
der Welt herunter reißen. Und wenn sie dir Red' und
Antwort gibt, merk' auf, ob sie nicht zu blöd' und
nicht zu keck ist. Du glaubst gar nicht, die Mädchen
sind ganz anders, wenn sie einen Mannshut sehen, als
wenn sie unter sich sind, und die, wo immer gar so
thun, als ob sie bei jedem sagen wollten: friß mich
nicht! das sind die schlimmsten. Aber die, so ein ge-
wetztes Mundstück haben, und die meinen, wenn jemand
in der Stube sey, dürfte das Maul gar nicht stille
stehen, die sind noch ärger.“
Der Bursche lachte und sagte: „Mutter, Jhr soll-
tet einmal predigen gehen in der Welt herum und
Kirche halten für die Mädchen allein.“ — „Ja, das
könnte ich auch,“ sagte die Mutter, ebenfalls lachend.
„Aber ich bringe das Letzte zuerst vor. Natürlich, daß
du zuerst drauf siehst, wie sie zu Eltern und Geschwi-
stern steht; du bist ja selber ein gutes Kind, da brauch'
ich dir nichts zu sagen. Das vierte Gebot kennst du.“
„Ja, Mutter, da seyd ruhig und da habe ich mein
besonderes Merkzeichen: die viel Wesens von der
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