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Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 6. Stuttgart/Tübingen, 10. Februar 1856.

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[Beginn Spaltensatz] stieß, einen Berg von Schnee aufthürmen, welcher
nach und nach aufthaute und die lieblichste Kühlung
dem Saale zuführte.

Jn der Regel war das Triclinium -- denn dieß
ist der gewöhnliche Name für das Speisezimmer --
noch einmal so lang als breit und gleichsam in zwei
Theile getheilt. Den oberen Theil nahmen der Tisch und
die ihn umgebenden Ruhebetten oder Lagerstätten ein;
der untere Theil blieb frei für die Bedienung, das
Büffet und die Personen, welche zur Unterhaltung der
Gäste dienen sollten, als Schauspieler, Vorleser u. s. w.
Die Wände waren von Stucco und mit passenden Ma-
lereien geziert. Ringsum liefen bis zu einer gewissen
Höhe Etageren, in welchen das kostbare Geschirr auf-
bewahrt wurde; um es sicher zu stellen, waren Drath-
gitter vorgezogen; vor dem Staube schützten es Vor-
hänge. Auch Schenktische waren an den Wänden an-
gebracht, auf welchen Trinkgeschirre und anderes Prunk-
geräthe zur Schau aufgestellt waren. Der Fußboden
war in der Regel von musivischer Arbeit, die sich für
Speisezimmer am besten eignet. Jn Staunen setzt uns
hiebei die Erfindsamkeit der Alten in den Mustern und
Bildern. Von den vielen Fußböden, die man in den
Wohnungen von Pompeji ausgegraben hat, zeigt ein
jeder ein verschiedenes Muster, als ob die Einwohner
in der Ahnung, daß wir nach so vielen Jahrhunderten
ihre Schätze aus dem Grabesdunkel hervorziehen wür-
den, uns hätten eine Ueberraschung bereiten wollen.
Neben vielen hübschen Jdeen, die wir in den noch er-
haltenen Mosaikfußböden ausgeführt finden, wollen wir
des sonderbaren, aber gewiß auch beifallswerthen Ein-
falles eines alten Künstlers, des Sosus aus Pergamus,
erwähnen. Er hatte auf dem Fußboden alle Arten Ueber-
bleibsel von Speisen dargestellt, als wären sie daselbst liegen
geblieben; dieß war so täuschend nachgebildet, daß man
in dem Wahne, der Fußboden wäre seit dem letzten
Mahle nicht gereinigt worden, versucht war, die stören-
den Ueberreste zu entfernen. Wenn gleich wir diese
Mosaikarbeit nur durch die Anführung eines alten Schrift-
stellers kennen, so ist uns doch ein anderes Kunstge-
bilde, das auf demselben Fußboden angebracht war,
durch eine schöne Nachbildung erhalten. Es ist dieß
die Mosaik, welche in der liburtinischen Villa des Hadrian
ausgegraben worden und durch eine unglaubliche Menge
moderner Nachbildungen zu europäischer Berühmtheit ge-
langt ist. Auf dem Bilde ist eine Taube dargestellt,
die aus einem Gefäß trinkt, während andere auf dem
Rande des Gefäßes sitzend sich putzen und sonnen. Der
Wiederholung dieses Kunstwerkes begegnet man heut zu
Tage oft auf Vasen, Tapeten und Stickmustern.

Mit gleicher Kunst und gleicher Pracht war die
[Spaltenumbruch] Decke der Speisezimmer geschmückt. Die schöne Stucco-
arbeit war mit Gemälden und reicher Vergoldung ver-
ziert; die Stelle des Stucco vertrat oft getäfeltes Holz-
werk, mit Gold und Elfenbein ausgelegt. Vermöge einer
verborgenen Maschinerie, welche bei der Höhe des Speise-
zimmers unbemerkt unter der Decke angebracht werden
konnte, ließ man Veränderungen in der Dekoration der
Decke eintreten. Bei jedem neuen Gang wurde den
Gästen ein anderes Bild vorgeführt, welches vermuth-
lich in Beziehung stand zu den servirten Gerichten. Die
Malerei war auf Elfenbein aufgetragen, und wenn wir
eine hierauf bezügliche Stelle eines alten Schriftstellers
richtig auslegen, waren elfenbeinerne Stäbe fächerartig
verbunden, die bequem umgedreht und fortbewegt wer-
den konnten. Man benutzte dieselbe Vorrichtung, um
Rosenblätter, deren Duft so beliebt war, von oben auf
die Gäste herabfallen zu lassen. Heliogabal ließ auf
diesem Wege Veilchen und Rosen auf die Tischgenossen
herabschütten.

Einen außerordentlichen Luxus trieben die Römer
mit den Tischen; unglaubliche Summen wurden auf
dieselben verwendet. Die kostbarsten waren von dem
Maserholz des Thujabaumes, der am Atlas wuchs,
und einen besondern Werth erhielten sie dadurch, daß
sie aus einem Stücke bestanden. Es ist bekannt, daß
Cicero, der sonst nicht den Vorwurf der Verschwen-
dung verdient, auf den Ankauf eines solchen Tisches
die Summe von 50,000 Thalern verwendet hatte; da-
neben werden andere Beispiele von noch höheren Preisen
angeführt. Aber man würde Unrecht thun, wenn man
mit einigen Gelehrten annehmen wollte, daß die Römer
so kostbare Speisetische gehabt hätten. Es liegt in dem
Gebrauche dieser Tische, daß man nicht ein Material
dazu verwendete, welches so hoch zu stehen kam und
dabei so leicht schadhaft werden konnte, und um so mehr
der Verletzung ausgesetzt war, da man in der Regel
keine Tischtücher benutzte.

Rings um die Tische zogen sich die Triclinarbet-
ten oder, wenn man will, Sophas, meist von Bronce
mit Zierrathen von Silber, reinem Gold und Schild-
kröte. Darauf wurden Matratzen gebreitet von galli-
scher Wolle, in Purpur gefärbt. Die prächtigen, mit
Federn ausgestopften Kissen waren mit bunten Teppichen
bedeckt.

Solcher Pracht entsprach die übrige Verzierung
des Saales. Broncelampen mit Ketten von demselben
Metall hiengen von der Decke herab; andere wurden
durch Candelaber getragen. Diese waren äußerst geschmack-
voll gearbeitet und die unendliche Mannigfaltigkeit ihrer
eben so schönen als zweckmäßigen Formen zeugt von
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] stieß, einen Berg von Schnee aufthürmen, welcher
nach und nach aufthaute und die lieblichste Kühlung
dem Saale zuführte.

Jn der Regel war das Triclinium — denn dieß
ist der gewöhnliche Name für das Speisezimmer —
noch einmal so lang als breit und gleichsam in zwei
Theile getheilt. Den oberen Theil nahmen der Tisch und
die ihn umgebenden Ruhebetten oder Lagerstätten ein;
der untere Theil blieb frei für die Bedienung, das
Büffet und die Personen, welche zur Unterhaltung der
Gäste dienen sollten, als Schauspieler, Vorleser u. s. w.
Die Wände waren von Stucco und mit passenden Ma-
lereien geziert. Ringsum liefen bis zu einer gewissen
Höhe Etagèren, in welchen das kostbare Geschirr auf-
bewahrt wurde; um es sicher zu stellen, waren Drath-
gitter vorgezogen; vor dem Staube schützten es Vor-
hänge. Auch Schenktische waren an den Wänden an-
gebracht, auf welchen Trinkgeschirre und anderes Prunk-
geräthe zur Schau aufgestellt waren. Der Fußboden
war in der Regel von musivischer Arbeit, die sich für
Speisezimmer am besten eignet. Jn Staunen setzt uns
hiebei die Erfindsamkeit der Alten in den Mustern und
Bildern. Von den vielen Fußböden, die man in den
Wohnungen von Pompeji ausgegraben hat, zeigt ein
jeder ein verschiedenes Muster, als ob die Einwohner
in der Ahnung, daß wir nach so vielen Jahrhunderten
ihre Schätze aus dem Grabesdunkel hervorziehen wür-
den, uns hätten eine Ueberraschung bereiten wollen.
Neben vielen hübschen Jdeen, die wir in den noch er-
haltenen Mosaikfußböden ausgeführt finden, wollen wir
des sonderbaren, aber gewiß auch beifallswerthen Ein-
falles eines alten Künstlers, des Sosus aus Pergamus,
erwähnen. Er hatte auf dem Fußboden alle Arten Ueber-
bleibsel von Speisen dargestellt, als wären sie daselbst liegen
geblieben; dieß war so täuschend nachgebildet, daß man
in dem Wahne, der Fußboden wäre seit dem letzten
Mahle nicht gereinigt worden, versucht war, die stören-
den Ueberreste zu entfernen. Wenn gleich wir diese
Mosaikarbeit nur durch die Anführung eines alten Schrift-
stellers kennen, so ist uns doch ein anderes Kunstge-
bilde, das auf demselben Fußboden angebracht war,
durch eine schöne Nachbildung erhalten. Es ist dieß
die Mosaik, welche in der liburtinischen Villa des Hadrian
ausgegraben worden und durch eine unglaubliche Menge
moderner Nachbildungen zu europäischer Berühmtheit ge-
langt ist. Auf dem Bilde ist eine Taube dargestellt,
die aus einem Gefäß trinkt, während andere auf dem
Rande des Gefäßes sitzend sich putzen und sonnen. Der
Wiederholung dieses Kunstwerkes begegnet man heut zu
Tage oft auf Vasen, Tapeten und Stickmustern.

Mit gleicher Kunst und gleicher Pracht war die
[Spaltenumbruch] Decke der Speisezimmer geschmückt. Die schöne Stucco-
arbeit war mit Gemälden und reicher Vergoldung ver-
ziert; die Stelle des Stucco vertrat oft getäfeltes Holz-
werk, mit Gold und Elfenbein ausgelegt. Vermöge einer
verborgenen Maschinerie, welche bei der Höhe des Speise-
zimmers unbemerkt unter der Decke angebracht werden
konnte, ließ man Veränderungen in der Dekoration der
Decke eintreten. Bei jedem neuen Gang wurde den
Gästen ein anderes Bild vorgeführt, welches vermuth-
lich in Beziehung stand zu den servirten Gerichten. Die
Malerei war auf Elfenbein aufgetragen, und wenn wir
eine hierauf bezügliche Stelle eines alten Schriftstellers
richtig auslegen, waren elfenbeinerne Stäbe fächerartig
verbunden, die bequem umgedreht und fortbewegt wer-
den konnten. Man benutzte dieselbe Vorrichtung, um
Rosenblätter, deren Duft so beliebt war, von oben auf
die Gäste herabfallen zu lassen. Heliogabal ließ auf
diesem Wege Veilchen und Rosen auf die Tischgenossen
herabschütten.

Einen außerordentlichen Luxus trieben die Römer
mit den Tischen; unglaubliche Summen wurden auf
dieselben verwendet. Die kostbarsten waren von dem
Maserholz des Thujabaumes, der am Atlas wuchs,
und einen besondern Werth erhielten sie dadurch, daß
sie aus einem Stücke bestanden. Es ist bekannt, daß
Cicero, der sonst nicht den Vorwurf der Verschwen-
dung verdient, auf den Ankauf eines solchen Tisches
die Summe von 50,000 Thalern verwendet hatte; da-
neben werden andere Beispiele von noch höheren Preisen
angeführt. Aber man würde Unrecht thun, wenn man
mit einigen Gelehrten annehmen wollte, daß die Römer
so kostbare Speisetische gehabt hätten. Es liegt in dem
Gebrauche dieser Tische, daß man nicht ein Material
dazu verwendete, welches so hoch zu stehen kam und
dabei so leicht schadhaft werden konnte, und um so mehr
der Verletzung ausgesetzt war, da man in der Regel
keine Tischtücher benutzte.

Rings um die Tische zogen sich die Triclinarbet-
ten oder, wenn man will, Sophas, meist von Bronce
mit Zierrathen von Silber, reinem Gold und Schild-
kröte. Darauf wurden Matratzen gebreitet von galli-
scher Wolle, in Purpur gefärbt. Die prächtigen, mit
Federn ausgestopften Kissen waren mit bunten Teppichen
bedeckt.

Solcher Pracht entsprach die übrige Verzierung
des Saales. Broncelampen mit Ketten von demselben
Metall hiengen von der Decke herab; andere wurden
durch Candelaber getragen. Diese waren äußerst geschmack-
voll gearbeitet und die unendliche Mannigfaltigkeit ihrer
eben so schönen als zweckmäßigen Formen zeugt von
[Ende Spaltensatz]

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Der Fußboden war in der Regel von musivischer Arbeit, die sich für Speisezimmer am besten eignet. Jn Staunen setzt uns hiebei die Erfindsamkeit der Alten in den Mustern und Bildern. Von den vielen Fußböden, die man in den Wohnungen von Pompeji ausgegraben hat, zeigt ein jeder ein verschiedenes Muster, als ob die Einwohner in der Ahnung, daß wir nach so vielen Jahrhunderten ihre Schätze aus dem Grabesdunkel hervorziehen wür- den, uns hätten eine Ueberraschung bereiten wollen. Neben vielen hübschen Jdeen, die wir in den noch er- haltenen Mosaikfußböden ausgeführt finden, wollen wir des sonderbaren, aber gewiß auch beifallswerthen Ein- falles eines alten Künstlers, des Sosus aus Pergamus, erwähnen. 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Mit gleicher Kunst und gleicher Pracht war die Decke der Speisezimmer geschmückt. Die schöne Stucco- arbeit war mit Gemälden und reicher Vergoldung ver- ziert; die Stelle des Stucco vertrat oft getäfeltes Holz- werk, mit Gold und Elfenbein ausgelegt. Vermöge einer verborgenen Maschinerie, welche bei der Höhe des Speise- zimmers unbemerkt unter der Decke angebracht werden konnte, ließ man Veränderungen in der Dekoration der Decke eintreten. Bei jedem neuen Gang wurde den Gästen ein anderes Bild vorgeführt, welches vermuth- lich in Beziehung stand zu den servirten Gerichten. Die Malerei war auf Elfenbein aufgetragen, und wenn wir eine hierauf bezügliche Stelle eines alten Schriftstellers richtig auslegen, waren elfenbeinerne Stäbe fächerartig verbunden, die bequem umgedreht und fortbewegt wer- den konnten. Man benutzte dieselbe Vorrichtung, um Rosenblätter, deren Duft so beliebt war, von oben auf die Gäste herabfallen zu lassen. 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Zitationshilfe: Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 6. Stuttgart/Tübingen, 10. Februar 1856, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt06_1856/4>, abgerufen am 22.11.2024.