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Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 6. Stuttgart/Tübingen, 10. Februar 1856.

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[Beginn Spaltensatz] Apicius ist der unsterbliche Name, wenn auch nicht
des Verfassers, doch des Mannes, der, weil er selbst
ein berühmter Gastronom war, dem Werke die beste
Empfehlung beim kaufenden Publikum geben sollte.

Es wird die Leser interessiren zu erfahren, daß
man zweimal den Versuch gemacht hat, nach den anti-
ken Recepten ein Diner zu veranstalten. Zuerst wird
von einem Abb e Margon erzählt, daß er ein Geschenk
von 30,000 Franken, welche er von Philipp, Herzog
von Orleans, erhalten hatte, dazu verwendete, um das
Gastmahl, welches Trimalchio unter Kaiser Nero ver-
anstaltet haben soll, nach der uns von Petronius zu-
gekommenen Schilderung zu reproduciren. Mit großem
Kostenaufwand wurden alle Schwierigkeiten überwunden
und es bot die Versammlung der Tischgäste, welche
auch antikes Costüm angelegt hatten, allerdings ein
merkwürdiges Schauspiel dar. Der Herzog von Orleans
war selbst zugegen und gestand seine große Ueberraschung
ein. Darüber, ob die Speisen die Gourmands befrie-
digt haben, kann ich nichts berichten. -- Das zweite mal
hat die Kaiserin Josephine eine Mahlzeit nach den Re-
cepten des Apicius herrichten lassen. Es war der
3. November des Jahrs 1806, als die Kaiserin
eben die Kunde vom siegreichen Einzug ihres Gemahls
in Berlin erhalten hatte. Sie beschloß das glückliche
Ereigniß in der Zurückgezogenheit Malmaisons in einem
kleinen Cirkel vertrauter Freunde zu feiern. Kurz vor-
her hatte sie in einem Buche von J. P. Chaussard die
bekannte Beschreibung der luxuriösen Gastmähler unter
Heliogabal gelesen. Jm Frohgefühl der erhaltenen
Siegesnachricht, von den Eingebungen des Augenblicks
hingerissen, nicht beengt durch den Willen ihres kaiser-
lichen Gemahls, der schwerlich den bizarren Einfall ge-
billigt haben würde, ertheilte sie sogleich den Befehl, ein
Diner ganz so herzustellen, wie es das alte Rom vor
1800 Jahren gesehen hatte. Nicht geringe Anstrengung
und Kosten verursachte die Herbeischaffung des erfor-
derlichen Materials. Die ungewöhnlichen Kräuter wur-
den aus dem Jardin des plantes, die seltenen Thiere
aus der kaiserlichen Menagerie genommen. Das Gast-
mahl fiel nicht zur Befriedigung der Gäste aus, wohl
aber zog es der guten Josephine großen Verdruß bei
Napoleon zu, der die Plünderung des botanischen Gar-
tens und der Menagerie sehr übel aufnahm. Dürfen
wir der Nachricht des Onkels Zebra vollen Glauben
schenken, so war dem Kaiser der Verlust eines Lieb-
lingspapageien, der in sieben Sprachen vive l'Empereur
rief, besonders unangenehm, und Josephine foll den
Zorn ihres erlauchten Gemahls nur durch die schmei-
chelnden Worte abgewendet haben: "Trösten sich Ew.
Majestät; so lange es noch ganze Nationen gibt, die
[Spaltenumbruch] vive l'Empereur rufen, können Sie den Verlust eines
Papageien, dem man diesen Ruf bloß eingelernt hat,
verschmerzen."

Doch verlassen wir den reizenden Garten von
Malmaison und wenden uns in Gedanken nach dem
Palast des Lucullus in Rom, als der Befehl des Herrn,
ein glänzendes Mahl noch an demselben Tag in Be-
reitschaft zu halten, überbracht war. Man kann sich
leicht die Aufregung denken, in welche die gesammte
Dienerschaft versezt war. Man kannte die Anforderun-
gen des Herrn, und die Aufgabe, ihnen in so kurzer Zeit
zu genügen, war keine geringe. Wir wollen jedoch
vorerst die Köche, die heute für eine reiche Auswahl
seltener Gerichte zu sorgen hatten, ihrem Schicksal über-
lassen und zusehen, welche Vorbereitungen im Speise-
zimmer getroffen wurden. Bei dem gemessenen Befehl
des Lucullus, die Tafel im Apollo zu serviren, war
der Oberaufseher über die Speisezimmer nicht in
Verlegenheit; außerdem würde ihm die Wahl schwer
geworden seyn. Denn Lucullus hatte gleich andern
vornehmen Römer eine Anzahl von Speisesälen in
seinem Palast zur Verfügung. Jhre Lage richtete sich
nach der Jahreszeit, in welcher sie benutzt wurden. Die
Römer waren darauf bedacht, von der natürlichen Er-
wärmung eines Zimmers durch die Sonne so viel als
möglich Nutzen zu ziehen. Darum waren die für den
Winter bestimmten Speisesäle so eingerichtet, daß sie
durch die Strahlen der Mittagssonne erleuchtet und
erwärmt wurden. Dagegen suchte man sich sorgfältig
gegen die Einflüsse der Sonnenwärme im Sommer zu
schützen. Dieß mochte um so nöthiger seyn, weil die
Temperatur in den Speisezimmern theils durch die Menge
des dienenden Personals, theils durch die Masse der
Lampen erhöht wurde. Vor allem wurden deßhalb die
für den Sommer bestimmten Speisezimmer nach der
Nordseite verlegt, auch gab man ihnen eine bedeutende
Höhe und schützte sie vor der von außen eindringen-
den Luft durch Vorhänge und Glasfenster. Sodann
trug man bei Tische ein besonderes leichtes Gewand,
synthesis genannt, welches überdieß oft gewechselt wurde.
Außerdem fächelten dienstfertige Sklaven mit einem
Wedel von Pfauenfedern frische Luft zu; Kanäle von
Wasser, die durch den Saal geleitet waren, dienten
dazu, nicht bloß ein angenehmes Geräusch zu verur-
sachen, sondern auch die Atmosphäre zu reinigen. Auch
Bäder gewährten Erfrischung, die im Sommer in auf-
gethautem Schnee, im Winter in lauwarmem Wasser
mehr als ein mal während eines Mittagessens genom-
men wurden. Am kostspieligsten mochte das Kühlungs-
mittel seyn, welches Heliogabal anwendete. Er ließ
auf dem grünen Platz, auf welchen das Speisezimmer
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Apicius ist der unsterbliche Name, wenn auch nicht
des Verfassers, doch des Mannes, der, weil er selbst
ein berühmter Gastronom war, dem Werke die beste
Empfehlung beim kaufenden Publikum geben sollte.

Es wird die Leser interessiren zu erfahren, daß
man zweimal den Versuch gemacht hat, nach den anti-
ken Recepten ein Diner zu veranstalten. Zuerst wird
von einem Abb é Margon erzählt, daß er ein Geschenk
von 30,000 Franken, welche er von Philipp, Herzog
von Orleans, erhalten hatte, dazu verwendete, um das
Gastmahl, welches Trimalchio unter Kaiser Nero ver-
anstaltet haben soll, nach der uns von Petronius zu-
gekommenen Schilderung zu reproduciren. Mit großem
Kostenaufwand wurden alle Schwierigkeiten überwunden
und es bot die Versammlung der Tischgäste, welche
auch antikes Costüm angelegt hatten, allerdings ein
merkwürdiges Schauspiel dar. Der Herzog von Orleans
war selbst zugegen und gestand seine große Ueberraschung
ein. Darüber, ob die Speisen die Gourmands befrie-
digt haben, kann ich nichts berichten. — Das zweite mal
hat die Kaiserin Josephine eine Mahlzeit nach den Re-
cepten des Apicius herrichten lassen. Es war der
3. November des Jahrs 1806, als die Kaiserin
eben die Kunde vom siegreichen Einzug ihres Gemahls
in Berlin erhalten hatte. Sie beschloß das glückliche
Ereigniß in der Zurückgezogenheit Malmaisons in einem
kleinen Cirkel vertrauter Freunde zu feiern. Kurz vor-
her hatte sie in einem Buche von J. P. Chaussard die
bekannte Beschreibung der luxuriösen Gastmähler unter
Heliogabal gelesen. Jm Frohgefühl der erhaltenen
Siegesnachricht, von den Eingebungen des Augenblicks
hingerissen, nicht beengt durch den Willen ihres kaiser-
lichen Gemahls, der schwerlich den bizarren Einfall ge-
billigt haben würde, ertheilte sie sogleich den Befehl, ein
Diner ganz so herzustellen, wie es das alte Rom vor
1800 Jahren gesehen hatte. Nicht geringe Anstrengung
und Kosten verursachte die Herbeischaffung des erfor-
derlichen Materials. Die ungewöhnlichen Kräuter wur-
den aus dem Jardin des plantes, die seltenen Thiere
aus der kaiserlichen Menagerie genommen. Das Gast-
mahl fiel nicht zur Befriedigung der Gäste aus, wohl
aber zog es der guten Josephine großen Verdruß bei
Napoleon zu, der die Plünderung des botanischen Gar-
tens und der Menagerie sehr übel aufnahm. Dürfen
wir der Nachricht des Onkels Zebra vollen Glauben
schenken, so war dem Kaiser der Verlust eines Lieb-
lingspapageien, der in sieben Sprachen vive l'Empereur
rief, besonders unangenehm, und Josephine foll den
Zorn ihres erlauchten Gemahls nur durch die schmei-
chelnden Worte abgewendet haben: „Trösten sich Ew.
Majestät; so lange es noch ganze Nationen gibt, die
[Spaltenumbruch] vive l'Empereur rufen, können Sie den Verlust eines
Papageien, dem man diesen Ruf bloß eingelernt hat,
verschmerzen.“

Doch verlassen wir den reizenden Garten von
Malmaison und wenden uns in Gedanken nach dem
Palast des Lucullus in Rom, als der Befehl des Herrn,
ein glänzendes Mahl noch an demselben Tag in Be-
reitschaft zu halten, überbracht war. Man kann sich
leicht die Aufregung denken, in welche die gesammte
Dienerschaft versezt war. Man kannte die Anforderun-
gen des Herrn, und die Aufgabe, ihnen in so kurzer Zeit
zu genügen, war keine geringe. Wir wollen jedoch
vorerst die Köche, die heute für eine reiche Auswahl
seltener Gerichte zu sorgen hatten, ihrem Schicksal über-
lassen und zusehen, welche Vorbereitungen im Speise-
zimmer getroffen wurden. Bei dem gemessenen Befehl
des Lucullus, die Tafel im Apollo zu serviren, war
der Oberaufseher über die Speisezimmer nicht in
Verlegenheit; außerdem würde ihm die Wahl schwer
geworden seyn. Denn Lucullus hatte gleich andern
vornehmen Römer eine Anzahl von Speisesälen in
seinem Palast zur Verfügung. Jhre Lage richtete sich
nach der Jahreszeit, in welcher sie benutzt wurden. Die
Römer waren darauf bedacht, von der natürlichen Er-
wärmung eines Zimmers durch die Sonne so viel als
möglich Nutzen zu ziehen. Darum waren die für den
Winter bestimmten Speisesäle so eingerichtet, daß sie
durch die Strahlen der Mittagssonne erleuchtet und
erwärmt wurden. Dagegen suchte man sich sorgfältig
gegen die Einflüsse der Sonnenwärme im Sommer zu
schützen. Dieß mochte um so nöthiger seyn, weil die
Temperatur in den Speisezimmern theils durch die Menge
des dienenden Personals, theils durch die Masse der
Lampen erhöht wurde. Vor allem wurden deßhalb die
für den Sommer bestimmten Speisezimmer nach der
Nordseite verlegt, auch gab man ihnen eine bedeutende
Höhe und schützte sie vor der von außen eindringen-
den Luft durch Vorhänge und Glasfenster. Sodann
trug man bei Tische ein besonderes leichtes Gewand,
synthesis genannt, welches überdieß oft gewechselt wurde.
Außerdem fächelten dienstfertige Sklaven mit einem
Wedel von Pfauenfedern frische Luft zu; Kanäle von
Wasser, die durch den Saal geleitet waren, dienten
dazu, nicht bloß ein angenehmes Geräusch zu verur-
sachen, sondern auch die Atmosphäre zu reinigen. Auch
Bäder gewährten Erfrischung, die im Sommer in auf-
gethautem Schnee, im Winter in lauwarmem Wasser
mehr als ein mal während eines Mittagessens genom-
men wurden. Am kostspieligsten mochte das Kühlungs-
mittel seyn, welches Heliogabal anwendete. Er ließ
auf dem grünen Platz, auf welchen das Speisezimmer
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Bei dem gemessenen Befehl des Lucullus, die Tafel im Apollo zu serviren, war der Oberaufseher über die Speisezimmer nicht in Verlegenheit; außerdem würde ihm die Wahl schwer geworden seyn. Denn Lucullus hatte gleich andern vornehmen Römer eine Anzahl von Speisesälen in seinem Palast zur Verfügung. Jhre Lage richtete sich nach der Jahreszeit, in welcher sie benutzt wurden. Die Römer waren darauf bedacht, von der natürlichen Er- wärmung eines Zimmers durch die Sonne so viel als möglich Nutzen zu ziehen. Darum waren die für den Winter bestimmten Speisesäle so eingerichtet, daß sie durch die Strahlen der Mittagssonne erleuchtet und erwärmt wurden. Dagegen suchte man sich sorgfältig gegen die Einflüsse der Sonnenwärme im Sommer zu schützen. Dieß mochte um so nöthiger seyn, weil die Temperatur in den Speisezimmern theils durch die Menge des dienenden Personals, theils durch die Masse der Lampen erhöht wurde. 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Zitationshilfe: Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 6. Stuttgart/Tübingen, 10. Februar 1856, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt06_1856/3>, abgerufen am 22.11.2024.