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Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 6. Stuttgart/Tübingen, 10. Februar 1856.

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[Beginn Spaltensatz]

Ueber die Widersprüche, in die Byron überhaupt
bei Würdigung fremden Talents mit sich selbst gerieth,
sagt Hunt: "Jch zweifle nicht, daß er zu Zeiten eifer-
süchtig auf jedermann war, für den sich die Welt in-
teressirte; da er aber in Wahrheit niemand für größer
hielt als sich selbst, so war er in der nächsten Minute
wieder ausgesöhnt und konnte die Lieblinge des Publi-
kums lieben und sich an ihren Werken erfreuen, so gut
als irgend einer. Ein Grund davon lag ohne Zweifel
auch darin, daß die Aufnahme, die sie in der Welt
fanden, ihn an seine noch glänzendere erinnerte. Aus
demselben Grunde war er nicht so eifersüchtig auf Schrift-
steller, die er für populär hielt, als auf einen, Words-
worth z. B., dessen Ansprüche er nicht so leicht definiren
konnte, und der, wie er fürchtete, eines Tags für den
größeren gelten könnte. Jn seinem Bestreben, seine
Bewunderer mit denen zu identisiciren, die die Kränze
des wahren Ruhms auszutheilen haben, war er ferner
ebenso bemüht, alle Modeschriftsteller anzuerkennen, als
besorgt, daß man ihn nicht mit den übrigen zusammen-
nehme. Man wird bemerkt haben, daß seine öffentliche
Anerkennung Scott, Moore, Campbell und ähnli-
chen Schriftstellern galt, Rogers nicht zu vergessen,
kurz jedem, der das Glück hatte, der "Stadt" zu ge-
fallen."

Uebrigens gestand Byron in jener künstlich auf-
richtigen Weise, von der früher schon die Rede war,
selbst, daß er auf die geringsten Vorzüge anderer eifer-
süchtig war. Dieses Bekenntniß erklärt Hunt eben so
wie alle übrigen derartigen, z. B. das über seinen Geiz.
Da er voraussezte, daß aller Wahrscheinlichkeit nach
jedermann so fühle, so dachte er, man werde seine
Aufrichtigkeit in einem Punkt, über den andere sonst
schweigen, ihm um so höher anrechnen; wo nicht, so
werde das Geständniß als etwas Außerordentliches an
einem großen Mann um so mehr frappiren. "Die, welche
ihn kannten, nahmen ihn beim Wort; sie hielten ihn
für so wenig über diese Schwäche erhaben, daß sie sich
hüteten, irgend einen Vorzug vor ihm geltend zu ma-
chen. Wir hören von andern Schriftstellern, daß sie
sogar auf schöne Frauen eifersüchtig waren, weil sie die
Aufmerksamkeit theilten. Jch glaube nicht, daß dieß
bei Lord Byron der Fall war; er dachte sich die Frauen
viel zu sehr mit ihm selbst beschäftigt. Unfehlbar aber
wäre er eifersüchtig geworden, wenn die Frau ein Schön-
geist gewesen wäre oder einen Cirkel um ihr Pianoforte
versammelt hätte. Mit Männern sah ich ihn auf eine
höchst kindische Weise um den Vorzug streiten, so kindisch,
daß, wenn es möglich gewesen wäre, einen Augenblick
seine Ansprüche und seine öffentliche Rolle zu vergessen,
der Streit etwas von der versöhnenden Naivität Gold-
[Spaltenumbruch] smiths gehabt hätte. Er konnte dann imaginäre
Wetten eingehen, in einem Styl, den man in vornehmer
Gesellschaft nicht gesucht hätte, das Kinn aufwerfen
und auf eine zuversichtliche Weise hin und her bewegen,
halb Nicken, halb Schütteln, wie Knaben beim Grüb-
chenspiel, wenn sie sagen: komm her, wenn du was
willst! Ein dicker Dandy, der uns in Genua besuchte und
behauptete, er sey jünger, als er in Wahrheit war, und
er trage sein eigenes Haar, verrückte ihm das Concept
für den ganzen Tag. Er deklamirte gegen ihn in so
jämmerlichem Ton und wiederholte das Wort Perrücke
so oft, daß meine zwei ältesten Knaben, die in einem
anstoßenden Zimmer waren, kaum ihr Lachen unter-
drücken konnten."

Diese Geschichte ist allerdings in so hohem Grade
lächerlich, daß man denken sollte, es sey nichts als ein
naiver Scherz. Man wird aber Hunt schon aus dem
bisherigen als einen Mann kennen gelernt haben, dem
man wohl zutrauen darf, daß er verschiedene psycholo-
gische und intellektuelle Zustände zu unterscheiden wußte.
Für seine Meinung, daß es bitterer Ernst war, spre-
chen außerdem noch folgende von ihm mitgetheilte Anek-
doten: "Jch sagte ihm eines Tags, sein Major=domo,
Lega, habe im Gespräch mit mir ein lateinisches Citat
gebraucht. Er sah ganz aus wie ein Junge, dem eine
Schmeichelei oder ein Stück Kuchen entgangen ist, als
er mir erwiederte: "That er das? Gegen mich hat er
noch nie Latein citirt." Das war ganz der "kleine
Byron," wie ihn seine Schwester nannte."

"Haben Sie meine drei Helme gesehen?" fragte er
mich einmal mit einem Ausdruck halb zögernd, halb
eilig. Als ich ihm mit Nein antwortete, sagte er, er
wolle sie mir zeigen, und war eben im Begriff, in die-
ser Absicht in ein Zimmer einzutreten, als er schnell
abbrach und es auf eine andere Zeit verschob. Das
Lächerliche war ihm doch ein wenig zu stark. Diese
drei Helme hatte er seinem Feldzug zu Ehren ange-
schafft, als Unterpfänder der großen Thaten, die er da
verrichten wollte. Sie hatten die ganz ächte classische
Form, vergoldet mit seinem Motto: crede Byron.
Einer war für ihn selbst, die beiden andern waren be-
stimmt die Häupter des jungen Grafen Gamba und
Trelawneys zu schmücken, welche aber, wie ich glaube,
die Ehre ablehnten. Jch sah nachher einen davon, ge-
hört habe ich nichts mehr von ihnen."

Daß er sich gern N. B. ( Noel Byron ) unterzeich-
nete, ist bekannt; er that es, weil es ihm Freude
machte, daß er und Napoleon die einzigen geschichtlichen
Personen seyen, die dieselben Anfangsbuchstaben in
ihrem Namen haben.

Einer besondern Sorte von Eitelkeit gedenkt Hunt
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz]

Ueber die Widersprüche, in die Byron überhaupt
bei Würdigung fremden Talents mit sich selbst gerieth,
sagt Hunt: „Jch zweifle nicht, daß er zu Zeiten eifer-
süchtig auf jedermann war, für den sich die Welt in-
teressirte; da er aber in Wahrheit niemand für größer
hielt als sich selbst, so war er in der nächsten Minute
wieder ausgesöhnt und konnte die Lieblinge des Publi-
kums lieben und sich an ihren Werken erfreuen, so gut
als irgend einer. Ein Grund davon lag ohne Zweifel
auch darin, daß die Aufnahme, die sie in der Welt
fanden, ihn an seine noch glänzendere erinnerte. Aus
demselben Grunde war er nicht so eifersüchtig auf Schrift-
steller, die er für populär hielt, als auf einen, Words-
worth z. B., dessen Ansprüche er nicht so leicht definiren
konnte, und der, wie er fürchtete, eines Tags für den
größeren gelten könnte. Jn seinem Bestreben, seine
Bewunderer mit denen zu identisiciren, die die Kränze
des wahren Ruhms auszutheilen haben, war er ferner
ebenso bemüht, alle Modeschriftsteller anzuerkennen, als
besorgt, daß man ihn nicht mit den übrigen zusammen-
nehme. Man wird bemerkt haben, daß seine öffentliche
Anerkennung Scott, Moore, Campbell und ähnli-
chen Schriftstellern galt, Rogers nicht zu vergessen,
kurz jedem, der das Glück hatte, der „Stadt“ zu ge-
fallen.“

Uebrigens gestand Byron in jener künstlich auf-
richtigen Weise, von der früher schon die Rede war,
selbst, daß er auf die geringsten Vorzüge anderer eifer-
süchtig war. Dieses Bekenntniß erklärt Hunt eben so
wie alle übrigen derartigen, z. B. das über seinen Geiz.
Da er voraussezte, daß aller Wahrscheinlichkeit nach
jedermann so fühle, so dachte er, man werde seine
Aufrichtigkeit in einem Punkt, über den andere sonst
schweigen, ihm um so höher anrechnen; wo nicht, so
werde das Geständniß als etwas Außerordentliches an
einem großen Mann um so mehr frappiren. „Die, welche
ihn kannten, nahmen ihn beim Wort; sie hielten ihn
für so wenig über diese Schwäche erhaben, daß sie sich
hüteten, irgend einen Vorzug vor ihm geltend zu ma-
chen. Wir hören von andern Schriftstellern, daß sie
sogar auf schöne Frauen eifersüchtig waren, weil sie die
Aufmerksamkeit theilten. Jch glaube nicht, daß dieß
bei Lord Byron der Fall war; er dachte sich die Frauen
viel zu sehr mit ihm selbst beschäftigt. Unfehlbar aber
wäre er eifersüchtig geworden, wenn die Frau ein Schön-
geist gewesen wäre oder einen Cirkel um ihr Pianoforte
versammelt hätte. Mit Männern sah ich ihn auf eine
höchst kindische Weise um den Vorzug streiten, so kindisch,
daß, wenn es möglich gewesen wäre, einen Augenblick
seine Ansprüche und seine öffentliche Rolle zu vergessen,
der Streit etwas von der versöhnenden Naivität Gold-
[Spaltenumbruch] smiths gehabt hätte. Er konnte dann imaginäre
Wetten eingehen, in einem Styl, den man in vornehmer
Gesellschaft nicht gesucht hätte, das Kinn aufwerfen
und auf eine zuversichtliche Weise hin und her bewegen,
halb Nicken, halb Schütteln, wie Knaben beim Grüb-
chenspiel, wenn sie sagen: komm her, wenn du was
willst! Ein dicker Dandy, der uns in Genua besuchte und
behauptete, er sey jünger, als er in Wahrheit war, und
er trage sein eigenes Haar, verrückte ihm das Concept
für den ganzen Tag. Er deklamirte gegen ihn in so
jämmerlichem Ton und wiederholte das Wort Perrücke
so oft, daß meine zwei ältesten Knaben, die in einem
anstoßenden Zimmer waren, kaum ihr Lachen unter-
drücken konnten.“

Diese Geschichte ist allerdings in so hohem Grade
lächerlich, daß man denken sollte, es sey nichts als ein
naiver Scherz. Man wird aber Hunt schon aus dem
bisherigen als einen Mann kennen gelernt haben, dem
man wohl zutrauen darf, daß er verschiedene psycholo-
gische und intellektuelle Zustände zu unterscheiden wußte.
Für seine Meinung, daß es bitterer Ernst war, spre-
chen außerdem noch folgende von ihm mitgetheilte Anek-
doten: „Jch sagte ihm eines Tags, sein Major=domo,
Lega, habe im Gespräch mit mir ein lateinisches Citat
gebraucht. Er sah ganz aus wie ein Junge, dem eine
Schmeichelei oder ein Stück Kuchen entgangen ist, als
er mir erwiederte: „That er das? Gegen mich hat er
noch nie Latein citirt.“ Das war ganz der „kleine
Byron,“ wie ihn seine Schwester nannte.“

„Haben Sie meine drei Helme gesehen?“ fragte er
mich einmal mit einem Ausdruck halb zögernd, halb
eilig. Als ich ihm mit Nein antwortete, sagte er, er
wolle sie mir zeigen, und war eben im Begriff, in die-
ser Absicht in ein Zimmer einzutreten, als er schnell
abbrach und es auf eine andere Zeit verschob. Das
Lächerliche war ihm doch ein wenig zu stark. Diese
drei Helme hatte er seinem Feldzug zu Ehren ange-
schafft, als Unterpfänder der großen Thaten, die er da
verrichten wollte. Sie hatten die ganz ächte classische
Form, vergoldet mit seinem Motto: crede Byron.
Einer war für ihn selbst, die beiden andern waren be-
stimmt die Häupter des jungen Grafen Gamba und
Trelawneys zu schmücken, welche aber, wie ich glaube,
die Ehre ablehnten. Jch sah nachher einen davon, ge-
hört habe ich nichts mehr von ihnen.“

Daß er sich gern N. B. ( Noel Byron ) unterzeich-
nete, ist bekannt; er that es, weil es ihm Freude
machte, daß er und Napoleon die einzigen geschichtlichen
Personen seyen, die dieselben Anfangsbuchstaben in
ihrem Namen haben.

Einer besondern Sorte von Eitelkeit gedenkt Hunt
[Ende Spaltensatz]

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[132/0012] 132 Ueber die Widersprüche, in die Byron überhaupt bei Würdigung fremden Talents mit sich selbst gerieth, sagt Hunt: „Jch zweifle nicht, daß er zu Zeiten eifer- süchtig auf jedermann war, für den sich die Welt in- teressirte; da er aber in Wahrheit niemand für größer hielt als sich selbst, so war er in der nächsten Minute wieder ausgesöhnt und konnte die Lieblinge des Publi- kums lieben und sich an ihren Werken erfreuen, so gut als irgend einer. Ein Grund davon lag ohne Zweifel auch darin, daß die Aufnahme, die sie in der Welt fanden, ihn an seine noch glänzendere erinnerte. Aus demselben Grunde war er nicht so eifersüchtig auf Schrift- steller, die er für populär hielt, als auf einen, Words- worth z. B., dessen Ansprüche er nicht so leicht definiren konnte, und der, wie er fürchtete, eines Tags für den größeren gelten könnte. 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Da er voraussezte, daß aller Wahrscheinlichkeit nach jedermann so fühle, so dachte er, man werde seine Aufrichtigkeit in einem Punkt, über den andere sonst schweigen, ihm um so höher anrechnen; wo nicht, so werde das Geständniß als etwas Außerordentliches an einem großen Mann um so mehr frappiren. „Die, welche ihn kannten, nahmen ihn beim Wort; sie hielten ihn für so wenig über diese Schwäche erhaben, daß sie sich hüteten, irgend einen Vorzug vor ihm geltend zu ma- chen. Wir hören von andern Schriftstellern, daß sie sogar auf schöne Frauen eifersüchtig waren, weil sie die Aufmerksamkeit theilten. Jch glaube nicht, daß dieß bei Lord Byron der Fall war; er dachte sich die Frauen viel zu sehr mit ihm selbst beschäftigt. Unfehlbar aber wäre er eifersüchtig geworden, wenn die Frau ein Schön- geist gewesen wäre oder einen Cirkel um ihr Pianoforte versammelt hätte. 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Zitationshilfe: Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 6. Stuttgart/Tübingen, 10. Februar 1856, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt06_1856/12>, abgerufen am 22.11.2024.