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Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 6. Stuttgart/Tübingen, 10. Februar 1856.

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[Beginn Spaltensatz] Schwach das Weib, der Mann ist herrisch,
Halb herrsch' ich, ob ich auch folge;
Herrsche durch Geduld, du Gute!"

Also wanderten sie heimwärts;
Also brachte Hiawatha
Jn die Hütte der Nokomis
[Spaltenumbruch] Sie das Mondlicht, Sternlicht, Feu'rlicht,
Sonnenlicht auch seines Volkes,
Minnehaha, Lachend Wasser,
Schmuckste sie von allen Weibern
Jn dem Lande der Dacotahs,
Jn dem Land der schmucken Weiber.
[Ende Spaltensatz]

( Fortsetzung folgt. )





Lord By>ron.
II.
[Beginn Spaltensatz]

Mit nichts war es Lord Byron Ernst als mit einem
sieberhaften Ehrgeiz. Zu diesem Zweck wollte er alles
in Bewegung setzen, "die große Welt und die kleine,
den Berg und die Maus, die Einbildungskraft des
Publikums und das beifällige Kopfnicken der modischen
Schöngeister." -- "Lieber Himmel," sagte mir neulich
eine Dame, die ihn recht gut kannte, "hätte er nur
vorausgesehen, daß Sie der Welt Nachrichten von ihm
geben würden, was hätte er nicht gethan, um sich vor
Jhnen sehen zu lassen!" Und diese Huldigungen würde
man ihm so bereitwillig dargebracht haben, wenn er
es nur über sich vermocht hätte, seine Ansprüche mit
denen anderer in Einklang zu bringen; aber sein Ehrgeiz
und seine Selbstsucht waren so ausschließlich, daß sie
nichts neben sich gelten lassen konnten. Jmmer suchte
er eine Quelle für seine Befriedigung, die mit Krän-
kung und Demüthigung für andere verbunden war.
"Als wir zum erstenmal mit einander ausritten, spot-
tete er über die schlechte Reitkunst dieses und jenes
seiner Bekannten. Augenscheinlich hoffte er das Ver-
gnügen zu haben, diese Liste mit meinem Namen zu
vermehren. Als er fand, daß an meiner Figur zu
Pferd nichts besonderes zu bemerken war, sagte er daher
im ärgerlichen Ton getäuschter Erwartung: "Wie,
Hunt, Sie reiten ja ganz gut!"

Bekannt ist die Eitelkeit auf seine Schwimm= und
Schießkünste und auf seine kleine weiße Hand. Von
den ersteren bekommen wir in seinen Briefen und Tag-
büchern, ja sogar in seinen Gedichten überall zu hören;
von der letzteren sagt Hunt: "Er suchte die Aufmerksam-
keit durch Ringe auf sie zu ziehen. Eine solche Hand
hielt er fast für das einzige, wodurch sich gegenwärtig
noch ein Gentleman unterscheiden könne, was sicherlich
[Spaltenumbruch] nicht der Fall ist, obgleich eine rauhe allerdings Hand-
arbeit verräth. Er ließ sich oft mit einem Schnupftuch
sehen, in welches seine beringten Finger eingebettet
lagen, wie auf einem Gemälde."

Eitelkeit anderer Art war es, wenn er ängstlich
bemüht war, zu zeigen, daß er keinen Shakespeare und
Milton besitze, weil, wie er sagte, man ihn beschuldige,
von ihnen entlehnt zu haben. Er that, als ob
er überhaupt nicht recht wisse, ob Shakespeare wirk-
lich das große Genie sey, für das man ihn hatte,
und ob nicht Mode einen großen Theil daran habe:
"eine Extravaganz, deren nur ein patricischer Schrift-
steller sich schuldig machen konnte. Er gab sich übri-
gens mit dieser Ansicht im Grund eine größere Blöße,
als er dachte. Vielleicht hatten Umstände ihn wirklich
unfähig gemacht, eine rechte Jdee von Shakespeare zu
haben, obgleich sie auf keinen Fall der Wahrheit so
fern stehen konnte, als er sich stellte. -- Spenser konnte
er nicht lesen, wenigstens sagte er so. Die ganze Ei-
genthümlichkeit dieses dichterischsten aller Dichter war
für ihn nichts. Jch lehnte ihm einen Band der Feen-
königin, und er sagte, er wolle sehen, ob er ihm kei-
nen Geschmack abgewinnen könne. Am folgenden Tag
brachte er mir ihn an das Fenster meines Studirzim-
mers und sagte: "Hier, Hunt, haben Sie Jhren
Spenser; ich kann nichts an ihm finden!" Er schien
ängstlich, daß ich ihm das Buch aus der Hand nehme, wie
wenn er fürchtete, man könnte ihn beschuldigen, von
einem so armseligen Schriftsteller geborgt zu haben.
Daß er in Spenser nichts fand, ist nicht wahrscheinlich;
daß er aber nicht viel in ihm fand, glaube ich aller-
dings. Spenser war zu sehr aus der Welt und er
zu sehr in der Welt."

[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Schwach das Weib, der Mann ist herrisch,
Halb herrsch' ich, ob ich auch folge;
Herrsche durch Geduld, du Gute!“

Also wanderten sie heimwärts;
Also brachte Hiawatha
Jn die Hütte der Nokomis
[Spaltenumbruch] Sie das Mondlicht, Sternlicht, Feu'rlicht,
Sonnenlicht auch seines Volkes,
Minnehaha, Lachend Wasser,
Schmuckste sie von allen Weibern
Jn dem Lande der Dacotahs,
Jn dem Land der schmucken Weiber.
[Ende Spaltensatz]

( Fortsetzung folgt. )





Lord By>ron.
II.
[Beginn Spaltensatz]

Mit nichts war es Lord Byron Ernst als mit einem
sieberhaften Ehrgeiz. Zu diesem Zweck wollte er alles
in Bewegung setzen, „die große Welt und die kleine,
den Berg und die Maus, die Einbildungskraft des
Publikums und das beifällige Kopfnicken der modischen
Schöngeister.“ — „Lieber Himmel,“ sagte mir neulich
eine Dame, die ihn recht gut kannte, „hätte er nur
vorausgesehen, daß Sie der Welt Nachrichten von ihm
geben würden, was hätte er nicht gethan, um sich vor
Jhnen sehen zu lassen!“ Und diese Huldigungen würde
man ihm so bereitwillig dargebracht haben, wenn er
es nur über sich vermocht hätte, seine Ansprüche mit
denen anderer in Einklang zu bringen; aber sein Ehrgeiz
und seine Selbstsucht waren so ausschließlich, daß sie
nichts neben sich gelten lassen konnten. Jmmer suchte
er eine Quelle für seine Befriedigung, die mit Krän-
kung und Demüthigung für andere verbunden war.
„Als wir zum erstenmal mit einander ausritten, spot-
tete er über die schlechte Reitkunst dieses und jenes
seiner Bekannten. Augenscheinlich hoffte er das Ver-
gnügen zu haben, diese Liste mit meinem Namen zu
vermehren. Als er fand, daß an meiner Figur zu
Pferd nichts besonderes zu bemerken war, sagte er daher
im ärgerlichen Ton getäuschter Erwartung: „Wie,
Hunt, Sie reiten ja ganz gut!“

Bekannt ist die Eitelkeit auf seine Schwimm= und
Schießkünste und auf seine kleine weiße Hand. Von
den ersteren bekommen wir in seinen Briefen und Tag-
büchern, ja sogar in seinen Gedichten überall zu hören;
von der letzteren sagt Hunt: „Er suchte die Aufmerksam-
keit durch Ringe auf sie zu ziehen. Eine solche Hand
hielt er fast für das einzige, wodurch sich gegenwärtig
noch ein Gentleman unterscheiden könne, was sicherlich
[Spaltenumbruch] nicht der Fall ist, obgleich eine rauhe allerdings Hand-
arbeit verräth. Er ließ sich oft mit einem Schnupftuch
sehen, in welches seine beringten Finger eingebettet
lagen, wie auf einem Gemälde.“

Eitelkeit anderer Art war es, wenn er ängstlich
bemüht war, zu zeigen, daß er keinen Shakespeare und
Milton besitze, weil, wie er sagte, man ihn beschuldige,
von ihnen entlehnt zu haben. Er that, als ob
er überhaupt nicht recht wisse, ob Shakespeare wirk-
lich das große Genie sey, für das man ihn hatte,
und ob nicht Mode einen großen Theil daran habe:
„eine Extravaganz, deren nur ein patricischer Schrift-
steller sich schuldig machen konnte. Er gab sich übri-
gens mit dieser Ansicht im Grund eine größere Blöße,
als er dachte. Vielleicht hatten Umstände ihn wirklich
unfähig gemacht, eine rechte Jdee von Shakespeare zu
haben, obgleich sie auf keinen Fall der Wahrheit so
fern stehen konnte, als er sich stellte. — Spenser konnte
er nicht lesen, wenigstens sagte er so. Die ganze Ei-
genthümlichkeit dieses dichterischsten aller Dichter war
für ihn nichts. Jch lehnte ihm einen Band der Feen-
königin, und er sagte, er wolle sehen, ob er ihm kei-
nen Geschmack abgewinnen könne. Am folgenden Tag
brachte er mir ihn an das Fenster meines Studirzim-
mers und sagte: „Hier, Hunt, haben Sie Jhren
Spenser; ich kann nichts an ihm finden!“ Er schien
ängstlich, daß ich ihm das Buch aus der Hand nehme, wie
wenn er fürchtete, man könnte ihn beschuldigen, von
einem so armseligen Schriftsteller geborgt zu haben.
Daß er in Spenser nichts fand, ist nicht wahrscheinlich;
daß er aber nicht viel in ihm fand, glaube ich aller-
dings. Spenser war zu sehr aus der Welt und er
zu sehr in der Welt.“

[Ende Spaltensatz]
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Zitationshilfe: Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 6. Stuttgart/Tübingen, 10. Februar 1856, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt06_1856/11>, abgerufen am 22.11.2024.