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Mainzer Journal. Nr. 169. Mainz, 20. Dezember 1848.

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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 169. Donnerstag, den 21. December. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Verhandlungen der Nationalversammlung.
Vom 20. December.
Tagesordnung der 140. öffentlichen Sitzung.

Fortsetzung der Berathung über die Vorlage zur zweiten Lesung der
Grundrechte, und zwar über Artikel VIII. §. 35. und folgende.

Vorsitzender Wilhelm Beseler zeigt den mit Ende Decem-
bers erfolgenden Austritt des Abgeordneten Thinnes aus Eich-
städt an. Die gestern von den Abtheilungen erwählten Mitglieder
des Ausschusses zur Begutachtung der ministeriellen Vorlage in
Bezug auf die österreichischen Verhältnisse sind die Her-
ren v. Linde, Barth, Paur, Somaruga, Christmann, Rüder,
Giskra, Hildebrand, v. Buttel, M. Simon, Reitter, Venedey,
Rheinwald, Kirchgeßner, Makowiczka. Aus ihrer Mitte ist Herr
Kirchgeßner aus Würzburg zum ersten, Herr Hildebrand aus
Marburg zum zweiten Vorsitzenden und Herr Max Simon aus
Breslau zum Schriftführer bestimmt worden.

Die Berathung wendet sich sodann ohne Aufenthalt der
zweiten Lesung der Grundrechte zu. Unter den zu §. 35.
gestellten Verbesserungsanträgen ist der Försters aus Hünfeld:
"Aufgehoben ohne Entschädigung ist das Recht der wilden
Fischerei
in nicht schiffbaren Flüssen zwischen fremdem Grund-
eigenthume." Der Förster'sche Zusatz wird verworfen. Desglei-
chen ein Antrag v. Linde's, darauf, daß ein Reichsgesetz die
Ausübung der Jagd im Umfange der Reichsfestungen regele.
Hingegen wird unverändert die Fassung der Ausschußmehrheit
angenommen, nur mit der Anfügung des Schlußzusatzes von
Ziegert, wodurch die Bestellung des Jagdrechtes als eines ding-
lichen Rechtes an fremdem Grunde und Boden für immer ver-
wehrt wird. Der Paragraph lautet demnach, sowie er zum end-
giltigen Beschlusse erhoben ist:

§. 35. Jm Grundeigenthume liegt die Berechtigung zur Jagd
auf eigenem Grunde und Boden. Die Jagdgerechtigkeit auf frem-
dem Grunde und Boden, Jagddienste, Jagdfrohnden und andere
Leistungen für Jagdzwecke sind ohne Entschädigung aufgehoben.
Nur ablösbar jedoch ist die Jagdgerechtigkeit, welche erweislich
durch einen lästigen mit dem Eigenthümer des belasteten Grund-
stückes abgeschlossenen Vertrag erworben ist; über die Art und
Weise der Ablösung haben die Landesgesetzgebungen das Weitere
zu bestimmen. Die Ausübung des Jagdrechtes aus Gründen der
öffentlichen Sicherheit und des gemeinen Wohles zu ordnen, bleibt
der Landesgesetzgebung vorbehalten. Die Jagdgerechtigkeit auf
fremdem Grunde und Boden darf in Zukunft nicht wieder als
Grundgerechtigkeit bestellt werden.

§. 36. behandelt die Fideicommisse und auf die Discus-
sion darüber wird nicht verzichtet. Dem Bureau ist leider die
Liste der für den Paragraphen eingezeichneten Redner für den Au-
genblick abhanden gekommen, doch ist den Mitgliedern des Prä-
sidiums so viel erinnerlich, daß Herr Moritz Mohl in erster Li-
nie darauf stand. Von der lachenden Bewegung des Hauses un-
beirrt, die durch diese Mittheilung hervorgerufen wird, spricht
Moritz Mohl sein tiefes Bedauern darüber aus, daß die Fidei-
commisse nach dem Ausschußvorschlage für die großen Familien
wenigstens erhalten bleiben sollen.

v. Vincke: Die Grundrechte sollten doch wahrhaftig die
individuelle Freiheit erweitern, anstatt sie zu beschränken. Zu
dieser Freiheit aber gehört nothwendig das Recht der freien
Verfügung über das Vermögen. Also auch die Errichtung von
Fideicommissen müßte jedem Deutschen nachgelassen seyn und ge-
rade in dem besondern Vaterlande, welchem Herr Mohl ange-
hört -- ich glaube er ist ein Schwabe ( Gelächter ) -- spricht sich
nicht blos der Adel, sondern sprechen sich auch die Bauern leb-
haft für die Erhaltung der fideicommissarischen Rechte aus.

"Man hat sich, fährt der Redner fort, auf die nationalöko-
nomischen Vortheile berufen. Aber die Frage, ob große oder
kleine Güter der Nationalökonomie am zusagendsten sind, wird
einfach darauf hinauskommen, daß weder das Eine noch das
Andere unbedingt als richtig anzunehmen ist. Die Frage wird
vielmehr nach Verschiedenheit der Gegend, der Sitten und der
Bedürfnisse zu beantworten seyn. Wie in den Fabrikgegenden
die Zerspaltung der Güter sich empfiehlt -- die es ist in meinem Wahl-
kreise selbst der Fall -- so wird umgekehrt in den ackerbautrei-
benden Gegenden die Erhaltung des größern Grundeigenthumes,
[Spaltenumbruch] der Bodencultur und der allgemeinen Wohlfahrt förderlich seyn."
Herr von Vincke führt diesen Gedanken, der bei der ersten Lesung
der Grundrechte keine Berücksichtigung gefunden, etwas näher
aus, worauf er weiter erklärt:

"Wenn ich aus Gründen der Zweckmäßigkeit, denn von an-
deren kann hier nicht die Rede seyn, die Familienfideicommisse
verwerfen will, wenn ich überhaupt nach Gründen suche, welche
für ihre Aufhebung sprechen sollen, so kann ich sie nur in dem
allgemeinen Streben der Zeit finden, alle Lebensverhältnisse mög-
lichst zu aplaniren. Aber ich glaube nicht, daß dieses Princip
dem Staate irgend eine Dauer, irgend eine Lebensfähigkeit ver-
spricht. Was werden sie erreichen? Sie werden für eine Art
des Besitzes der Gleichheit einigen Vorschub leisten. Sie werden
der Aristokratie in einer Gestalt entgegentreten. Allein in einer
andern Gestalt, die in neuerer Zeit weit bedenklicher, weit gefähr-
licher auftritt -- denn die alte Aristokratie ist dahin, ist gesunken
-- werden Sie die Aristokratie wieder hervorrufen, die Geld-
aristokratie,
die keine Heimath hat und keine Dauer besitzt."

Nach Vincke's Rede wird Schluß der Debatte verlangt und
als Berichterstatter des Verfassungsausschusses ergreift Zell aus
Trier das Wort. Die Verschiedenheit der Ansichten ist in der
Mitte des Ausschusses nicht gering. Am weitesten nach der con-
servativen Seite geht unter den Verbesserungsanträgen der Gfrö-
rers und Genossen:

"Die bestehenden Fideicommisse, Majorate, Minorate bleiben
in Kraft. Den Gesetzgebungen der einzelnen Staaten ist das
Recht vorbehalten, die zu große Anhäufung des Besitzes von
Fideicommißgütern in einzelnen Familien durch Festsetzung eines
Maximums zu beschränken."

Die Abstimmung entscheidet sich zuerst über den Antrag
Moritz Mohls: "Die Familien=Fideicommisse sind aufzuhe-
ben. Die Art und Weise der Aufhebung bestimmt die Gesetzgebung
der einzelnen Staaten. Ueber die Familien=Fideicommisse der
regierenden fürstlichen Häuser bleiben die Bestimmungen den Lan-
desgesetzgebungen vorbehalten," der nur mit der geringen Majo-
rität von 199 gegen 193 Stimmen abgelehnt wird.

Angenommen wird dagegen mit 213 gegen 189 Stimmen
das fast gleichlautende Minderheitserachten des Verfassungsaus-
schusses, so daß der Paragraph -- mit Ausnahme des ausfallen-
den Zusatzes: "Gleiche Bestimmungen wie für Familienfideicom-
misse gelten für Stammgüter" -- ganz in der Fassung, die ihm
die erste Berathung gegeben hatte, auch heute aus der zweiten
Lesung hervorgeht:

§. 36. Die Familienfideicommisse sind aufzuheben. Die Art
und Bedingungen der Aufhebung bestimmt die Gesetzgebung der
einzelnen Staaten. Ueber die Familienfideicommisse der regieren-
den fürstlichen Häuser bleiben die Bestimmungen den Landesge-
setzgebungen vorbehalten.

Ueber alle die folgenden Paragraphen wird keine Debatte be-
liebt und sie gelangen in nachstehender Form zur Annahme:

§. 37. Aller Lehnsverband ist aufzuheben. Das Nähere über
die Art und Weise der Ausführung haben die Gesetzgebungen der
Einzelstaaten anzuordnen.

§. 38. Die Strafe der Vermögenseinziehung soll nicht statt-
finden.

Artikel IX. §. 39. Alle Gerichtsbarkeit geht vom Staate aus.
Es sollen keine Patrimonialgerichte bestehen.

§. 40. Die richterliche Gewalt wird selbstständig von den
Gerichten geübt. Cabinets= und Ministerialjustiz ist unstatthaft.
Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Aus-
nahmsgerichte sollen nie stattfinden.

§. 41. Es soll keinen privilegirten Gerichtsstand der Per-
sonen oder Güter geben. Die Militärgerichtsbarkeit ist auf die
Aburtheilung militärischer Verbrechen und Vergehen, sowie der
Militärdisciplinarvergehen beschränkt, vorbehaltlich der Be-
stimmungen für den Kriegsstand.

§. 42. Kein Richter darf, außer durch Urtheil und Recht,
von seinem Amte entfernt oder an Rang und Gehalt beeinträch-
tigt werden. Suspension darf nicht ohne gerichtlichen Beschluß
erfolgen. Kein Richter darf wider seinen Willen, außer durch
gerichtlichen Beschluß in den durch das Gesetz bestimmten Fällen
und Formen, zu einer andern Stelle versetzt oder in Ruhestand
gesetzt werden.

§. 43. Das Gerichtsverfahren soll öffentlich und mündlich
[Ende Spaltensatz]

Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 169. Donnerstag, den 21. December. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Verhandlungen der Nationalversammlung.
Vom 20. December.
Tagesordnung der 140. öffentlichen Sitzung.

Fortsetzung der Berathung über die Vorlage zur zweiten Lesung der
Grundrechte, und zwar über Artikel VIII. §. 35. und folgende.

Vorsitzender Wilhelm Beseler zeigt den mit Ende Decem-
bers erfolgenden Austritt des Abgeordneten Thinnes aus Eich-
städt an. Die gestern von den Abtheilungen erwählten Mitglieder
des Ausschusses zur Begutachtung der ministeriellen Vorlage in
Bezug auf die österreichischen Verhältnisse sind die Her-
ren v. Linde, Barth, Paur, Somaruga, Christmann, Rüder,
Giskra, Hildebrand, v. Buttel, M. Simon, Reitter, Venedey,
Rheinwald, Kirchgeßner, Makowiczka. Aus ihrer Mitte ist Herr
Kirchgeßner aus Würzburg zum ersten, Herr Hildebrand aus
Marburg zum zweiten Vorsitzenden und Herr Max Simon aus
Breslau zum Schriftführer bestimmt worden.

Die Berathung wendet sich sodann ohne Aufenthalt der
zweiten Lesung der Grundrechte zu. Unter den zu §. 35.
gestellten Verbesserungsanträgen ist der Försters aus Hünfeld:
„Aufgehoben ohne Entschädigung ist das Recht der wilden
Fischerei
in nicht schiffbaren Flüssen zwischen fremdem Grund-
eigenthume.“ Der Förster'sche Zusatz wird verworfen. Desglei-
chen ein Antrag v. Linde's, darauf, daß ein Reichsgesetz die
Ausübung der Jagd im Umfange der Reichsfestungen regele.
Hingegen wird unverändert die Fassung der Ausschußmehrheit
angenommen, nur mit der Anfügung des Schlußzusatzes von
Ziegert, wodurch die Bestellung des Jagdrechtes als eines ding-
lichen Rechtes an fremdem Grunde und Boden für immer ver-
wehrt wird. Der Paragraph lautet demnach, sowie er zum end-
giltigen Beschlusse erhoben ist:

§. 35. Jm Grundeigenthume liegt die Berechtigung zur Jagd
auf eigenem Grunde und Boden. Die Jagdgerechtigkeit auf frem-
dem Grunde und Boden, Jagddienste, Jagdfrohnden und andere
Leistungen für Jagdzwecke sind ohne Entschädigung aufgehoben.
Nur ablösbar jedoch ist die Jagdgerechtigkeit, welche erweislich
durch einen lästigen mit dem Eigenthümer des belasteten Grund-
stückes abgeschlossenen Vertrag erworben ist; über die Art und
Weise der Ablösung haben die Landesgesetzgebungen das Weitere
zu bestimmen. Die Ausübung des Jagdrechtes aus Gründen der
öffentlichen Sicherheit und des gemeinen Wohles zu ordnen, bleibt
der Landesgesetzgebung vorbehalten. Die Jagdgerechtigkeit auf
fremdem Grunde und Boden darf in Zukunft nicht wieder als
Grundgerechtigkeit bestellt werden.

§. 36. behandelt die Fideicommisse und auf die Discus-
sion darüber wird nicht verzichtet. Dem Bureau ist leider die
Liste der für den Paragraphen eingezeichneten Redner für den Au-
genblick abhanden gekommen, doch ist den Mitgliedern des Prä-
sidiums so viel erinnerlich, daß Herr Moritz Mohl in erster Li-
nie darauf stand. Von der lachenden Bewegung des Hauses un-
beirrt, die durch diese Mittheilung hervorgerufen wird, spricht
Moritz Mohl sein tiefes Bedauern darüber aus, daß die Fidei-
commisse nach dem Ausschußvorschlage für die großen Familien
wenigstens erhalten bleiben sollen.

v. Vincke: Die Grundrechte sollten doch wahrhaftig die
individuelle Freiheit erweitern, anstatt sie zu beschränken. Zu
dieser Freiheit aber gehört nothwendig das Recht der freien
Verfügung über das Vermögen. Also auch die Errichtung von
Fideicommissen müßte jedem Deutschen nachgelassen seyn und ge-
rade in dem besondern Vaterlande, welchem Herr Mohl ange-
hört — ich glaube er ist ein Schwabe ( Gelächter ) — spricht sich
nicht blos der Adel, sondern sprechen sich auch die Bauern leb-
haft für die Erhaltung der fideicommissarischen Rechte aus.

„Man hat sich, fährt der Redner fort, auf die nationalöko-
nomischen Vortheile berufen. Aber die Frage, ob große oder
kleine Güter der Nationalökonomie am zusagendsten sind, wird
einfach darauf hinauskommen, daß weder das Eine noch das
Andere unbedingt als richtig anzunehmen ist. Die Frage wird
vielmehr nach Verschiedenheit der Gegend, der Sitten und der
Bedürfnisse zu beantworten seyn. Wie in den Fabrikgegenden
die Zerspaltung der Güter sich empfiehlt — die es ist in meinem Wahl-
kreise selbst der Fall — so wird umgekehrt in den ackerbautrei-
benden Gegenden die Erhaltung des größern Grundeigenthumes,
[Spaltenumbruch] der Bodencultur und der allgemeinen Wohlfahrt förderlich seyn.“
Herr von Vincke führt diesen Gedanken, der bei der ersten Lesung
der Grundrechte keine Berücksichtigung gefunden, etwas näher
aus, worauf er weiter erklärt:

„Wenn ich aus Gründen der Zweckmäßigkeit, denn von an-
deren kann hier nicht die Rede seyn, die Familienfideicommisse
verwerfen will, wenn ich überhaupt nach Gründen suche, welche
für ihre Aufhebung sprechen sollen, so kann ich sie nur in dem
allgemeinen Streben der Zeit finden, alle Lebensverhältnisse mög-
lichst zu aplaniren. Aber ich glaube nicht, daß dieses Princip
dem Staate irgend eine Dauer, irgend eine Lebensfähigkeit ver-
spricht. Was werden sie erreichen? Sie werden für eine Art
des Besitzes der Gleichheit einigen Vorschub leisten. Sie werden
der Aristokratie in einer Gestalt entgegentreten. Allein in einer
andern Gestalt, die in neuerer Zeit weit bedenklicher, weit gefähr-
licher auftritt — denn die alte Aristokratie ist dahin, ist gesunken
— werden Sie die Aristokratie wieder hervorrufen, die Geld-
aristokratie,
die keine Heimath hat und keine Dauer besitzt.“

Nach Vincke's Rede wird Schluß der Debatte verlangt und
als Berichterstatter des Verfassungsausschusses ergreift Zell aus
Trier das Wort. Die Verschiedenheit der Ansichten ist in der
Mitte des Ausschusses nicht gering. Am weitesten nach der con-
servativen Seite geht unter den Verbesserungsanträgen der Gfrö-
rers und Genossen:

„Die bestehenden Fideicommisse, Majorate, Minorate bleiben
in Kraft. Den Gesetzgebungen der einzelnen Staaten ist das
Recht vorbehalten, die zu große Anhäufung des Besitzes von
Fideicommißgütern in einzelnen Familien durch Festsetzung eines
Maximums zu beschränken.“

Die Abstimmung entscheidet sich zuerst über den Antrag
Moritz Mohls: „Die Familien=Fideicommisse sind aufzuhe-
ben. Die Art und Weise der Aufhebung bestimmt die Gesetzgebung
der einzelnen Staaten. Ueber die Familien=Fideicommisse der
regierenden fürstlichen Häuser bleiben die Bestimmungen den Lan-
desgesetzgebungen vorbehalten,“ der nur mit der geringen Majo-
rität von 199 gegen 193 Stimmen abgelehnt wird.

Angenommen wird dagegen mit 213 gegen 189 Stimmen
das fast gleichlautende Minderheitserachten des Verfassungsaus-
schusses, so daß der Paragraph — mit Ausnahme des ausfallen-
den Zusatzes: „Gleiche Bestimmungen wie für Familienfideicom-
misse gelten für Stammgüter“ — ganz in der Fassung, die ihm
die erste Berathung gegeben hatte, auch heute aus der zweiten
Lesung hervorgeht:

§. 36. Die Familienfideicommisse sind aufzuheben. Die Art
und Bedingungen der Aufhebung bestimmt die Gesetzgebung der
einzelnen Staaten. Ueber die Familienfideicommisse der regieren-
den fürstlichen Häuser bleiben die Bestimmungen den Landesge-
setzgebungen vorbehalten.

Ueber alle die folgenden Paragraphen wird keine Debatte be-
liebt und sie gelangen in nachstehender Form zur Annahme:

§. 37. Aller Lehnsverband ist aufzuheben. Das Nähere über
die Art und Weise der Ausführung haben die Gesetzgebungen der
Einzelstaaten anzuordnen.

§. 38. Die Strafe der Vermögenseinziehung soll nicht statt-
finden.

Artikel IX. §. 39. Alle Gerichtsbarkeit geht vom Staate aus.
Es sollen keine Patrimonialgerichte bestehen.

§. 40. Die richterliche Gewalt wird selbstständig von den
Gerichten geübt. Cabinets= und Ministerialjustiz ist unstatthaft.
Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Aus-
nahmsgerichte sollen nie stattfinden.

§. 41. Es soll keinen privilegirten Gerichtsstand der Per-
sonen oder Güter geben. Die Militärgerichtsbarkeit ist auf die
Aburtheilung militärischer Verbrechen und Vergehen, sowie der
Militärdisciplinarvergehen beschränkt, vorbehaltlich der Be-
stimmungen für den Kriegsstand.

§. 42. Kein Richter darf, außer durch Urtheil und Recht,
von seinem Amte entfernt oder an Rang und Gehalt beeinträch-
tigt werden. Suspension darf nicht ohne gerichtlichen Beschluß
erfolgen. Kein Richter darf wider seinen Willen, außer durch
gerichtlichen Beschluß in den durch das Gesetz bestimmten Fällen
und Formen, zu einer andern Stelle versetzt oder in Ruhestand
gesetzt werden.

§. 43. Das Gerichtsverfahren soll öffentlich und mündlich
[Ende Spaltensatz]

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[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 169. Donnerstag, den 21. December. 1848. Verhandlungen der Nationalversammlung. Vom 20. December. Tagesordnung der 140. öffentlichen Sitzung. Fortsetzung der Berathung über die Vorlage zur zweiten Lesung der Grundrechte, und zwar über Artikel VIII. §. 35. und folgende. Vorsitzender Wilhelm Beseler zeigt den mit Ende Decem- bers erfolgenden Austritt des Abgeordneten Thinnes aus Eich- städt an. Die gestern von den Abtheilungen erwählten Mitglieder des Ausschusses zur Begutachtung der ministeriellen Vorlage in Bezug auf die österreichischen Verhältnisse sind die Her- ren v. Linde, Barth, Paur, Somaruga, Christmann, Rüder, Giskra, Hildebrand, v. Buttel, M. Simon, Reitter, Venedey, Rheinwald, Kirchgeßner, Makowiczka. Aus ihrer Mitte ist Herr Kirchgeßner aus Würzburg zum ersten, Herr Hildebrand aus Marburg zum zweiten Vorsitzenden und Herr Max Simon aus Breslau zum Schriftführer bestimmt worden. Die Berathung wendet sich sodann ohne Aufenthalt der zweiten Lesung der Grundrechte zu. Unter den zu §. 35. gestellten Verbesserungsanträgen ist der Försters aus Hünfeld: „Aufgehoben ohne Entschädigung ist das Recht der wilden Fischerei in nicht schiffbaren Flüssen zwischen fremdem Grund- eigenthume.“ Der Förster'sche Zusatz wird verworfen. Desglei- chen ein Antrag v. Linde's, darauf, daß ein Reichsgesetz die Ausübung der Jagd im Umfange der Reichsfestungen regele. Hingegen wird unverändert die Fassung der Ausschußmehrheit angenommen, nur mit der Anfügung des Schlußzusatzes von Ziegert, wodurch die Bestellung des Jagdrechtes als eines ding- lichen Rechtes an fremdem Grunde und Boden für immer ver- wehrt wird. Der Paragraph lautet demnach, sowie er zum end- giltigen Beschlusse erhoben ist: §. 35. Jm Grundeigenthume liegt die Berechtigung zur Jagd auf eigenem Grunde und Boden. Die Jagdgerechtigkeit auf frem- dem Grunde und Boden, Jagddienste, Jagdfrohnden und andere Leistungen für Jagdzwecke sind ohne Entschädigung aufgehoben. Nur ablösbar jedoch ist die Jagdgerechtigkeit, welche erweislich durch einen lästigen mit dem Eigenthümer des belasteten Grund- stückes abgeschlossenen Vertrag erworben ist; über die Art und Weise der Ablösung haben die Landesgesetzgebungen das Weitere zu bestimmen. Die Ausübung des Jagdrechtes aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und des gemeinen Wohles zu ordnen, bleibt der Landesgesetzgebung vorbehalten. Die Jagdgerechtigkeit auf fremdem Grunde und Boden darf in Zukunft nicht wieder als Grundgerechtigkeit bestellt werden. §. 36. behandelt die Fideicommisse und auf die Discus- sion darüber wird nicht verzichtet. Dem Bureau ist leider die Liste der für den Paragraphen eingezeichneten Redner für den Au- genblick abhanden gekommen, doch ist den Mitgliedern des Prä- sidiums so viel erinnerlich, daß Herr Moritz Mohl in erster Li- nie darauf stand. Von der lachenden Bewegung des Hauses un- beirrt, die durch diese Mittheilung hervorgerufen wird, spricht Moritz Mohl sein tiefes Bedauern darüber aus, daß die Fidei- commisse nach dem Ausschußvorschlage für die großen Familien wenigstens erhalten bleiben sollen. v. Vincke: Die Grundrechte sollten doch wahrhaftig die individuelle Freiheit erweitern, anstatt sie zu beschränken. Zu dieser Freiheit aber gehört nothwendig das Recht der freien Verfügung über das Vermögen. Also auch die Errichtung von Fideicommissen müßte jedem Deutschen nachgelassen seyn und ge- rade in dem besondern Vaterlande, welchem Herr Mohl ange- hört — ich glaube er ist ein Schwabe ( Gelächter ) — spricht sich nicht blos der Adel, sondern sprechen sich auch die Bauern leb- haft für die Erhaltung der fideicommissarischen Rechte aus. „Man hat sich, fährt der Redner fort, auf die nationalöko- nomischen Vortheile berufen. Aber die Frage, ob große oder kleine Güter der Nationalökonomie am zusagendsten sind, wird einfach darauf hinauskommen, daß weder das Eine noch das Andere unbedingt als richtig anzunehmen ist. Die Frage wird vielmehr nach Verschiedenheit der Gegend, der Sitten und der Bedürfnisse zu beantworten seyn. Wie in den Fabrikgegenden die Zerspaltung der Güter sich empfiehlt — die es ist in meinem Wahl- kreise selbst der Fall — so wird umgekehrt in den ackerbautrei- benden Gegenden die Erhaltung des größern Grundeigenthumes, der Bodencultur und der allgemeinen Wohlfahrt förderlich seyn.“ Herr von Vincke führt diesen Gedanken, der bei der ersten Lesung der Grundrechte keine Berücksichtigung gefunden, etwas näher aus, worauf er weiter erklärt: „Wenn ich aus Gründen der Zweckmäßigkeit, denn von an- deren kann hier nicht die Rede seyn, die Familienfideicommisse verwerfen will, wenn ich überhaupt nach Gründen suche, welche für ihre Aufhebung sprechen sollen, so kann ich sie nur in dem allgemeinen Streben der Zeit finden, alle Lebensverhältnisse mög- lichst zu aplaniren. Aber ich glaube nicht, daß dieses Princip dem Staate irgend eine Dauer, irgend eine Lebensfähigkeit ver- spricht. Was werden sie erreichen? Sie werden für eine Art des Besitzes der Gleichheit einigen Vorschub leisten. Sie werden der Aristokratie in einer Gestalt entgegentreten. Allein in einer andern Gestalt, die in neuerer Zeit weit bedenklicher, weit gefähr- licher auftritt — denn die alte Aristokratie ist dahin, ist gesunken — werden Sie die Aristokratie wieder hervorrufen, die Geld- aristokratie, die keine Heimath hat und keine Dauer besitzt.“ Nach Vincke's Rede wird Schluß der Debatte verlangt und als Berichterstatter des Verfassungsausschusses ergreift Zell aus Trier das Wort. Die Verschiedenheit der Ansichten ist in der Mitte des Ausschusses nicht gering. Am weitesten nach der con- servativen Seite geht unter den Verbesserungsanträgen der Gfrö- rers und Genossen: „Die bestehenden Fideicommisse, Majorate, Minorate bleiben in Kraft. Den Gesetzgebungen der einzelnen Staaten ist das Recht vorbehalten, die zu große Anhäufung des Besitzes von Fideicommißgütern in einzelnen Familien durch Festsetzung eines Maximums zu beschränken.“ Die Abstimmung entscheidet sich zuerst über den Antrag Moritz Mohls: „Die Familien=Fideicommisse sind aufzuhe- ben. Die Art und Weise der Aufhebung bestimmt die Gesetzgebung der einzelnen Staaten. Ueber die Familien=Fideicommisse der regierenden fürstlichen Häuser bleiben die Bestimmungen den Lan- desgesetzgebungen vorbehalten,“ der nur mit der geringen Majo- rität von 199 gegen 193 Stimmen abgelehnt wird. Angenommen wird dagegen mit 213 gegen 189 Stimmen das fast gleichlautende Minderheitserachten des Verfassungsaus- schusses, so daß der Paragraph — mit Ausnahme des ausfallen- den Zusatzes: „Gleiche Bestimmungen wie für Familienfideicom- misse gelten für Stammgüter“ — ganz in der Fassung, die ihm die erste Berathung gegeben hatte, auch heute aus der zweiten Lesung hervorgeht: §. 36. Die Familienfideicommisse sind aufzuheben. Die Art und Bedingungen der Aufhebung bestimmt die Gesetzgebung der einzelnen Staaten. Ueber die Familienfideicommisse der regieren- den fürstlichen Häuser bleiben die Bestimmungen den Landesge- setzgebungen vorbehalten. Ueber alle die folgenden Paragraphen wird keine Debatte be- liebt und sie gelangen in nachstehender Form zur Annahme: §. 37. Aller Lehnsverband ist aufzuheben. Das Nähere über die Art und Weise der Ausführung haben die Gesetzgebungen der Einzelstaaten anzuordnen. §. 38. Die Strafe der Vermögenseinziehung soll nicht statt- finden. Artikel IX. §. 39. Alle Gerichtsbarkeit geht vom Staate aus. Es sollen keine Patrimonialgerichte bestehen. §. 40. Die richterliche Gewalt wird selbstständig von den Gerichten geübt. Cabinets= und Ministerialjustiz ist unstatthaft. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Aus- nahmsgerichte sollen nie stattfinden. §. 41. Es soll keinen privilegirten Gerichtsstand der Per- sonen oder Güter geben. Die Militärgerichtsbarkeit ist auf die Aburtheilung militärischer Verbrechen und Vergehen, sowie der Militärdisciplinarvergehen beschränkt, vorbehaltlich der Be- stimmungen für den Kriegsstand. §. 42. Kein Richter darf, außer durch Urtheil und Recht, von seinem Amte entfernt oder an Rang und Gehalt beeinträch- tigt werden. Suspension darf nicht ohne gerichtlichen Beschluß erfolgen. Kein Richter darf wider seinen Willen, außer durch gerichtlichen Beschluß in den durch das Gesetz bestimmten Fällen und Formen, zu einer andern Stelle versetzt oder in Ruhestand gesetzt werden. §. 43. Das Gerichtsverfahren soll öffentlich und mündlich

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 169. Mainz, 20. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal169_1848/5>, abgerufen am 21.11.2024.