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Mainzer Journal. Nr. 45. Mainz, 30. Juli 1848.

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[Beginn Spaltensatz] die Grenzer zu schießen und daß sich Graf Bechtold deßhalb un-
verrichteter Sache zurückziehen mußte.

Berlin 24. Juli. ( Br. Z. ) Jn einer der nächsten Verein-
barungssitznngen, vielleicht schon künftigen Freitag, wird sich
die Regierung über ihr Verhältniß zu Deutschland aussprechen.
Sie wird sich zu Conzessionen herbeilassen, doch dürften diese
nicht so umfassender Art seyn, als es in Frankfurt gewünscht
wird. Unter anderen behält sich Preußen den selbst-
ständigen diplomatischen Verkehr mit dem Aus-
lande vor.
[ Was wird dann aber, abgesehen von den theuern
Kosten, aus der deutschen Einheit? ]

Von der polnischen Grenze 16. Juli. ( Schw. M. ) Wenn
man den Erzählungen der Ausreißer, die zuweilen -- jedoch ge-
genwärtig sehr selten -- zu uns herüberkommen, glauben darf, so
herrscht in der russischen Armee eine dumpfe Gährung, die
bei der ersten Gelegenheit auszubrechen droht, in dem Grade, daß,
wenn in Polen ein Aufstand möglich wäre, die Soldaten in Masse
übergehen würden. Jndeß scheint dieß nur von denen aus den
polnischen Landestheilen zu besorgen zu seyn. Die Ausreißer
müssen sich jedoch bei uns sehr verborgen halten, weil sie sonst die
Auslieferung zu fürchten hätten. -- Jm Großherzogthum Posen
glimmt das Feuer noch immer unter der Asche und es bedürfte
nur einer geringen Veranlassung, um es wieder in hellen Flam-
men emporschlagen zu sehen. Die Polen können sich durchaus
nicht daran gewöhnen, daß die von den Deutschen bewohnten
Districte ihres Landes zu Deutschland geschlagen werden sollen,
und so fern auch die Hoffnung auf ein wiederhergestelltes polni-
sches Reich liegt, so halten sie doch die Abtrennung jener Districte
für eine Beeinträchtigung desselben. -- Jn Galizien thut sich
noch überall große Unzufriedenheit kund, Stadt und Land, Adel
und Bauern, Volk und Regierung ist in Zwietracht, und nur die
feindselige Stimmung und die unbequeme Stellung der vielen
Parteien gegen einander hält den Ausbruch des offenen Kampfes
zurück. Wollte man den Nachrichten aus Krakau glauben, so
müßte dieser dennoch über kurz oder lang auf's Heftigste ausbre-
chen. Die Stellung der dortigen Behörden ist sehr schwierig, und
daraus lassen sich die mancherlei von ihnen begangenen Mißgriffe
erklären. -- Jm Königreich Polen, wo Hagel und Nässe viel
Schaden auf den Feldern angerichtet haben, steigen jetzt die Frucht-
preise. ( Ebenso in Oberschlesien. ) Das daselbst stehende Militär
wird durch fortwährende Märsche in Athem erhalten. Gewiß ist,
daß in diesem Augenblicke die in Polen stehende russische Armee
nicht halb so stark ist, wie sie die öffentlichen Nachrichten seither
angegeben haben.

Halle 24. Juli. ( O.=P.=A.=Z. ) Die Reaction ist bei uns sehr
thätig. Zunächst hat sich ein Preußenverein gebildet, welcher
zwar nur vorsichtig heraustritt mit seinen Absichten, aber zunächst
so viel erkennen läßt, daß er gegen die Einheit Deutschlands und
die Oberherrschaft des Reichsverwesers reagirt. -- Gestern hiel-
ten gegen 300 Mitglieder des Vereins "für König und Vater-
land " einen Congreß. Ganz Preußen war vertreten, die meisten
Mitglieder waren Adelige, die keine Steuergleichheit wollen,
Geistliche, welche der orthodoren Richtung angehören, und Crea-
tur en des gestürzten Ministeriums. Die Versammlung erklärte
sich offen gegen die Berliner Minister und die Berliner Stände-
kammer; ebenso faßte sie den Beschluß, einen Protest zu erlassen
gegen die Frankfurter Beschlüsse, da der Reichsverweser unter
den Fürsten stehen müsse und das Militärcommando nicht erhal-
ten dürfe. Jn Halle war darüber große Aufregung.

Darmstadt 28. Juli. So eben ist der den Ständen vorgelegte
Gesetzesentwurf wegen Aufhebung des privilegirten Gerichtsstan-
des erschienen. Die bisherigen Jagdberechtigungen in den beiden
diesseitigen Provinzen sind bereits aufgehoben; die Befugniß zur
Ausübung der Jagd geht auf die Grundeigenthümer über, und
die Grundeigenthümer einer Gemarkung können der Regel nach
die Jagd nur durch die Gemeinden ausüben.

Frankfurt 29. Juli. ( O. P. A. Z. ) Die "Deutsche Zeitung"
entwickelt in einem leitenden Artikel das Verhältniß der Reichs-
centralgewalt zu den Einzelregierungen.
Fassen wir
die etwas undeutlich ausgedrückten Gedanken der "Deutschen Zei-
tung " zusammen, so würden sie dahin führen, daß statt der ehe-
maligen siebenzehn Bundestagsgesandten nunmehr eine geringere
Zahl, etwa sieben, collegialisch zusammentreten und die Jnteressen
und Rechte ihrer Committenten gegenüber der Centralgewalt und
der Nationalversammlung geltend zu machen haben. Dieses Col-
legium würde seine Beschlüsse per majora fassen und als Mittel-
glied zwischen den einzelnen Bundesstaaten und der Centralgewalt
Deutschlands dienen. Wir wollen nicht näher erörtern, wie
schwankend und unbestimmt die Befugnisse dieses Collegiums nach
den eigenen Angaben der "Deutschen Zeitung" seyn würden. Da-
gegen müssen wir auf die Jnconsequenz hinweisen, die darin
liegen würde, wenn man den einzelnen Bundesstaaten in dem
[Spaltenumbruch] Augenblick, wo man ihnen die völkerrechtliche und handelspoli-
tische Vertretung im Allgemeinen entzieht, eine solche Vertretung
im Jnneren des Reiches bei der neu geschaffenen Centralgewalt
gestattete. Die in dem Artikel 14. des Gesetzes vom 28. Juni ge-
nannten Bevollmächtigten können unmöglich in dem Sinne der
Staatenbevollmächtigten genommen werden. Vielmehr sind dar-
unter wohl nichts anderes, als Regierungscommissäre zur Be-
sorgung besonderer Geschäfte genannt, wie deren bei der Central-
regierung sehr viele vorkommen werden. Jst letzteres der Fall,
so kann von einer collegialischen Berathung unter den gedachten
Bevollmächtigten überhaupt keine Rede seyn. Und wenn wir das
Verhältniß recht begreifen, so wird ihre Aufgabe hauptsächlich
darin bestehen, sich mit der Centralgewalt über die Regierungs-
und Hoheitsrechte, welche letztere nach dem Gesetze vom 28. Juni
fortan allein auszuüben hat, abzufinden, mithin zur Stärkung
und Kräftigung der Gesammtheit des Reichs, nicht aber zur Er-
haltung und Kräftigung der einzelnen Staaten thätig zu seyn.
Eine andere Theorie, die eine doppelte Einheit zuläßt -- einmal
die der Centralgewalt, die eine blos formelle seyn soll -- und
dann die der einzelnen Staaten, welche sonach die reelle seyn
würde, können wir uns nicht denken. Wir sind vielmehr logisch
gezwungen, die neue Centralgewalt für die reelle Einheit zu neh-
men, unter welche sich alle einzelnen Bundesstaaten zu beugen
und durch sie gleichmäßigen Schutz ihrer Rechte und Jnteressen
zu finden hätten. Wir schließen daher mit der Hoffnung, daß
weiteres Nachdenken die "Deutsche Zeitung" wieder auf die gleiche
Bahn mit uns führen und sie überzeugen werde, daß, wenn man
sich im Staatenleben zu einem Principe bekannt hat, man dem-
selben treu bleiben und die daraus fließenden Consequenzen aner-
kennen muß, sofern man überhaupt auf eine gedeihliche Wirksam-
keit Anspruch machen will.

# Vom Rheine 27. Juli. Wenn nicht alle Anzeichen trügen
und nicht etwa Ereignisse dazwischen treten, wie wir sie jetzt noch
kaum zu denken wagen, so wird wohl in Bälde in der Paulskirche
zu Frankfurt eine heiße Schlacht geschlagen. Stimmen aus
Bayern haben sich früher vernehmen lassen, welche Deutschland
beschwören wollten, zu den ernsten Fragen der Gegenwart nicht
auch noch die schwierigsten zu mischen, die der Confessionen. Es
war ein gewiß gut gemeinter Rath, der aber ebenso gewiß die
unabweisbaren Forderungen der Zeit nicht erkannt, oder von
allzu beschränktem Standpunkte aus betrachtet hatte. Hier frommt
kein Umgang nehmen. Es würde uns nur in größere, unab-
sehbare Verwickelungen stürzen. Die Principien sind endlich
in die Schranken getreten. Wer möchte vor dem ehrlichen
Kampfe zurückbeben? Zu solcher Geisterschlacht wird es also in kur-
zer Frist zu Frankfurt kommen, und wir sind überzeugt, daß die
Kirche trefflich dabei vertreten und vertheidigt werden wird.
Eines aber bleibt uns unbegreiflich, -- die ungestörte Ruhe,
mit welcher unser Episkopat, der unter sich so viele Männer
von glühender Begeisterung für die Freiheit der Kirche und
von apostolischer Entschiedenheit zählt, den Zeitläuften zusieht, als
ob er lediglich ein Schauspiel anzusehen hätte, welches Jn-
teresse erweckt, aber kein Mithandeln in Anspruch nimmt! Der
Polizeistaat ist zu Grabe getragen, der Staat ist von der
Kirche völlig losgetrennt. Das sind vollendete Thatsachen, wenn
man nach den Prinzipien schließt, welche heute unwidersprochene
Geltung haben und die Bureaukraten sammt all ihrem Pa-
pier "zu den Akten" verweisen. Warum aber läßt der Episkopat
die kirchlich Gesinnten in der Paulskirche sich zum Kampfe gleichsam
auf eigene Faust rüsten? Jst es nicht vielmehr Pflicht, sich an die
Spitze der Kämpfenden zu stellen? den Kampf zu leiten? Jst es
nicht Pflicht, das Volk über das, was in Frankfurt zur Sprache
kommen muß, aufzuklären, es allenthalben zur Kundgabe seiner
gerechten Forderungen auf religiösem Gebiete aufzufordern,
damit seine Vertreter zu Frankfurt erkennen, was es will
und verlangt? Freiheit der Kirche, Freiheit des Unterrichts
will es für sich, wie es die nämlichen Freiheiten für jeg-
liches Glaubensbekenntniß in Anspruch nimmt. Würde die-
ser Gesinnung des Volkes durch seine Hirten -- und sie ver-
möchten es allein -- ein einiger, großartiger Ausdruck durch
ganz Deutschland, -- solch ein Ruf, solch eine Ansprache an die
Nationalversammlung würde mehr wirken, als die glänzendsten
oratorischen Erfolge der tüchtigsten Abgeordneten je versprechen
können, -- solch eine Schilderhebung für die kostbarste der Frei-
heiten würde den Sieg im Voraus davon getragen haben. Eine
unerläßliche Vorbedingung dieses Wirkens unseres Episkopates
wäre allerdings das vorgängige Einverständniß -- ein Na-
tionalconcilium.
Jst es denn eine Unmöglichkeit, die Kir-
chenfürsten Deutschlands auf einige Tage an einem Bischofssitze
im Herzen des Reiches vereinigt zu sehen? Und selbst den un-
denkbaren Fall gesetzt, es bliebe der beabsichtigte Erfolg des
Unternehmens aus, lohnte es sich denn nicht schon in der Er-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] die Grenzer zu schießen und daß sich Graf Bechtold deßhalb un-
verrichteter Sache zurückziehen mußte.

Berlin 24. Juli. ( Br. Z. ) Jn einer der nächsten Verein-
barungssitznngen, vielleicht schon künftigen Freitag, wird sich
die Regierung über ihr Verhältniß zu Deutschland aussprechen.
Sie wird sich zu Conzessionen herbeilassen, doch dürften diese
nicht so umfassender Art seyn, als es in Frankfurt gewünscht
wird. Unter anderen behält sich Preußen den selbst-
ständigen diplomatischen Verkehr mit dem Aus-
lande vor.
[ Was wird dann aber, abgesehen von den theuern
Kosten, aus der deutschen Einheit? ]

Von der polnischen Grenze 16. Juli. ( Schw. M. ) Wenn
man den Erzählungen der Ausreißer, die zuweilen — jedoch ge-
genwärtig sehr selten — zu uns herüberkommen, glauben darf, so
herrscht in der russischen Armee eine dumpfe Gährung, die
bei der ersten Gelegenheit auszubrechen droht, in dem Grade, daß,
wenn in Polen ein Aufstand möglich wäre, die Soldaten in Masse
übergehen würden. Jndeß scheint dieß nur von denen aus den
polnischen Landestheilen zu besorgen zu seyn. Die Ausreißer
müssen sich jedoch bei uns sehr verborgen halten, weil sie sonst die
Auslieferung zu fürchten hätten. — Jm Großherzogthum Posen
glimmt das Feuer noch immer unter der Asche und es bedürfte
nur einer geringen Veranlassung, um es wieder in hellen Flam-
men emporschlagen zu sehen. Die Polen können sich durchaus
nicht daran gewöhnen, daß die von den Deutschen bewohnten
Districte ihres Landes zu Deutschland geschlagen werden sollen,
und so fern auch die Hoffnung auf ein wiederhergestelltes polni-
sches Reich liegt, so halten sie doch die Abtrennung jener Districte
für eine Beeinträchtigung desselben. — Jn Galizien thut sich
noch überall große Unzufriedenheit kund, Stadt und Land, Adel
und Bauern, Volk und Regierung ist in Zwietracht, und nur die
feindselige Stimmung und die unbequeme Stellung der vielen
Parteien gegen einander hält den Ausbruch des offenen Kampfes
zurück. Wollte man den Nachrichten aus Krakau glauben, so
müßte dieser dennoch über kurz oder lang auf's Heftigste ausbre-
chen. Die Stellung der dortigen Behörden ist sehr schwierig, und
daraus lassen sich die mancherlei von ihnen begangenen Mißgriffe
erklären. — Jm Königreich Polen, wo Hagel und Nässe viel
Schaden auf den Feldern angerichtet haben, steigen jetzt die Frucht-
preise. ( Ebenso in Oberschlesien. ) Das daselbst stehende Militär
wird durch fortwährende Märsche in Athem erhalten. Gewiß ist,
daß in diesem Augenblicke die in Polen stehende russische Armee
nicht halb so stark ist, wie sie die öffentlichen Nachrichten seither
angegeben haben.

Halle 24. Juli. ( O.=P.=A.=Z. ) Die Reaction ist bei uns sehr
thätig. Zunächst hat sich ein Preußenverein gebildet, welcher
zwar nur vorsichtig heraustritt mit seinen Absichten, aber zunächst
so viel erkennen läßt, daß er gegen die Einheit Deutschlands und
die Oberherrschaft des Reichsverwesers reagirt. — Gestern hiel-
ten gegen 300 Mitglieder des Vereins „für König und Vater-
land “ einen Congreß. Ganz Preußen war vertreten, die meisten
Mitglieder waren Adelige, die keine Steuergleichheit wollen,
Geistliche, welche der orthodoren Richtung angehören, und Crea-
tur en des gestürzten Ministeriums. Die Versammlung erklärte
sich offen gegen die Berliner Minister und die Berliner Stände-
kammer; ebenso faßte sie den Beschluß, einen Protest zu erlassen
gegen die Frankfurter Beschlüsse, da der Reichsverweser unter
den Fürsten stehen müsse und das Militärcommando nicht erhal-
ten dürfe. Jn Halle war darüber große Aufregung.

Darmstadt 28. Juli. So eben ist der den Ständen vorgelegte
Gesetzesentwurf wegen Aufhebung des privilegirten Gerichtsstan-
des erschienen. Die bisherigen Jagdberechtigungen in den beiden
diesseitigen Provinzen sind bereits aufgehoben; die Befugniß zur
Ausübung der Jagd geht auf die Grundeigenthümer über, und
die Grundeigenthümer einer Gemarkung können der Regel nach
die Jagd nur durch die Gemeinden ausüben.

Frankfurt 29. Juli. ( O. P. A. Z. ) Die „Deutsche Zeitung“
entwickelt in einem leitenden Artikel das Verhältniß der Reichs-
centralgewalt zu den Einzelregierungen.
Fassen wir
die etwas undeutlich ausgedrückten Gedanken der „Deutschen Zei-
tung “ zusammen, so würden sie dahin führen, daß statt der ehe-
maligen siebenzehn Bundestagsgesandten nunmehr eine geringere
Zahl, etwa sieben, collegialisch zusammentreten und die Jnteressen
und Rechte ihrer Committenten gegenüber der Centralgewalt und
der Nationalversammlung geltend zu machen haben. Dieses Col-
legium würde seine Beschlüsse per majora fassen und als Mittel-
glied zwischen den einzelnen Bundesstaaten und der Centralgewalt
Deutschlands dienen. Wir wollen nicht näher erörtern, wie
schwankend und unbestimmt die Befugnisse dieses Collegiums nach
den eigenen Angaben der „Deutschen Zeitung“ seyn würden. Da-
gegen müssen wir auf die Jnconsequenz hinweisen, die darin
liegen würde, wenn man den einzelnen Bundesstaaten in dem
[Spaltenumbruch] Augenblick, wo man ihnen die völkerrechtliche und handelspoli-
tische Vertretung im Allgemeinen entzieht, eine solche Vertretung
im Jnneren des Reiches bei der neu geschaffenen Centralgewalt
gestattete. Die in dem Artikel 14. des Gesetzes vom 28. Juni ge-
nannten Bevollmächtigten können unmöglich in dem Sinne der
Staatenbevollmächtigten genommen werden. Vielmehr sind dar-
unter wohl nichts anderes, als Regierungscommissäre zur Be-
sorgung besonderer Geschäfte genannt, wie deren bei der Central-
regierung sehr viele vorkommen werden. Jst letzteres der Fall,
so kann von einer collegialischen Berathung unter den gedachten
Bevollmächtigten überhaupt keine Rede seyn. Und wenn wir das
Verhältniß recht begreifen, so wird ihre Aufgabe hauptsächlich
darin bestehen, sich mit der Centralgewalt über die Regierungs-
und Hoheitsrechte, welche letztere nach dem Gesetze vom 28. Juni
fortan allein auszuüben hat, abzufinden, mithin zur Stärkung
und Kräftigung der Gesammtheit des Reichs, nicht aber zur Er-
haltung und Kräftigung der einzelnen Staaten thätig zu seyn.
Eine andere Theorie, die eine doppelte Einheit zuläßt — einmal
die der Centralgewalt, die eine blos formelle seyn soll — und
dann die der einzelnen Staaten, welche sonach die reelle seyn
würde, können wir uns nicht denken. Wir sind vielmehr logisch
gezwungen, die neue Centralgewalt für die reelle Einheit zu neh-
men, unter welche sich alle einzelnen Bundesstaaten zu beugen
und durch sie gleichmäßigen Schutz ihrer Rechte und Jnteressen
zu finden hätten. Wir schließen daher mit der Hoffnung, daß
weiteres Nachdenken die „Deutsche Zeitung“ wieder auf die gleiche
Bahn mit uns führen und sie überzeugen werde, daß, wenn man
sich im Staatenleben zu einem Principe bekannt hat, man dem-
selben treu bleiben und die daraus fließenden Consequenzen aner-
kennen muß, sofern man überhaupt auf eine gedeihliche Wirksam-
keit Anspruch machen will.

# Vom Rheine 27. Juli. Wenn nicht alle Anzeichen trügen
und nicht etwa Ereignisse dazwischen treten, wie wir sie jetzt noch
kaum zu denken wagen, so wird wohl in Bälde in der Paulskirche
zu Frankfurt eine heiße Schlacht geschlagen. Stimmen aus
Bayern haben sich früher vernehmen lassen, welche Deutschland
beschwören wollten, zu den ernsten Fragen der Gegenwart nicht
auch noch die schwierigsten zu mischen, die der Confessionen. Es
war ein gewiß gut gemeinter Rath, der aber ebenso gewiß die
unabweisbaren Forderungen der Zeit nicht erkannt, oder von
allzu beschränktem Standpunkte aus betrachtet hatte. Hier frommt
kein Umgang nehmen. Es würde uns nur in größere, unab-
sehbare Verwickelungen stürzen. Die Principien sind endlich
in die Schranken getreten. Wer möchte vor dem ehrlichen
Kampfe zurückbeben? Zu solcher Geisterschlacht wird es also in kur-
zer Frist zu Frankfurt kommen, und wir sind überzeugt, daß die
Kirche trefflich dabei vertreten und vertheidigt werden wird.
Eines aber bleibt uns unbegreiflich, — die ungestörte Ruhe,
mit welcher unser Episkopat, der unter sich so viele Männer
von glühender Begeisterung für die Freiheit der Kirche und
von apostolischer Entschiedenheit zählt, den Zeitläuften zusieht, als
ob er lediglich ein Schauspiel anzusehen hätte, welches Jn-
teresse erweckt, aber kein Mithandeln in Anspruch nimmt! Der
Polizeistaat ist zu Grabe getragen, der Staat ist von der
Kirche völlig losgetrennt. Das sind vollendete Thatsachen, wenn
man nach den Prinzipien schließt, welche heute unwidersprochene
Geltung haben und die Bureaukraten sammt all ihrem Pa-
pier „zu den Akten“ verweisen. Warum aber läßt der Episkopat
die kirchlich Gesinnten in der Paulskirche sich zum Kampfe gleichsam
auf eigene Faust rüsten? Jst es nicht vielmehr Pflicht, sich an die
Spitze der Kämpfenden zu stellen? den Kampf zu leiten? Jst es
nicht Pflicht, das Volk über das, was in Frankfurt zur Sprache
kommen muß, aufzuklären, es allenthalben zur Kundgabe seiner
gerechten Forderungen auf religiösem Gebiete aufzufordern,
damit seine Vertreter zu Frankfurt erkennen, was es will
und verlangt? Freiheit der Kirche, Freiheit des Unterrichts
will es für sich, wie es die nämlichen Freiheiten für jeg-
liches Glaubensbekenntniß in Anspruch nimmt. Würde die-
ser Gesinnung des Volkes durch seine Hirten — und sie ver-
möchten es allein — ein einiger, großartiger Ausdruck durch
ganz Deutschland, — solch ein Ruf, solch eine Ansprache an die
Nationalversammlung würde mehr wirken, als die glänzendsten
oratorischen Erfolge der tüchtigsten Abgeordneten je versprechen
können, — solch eine Schilderhebung für die kostbarste der Frei-
heiten würde den Sieg im Voraus davon getragen haben. Eine
unerläßliche Vorbedingung dieses Wirkens unseres Episkopates
wäre allerdings das vorgängige Einverständniß — ein Na-
tionalconcilium.
Jst es denn eine Unmöglichkeit, die Kir-
chenfürsten Deutschlands auf einige Tage an einem Bischofssitze
im Herzen des Reiches vereinigt zu sehen? Und selbst den un-
denkbaren Fall gesetzt, es bliebe der beabsichtigte Erfolg des
Unternehmens aus, lohnte es sich denn nicht schon in der Er-
[Ende Spaltensatz]

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[0003] die Grenzer zu schießen und daß sich Graf Bechtold deßhalb un- verrichteter Sache zurückziehen mußte. Berlin 24. Juli. ( Br. Z. ) Jn einer der nächsten Verein- barungssitznngen, vielleicht schon künftigen Freitag, wird sich die Regierung über ihr Verhältniß zu Deutschland aussprechen. Sie wird sich zu Conzessionen herbeilassen, doch dürften diese nicht so umfassender Art seyn, als es in Frankfurt gewünscht wird. Unter anderen behält sich Preußen den selbst- ständigen diplomatischen Verkehr mit dem Aus- lande vor. [ Was wird dann aber, abgesehen von den theuern Kosten, aus der deutschen Einheit? ] Von der polnischen Grenze 16. Juli. ( Schw. M. ) Wenn man den Erzählungen der Ausreißer, die zuweilen — jedoch ge- genwärtig sehr selten — zu uns herüberkommen, glauben darf, so herrscht in der russischen Armee eine dumpfe Gährung, die bei der ersten Gelegenheit auszubrechen droht, in dem Grade, daß, wenn in Polen ein Aufstand möglich wäre, die Soldaten in Masse übergehen würden. Jndeß scheint dieß nur von denen aus den polnischen Landestheilen zu besorgen zu seyn. Die Ausreißer müssen sich jedoch bei uns sehr verborgen halten, weil sie sonst die Auslieferung zu fürchten hätten. — Jm Großherzogthum Posen glimmt das Feuer noch immer unter der Asche und es bedürfte nur einer geringen Veranlassung, um es wieder in hellen Flam- men emporschlagen zu sehen. Die Polen können sich durchaus nicht daran gewöhnen, daß die von den Deutschen bewohnten Districte ihres Landes zu Deutschland geschlagen werden sollen, und so fern auch die Hoffnung auf ein wiederhergestelltes polni- sches Reich liegt, so halten sie doch die Abtrennung jener Districte für eine Beeinträchtigung desselben. — Jn Galizien thut sich noch überall große Unzufriedenheit kund, Stadt und Land, Adel und Bauern, Volk und Regierung ist in Zwietracht, und nur die feindselige Stimmung und die unbequeme Stellung der vielen Parteien gegen einander hält den Ausbruch des offenen Kampfes zurück. Wollte man den Nachrichten aus Krakau glauben, so müßte dieser dennoch über kurz oder lang auf's Heftigste ausbre- chen. Die Stellung der dortigen Behörden ist sehr schwierig, und daraus lassen sich die mancherlei von ihnen begangenen Mißgriffe erklären. — Jm Königreich Polen, wo Hagel und Nässe viel Schaden auf den Feldern angerichtet haben, steigen jetzt die Frucht- preise. ( Ebenso in Oberschlesien. ) Das daselbst stehende Militär wird durch fortwährende Märsche in Athem erhalten. Gewiß ist, daß in diesem Augenblicke die in Polen stehende russische Armee nicht halb so stark ist, wie sie die öffentlichen Nachrichten seither angegeben haben. Halle 24. Juli. ( O.=P.=A.=Z. ) Die Reaction ist bei uns sehr thätig. Zunächst hat sich ein Preußenverein gebildet, welcher zwar nur vorsichtig heraustritt mit seinen Absichten, aber zunächst so viel erkennen läßt, daß er gegen die Einheit Deutschlands und die Oberherrschaft des Reichsverwesers reagirt. — Gestern hiel- ten gegen 300 Mitglieder des Vereins „für König und Vater- land “ einen Congreß. Ganz Preußen war vertreten, die meisten Mitglieder waren Adelige, die keine Steuergleichheit wollen, Geistliche, welche der orthodoren Richtung angehören, und Crea- tur en des gestürzten Ministeriums. Die Versammlung erklärte sich offen gegen die Berliner Minister und die Berliner Stände- kammer; ebenso faßte sie den Beschluß, einen Protest zu erlassen gegen die Frankfurter Beschlüsse, da der Reichsverweser unter den Fürsten stehen müsse und das Militärcommando nicht erhal- ten dürfe. Jn Halle war darüber große Aufregung. Darmstadt 28. Juli. So eben ist der den Ständen vorgelegte Gesetzesentwurf wegen Aufhebung des privilegirten Gerichtsstan- des erschienen. Die bisherigen Jagdberechtigungen in den beiden diesseitigen Provinzen sind bereits aufgehoben; die Befugniß zur Ausübung der Jagd geht auf die Grundeigenthümer über, und die Grundeigenthümer einer Gemarkung können der Regel nach die Jagd nur durch die Gemeinden ausüben. Frankfurt 29. Juli. ( O. P. A. Z. ) Die „Deutsche Zeitung“ entwickelt in einem leitenden Artikel das Verhältniß der Reichs- centralgewalt zu den Einzelregierungen. Fassen wir die etwas undeutlich ausgedrückten Gedanken der „Deutschen Zei- tung “ zusammen, so würden sie dahin führen, daß statt der ehe- maligen siebenzehn Bundestagsgesandten nunmehr eine geringere Zahl, etwa sieben, collegialisch zusammentreten und die Jnteressen und Rechte ihrer Committenten gegenüber der Centralgewalt und der Nationalversammlung geltend zu machen haben. Dieses Col- legium würde seine Beschlüsse per majora fassen und als Mittel- glied zwischen den einzelnen Bundesstaaten und der Centralgewalt Deutschlands dienen. Wir wollen nicht näher erörtern, wie schwankend und unbestimmt die Befugnisse dieses Collegiums nach den eigenen Angaben der „Deutschen Zeitung“ seyn würden. Da- gegen müssen wir auf die Jnconsequenz hinweisen, die darin liegen würde, wenn man den einzelnen Bundesstaaten in dem Augenblick, wo man ihnen die völkerrechtliche und handelspoli- tische Vertretung im Allgemeinen entzieht, eine solche Vertretung im Jnneren des Reiches bei der neu geschaffenen Centralgewalt gestattete. Die in dem Artikel 14. des Gesetzes vom 28. Juni ge- nannten Bevollmächtigten können unmöglich in dem Sinne der Staatenbevollmächtigten genommen werden. Vielmehr sind dar- unter wohl nichts anderes, als Regierungscommissäre zur Be- sorgung besonderer Geschäfte genannt, wie deren bei der Central- regierung sehr viele vorkommen werden. Jst letzteres der Fall, so kann von einer collegialischen Berathung unter den gedachten Bevollmächtigten überhaupt keine Rede seyn. Und wenn wir das Verhältniß recht begreifen, so wird ihre Aufgabe hauptsächlich darin bestehen, sich mit der Centralgewalt über die Regierungs- und Hoheitsrechte, welche letztere nach dem Gesetze vom 28. Juni fortan allein auszuüben hat, abzufinden, mithin zur Stärkung und Kräftigung der Gesammtheit des Reichs, nicht aber zur Er- haltung und Kräftigung der einzelnen Staaten thätig zu seyn. Eine andere Theorie, die eine doppelte Einheit zuläßt — einmal die der Centralgewalt, die eine blos formelle seyn soll — und dann die der einzelnen Staaten, welche sonach die reelle seyn würde, können wir uns nicht denken. Wir sind vielmehr logisch gezwungen, die neue Centralgewalt für die reelle Einheit zu neh- men, unter welche sich alle einzelnen Bundesstaaten zu beugen und durch sie gleichmäßigen Schutz ihrer Rechte und Jnteressen zu finden hätten. Wir schließen daher mit der Hoffnung, daß weiteres Nachdenken die „Deutsche Zeitung“ wieder auf die gleiche Bahn mit uns führen und sie überzeugen werde, daß, wenn man sich im Staatenleben zu einem Principe bekannt hat, man dem- selben treu bleiben und die daraus fließenden Consequenzen aner- kennen muß, sofern man überhaupt auf eine gedeihliche Wirksam- keit Anspruch machen will. # Vom Rheine 27. Juli. Wenn nicht alle Anzeichen trügen und nicht etwa Ereignisse dazwischen treten, wie wir sie jetzt noch kaum zu denken wagen, so wird wohl in Bälde in der Paulskirche zu Frankfurt eine heiße Schlacht geschlagen. Stimmen aus Bayern haben sich früher vernehmen lassen, welche Deutschland beschwören wollten, zu den ernsten Fragen der Gegenwart nicht auch noch die schwierigsten zu mischen, die der Confessionen. Es war ein gewiß gut gemeinter Rath, der aber ebenso gewiß die unabweisbaren Forderungen der Zeit nicht erkannt, oder von allzu beschränktem Standpunkte aus betrachtet hatte. Hier frommt kein Umgang nehmen. Es würde uns nur in größere, unab- sehbare Verwickelungen stürzen. Die Principien sind endlich in die Schranken getreten. Wer möchte vor dem ehrlichen Kampfe zurückbeben? Zu solcher Geisterschlacht wird es also in kur- zer Frist zu Frankfurt kommen, und wir sind überzeugt, daß die Kirche trefflich dabei vertreten und vertheidigt werden wird. Eines aber bleibt uns unbegreiflich, — die ungestörte Ruhe, mit welcher unser Episkopat, der unter sich so viele Männer von glühender Begeisterung für die Freiheit der Kirche und von apostolischer Entschiedenheit zählt, den Zeitläuften zusieht, als ob er lediglich ein Schauspiel anzusehen hätte, welches Jn- teresse erweckt, aber kein Mithandeln in Anspruch nimmt! Der Polizeistaat ist zu Grabe getragen, der Staat ist von der Kirche völlig losgetrennt. Das sind vollendete Thatsachen, wenn man nach den Prinzipien schließt, welche heute unwidersprochene Geltung haben und die Bureaukraten sammt all ihrem Pa- pier „zu den Akten“ verweisen. Warum aber läßt der Episkopat die kirchlich Gesinnten in der Paulskirche sich zum Kampfe gleichsam auf eigene Faust rüsten? Jst es nicht vielmehr Pflicht, sich an die Spitze der Kämpfenden zu stellen? den Kampf zu leiten? Jst es nicht Pflicht, das Volk über das, was in Frankfurt zur Sprache kommen muß, aufzuklären, es allenthalben zur Kundgabe seiner gerechten Forderungen auf religiösem Gebiete aufzufordern, damit seine Vertreter zu Frankfurt erkennen, was es will und verlangt? Freiheit der Kirche, Freiheit des Unterrichts will es für sich, wie es die nämlichen Freiheiten für jeg- liches Glaubensbekenntniß in Anspruch nimmt. Würde die- ser Gesinnung des Volkes durch seine Hirten — und sie ver- möchten es allein — ein einiger, großartiger Ausdruck durch ganz Deutschland, — solch ein Ruf, solch eine Ansprache an die Nationalversammlung würde mehr wirken, als die glänzendsten oratorischen Erfolge der tüchtigsten Abgeordneten je versprechen können, — solch eine Schilderhebung für die kostbarste der Frei- heiten würde den Sieg im Voraus davon getragen haben. Eine unerläßliche Vorbedingung dieses Wirkens unseres Episkopates wäre allerdings das vorgängige Einverständniß — ein Na- tionalconcilium. Jst es denn eine Unmöglichkeit, die Kir- chenfürsten Deutschlands auf einige Tage an einem Bischofssitze im Herzen des Reiches vereinigt zu sehen? Und selbst den un- denkbaren Fall gesetzt, es bliebe der beabsichtigte Erfolg des Unternehmens aus, lohnte es sich denn nicht schon in der Er-

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Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 45. Mainz, 30. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal045_1848/3>, abgerufen am 06.06.2024.