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Mainzer Journal. Nr. 45. Mainz, 30. Juli 1848.

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[Beginn Spaltensatz] wägung, welche Förderung dem kirchlichen Sinne, welche Kräf-
tigung dem Bewußtsein der kirchlichen Einheit durch solch eine
Zusammenkunft werde, die das lebende Geschlecht leider nur noch
aus der Kirchengeschichte kennt? Oder will die Kirche dem
Staate jetzt noch Rechnung tragen? Glaubt sie sich verpflichtet,
abgefallene ungerechte Ketten freiwillig sich wieder anlegen zu
müssen, um so einer neuen, mit neuen Gefahren sie bedrohen-
den Zeit völlig wehrlos entgegen zu gehen? O, daß es doch
nimmermehr vergessen würde, wir bauen an einem neuen Ge-
bäude, das für Jahrhunderte unserem Geschlechte Schutz und
Sicherheit gewähren soll. Legen wir die Hände in den Schoos,
so sorgt nicht, es sind andere Bauleute da, die das Werk gerne
allein übernehmen, um es für sich allein wohnlich einzu-
richten. Wenn dann einst unsere Nachkommen in Tagen der
Noth bettelnd um Obdach vor dem neuen Hause stehen und höh-
nisch auf die Gasse gewiesen sind, werden sie dann in Sturm und
Wetter die Vorfahren segnen, die im alten, nun völlig einge-
stürzten Hause sich's so gar wohnlich gemacht hatten, und behag-
lich unter den Trümmern sich begraben ließen?

Jtalien.

Rom 19. Juli. ( N. C. ) Noch gestern Abend hat der Papst
einen Protest gegen die österreichische Jnvasion in
Ferrara und andere erlassen und den hiesigen Gesandten der aus-
wärtigen Höfe zugefertigt. Der Protest des Papstes lautet im
Wesentlichen: Nachdem Se. Heiligkeit inmitten des Kriegsge-
schreis und der kriegerischen Handlungen des ganzen vom Natio-
nalgeist entflammten Jtaliens, mit Hintansetzung weltlicher Rück-
sichten und Jnteressrn, betheuert, daß er den Krieg nicht wolle,
und einen Gesandten an den sardinischen und österreichischen Hof
abgeschickt, habe er sein Herz der Hoffnung des nahen Friedene
geöffnet. Aber heute habe er mit großem Befremden und tiefem
Schmerz von der durch die österreichischen Truppen verübten Ver-
letzung des päpstsichen Gebiets vernommen. ( Es werden nun
verschiedene Akte der Feindseligkeit, welche die österreichischen
Truppen begangen, aufgeführt. ) Wegen dieser offenkundigen
Rechtsverletzung habe Se. Heiligkeit bei dem österreichischen Hofe
einen Protest einzulegen und denselben allen übrigen Regierungen
mitzutheilen befohlen, wobei er sich weitere Beschlusse zum Schutze
der Unabhängigkeit der päpstlichen Staaten vorbehalte.

Frankreich.

* * * Paris 27. Juli. Die Kammer war gestern sehr voll-
zählig, da der Bericht von Thiers über die allerneuesten Fi-
nanzvorschläge Proudhons auf der Tagesordnung stand und
in der That -- die Kammer wurde nicht getäuscht, denn sie ver-
nahm eine höchst geistreiche, mitunter sehr sarkastisch gefärbte Apo-
logie des Eigenthumes, und Herr Thiers, der seit langer Zeit zum
erstenmal die Tribüne wieder betrat, wurde auch nicht getäuscht,
denn er feierte einen glänzenden Triumph. Doch vor allen Dingen,
wer ist Herr Proudhon? Herr Proudhon ist ein Volksmann
allerneuesten Schlages, der, während die Volksmänner der älteren
christlichen Zeit für das Volk wirklich handelten, es von ihrem
Eigenthume kleideten und speisten, am Krankenbette es pflegten,
bei ansteckenden Seuchen ihr Leben für es hingaben u. s. w., --
seine Liebe zum Volke dadurch beweist, daß er ihm, natürlich
ohne seine eigene Haut im Mindesten zu gefährden, die verrück-
testen Tollheiten in den Kopf setzt. Herr Proudhon hat z. B. die
sublime Wahrheit entdeckt, daß das Eigenthum so viel als
Diebstahl sey, und würde sich somit in der rothen Republik ganz
vortrefflich zum Präsidenten eines ökonomischen Ausschusses eig-
nen! Jn Deutschland nennt man, glaub' ich, diese Leute eben
Theilungscommissäre. Da sich indessen -- selbst in Frankreich
-- die Leute ihr Eigenthum immer noch nicht, weder gutwillig noch
mit Gewalt nehmen lassen, so ist auch Herr Proudhon in den letzten
Tagen auf den gescheidten Einfall gekommen den "gesetzlichen" Weg
zu betreten und hat der Nationalversammlung den Vorschlag ge-
macht: sie solle ein Gesetz erlassen, vermöge dessen alle Kapital=,
Mieth= und Pachtzinsen, auch die Zinsen von Staatspapieren, welche
die Eigenthümer seither bezogen, um ein Drittel vermindert werden
sollten, und zwar sollte die eine Hälfte dieses Drittels dem Staate,
die andere Hälfte dem glücklichen Schuldner, der auf diese Weise
plötzlich zum Steuereinnehmer gemacht wird, anheimfallen. Der
Staat, meint Herr Proudhon, würde auf diese Weise 1500 Mil-
lionen zur Ausflickung seiner alten Schäden, alle Lumpen
aber, welche Schulden haben, ebenfalls 1500 Millionen pro-
fitiren, so daß es sich also um nichts mehr und nichts weniger
handelt als um drei Milliarden, welche den wohlhabenden, schon
durch Steuern aller Art ausgesogenen Franzosen auf gute Weise
abgenommen werden sollten. Daß in einem Staate, wo der Begriff
des Eigenthums noch seine Gültigkeit hat, solche Narrheiten keinen
reien Curs haben können versteht sich von selbst und man braucht nicht
so geistreich zu seyn wie Thiers, um ihre Nichtigkeit darzuthun. Eigen-
[Spaltenumbruch] thümlich war ihm aber der finanzielle, ganz auf Zahlen beruhende
Nachweis -- wobei ihm wahrscheinlich sein Schwiegerpapa Dosne,
der ehemalige Receveur general, geholfen, -- daß der Staat mit
dieser "zum Schutze des Eigenthumes" von Herrn Proudhon er-
fundenen Operation keine Milliarden, sondern kaum 160 Millionen
profitiren würde. Der Staat könne also, wenn er durch einen
solchen Diebstahl nur 160 Millionen in die Hände bekomme,
keine 300 Millionen von Steuern abschaffen, wie der edle Herr
Proudhon dem armen Volke vorgespiegelt hatte. Der Berg war
über diese Deduction ganz wüthend, sie lachten und schrieen und
als sich Thiers durch nichts aus seiner Kaltblütigkeit bringen ließ,
riefen sie ihm zu: "Kleiner Bonaparte! Kleiner Bonaparte!"
Auch Herr Proudhon war ganz zerknirscht, er sagte, die Schrift
von Thiers sey kein Bericht, sondern ein Anklageact, eine De-
nunciation ( die bekannte Hinterthüre aller Schwachköpfe! ) und
erbot sich bis zum Samstag Explicationen zu geben. Am Schlusse
der Sitzung stand die weitere Berathung des Gesetzes über die
Clubbs auf der Tagesordnung. Allein die Kammer konnte sich über
die Fassung des Art. 13. wieder nicht vereinigen und der Artikel
ward zum zweitenmale an die Commission zurückverwiesen.

Die schon ziemlich matt gewordenen Julifeste werden dieses
Jahr nicht gefeiert. Dafür lassen die Julidecorirten ein Todten-
amt in der Paulskirche halten und die Behörde hat ihre Einwil-
ligung dazu gegeben.

Von den Jndividuen, welche vor einiger Zeit das Stations-
haus von St. Denis niedergebrannt und sonst auf der Nordbahn
übel gehaus't hatten, sind zwei zu lebenslänglicher Zwangsarbeit,
die übrigen zu Zuchthausstrafe von 5 -- 7 Jahren verurtheilt
worden.

Die Bank wird sich bei dem neuen Anleihen mit 25 Millionen
betheiligen. Man betrachtet dies allgemein als ein gutes Zeichen
und hofft, daß die großen Capitalisten diesem Beispiele folgen
werden.

Die seltenste französische Geldsorte sind eben die Centimes und
der Kleinhandel erleidet dadurch bedeutende Störungen, die armen
Leute großen Schaden. Die Republik wird deßhalb aufgefordert
doch wenigens Pfennige schlagen zu lassen.

Börse vom 26. Juli. An der heutigen Börse gingen
sämmtliche Effecten bedeutend zurück und fielen die 5% Renten
gegen gestern um Frs. 2. 50 nämlich auf Frs. 73, die 3% um
Frs. 1. 75 auf Frs. 45. 25. Bankactien 1620, also Frs. 50
niedriger als gestern. -- Orleans 672. 50. Rouen 455. Havre
221. 25. Marseille 235. Nordbahn 375. Lyon 345. Strasburg
355. Tours 335. Strasburg=Basel 97. 50.

Großbritannien.

London 26. Juli. Jn Liverpool wurden mehrere Verhaf un-
gen vorgenommen. Die Repealer haben, wie es scheint, 50
Clubs zu je hundert Mann gebildet. Jedes Mitglied bezahlt
wöchentlich einen Shilling; aus dem Ertrage werden Feuer-
waffen angeschafft. Die Absicht ist, in Liverpool, Glasgow und
an anderen Puncten Unruhen zu erregen, um die Truppen zu
beschäftigen und zu verhindern, daß sie nach Jrland geschafft
werden. Man trifft in Liverpool alle mögliche Vorkehrungen.
Gegen zwanzigtausend Bürger haben sich als Constabler vereidi-
gen lassen. Jn Manchester hielten die Clubs eine kriegerische
Musterung und brachten "der Sache" ein dreimaliges Hoch.

Dublin war bis gestern ruhig, doch führen die Clubs die
drohendste Sprache. Viele Mitglieder fühlen sich offenbar schon
zu sehr betheiligt und sehen in dem Falle der Führer ihren eigenen
voraus. Deßhalb drohen sie, daß deren Verhaftung ferner nicht
ohne Blutvergießen und Barricaden vorgenommen werden soll.
Der angesehenste unter diesen ist O'Brien, der künftige "König von
Munster," gegen welchen der Verhaftbefehl schon ergangen ist.
Sobald die neue Parlamentsacte ankommt, sind zahlreiche Ver-
haftungen von Verdächtigen zu gewärtigen. Jn den Provinzen
geht die Vewaffnung fort. Namentlich ist Waterford ( im Süden an
der Mündung des Suir ) , trotz des Kriegsschiffes auf dem Flusse
und der in Eilmärschen dorthin abgeordneten Truppen, in der be-
denklichsten Aufregung. Ein Reisender, der heute hier ankam,
sagte ganz Tipperary sey ein Riesenclub. Der katholische Bischof
von Leighlin, Dr. Hely, geht durch sein Stift, indem er die Ge-
meinden zum Frieden auffordert. Sie möchten ihre Waffen und
Kriegsvorräthe ausliefern und nicht die Thorheit begehen, sich mit
einem der kampfgerüsteten Heere der Welt in einem so ungleichen
Kampf einzulassen. Allein seine Ermahnungen wurden von dem
Landvolke in Kildare, Carlow und der Königin=Grafschaft ver-
lacht. Auch J. O'Connell hat noch einmal einen Aufruf zum
Frieden ergehen lassen, allein seine schwache Stimme verhallt in
dem über Jrland brausenden Sturme. Darin stimmen alle Par-
teien überein, daß, wenn in vierzehn Tagen kein Aufstand erfolgt,
sobald von einer Revolution nicht wieder die Rede seyn wird.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. -- Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. -- Druck von Florian Kupferberg.

[Beginn Spaltensatz] wägung, welche Förderung dem kirchlichen Sinne, welche Kräf-
tigung dem Bewußtsein der kirchlichen Einheit durch solch eine
Zusammenkunft werde, die das lebende Geschlecht leider nur noch
aus der Kirchengeschichte kennt? Oder will die Kirche dem
Staate jetzt noch Rechnung tragen? Glaubt sie sich verpflichtet,
abgefallene ungerechte Ketten freiwillig sich wieder anlegen zu
müssen, um so einer neuen, mit neuen Gefahren sie bedrohen-
den Zeit völlig wehrlos entgegen zu gehen? O, daß es doch
nimmermehr vergessen würde, wir bauen an einem neuen Ge-
bäude, das für Jahrhunderte unserem Geschlechte Schutz und
Sicherheit gewähren soll. Legen wir die Hände in den Schoos,
so sorgt nicht, es sind andere Bauleute da, die das Werk gerne
allein übernehmen, um es für sich allein wohnlich einzu-
richten. Wenn dann einst unsere Nachkommen in Tagen der
Noth bettelnd um Obdach vor dem neuen Hause stehen und höh-
nisch auf die Gasse gewiesen sind, werden sie dann in Sturm und
Wetter die Vorfahren segnen, die im alten, nun völlig einge-
stürzten Hause sich's so gar wohnlich gemacht hatten, und behag-
lich unter den Trümmern sich begraben ließen?

Jtalien.

Rom 19. Juli. ( N. C. ) Noch gestern Abend hat der Papst
einen Protest gegen die österreichische Jnvasion in
Ferrara und andere erlassen und den hiesigen Gesandten der aus-
wärtigen Höfe zugefertigt. Der Protest des Papstes lautet im
Wesentlichen: Nachdem Se. Heiligkeit inmitten des Kriegsge-
schreis und der kriegerischen Handlungen des ganzen vom Natio-
nalgeist entflammten Jtaliens, mit Hintansetzung weltlicher Rück-
sichten und Jnteressrn, betheuert, daß er den Krieg nicht wolle,
und einen Gesandten an den sardinischen und österreichischen Hof
abgeschickt, habe er sein Herz der Hoffnung des nahen Friedene
geöffnet. Aber heute habe er mit großem Befremden und tiefem
Schmerz von der durch die österreichischen Truppen verübten Ver-
letzung des päpstsichen Gebiets vernommen. ( Es werden nun
verschiedene Akte der Feindseligkeit, welche die österreichischen
Truppen begangen, aufgeführt. ) Wegen dieser offenkundigen
Rechtsverletzung habe Se. Heiligkeit bei dem österreichischen Hofe
einen Protest einzulegen und denselben allen übrigen Regierungen
mitzutheilen befohlen, wobei er sich weitere Beschlusse zum Schutze
der Unabhängigkeit der päpstlichen Staaten vorbehalte.

Frankreich.

* * * Paris 27. Juli. Die Kammer war gestern sehr voll-
zählig, da der Bericht von Thiers über die allerneuesten Fi-
nanzvorschläge Proudhons auf der Tagesordnung stand und
in der That — die Kammer wurde nicht getäuscht, denn sie ver-
nahm eine höchst geistreiche, mitunter sehr sarkastisch gefärbte Apo-
logie des Eigenthumes, und Herr Thiers, der seit langer Zeit zum
erstenmal die Tribüne wieder betrat, wurde auch nicht getäuscht,
denn er feierte einen glänzenden Triumph. Doch vor allen Dingen,
wer ist Herr Proudhon? Herr Proudhon ist ein Volksmann
allerneuesten Schlages, der, während die Volksmänner der älteren
christlichen Zeit für das Volk wirklich handelten, es von ihrem
Eigenthume kleideten und speisten, am Krankenbette es pflegten,
bei ansteckenden Seuchen ihr Leben für es hingaben u. s. w., —
seine Liebe zum Volke dadurch beweist, daß er ihm, natürlich
ohne seine eigene Haut im Mindesten zu gefährden, die verrück-
testen Tollheiten in den Kopf setzt. Herr Proudhon hat z. B. die
sublime Wahrheit entdeckt, daß das Eigenthum so viel als
Diebstahl sey, und würde sich somit in der rothen Republik ganz
vortrefflich zum Präsidenten eines ökonomischen Ausschusses eig-
nen! Jn Deutschland nennt man, glaub' ich, diese Leute eben
Theilungscommissäre. Da sich indessen — selbst in Frankreich
— die Leute ihr Eigenthum immer noch nicht, weder gutwillig noch
mit Gewalt nehmen lassen, so ist auch Herr Proudhon in den letzten
Tagen auf den gescheidten Einfall gekommen den „gesetzlichen“ Weg
zu betreten und hat der Nationalversammlung den Vorschlag ge-
macht: sie solle ein Gesetz erlassen, vermöge dessen alle Kapital=,
Mieth= und Pachtzinsen, auch die Zinsen von Staatspapieren, welche
die Eigenthümer seither bezogen, um ein Drittel vermindert werden
sollten, und zwar sollte die eine Hälfte dieses Drittels dem Staate,
die andere Hälfte dem glücklichen Schuldner, der auf diese Weise
plötzlich zum Steuereinnehmer gemacht wird, anheimfallen. Der
Staat, meint Herr Proudhon, würde auf diese Weise 1500 Mil-
lionen zur Ausflickung seiner alten Schäden, alle Lumpen
aber, welche Schulden haben, ebenfalls 1500 Millionen pro-
fitiren, so daß es sich also um nichts mehr und nichts weniger
handelt als um drei Milliarden, welche den wohlhabenden, schon
durch Steuern aller Art ausgesogenen Franzosen auf gute Weise
abgenommen werden sollten. Daß in einem Staate, wo der Begriff
des Eigenthums noch seine Gültigkeit hat, solche Narrheiten keinen
reien Curs haben können versteht sich von selbst und man braucht nicht
so geistreich zu seyn wie Thiers, um ihre Nichtigkeit darzuthun. Eigen-
[Spaltenumbruch] thümlich war ihm aber der finanzielle, ganz auf Zahlen beruhende
Nachweis — wobei ihm wahrscheinlich sein Schwiegerpapa Dosne,
der ehemalige Receveur general, geholfen, — daß der Staat mit
dieser „zum Schutze des Eigenthumes“ von Herrn Proudhon er-
fundenen Operation keine Milliarden, sondern kaum 160 Millionen
profitiren würde. Der Staat könne also, wenn er durch einen
solchen Diebstahl nur 160 Millionen in die Hände bekomme,
keine 300 Millionen von Steuern abschaffen, wie der edle Herr
Proudhon dem armen Volke vorgespiegelt hatte. Der Berg war
über diese Deduction ganz wüthend, sie lachten und schrieen und
als sich Thiers durch nichts aus seiner Kaltblütigkeit bringen ließ,
riefen sie ihm zu: „Kleiner Bonaparte! Kleiner Bonaparte!“
Auch Herr Proudhon war ganz zerknirscht, er sagte, die Schrift
von Thiers sey kein Bericht, sondern ein Anklageact, eine De-
nunciation ( die bekannte Hinterthüre aller Schwachköpfe! ) und
erbot sich bis zum Samstag Explicationen zu geben. Am Schlusse
der Sitzung stand die weitere Berathung des Gesetzes über die
Clubbs auf der Tagesordnung. Allein die Kammer konnte sich über
die Fassung des Art. 13. wieder nicht vereinigen und der Artikel
ward zum zweitenmale an die Commission zurückverwiesen.

Die schon ziemlich matt gewordenen Julifeste werden dieses
Jahr nicht gefeiert. Dafür lassen die Julidecorirten ein Todten-
amt in der Paulskirche halten und die Behörde hat ihre Einwil-
ligung dazu gegeben.

Von den Jndividuen, welche vor einiger Zeit das Stations-
haus von St. Denis niedergebrannt und sonst auf der Nordbahn
übel gehaus't hatten, sind zwei zu lebenslänglicher Zwangsarbeit,
die übrigen zu Zuchthausstrafe von 5 — 7 Jahren verurtheilt
worden.

Die Bank wird sich bei dem neuen Anleihen mit 25 Millionen
betheiligen. Man betrachtet dies allgemein als ein gutes Zeichen
und hofft, daß die großen Capitalisten diesem Beispiele folgen
werden.

Die seltenste französische Geldsorte sind eben die Centimes und
der Kleinhandel erleidet dadurch bedeutende Störungen, die armen
Leute großen Schaden. Die Republik wird deßhalb aufgefordert
doch wenigens Pfennige schlagen zu lassen.

Börse vom 26. Juli. An der heutigen Börse gingen
sämmtliche Effecten bedeutend zurück und fielen die 5% Renten
gegen gestern um Frs. 2. 50 nämlich auf Frs. 73, die 3% um
Frs. 1. 75 auf Frs. 45. 25. Bankactien 1620, also Frs. 50
niedriger als gestern. — Orleans 672. 50. Rouen 455. Havre
221. 25. Marseille 235. Nordbahn 375. Lyon 345. Strasburg
355. Tours 335. Strasburg=Basel 97. 50.

Großbritannien.

London 26. Juli. Jn Liverpool wurden mehrere Verhaf un-
gen vorgenommen. Die Repealer haben, wie es scheint, 50
Clubs zu je hundert Mann gebildet. Jedes Mitglied bezahlt
wöchentlich einen Shilling; aus dem Ertrage werden Feuer-
waffen angeschafft. Die Absicht ist, in Liverpool, Glasgow und
an anderen Puncten Unruhen zu erregen, um die Truppen zu
beschäftigen und zu verhindern, daß sie nach Jrland geschafft
werden. Man trifft in Liverpool alle mögliche Vorkehrungen.
Gegen zwanzigtausend Bürger haben sich als Constabler vereidi-
gen lassen. Jn Manchester hielten die Clubs eine kriegerische
Musterung und brachten „der Sache“ ein dreimaliges Hoch.

Dublin war bis gestern ruhig, doch führen die Clubs die
drohendste Sprache. Viele Mitglieder fühlen sich offenbar schon
zu sehr betheiligt und sehen in dem Falle der Führer ihren eigenen
voraus. Deßhalb drohen sie, daß deren Verhaftung ferner nicht
ohne Blutvergießen und Barricaden vorgenommen werden soll.
Der angesehenste unter diesen ist O'Brien, der künftige „König von
Munster,“ gegen welchen der Verhaftbefehl schon ergangen ist.
Sobald die neue Parlamentsacte ankommt, sind zahlreiche Ver-
haftungen von Verdächtigen zu gewärtigen. Jn den Provinzen
geht die Vewaffnung fort. Namentlich ist Waterford ( im Süden an
der Mündung des Suir ) , trotz des Kriegsschiffes auf dem Flusse
und der in Eilmärschen dorthin abgeordneten Truppen, in der be-
denklichsten Aufregung. Ein Reisender, der heute hier ankam,
sagte ganz Tipperary sey ein Riesenclub. Der katholische Bischof
von Leighlin, Dr. Hely, geht durch sein Stift, indem er die Ge-
meinden zum Frieden auffordert. Sie möchten ihre Waffen und
Kriegsvorräthe ausliefern und nicht die Thorheit begehen, sich mit
einem der kampfgerüsteten Heere der Welt in einem so ungleichen
Kampf einzulassen. Allein seine Ermahnungen wurden von dem
Landvolke in Kildare, Carlow und der Königin=Grafschaft ver-
lacht. Auch J. O'Connell hat noch einmal einen Aufruf zum
Frieden ergehen lassen, allein seine schwache Stimme verhallt in
dem über Jrland brausenden Sturme. Darin stimmen alle Par-
teien überein, daß, wenn in vierzehn Tagen kein Aufstand erfolgt,
sobald von einer Revolution nicht wieder die Rede seyn wird.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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[0004] wägung, welche Förderung dem kirchlichen Sinne, welche Kräf- tigung dem Bewußtsein der kirchlichen Einheit durch solch eine Zusammenkunft werde, die das lebende Geschlecht leider nur noch aus der Kirchengeschichte kennt? Oder will die Kirche dem Staate jetzt noch Rechnung tragen? Glaubt sie sich verpflichtet, abgefallene ungerechte Ketten freiwillig sich wieder anlegen zu müssen, um so einer neuen, mit neuen Gefahren sie bedrohen- den Zeit völlig wehrlos entgegen zu gehen? O, daß es doch nimmermehr vergessen würde, wir bauen an einem neuen Ge- bäude, das für Jahrhunderte unserem Geschlechte Schutz und Sicherheit gewähren soll. Legen wir die Hände in den Schoos, so sorgt nicht, es sind andere Bauleute da, die das Werk gerne allein übernehmen, um es für sich allein wohnlich einzu- richten. Wenn dann einst unsere Nachkommen in Tagen der Noth bettelnd um Obdach vor dem neuen Hause stehen und höh- nisch auf die Gasse gewiesen sind, werden sie dann in Sturm und Wetter die Vorfahren segnen, die im alten, nun völlig einge- stürzten Hause sich's so gar wohnlich gemacht hatten, und behag- lich unter den Trümmern sich begraben ließen? Jtalien. Rom 19. Juli. ( N. C. ) Noch gestern Abend hat der Papst einen Protest gegen die österreichische Jnvasion in Ferrara und andere erlassen und den hiesigen Gesandten der aus- wärtigen Höfe zugefertigt. Der Protest des Papstes lautet im Wesentlichen: Nachdem Se. Heiligkeit inmitten des Kriegsge- schreis und der kriegerischen Handlungen des ganzen vom Natio- nalgeist entflammten Jtaliens, mit Hintansetzung weltlicher Rück- sichten und Jnteressrn, betheuert, daß er den Krieg nicht wolle, und einen Gesandten an den sardinischen und österreichischen Hof abgeschickt, habe er sein Herz der Hoffnung des nahen Friedene geöffnet. Aber heute habe er mit großem Befremden und tiefem Schmerz von der durch die österreichischen Truppen verübten Ver- letzung des päpstsichen Gebiets vernommen. ( Es werden nun verschiedene Akte der Feindseligkeit, welche die österreichischen Truppen begangen, aufgeführt. ) Wegen dieser offenkundigen Rechtsverletzung habe Se. Heiligkeit bei dem österreichischen Hofe einen Protest einzulegen und denselben allen übrigen Regierungen mitzutheilen befohlen, wobei er sich weitere Beschlusse zum Schutze der Unabhängigkeit der päpstlichen Staaten vorbehalte. Frankreich. * * * Paris 27. Juli. Die Kammer war gestern sehr voll- zählig, da der Bericht von Thiers über die allerneuesten Fi- nanzvorschläge Proudhons auf der Tagesordnung stand und in der That — die Kammer wurde nicht getäuscht, denn sie ver- nahm eine höchst geistreiche, mitunter sehr sarkastisch gefärbte Apo- logie des Eigenthumes, und Herr Thiers, der seit langer Zeit zum erstenmal die Tribüne wieder betrat, wurde auch nicht getäuscht, denn er feierte einen glänzenden Triumph. Doch vor allen Dingen, wer ist Herr Proudhon? Herr Proudhon ist ein Volksmann allerneuesten Schlages, der, während die Volksmänner der älteren christlichen Zeit für das Volk wirklich handelten, es von ihrem Eigenthume kleideten und speisten, am Krankenbette es pflegten, bei ansteckenden Seuchen ihr Leben für es hingaben u. s. w., — seine Liebe zum Volke dadurch beweist, daß er ihm, natürlich ohne seine eigene Haut im Mindesten zu gefährden, die verrück- testen Tollheiten in den Kopf setzt. Herr Proudhon hat z. B. die sublime Wahrheit entdeckt, daß das Eigenthum so viel als Diebstahl sey, und würde sich somit in der rothen Republik ganz vortrefflich zum Präsidenten eines ökonomischen Ausschusses eig- nen! Jn Deutschland nennt man, glaub' ich, diese Leute eben Theilungscommissäre. Da sich indessen — selbst in Frankreich — die Leute ihr Eigenthum immer noch nicht, weder gutwillig noch mit Gewalt nehmen lassen, so ist auch Herr Proudhon in den letzten Tagen auf den gescheidten Einfall gekommen den „gesetzlichen“ Weg zu betreten und hat der Nationalversammlung den Vorschlag ge- macht: sie solle ein Gesetz erlassen, vermöge dessen alle Kapital=, Mieth= und Pachtzinsen, auch die Zinsen von Staatspapieren, welche die Eigenthümer seither bezogen, um ein Drittel vermindert werden sollten, und zwar sollte die eine Hälfte dieses Drittels dem Staate, die andere Hälfte dem glücklichen Schuldner, der auf diese Weise plötzlich zum Steuereinnehmer gemacht wird, anheimfallen. Der Staat, meint Herr Proudhon, würde auf diese Weise 1500 Mil- lionen zur Ausflickung seiner alten Schäden, alle Lumpen aber, welche Schulden haben, ebenfalls 1500 Millionen pro- fitiren, so daß es sich also um nichts mehr und nichts weniger handelt als um drei Milliarden, welche den wohlhabenden, schon durch Steuern aller Art ausgesogenen Franzosen auf gute Weise abgenommen werden sollten. Daß in einem Staate, wo der Begriff des Eigenthums noch seine Gültigkeit hat, solche Narrheiten keinen reien Curs haben können versteht sich von selbst und man braucht nicht so geistreich zu seyn wie Thiers, um ihre Nichtigkeit darzuthun. Eigen- thümlich war ihm aber der finanzielle, ganz auf Zahlen beruhende Nachweis — wobei ihm wahrscheinlich sein Schwiegerpapa Dosne, der ehemalige Receveur general, geholfen, — daß der Staat mit dieser „zum Schutze des Eigenthumes“ von Herrn Proudhon er- fundenen Operation keine Milliarden, sondern kaum 160 Millionen profitiren würde. Der Staat könne also, wenn er durch einen solchen Diebstahl nur 160 Millionen in die Hände bekomme, keine 300 Millionen von Steuern abschaffen, wie der edle Herr Proudhon dem armen Volke vorgespiegelt hatte. Der Berg war über diese Deduction ganz wüthend, sie lachten und schrieen und als sich Thiers durch nichts aus seiner Kaltblütigkeit bringen ließ, riefen sie ihm zu: „Kleiner Bonaparte! Kleiner Bonaparte!“ Auch Herr Proudhon war ganz zerknirscht, er sagte, die Schrift von Thiers sey kein Bericht, sondern ein Anklageact, eine De- nunciation ( die bekannte Hinterthüre aller Schwachköpfe! ) und erbot sich bis zum Samstag Explicationen zu geben. Am Schlusse der Sitzung stand die weitere Berathung des Gesetzes über die Clubbs auf der Tagesordnung. Allein die Kammer konnte sich über die Fassung des Art. 13. wieder nicht vereinigen und der Artikel ward zum zweitenmale an die Commission zurückverwiesen. Die schon ziemlich matt gewordenen Julifeste werden dieses Jahr nicht gefeiert. Dafür lassen die Julidecorirten ein Todten- amt in der Paulskirche halten und die Behörde hat ihre Einwil- ligung dazu gegeben. Von den Jndividuen, welche vor einiger Zeit das Stations- haus von St. Denis niedergebrannt und sonst auf der Nordbahn übel gehaus't hatten, sind zwei zu lebenslänglicher Zwangsarbeit, die übrigen zu Zuchthausstrafe von 5 — 7 Jahren verurtheilt worden. Die Bank wird sich bei dem neuen Anleihen mit 25 Millionen betheiligen. Man betrachtet dies allgemein als ein gutes Zeichen und hofft, daß die großen Capitalisten diesem Beispiele folgen werden. Die seltenste französische Geldsorte sind eben die Centimes und der Kleinhandel erleidet dadurch bedeutende Störungen, die armen Leute großen Schaden. Die Republik wird deßhalb aufgefordert doch wenigens Pfennige schlagen zu lassen. Börse vom 26. Juli. An der heutigen Börse gingen sämmtliche Effecten bedeutend zurück und fielen die 5% Renten gegen gestern um Frs. 2. 50 nämlich auf Frs. 73, die 3% um Frs. 1. 75 auf Frs. 45. 25. Bankactien 1620, also Frs. 50 niedriger als gestern. — Orleans 672. 50. Rouen 455. Havre 221. 25. Marseille 235. Nordbahn 375. Lyon 345. Strasburg 355. Tours 335. Strasburg=Basel 97. 50. Großbritannien. London 26. Juli. Jn Liverpool wurden mehrere Verhaf un- gen vorgenommen. Die Repealer haben, wie es scheint, 50 Clubs zu je hundert Mann gebildet. Jedes Mitglied bezahlt wöchentlich einen Shilling; aus dem Ertrage werden Feuer- waffen angeschafft. Die Absicht ist, in Liverpool, Glasgow und an anderen Puncten Unruhen zu erregen, um die Truppen zu beschäftigen und zu verhindern, daß sie nach Jrland geschafft werden. Man trifft in Liverpool alle mögliche Vorkehrungen. Gegen zwanzigtausend Bürger haben sich als Constabler vereidi- gen lassen. Jn Manchester hielten die Clubs eine kriegerische Musterung und brachten „der Sache“ ein dreimaliges Hoch. Dublin war bis gestern ruhig, doch führen die Clubs die drohendste Sprache. Viele Mitglieder fühlen sich offenbar schon zu sehr betheiligt und sehen in dem Falle der Führer ihren eigenen voraus. Deßhalb drohen sie, daß deren Verhaftung ferner nicht ohne Blutvergießen und Barricaden vorgenommen werden soll. Der angesehenste unter diesen ist O'Brien, der künftige „König von Munster,“ gegen welchen der Verhaftbefehl schon ergangen ist. Sobald die neue Parlamentsacte ankommt, sind zahlreiche Ver- haftungen von Verdächtigen zu gewärtigen. Jn den Provinzen geht die Vewaffnung fort. Namentlich ist Waterford ( im Süden an der Mündung des Suir ) , trotz des Kriegsschiffes auf dem Flusse und der in Eilmärschen dorthin abgeordneten Truppen, in der be- denklichsten Aufregung. Ein Reisender, der heute hier ankam, sagte ganz Tipperary sey ein Riesenclub. Der katholische Bischof von Leighlin, Dr. Hely, geht durch sein Stift, indem er die Ge- meinden zum Frieden auffordert. Sie möchten ihre Waffen und Kriegsvorräthe ausliefern und nicht die Thorheit begehen, sich mit einem der kampfgerüsteten Heere der Welt in einem so ungleichen Kampf einzulassen. Allein seine Ermahnungen wurden von dem Landvolke in Kildare, Carlow und der Königin=Grafschaft ver- lacht. Auch J. O'Connell hat noch einmal einen Aufruf zum Frieden ergehen lassen, allein seine schwache Stimme verhallt in dem über Jrland brausenden Sturme. Darin stimmen alle Par- teien überein, daß, wenn in vierzehn Tagen kein Aufstand erfolgt, sobald von einer Revolution nicht wieder die Rede seyn wird. Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 45. Mainz, 30. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal045_1848/4>, abgerufen am 21.11.2024.