Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mainzer Journal. Nr. 26. Mainz, 11. Juli 1848.

Bild:
<< vorherige Seite
Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 26. Dienstag, den 11. Juli. 1848.

[Beginn Spaltensatz]
Russische Jntriguen.

Wien 4. Juli. ( A. Z. ) Haben die Russen wirklich den Pruth
überschritten und sind in die Moldau eingedrungen 1) ? Wieder
einmal hätte dann die moskowitische Politik die europäischen
Wirren und Verwickelungen benützt, um über ihre langauser-
sehene Beute herzufallen. Das was auf den Friedensschlüssen
von Bucharest und Adrianopel durch die Schwäche und Rath-
losigkeit des alten europäischen Staatensystems gesäet wurde, soll
nun geerntet werden. Zuerst mußte in Konstantinopel das seit
Jahren zum erstenmal selbstständig und mit Bewußtseyn der das
türkische Reich bedrohenden Gefahren handelnde Cabinet Reschid
Pascha's gestürzt und ein fügsames rubelempfängliches an seine
Stelle gesetzt werden. Bei der Abwesenheit des energischen Strat-
ford Canning, der durch die Pariser Revolution schwankend ge-
wordenen Stellung des französischen Gesandten, und bei der
sprüchwörtlich gewordenen Unfähigkeit des Vertreters einer an-
deren Macht, welche am meisten bei den osmanischen Bewegungen
betheiligt ist, war die Durchführung jener Palastintrigue eben
keine schwierige Aufgabe für die russische Diplomatie. Jndessen
mußten in den Donaufürstenthümern die Agenten ihren ohnedieß
unerträglichen Satrapenübermuth verdoppeln und die seit der
europäischen Revolution von 1848 etwas freier athmenden Bo-
jaren mit noch grösserem Hohn behandeln. Von den unwissenden,
feigen und mißachteten Vertretern des benachbarten Staates
konnten die Bojaren weder Sympathien für ihre Bestrebungen,
noch Schutz gegen ihre Unterdrücker erwarten, da diese Hand-
langer des alten Systems längst die ausdrückliche Jnstruction hat-
ten in allem mit dem russischen Generalconsul Hand in Hand zu
gehen. Auf diese Weise wurden nun die armen Moldauer und
Walachen mit Gewalt in den Wirbel eines verzweifelten Aufstan-
des hineingetrieben, damit die Schutzmacht Gelegenheit habe die
Fürstenthümer zu besetzen. Auch der Großherr wird den freund-
schaftlichen Aufforderungen des Petersburger Cabinets nicht wi-
derstehen können, und wird als lebendige Zeugen seiner Selbst-
herabwürdigung ein Occupationscorps in die rebellischen Fürsten-
thümer einrücken lassen. Was wird aber Europa dazu sagen?
Wird es in den krampfhaften Zuckungen seines innersten Staats-
lebens, mitten in dem politischen Erdbeben, welches die Gesell-
schaft erschüttert, wird Europa Augen und Ohren haben für die
Gefahren und Plagen, mit welchen es der Feind seiner Selbst-
ständigkeit, seiner Freiheit und seiner Civilisation bedroht? Wird
Deutschland namentlich einsehen lernen, daß der Moskowiter
es rücklings überfallen und die Sehnen seiner Macht so in Schles-
wig, wie an der Gränze Ungarns durchschneiden will. Ungarn
ist die natürliche Vormauer und Schutzwehr von Deutschland, die
Donau die mächtigste Pulsader seines gewerblichen Lebens. Mit
der Gefährdung Ungarns durch den durch russische Jntriguen und
Aufwiegelungen mit herbeigeführten inneren Zwiespalt und Auf-
ruhr, wie durch die Knechtung der Donaufürstenthümer ist Deutsch-
land in seinen innersten Jnteressen bedroht, sind die Pulsadern
seiner Handelsmacht unterbunden. Wir hoffen zuversichtlich, daß
die erste That des deutschen Reichsverwesers eine kräftige Pro-
testation im Namen des großen, einheitlichen deutschen Volkes
seyn wird gegen jeden völkerrechtswidrigen Uebergriff. Baron
Wessenberg wird in dieser Hinsicht bereits früher seine Pflicht er-
füllt haben, und Englands und Frankreichs Stimmen
werden nicht lange auf sich warten lassen.

Deutschland.

Frankfurt 10. Juli. ( Fr. Bl. ) Die Nationalversammlung hat
in ihrer heutigen 34. Sitzung auf Antrag ihres Centralausschusses
die Wahl des Advocaten Blöde als Abgeordneten einer Anzahl im
Königreich Sachsen wohnhafter, aber dem dortigen Staatsver-
band nicht angehörender Deutschen für unzulässig erklärt. Zwei
auf den Krieg gegen Dänemark bezügliche Anträge führten sodann
eine mehrstündige Debatte herbei. Der eine, vom Abg. Duncker,
ging dahin: daß in Betracht der verbreiteten Gerüchte von einem
für Deutschland unrühmlichen Waffenstillstande der internationale
Ausschuß beauftragt werde, sofort näheren Aufschluß einzuziehen

[Spaltenumbruch] und in kürzester Frist darüber zu berichten. Der andere von
Claussen und einer Anzahl anderer Mitglieder, war des Jn-
halts: die Nationalversammlung solle erklären, daß kein Friede
oder Waffenstillstand, welcher Friedenspräliminarien enthalte, an-
ders als durch den Reichsverweser im Einverständniß mit der Na-
tionalversammlung und unter Beobachtung des Gesetzes über die
Centralgewalt abgeschlossen werden dürfe. Der Beschluß der
Versammlung fiel dahin aus: "Jn Betracht, daß bis jetzt nur
unverbürgte Gerüchte und nicht offizielle Zeitungsnachrichten vor-
liegen, und daß gesetzlich nur der Reichsverweser im Einverständ-
niß mit der Nationalversammlung über Krieg und Frieden zu ent-
scheiden hat, geht die Nationalversammlung zur Tagesorduung
über." Die Sitzung schloß um1 1 / 2 Uhr. Die nächste findet mor-
gen früh um 8 Uhr statt. Tagesordnung: Bericht der für die
Vorbereitungen zum Empfange des Reichsverwesers heute Nach-
mittag durch die Abtheilungen zu wählenden Commission. Nach
einer heute am Schluß der Sitzung gemachten Mittheilung wird
die Ankunft des Reichsverwesers wahrscheinltch schon morgen
Vormittag
erfolgen. Die Reise geht über Prag, Leipzig und
Eisenach.

# Frankfurt 10. Juli. Nach Erstattung mehrerer Berichte
und nach Verkündigung der mit Jubel aufgenommenen Anzeige,
daß der Erzherzog Johann die Wahl zum Reichsverweser ange-
nommen habe und morgen schon hier eintreffen werde ( und zwar
Vormittags ) , wurde zunächst die von den nichtsächsischen Bewoh-
nern in Sachsen vollzogene Wahl eines Abgeordneten zur Natio-
nalversammlung als unstatthaft erklärt, obgleich die HH. Ruge,
Biedermann
und Blum Billigkeitsgründe für die Zulassung
des Erwählten entwickelt hatten. Hierauf wurde die Fortsetzung
der Berathung über die Grundrechte durch eine jener unlösbaren,
wenn auch an sich wichtigen Fragen auf die Seite geschoben,
welche hoffentlich wegfallen oder abgekürzt werden, sobald einmal
die Centralgewalt ins Leben gerufen wird. Jn den Zeitungen
nämlich vagiren allerlei Gerüchte über einen zwischen Dänemark
und Preußen projectirten Waffenstillstand, welcher Friedensprä-
liminarien enthalte, die für die deutsche Sache schmachvoll seyen.
An den sehr lebhaften Verhandlungen betheiligten sich Dunker,
Claußen, Esmarch, Wurm, Lichnowsky, Vogt, Jor-
dan, Roß, Reden, Vincke, Eisenmann, Wernher.

Das Ende war, daß nach dem Antrage Vincke's in Anbetracht
des baldigen Eintritts der provisorischen Centralgewalt zur moti-
virten Tagesordnung übergegangen wurde. Am maßlosesten ha-
ben sich Claußen nnd Vogt ausgesprochen und wiederholt den
Ordnungsruf des Präsidenten sich zugezogen. Nach geschlossener
Sitzung wurde eine Commission zur Vorbereitung der Empfangs-
feierlichkeiten niedergesetzt und die früher decretirte Commission
für das Schul= und Unterrichtswesen
erwählt. Diese
in den Abtheilungen vollzogene Wahl ist wohl die linkseste ( ver-
zeihen Sie den Ausdruck ) , die je zu Stande gekommen. Um so
sicherer ist aber auch die Aussicht, daß die Commission eine
unbrauchbare Arbeit liefern werde.

Frankfurt 9. Juli. Der bisherige k. k. österreichische Geschäfts-
träger beim herzoglich nassauischen Hofe und Resident bei der
freien Stadt Frankfurt, Hr. Baron v. Menßhengen, ist zum
Gesandten für Nassau ( ! ) und Frankfurt ( !! ) und zum kaiserl.
Hofrath ernannt worden. Letztere Standeserhöhung ist auch dem
Director der Bundeskanzlei, Freiherrn von Thierry zu Theil
geworden.

Wien 5. Juli. ( Schw. M. ) Was die gutgesinnten, biedern
Oesterreicher, außer der Ehre, einen Prinzen ihres Hauses an
die Spitze der großen deutschen Nation gestellt zu sehen, bei die-
sem Ereigniß herzinniglich freut, das ist der nunmehrige Unter-
gang der uns fremdartigen republikanischen Partei in Deutschland
durch den Ausspruch des Volkswillens, dessen Einheit und Er-
kräftigung Umtrieben solcher Art nun wohl schwerlich Spielraum
gewähren werden. Auch hier erscheint diese Partei jetzt gleichsam
wie niedergedonnert. Die Sprache ihrer Organe wird sichtlich
kleinlauter.

Wien 6. Juli. ( A. Z. ) Die zu Ehren der Frankfurter Mis-
sion gestern Abends stattgefundene Feier wird in den Annalen
Wiens gewiß unvergeßlich bleiben. Die allgemeine Beleuchtung der
ganzen Stadt der großartige Fackelzug von mehr als 1000
Fackelträgern, das bunte Gemisch von Nationalgarden zu
[Ende Spaltensatz]

1) Nach den neuesten Wiener Berichten soll es noch nicht geschehen
seyn, aber in nächster Zukunft bevorstehen.
1 ) Nach den neuesten Wiener Berichten soll es noch nicht geschehen
seyn, aber in nächster Zukunft bevorstehen.
Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 26. Dienstag, den 11. Juli. 1848.

[Beginn Spaltensatz]
Russische Jntriguen.

Wien 4. Juli. ( A. Z. ) Haben die Russen wirklich den Pruth
überschritten und sind in die Moldau eingedrungen 1) ? Wieder
einmal hätte dann die moskowitische Politik die europäischen
Wirren und Verwickelungen benützt, um über ihre langauser-
sehene Beute herzufallen. Das was auf den Friedensschlüssen
von Bucharest und Adrianopel durch die Schwäche und Rath-
losigkeit des alten europäischen Staatensystems gesäet wurde, soll
nun geerntet werden. Zuerst mußte in Konstantinopel das seit
Jahren zum erstenmal selbstständig und mit Bewußtseyn der das
türkische Reich bedrohenden Gefahren handelnde Cabinet Reschid
Pascha's gestürzt und ein fügsames rubelempfängliches an seine
Stelle gesetzt werden. Bei der Abwesenheit des energischen Strat-
ford Canning, der durch die Pariser Revolution schwankend ge-
wordenen Stellung des französischen Gesandten, und bei der
sprüchwörtlich gewordenen Unfähigkeit des Vertreters einer an-
deren Macht, welche am meisten bei den osmanischen Bewegungen
betheiligt ist, war die Durchführung jener Palastintrigue eben
keine schwierige Aufgabe für die russische Diplomatie. Jndessen
mußten in den Donaufürstenthümern die Agenten ihren ohnedieß
unerträglichen Satrapenübermuth verdoppeln und die seit der
europäischen Revolution von 1848 etwas freier athmenden Bo-
jaren mit noch grösserem Hohn behandeln. Von den unwissenden,
feigen und mißachteten Vertretern des benachbarten Staates
konnten die Bojaren weder Sympathien für ihre Bestrebungen,
noch Schutz gegen ihre Unterdrücker erwarten, da diese Hand-
langer des alten Systems längst die ausdrückliche Jnstruction hat-
ten in allem mit dem russischen Generalconsul Hand in Hand zu
gehen. Auf diese Weise wurden nun die armen Moldauer und
Walachen mit Gewalt in den Wirbel eines verzweifelten Aufstan-
des hineingetrieben, damit die Schutzmacht Gelegenheit habe die
Fürstenthümer zu besetzen. Auch der Großherr wird den freund-
schaftlichen Aufforderungen des Petersburger Cabinets nicht wi-
derstehen können, und wird als lebendige Zeugen seiner Selbst-
herabwürdigung ein Occupationscorps in die rebellischen Fürsten-
thümer einrücken lassen. Was wird aber Europa dazu sagen?
Wird es in den krampfhaften Zuckungen seines innersten Staats-
lebens, mitten in dem politischen Erdbeben, welches die Gesell-
schaft erschüttert, wird Europa Augen und Ohren haben für die
Gefahren und Plagen, mit welchen es der Feind seiner Selbst-
ständigkeit, seiner Freiheit und seiner Civilisation bedroht? Wird
Deutschland namentlich einsehen lernen, daß der Moskowiter
es rücklings überfallen und die Sehnen seiner Macht so in Schles-
wig, wie an der Gränze Ungarns durchschneiden will. Ungarn
ist die natürliche Vormauer und Schutzwehr von Deutschland, die
Donau die mächtigste Pulsader seines gewerblichen Lebens. Mit
der Gefährdung Ungarns durch den durch russische Jntriguen und
Aufwiegelungen mit herbeigeführten inneren Zwiespalt und Auf-
ruhr, wie durch die Knechtung der Donaufürstenthümer ist Deutsch-
land in seinen innersten Jnteressen bedroht, sind die Pulsadern
seiner Handelsmacht unterbunden. Wir hoffen zuversichtlich, daß
die erste That des deutschen Reichsverwesers eine kräftige Pro-
testation im Namen des großen, einheitlichen deutschen Volkes
seyn wird gegen jeden völkerrechtswidrigen Uebergriff. Baron
Wessenberg wird in dieser Hinsicht bereits früher seine Pflicht er-
füllt haben, und Englands und Frankreichs Stimmen
werden nicht lange auf sich warten lassen.

Deutschland.

Frankfurt 10. Juli. ( Fr. Bl. ) Die Nationalversammlung hat
in ihrer heutigen 34. Sitzung auf Antrag ihres Centralausschusses
die Wahl des Advocaten Blöde als Abgeordneten einer Anzahl im
Königreich Sachsen wohnhafter, aber dem dortigen Staatsver-
band nicht angehörender Deutschen für unzulässig erklärt. Zwei
auf den Krieg gegen Dänemark bezügliche Anträge führten sodann
eine mehrstündige Debatte herbei. Der eine, vom Abg. Duncker,
ging dahin: daß in Betracht der verbreiteten Gerüchte von einem
für Deutschland unrühmlichen Waffenstillstande der internationale
Ausschuß beauftragt werde, sofort näheren Aufschluß einzuziehen

[Spaltenumbruch] und in kürzester Frist darüber zu berichten. Der andere von
Claussen und einer Anzahl anderer Mitglieder, war des Jn-
halts: die Nationalversammlung solle erklären, daß kein Friede
oder Waffenstillstand, welcher Friedenspräliminarien enthalte, an-
ders als durch den Reichsverweser im Einverständniß mit der Na-
tionalversammlung und unter Beobachtung des Gesetzes über die
Centralgewalt abgeschlossen werden dürfe. Der Beschluß der
Versammlung fiel dahin aus: „Jn Betracht, daß bis jetzt nur
unverbürgte Gerüchte und nicht offizielle Zeitungsnachrichten vor-
liegen, und daß gesetzlich nur der Reichsverweser im Einverständ-
niß mit der Nationalversammlung über Krieg und Frieden zu ent-
scheiden hat, geht die Nationalversammlung zur Tagesorduung
über.“ Die Sitzung schloß um1 1 / 2 Uhr. Die nächste findet mor-
gen früh um 8 Uhr statt. Tagesordnung: Bericht der für die
Vorbereitungen zum Empfange des Reichsverwesers heute Nach-
mittag durch die Abtheilungen zu wählenden Commission. Nach
einer heute am Schluß der Sitzung gemachten Mittheilung wird
die Ankunft des Reichsverwesers wahrscheinltch schon morgen
Vormittag
erfolgen. Die Reise geht über Prag, Leipzig und
Eisenach.

# Frankfurt 10. Juli. Nach Erstattung mehrerer Berichte
und nach Verkündigung der mit Jubel aufgenommenen Anzeige,
daß der Erzherzog Johann die Wahl zum Reichsverweser ange-
nommen habe und morgen schon hier eintreffen werde ( und zwar
Vormittags ) , wurde zunächst die von den nichtsächsischen Bewoh-
nern in Sachsen vollzogene Wahl eines Abgeordneten zur Natio-
nalversammlung als unstatthaft erklärt, obgleich die HH. Ruge,
Biedermann
und Blum Billigkeitsgründe für die Zulassung
des Erwählten entwickelt hatten. Hierauf wurde die Fortsetzung
der Berathung über die Grundrechte durch eine jener unlösbaren,
wenn auch an sich wichtigen Fragen auf die Seite geschoben,
welche hoffentlich wegfallen oder abgekürzt werden, sobald einmal
die Centralgewalt ins Leben gerufen wird. Jn den Zeitungen
nämlich vagiren allerlei Gerüchte über einen zwischen Dänemark
und Preußen projectirten Waffenstillstand, welcher Friedensprä-
liminarien enthalte, die für die deutsche Sache schmachvoll seyen.
An den sehr lebhaften Verhandlungen betheiligten sich Dunker,
Claußen, Esmarch, Wurm, Lichnowsky, Vogt, Jor-
dan, Roß, Reden, Vincke, Eisenmann, Wernher.

Das Ende war, daß nach dem Antrage Vincke's in Anbetracht
des baldigen Eintritts der provisorischen Centralgewalt zur moti-
virten Tagesordnung übergegangen wurde. Am maßlosesten ha-
ben sich Claußen nnd Vogt ausgesprochen und wiederholt den
Ordnungsruf des Präsidenten sich zugezogen. Nach geschlossener
Sitzung wurde eine Commission zur Vorbereitung der Empfangs-
feierlichkeiten niedergesetzt und die früher decretirte Commission
für das Schul= und Unterrichtswesen
erwählt. Diese
in den Abtheilungen vollzogene Wahl ist wohl die linkseste ( ver-
zeihen Sie den Ausdruck ) , die je zu Stande gekommen. Um so
sicherer ist aber auch die Aussicht, daß die Commission eine
unbrauchbare Arbeit liefern werde.

Frankfurt 9. Juli. Der bisherige k. k. österreichische Geschäfts-
träger beim herzoglich nassauischen Hofe und Resident bei der
freien Stadt Frankfurt, Hr. Baron v. Menßhengen, ist zum
Gesandten für Nassau ( ! ) und Frankfurt ( !! ) und zum kaiserl.
Hofrath ernannt worden. Letztere Standeserhöhung ist auch dem
Director der Bundeskanzlei, Freiherrn von Thierry zu Theil
geworden.

Wien 5. Juli. ( Schw. M. ) Was die gutgesinnten, biedern
Oesterreicher, außer der Ehre, einen Prinzen ihres Hauses an
die Spitze der großen deutschen Nation gestellt zu sehen, bei die-
sem Ereigniß herzinniglich freut, das ist der nunmehrige Unter-
gang der uns fremdartigen republikanischen Partei in Deutschland
durch den Ausspruch des Volkswillens, dessen Einheit und Er-
kräftigung Umtrieben solcher Art nun wohl schwerlich Spielraum
gewähren werden. Auch hier erscheint diese Partei jetzt gleichsam
wie niedergedonnert. Die Sprache ihrer Organe wird sichtlich
kleinlauter.

Wien 6. Juli. ( A. Z. ) Die zu Ehren der Frankfurter Mis-
sion gestern Abends stattgefundene Feier wird in den Annalen
Wiens gewiß unvergeßlich bleiben. Die allgemeine Beleuchtung der
ganzen Stadt der großartige Fackelzug von mehr als 1000
Fackelträgern, das bunte Gemisch von Nationalgarden zu
[Ende Spaltensatz]

1) Nach den neuesten Wiener Berichten soll es noch nicht geschehen
seyn, aber in nächster Zukunft bevorstehen.
1 ) Nach den neuesten Wiener Berichten soll es noch nicht geschehen
seyn, aber in nächster Zukunft bevorstehen.
<TEI>
  <text>
    <back>
      <pb facs="#f0005"/>
      <div type="jSupplement" n="1">
        <floatingText>
          <front>
            <titlePage type="heading">
              <docTitle>
                <titlePart type="main"> <hi rendition="#fr">Beilage zum Mainzer Journal.</hi> </titlePart>
              </docTitle><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <docImprint>N<hi rendition="#sup">ro</hi> 26.   <docDate><hi rendition="#c">Dienstag, den 11. Juli.</hi><hi rendition="#right">1848.</hi></docDate></docImprint><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            </titlePage><lb/>
          </front>
          <body>
            <cb type="start"/>
            <div type="jPoliticalNews" n="1">
              <head>Russische Jntriguen.</head><lb/>
              <p>Wien 4. Juli. ( A. Z. ) Haben die Russen wirklich den Pruth<lb/>
überschritten und sind in die Moldau eingedrungen <note place="foot" n="1)">Nach den neuesten Wiener Berichten soll es noch nicht geschehen<lb/>
seyn, aber in nächster Zukunft bevorstehen.</note> ? Wieder<lb/>
einmal hätte dann die moskowitische Politik die europäischen<lb/>
Wirren und Verwickelungen benützt, um über ihre langauser-<lb/>
sehene Beute herzufallen. Das was auf den Friedensschlüssen<lb/>
von Bucharest und Adrianopel durch die Schwäche und Rath-<lb/>
losigkeit des alten europäischen Staatensystems gesäet wurde, soll<lb/>
nun geerntet werden. Zuerst mußte in Konstantinopel das seit<lb/>
Jahren zum erstenmal selbstständig und mit Bewußtseyn der das<lb/>
türkische Reich bedrohenden Gefahren handelnde Cabinet Reschid<lb/>
Pascha's gestürzt und ein fügsames rubelempfängliches an seine<lb/>
Stelle gesetzt werden. Bei der Abwesenheit des energischen Strat-<lb/>
ford Canning, der durch die Pariser Revolution schwankend ge-<lb/>
wordenen Stellung des französischen Gesandten, und bei der<lb/>
sprüchwörtlich gewordenen Unfähigkeit des Vertreters einer an-<lb/>
deren Macht, welche am meisten bei den osmanischen Bewegungen<lb/>
betheiligt ist, war die Durchführung jener Palastintrigue eben<lb/>
keine schwierige Aufgabe für die russische Diplomatie. Jndessen<lb/>
mußten in den Donaufürstenthümern die Agenten ihren ohnedieß<lb/>
unerträglichen Satrapenübermuth verdoppeln und die seit der<lb/>
europäischen Revolution von 1848 etwas freier athmenden Bo-<lb/>
jaren mit noch grösserem Hohn behandeln. Von den unwissenden,<lb/>
feigen und mißachteten Vertretern des benachbarten Staates<lb/>
konnten die Bojaren weder Sympathien für ihre Bestrebungen,<lb/>
noch Schutz gegen ihre Unterdrücker erwarten, da diese Hand-<lb/>
langer des alten Systems längst die ausdrückliche Jnstruction hat-<lb/>
ten in allem mit dem russischen Generalconsul Hand in Hand zu<lb/>
gehen. Auf diese Weise wurden nun die armen Moldauer und<lb/>
Walachen mit Gewalt in den Wirbel eines verzweifelten Aufstan-<lb/>
des hineingetrieben, damit die Schutzmacht Gelegenheit habe die<lb/>
Fürstenthümer zu besetzen. Auch der Großherr wird den freund-<lb/>
schaftlichen Aufforderungen des Petersburger Cabinets nicht wi-<lb/>
derstehen können, und wird als lebendige Zeugen seiner Selbst-<lb/>
herabwürdigung ein Occupationscorps in die rebellischen Fürsten-<lb/>
thümer einrücken lassen. Was wird aber Europa dazu sagen?<lb/>
Wird es in den krampfhaften Zuckungen seines innersten Staats-<lb/>
lebens, mitten in dem politischen Erdbeben, welches die Gesell-<lb/>
schaft erschüttert, wird Europa Augen und Ohren haben für die<lb/>
Gefahren und Plagen, mit welchen es der Feind seiner Selbst-<lb/>
ständigkeit, seiner Freiheit und seiner Civilisation bedroht? Wird<lb/><hi rendition="#g">Deutschland</hi> namentlich einsehen lernen, daß der Moskowiter<lb/>
es rücklings überfallen und die Sehnen seiner Macht so in Schles-<lb/>
wig, wie an der Gränze Ungarns durchschneiden will. <hi rendition="#g">Ungarn</hi><lb/>
ist die natürliche Vormauer und Schutzwehr von Deutschland, die<lb/>
Donau die mächtigste Pulsader seines gewerblichen Lebens. Mit<lb/>
der Gefährdung Ungarns durch den durch russische Jntriguen und<lb/>
Aufwiegelungen mit herbeigeführten inneren Zwiespalt und Auf-<lb/>
ruhr, wie durch die Knechtung der Donaufürstenthümer ist Deutsch-<lb/>
land in seinen innersten Jnteressen bedroht, sind die Pulsadern<lb/>
seiner Handelsmacht unterbunden. Wir hoffen zuversichtlich, daß<lb/>
die erste That des deutschen Reichsverwesers eine kräftige Pro-<lb/>
testation im Namen des großen, einheitlichen deutschen Volkes<lb/>
seyn wird gegen jeden völkerrechtswidrigen Uebergriff. Baron<lb/>
Wessenberg wird in dieser Hinsicht bereits früher seine Pflicht er-<lb/>
füllt haben, und <hi rendition="#g">Englands</hi> und <hi rendition="#g">Frankreichs</hi> Stimmen<lb/>
werden nicht lange auf sich warten lassen.</p>
            </div><lb/>
            <div type="jPoliticalNews" n="1">
              <head> <hi rendition="#g">Deutschland.</hi> </head><lb/>
              <div type="jArticle" n="2">
                <p>Frankfurt 10. Juli. ( Fr. Bl. ) Die Nationalversammlung hat<lb/>
in ihrer heutigen 34. Sitzung auf Antrag ihres Centralausschusses<lb/>
die Wahl des Advocaten <hi rendition="#g">Blöde</hi> als Abgeordneten einer Anzahl im<lb/>
Königreich Sachsen wohnhafter, aber dem dortigen Staatsver-<lb/>
band nicht angehörender Deutschen für unzulässig erklärt. Zwei<lb/>
auf den Krieg gegen Dänemark bezügliche Anträge führten sodann<lb/>
eine mehrstündige Debatte herbei. Der eine, vom Abg. <hi rendition="#g">Duncker,</hi><lb/>
ging dahin: daß in Betracht der verbreiteten Gerüchte von einem<lb/>
für Deutschland unrühmlichen Waffenstillstande der internationale<lb/>
Ausschuß beauftragt werde, sofort näheren Aufschluß einzuziehen<lb/><note place="foot"><p>1 ) Nach den neuesten Wiener Berichten soll es noch nicht geschehen<lb/>
seyn, aber in nächster Zukunft bevorstehen. </p></note><lb/><cb n="2"/>
und in kürzester Frist darüber zu berichten. Der andere von<lb/><hi rendition="#g">Claussen</hi> und einer Anzahl anderer Mitglieder, war des Jn-<lb/>
halts: die Nationalversammlung solle erklären, daß kein Friede<lb/>
oder Waffenstillstand, welcher Friedenspräliminarien enthalte, an-<lb/>
ders als durch den Reichsverweser im Einverständniß mit der Na-<lb/>
tionalversammlung und unter Beobachtung des Gesetzes über die<lb/>
Centralgewalt abgeschlossen werden dürfe. Der <hi rendition="#g">Beschluß</hi> der<lb/>
Versammlung fiel dahin aus: &#x201E;Jn Betracht, daß bis jetzt nur<lb/>
unverbürgte Gerüchte und nicht offizielle Zeitungsnachrichten vor-<lb/>
liegen, und daß gesetzlich nur der Reichsverweser im Einverständ-<lb/>
niß mit der Nationalversammlung über Krieg und Frieden zu ent-<lb/>
scheiden hat, geht die Nationalversammlung zur Tagesorduung<lb/>
über.&#x201C; Die Sitzung schloß um1 1 / 2 Uhr. Die nächste findet mor-<lb/>
gen früh um 8 Uhr statt. Tagesordnung: Bericht der für die<lb/>
Vorbereitungen zum Empfange des Reichsverwesers heute Nach-<lb/>
mittag durch die Abtheilungen zu wählenden Commission. Nach<lb/>
einer heute am Schluß der Sitzung gemachten Mittheilung wird<lb/>
die Ankunft des Reichsverwesers wahrscheinltch schon <hi rendition="#g">morgen<lb/>
Vormittag</hi> erfolgen. Die Reise geht über Prag, Leipzig und<lb/>
Eisenach.</p>
              </div><lb/>
              <div type="jArticle" n="2">
                <p># Frankfurt 10. Juli. Nach Erstattung mehrerer Berichte<lb/>
und nach Verkündigung der mit Jubel aufgenommenen Anzeige,<lb/>
daß der Erzherzog Johann die Wahl zum Reichsverweser ange-<lb/>
nommen habe und morgen schon hier eintreffen werde ( und zwar<lb/>
Vormittags ) , wurde zunächst die von den nichtsächsischen Bewoh-<lb/>
nern in Sachsen vollzogene Wahl eines Abgeordneten zur Natio-<lb/>
nalversammlung als unstatthaft erklärt, obgleich die HH. <hi rendition="#g">Ruge,<lb/>
Biedermann</hi> und <hi rendition="#g">Blum</hi> Billigkeitsgründe für die Zulassung<lb/>
des Erwählten entwickelt hatten. Hierauf wurde die Fortsetzung<lb/>
der Berathung über die Grundrechte durch eine jener unlösbaren,<lb/>
wenn auch an sich wichtigen Fragen auf die Seite geschoben,<lb/>
welche hoffentlich wegfallen oder abgekürzt werden, sobald einmal<lb/>
die Centralgewalt ins Leben gerufen wird. Jn den Zeitungen<lb/>
nämlich vagiren allerlei Gerüchte über einen zwischen Dänemark<lb/>
und Preußen projectirten Waffenstillstand, welcher Friedensprä-<lb/>
liminarien enthalte, die für die deutsche Sache schmachvoll seyen.<lb/>
An den sehr lebhaften Verhandlungen betheiligten sich <hi rendition="#g">Dunker,<lb/>
Claußen, Esmarch, Wurm, Lichnowsky, Vogt, Jor-<lb/>
dan, Roß, Reden, Vincke, Eisenmann, Wernher.</hi><lb/>
Das Ende war, daß nach dem Antrage <hi rendition="#g">Vincke's</hi> in Anbetracht<lb/>
des baldigen Eintritts der provisorischen Centralgewalt zur moti-<lb/>
virten Tagesordnung übergegangen wurde. Am maßlosesten ha-<lb/>
ben sich <hi rendition="#g">Claußen</hi> nnd <hi rendition="#g">Vogt</hi> ausgesprochen und wiederholt den<lb/>
Ordnungsruf des Präsidenten sich zugezogen. Nach geschlossener<lb/>
Sitzung wurde eine Commission zur Vorbereitung der Empfangs-<lb/>
feierlichkeiten niedergesetzt und die früher decretirte <hi rendition="#g">Commission<lb/>
für das Schul= und Unterrichtswesen</hi> erwählt. Diese<lb/>
in den Abtheilungen vollzogene Wahl ist wohl die linkseste ( ver-<lb/>
zeihen Sie den Ausdruck ) , die je zu Stande gekommen. Um so<lb/>
sicherer ist aber auch die Aussicht, <hi rendition="#g">daß die Commission eine<lb/>
unbrauchbare Arbeit liefern werde.</hi> </p>
              </div><lb/>
              <div type="jArticle" n="2">
                <p>Frankfurt 9. Juli. Der bisherige k. k. österreichische Geschäfts-<lb/>
träger beim herzoglich nassauischen Hofe und Resident bei der<lb/>
freien Stadt Frankfurt, Hr. Baron v. <hi rendition="#g">Menßhengen,</hi> ist zum<lb/>
Gesandten für Nassau ( ! ) und Frankfurt ( !! ) und zum kaiserl.<lb/>
Hofrath ernannt worden. Letztere Standeserhöhung ist auch dem<lb/>
Director der Bundeskanzlei, Freiherrn von <hi rendition="#g">Thierry</hi> zu Theil<lb/>
geworden.</p>
              </div><lb/>
              <div type="jArticle" n="2">
                <p>Wien 5. Juli. ( Schw. M. ) Was die gutgesinnten, biedern<lb/>
Oesterreicher, außer der Ehre, einen Prinzen ihres Hauses an<lb/>
die Spitze der großen deutschen Nation gestellt zu sehen, bei die-<lb/>
sem Ereigniß herzinniglich freut, das ist der nunmehrige Unter-<lb/>
gang der uns fremdartigen republikanischen Partei in Deutschland<lb/>
durch den Ausspruch des Volkswillens, dessen Einheit und Er-<lb/>
kräftigung Umtrieben solcher Art nun wohl schwerlich Spielraum<lb/>
gewähren werden. Auch hier erscheint diese Partei jetzt gleichsam<lb/>
wie niedergedonnert. Die Sprache ihrer Organe wird sichtlich<lb/>
kleinlauter.</p>
              </div><lb/>
              <div type="jArticle" n="2">
                <p>Wien 6. Juli. ( A. Z. ) Die zu Ehren der Frankfurter Mis-<lb/>
sion gestern Abends stattgefundene Feier wird in den Annalen<lb/>
Wiens gewiß unvergeßlich bleiben. Die allgemeine Beleuchtung der<lb/>
ganzen Stadt der großartige Fackelzug von mehr als 1000<lb/>
Fackelträgern, das bunte Gemisch von Nationalgarden zu<lb/><cb type="end"/>
</p>
              </div>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 26. Dienstag, den 11. Juli. 1848. Russische Jntriguen. Wien 4. Juli. ( A. Z. ) Haben die Russen wirklich den Pruth überschritten und sind in die Moldau eingedrungen 1) ? Wieder einmal hätte dann die moskowitische Politik die europäischen Wirren und Verwickelungen benützt, um über ihre langauser- sehene Beute herzufallen. Das was auf den Friedensschlüssen von Bucharest und Adrianopel durch die Schwäche und Rath- losigkeit des alten europäischen Staatensystems gesäet wurde, soll nun geerntet werden. Zuerst mußte in Konstantinopel das seit Jahren zum erstenmal selbstständig und mit Bewußtseyn der das türkische Reich bedrohenden Gefahren handelnde Cabinet Reschid Pascha's gestürzt und ein fügsames rubelempfängliches an seine Stelle gesetzt werden. Bei der Abwesenheit des energischen Strat- ford Canning, der durch die Pariser Revolution schwankend ge- wordenen Stellung des französischen Gesandten, und bei der sprüchwörtlich gewordenen Unfähigkeit des Vertreters einer an- deren Macht, welche am meisten bei den osmanischen Bewegungen betheiligt ist, war die Durchführung jener Palastintrigue eben keine schwierige Aufgabe für die russische Diplomatie. Jndessen mußten in den Donaufürstenthümern die Agenten ihren ohnedieß unerträglichen Satrapenübermuth verdoppeln und die seit der europäischen Revolution von 1848 etwas freier athmenden Bo- jaren mit noch grösserem Hohn behandeln. Von den unwissenden, feigen und mißachteten Vertretern des benachbarten Staates konnten die Bojaren weder Sympathien für ihre Bestrebungen, noch Schutz gegen ihre Unterdrücker erwarten, da diese Hand- langer des alten Systems längst die ausdrückliche Jnstruction hat- ten in allem mit dem russischen Generalconsul Hand in Hand zu gehen. Auf diese Weise wurden nun die armen Moldauer und Walachen mit Gewalt in den Wirbel eines verzweifelten Aufstan- des hineingetrieben, damit die Schutzmacht Gelegenheit habe die Fürstenthümer zu besetzen. Auch der Großherr wird den freund- schaftlichen Aufforderungen des Petersburger Cabinets nicht wi- derstehen können, und wird als lebendige Zeugen seiner Selbst- herabwürdigung ein Occupationscorps in die rebellischen Fürsten- thümer einrücken lassen. Was wird aber Europa dazu sagen? Wird es in den krampfhaften Zuckungen seines innersten Staats- lebens, mitten in dem politischen Erdbeben, welches die Gesell- schaft erschüttert, wird Europa Augen und Ohren haben für die Gefahren und Plagen, mit welchen es der Feind seiner Selbst- ständigkeit, seiner Freiheit und seiner Civilisation bedroht? Wird Deutschland namentlich einsehen lernen, daß der Moskowiter es rücklings überfallen und die Sehnen seiner Macht so in Schles- wig, wie an der Gränze Ungarns durchschneiden will. Ungarn ist die natürliche Vormauer und Schutzwehr von Deutschland, die Donau die mächtigste Pulsader seines gewerblichen Lebens. Mit der Gefährdung Ungarns durch den durch russische Jntriguen und Aufwiegelungen mit herbeigeführten inneren Zwiespalt und Auf- ruhr, wie durch die Knechtung der Donaufürstenthümer ist Deutsch- land in seinen innersten Jnteressen bedroht, sind die Pulsadern seiner Handelsmacht unterbunden. Wir hoffen zuversichtlich, daß die erste That des deutschen Reichsverwesers eine kräftige Pro- testation im Namen des großen, einheitlichen deutschen Volkes seyn wird gegen jeden völkerrechtswidrigen Uebergriff. Baron Wessenberg wird in dieser Hinsicht bereits früher seine Pflicht er- füllt haben, und Englands und Frankreichs Stimmen werden nicht lange auf sich warten lassen. Deutschland. Frankfurt 10. Juli. ( Fr. Bl. ) Die Nationalversammlung hat in ihrer heutigen 34. Sitzung auf Antrag ihres Centralausschusses die Wahl des Advocaten Blöde als Abgeordneten einer Anzahl im Königreich Sachsen wohnhafter, aber dem dortigen Staatsver- band nicht angehörender Deutschen für unzulässig erklärt. Zwei auf den Krieg gegen Dänemark bezügliche Anträge führten sodann eine mehrstündige Debatte herbei. Der eine, vom Abg. Duncker, ging dahin: daß in Betracht der verbreiteten Gerüchte von einem für Deutschland unrühmlichen Waffenstillstande der internationale Ausschuß beauftragt werde, sofort näheren Aufschluß einzuziehen und in kürzester Frist darüber zu berichten. Der andere von Claussen und einer Anzahl anderer Mitglieder, war des Jn- halts: die Nationalversammlung solle erklären, daß kein Friede oder Waffenstillstand, welcher Friedenspräliminarien enthalte, an- ders als durch den Reichsverweser im Einverständniß mit der Na- tionalversammlung und unter Beobachtung des Gesetzes über die Centralgewalt abgeschlossen werden dürfe. Der Beschluß der Versammlung fiel dahin aus: „Jn Betracht, daß bis jetzt nur unverbürgte Gerüchte und nicht offizielle Zeitungsnachrichten vor- liegen, und daß gesetzlich nur der Reichsverweser im Einverständ- niß mit der Nationalversammlung über Krieg und Frieden zu ent- scheiden hat, geht die Nationalversammlung zur Tagesorduung über.“ Die Sitzung schloß um1 1 / 2 Uhr. Die nächste findet mor- gen früh um 8 Uhr statt. Tagesordnung: Bericht der für die Vorbereitungen zum Empfange des Reichsverwesers heute Nach- mittag durch die Abtheilungen zu wählenden Commission. Nach einer heute am Schluß der Sitzung gemachten Mittheilung wird die Ankunft des Reichsverwesers wahrscheinltch schon morgen Vormittag erfolgen. Die Reise geht über Prag, Leipzig und Eisenach. # Frankfurt 10. Juli. Nach Erstattung mehrerer Berichte und nach Verkündigung der mit Jubel aufgenommenen Anzeige, daß der Erzherzog Johann die Wahl zum Reichsverweser ange- nommen habe und morgen schon hier eintreffen werde ( und zwar Vormittags ) , wurde zunächst die von den nichtsächsischen Bewoh- nern in Sachsen vollzogene Wahl eines Abgeordneten zur Natio- nalversammlung als unstatthaft erklärt, obgleich die HH. Ruge, Biedermann und Blum Billigkeitsgründe für die Zulassung des Erwählten entwickelt hatten. Hierauf wurde die Fortsetzung der Berathung über die Grundrechte durch eine jener unlösbaren, wenn auch an sich wichtigen Fragen auf die Seite geschoben, welche hoffentlich wegfallen oder abgekürzt werden, sobald einmal die Centralgewalt ins Leben gerufen wird. Jn den Zeitungen nämlich vagiren allerlei Gerüchte über einen zwischen Dänemark und Preußen projectirten Waffenstillstand, welcher Friedensprä- liminarien enthalte, die für die deutsche Sache schmachvoll seyen. An den sehr lebhaften Verhandlungen betheiligten sich Dunker, Claußen, Esmarch, Wurm, Lichnowsky, Vogt, Jor- dan, Roß, Reden, Vincke, Eisenmann, Wernher. Das Ende war, daß nach dem Antrage Vincke's in Anbetracht des baldigen Eintritts der provisorischen Centralgewalt zur moti- virten Tagesordnung übergegangen wurde. Am maßlosesten ha- ben sich Claußen nnd Vogt ausgesprochen und wiederholt den Ordnungsruf des Präsidenten sich zugezogen. Nach geschlossener Sitzung wurde eine Commission zur Vorbereitung der Empfangs- feierlichkeiten niedergesetzt und die früher decretirte Commission für das Schul= und Unterrichtswesen erwählt. Diese in den Abtheilungen vollzogene Wahl ist wohl die linkseste ( ver- zeihen Sie den Ausdruck ) , die je zu Stande gekommen. Um so sicherer ist aber auch die Aussicht, daß die Commission eine unbrauchbare Arbeit liefern werde. Frankfurt 9. Juli. Der bisherige k. k. österreichische Geschäfts- träger beim herzoglich nassauischen Hofe und Resident bei der freien Stadt Frankfurt, Hr. Baron v. Menßhengen, ist zum Gesandten für Nassau ( ! ) und Frankfurt ( !! ) und zum kaiserl. Hofrath ernannt worden. Letztere Standeserhöhung ist auch dem Director der Bundeskanzlei, Freiherrn von Thierry zu Theil geworden. Wien 5. Juli. ( Schw. M. ) Was die gutgesinnten, biedern Oesterreicher, außer der Ehre, einen Prinzen ihres Hauses an die Spitze der großen deutschen Nation gestellt zu sehen, bei die- sem Ereigniß herzinniglich freut, das ist der nunmehrige Unter- gang der uns fremdartigen republikanischen Partei in Deutschland durch den Ausspruch des Volkswillens, dessen Einheit und Er- kräftigung Umtrieben solcher Art nun wohl schwerlich Spielraum gewähren werden. Auch hier erscheint diese Partei jetzt gleichsam wie niedergedonnert. Die Sprache ihrer Organe wird sichtlich kleinlauter. Wien 6. Juli. ( A. Z. ) Die zu Ehren der Frankfurter Mis- sion gestern Abends stattgefundene Feier wird in den Annalen Wiens gewiß unvergeßlich bleiben. Die allgemeine Beleuchtung der ganzen Stadt der großartige Fackelzug von mehr als 1000 Fackelträgern, das bunte Gemisch von Nationalgarden zu 1) Nach den neuesten Wiener Berichten soll es noch nicht geschehen seyn, aber in nächster Zukunft bevorstehen. 1 ) Nach den neuesten Wiener Berichten soll es noch nicht geschehen seyn, aber in nächster Zukunft bevorstehen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal026_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal026_1848/5
Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 26. Mainz, 11. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal026_1848/5>, abgerufen am 26.06.2024.