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Mainzer Journal. Nr. 26. Mainz, 11. Juli 1848.

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[Beginn Spaltensatz] Landesgeldbeutel von den eingeschüchterten Deputirten ohne Wei-
teres geöffnet. Jn diesem Sinne, d. i. im Sinne der Regierung,
wurden gestern alle Finanzfragen, die von uns schon früher be-
rührte Angelegenheit der Sparcassen und die Umwandlung der
Schatzscheine in 3% Renten zu 55 genehmigt.

Wichtiger war die eigentliche politische Discussion des Tages.
Es war nämlich schon längere Zeit die Rede davon gewesen die
Regierung wegen der Unterdrückung der bekannten revolutionären
Blätter [unleserliches Material - 3 Zeichen fehlen]und anderer Maßnahmen zu interpelliren und so kam es denn
gestern dazu, daß wirklich von einem Abgeordneten eine Anfrage an
sie gerichtet wurde, was es für eine Bewandtniß mit dem Heerlager
von 50,000 Mann habe, das unter den Mauern von Paris zu-
sammengezogen wird? Ein Anderer wollte wissen, wie es künftig
mit der Caution der Zeitungen gehalten werden solle? Die Ant-
wort Cavaignacs war kurz und schneidend. Der Belagerungszu-
stand, sagte er, sey zwar eine furchtbare Waffe in den Händen
der Gewalt, allein bei der in der Stadt immer noch
fortdauernden Gährung werde er wohl noch lange
dauern müssen.
Was die Zeitungen betreffe, so seyen diese
vorläufig nur suspendirt, nicht unterdrückt, und die Regierung
werde sie wieder frei geben, wenn sie der Presse gegenüber gehö-
rig gerüstet sey. Dazu bedürfe es aber eines Gesetzes, das im
gegenwärtigen Augenblicke nicht erlassen werden könne; die Re-
gierung habe es darum für angemessen erachtet die Caution und
zwar nach den Bestimmungen des Gesetzes vom Jahre 1831 wie-
der einzuführen. "Die Septembergesetze, meinte Cavaignac, seyen
von der provisorischen Regierung zwar abgeschafft worden, allein
es gebe noch viele andere, mit welchen derselbe Zweck auch erreicht
werden könne." Solche Aeußerungen werfen ganz eigenthümliche
Streiflichter auf unsere Zustände! Hätte ein Minister Karls X.
oder Louis Philipps eine solche Aeußerung gethan, -- das ganze
Land hätte sich im Namen der Freiheit gegen ihn erhoben und die
Dynastie aus dem Lande gejagt!

Es ist eine große Thorheit in der Entlassung des seitherigen
Justizministers Carnot sofort wieder Reaction zu wittern. Herr
Carnot bekannte sich nach der Februarrevolution zu socialistischen
Grundsätzen, die ganz nahe an Communismus streifen, er hatte
in diesem Sinne Schulbücher schreiben lassen, und ein solcher
Mann paßt nicht zum Unterrichtsminister. An seinem Nachfolger
Vaulabelle soll übrigens der Unterricht auch keine besondere Er-
oberung gemacht haben, er ist ein Journalist aus der Schule des
National, die eben für ihre Jünger alle Aemter in Frankreich
gepachtet zu haben scheint.

Auch dem französischen Justizwesen stehen bedeutende Verän-
derungen bevor. Vor Allem sollen nicht nur die Wahllisten der
Jury,
sondern auch ihre Competenz bedeutend erweitert werden.
An die Stelle der seitherigen von richterlichen Beamten gebilde-
ten Anklagekammer tritt nämlich eine Anklagejury, die sich we-
nigstens jeden Monat einmal am Hauptort des Departements ver-
sammelt. Correctionelle Sachen, die vom Gesetze weder den
Polizeigerichten noch den Assisenhöfen zugetheilt sind, werden an
jedem Bezirkshauptorte von der Jury abgeurtheilt. Endlich soll
künftig bei den Assisen nicht mehr das Gericht, sondern die Jury
über den Grad der Strafbarkeit und den zu leistenden Schaden-
ersatz entscheiden. Was die Appellationsgerichte betrifft,
so bestehen diese fort, von dem Urtheil der Jury in correctionellen
Sachen findet indessen ebensowenig eine Appellation statt, wie von
ihrem Verdicte bei den Assisenverhandlungen. Die Competenz der
Friedensgerichte
wird erweitert, dagegen werden die Bezirks-
gerichte aufgehoben und es soll künftig in der Regel in jedem De-
partement nur ein Gericht erster Jnstanz bestehen. Dafür kommt
aber in jeden Bezirk zur Einleitung der Untersuchungen ein Unter-
suchungsrichter, ein Staatsprocuratorsubstitut und ein Ergänzungs-
richter. Die Zahl der Appellationsgerichtshöfe wird in ganz Frank-
reich auf 19 reducirt. Die Einrichtung des Cassationshofes bleibt
unverändert. Die Jnamovibilität der Richter ist im Principe
beibehalten, da es indessen im Lande der Freiheit nie ohne Des-
potismus abgeht, so sind dem Entwurf ein paar "vorübergehende
Bestimmungen" beigegeben, die der Regierung freie Hand lassen
die Gerichte von den ihr mißliebigen Subjecten zu säubern. Die
Ernennung jener richterlichen Beamten, welche die Staatsbehörde
vertreten, bleibt wie seither ausschließlich der Regierung, dagegen
werden die Richter am Cassationshofe von der Nationalversamm-
lung ernannt, die Präsidenten und Vicepräsidenten der Gerichts-
höfe von den Collegien selbst gewählt. Zu allen andern richterlichen
Stellen ernennt die Regierung jedoch nicht willkürlich und
nach Gunse,
sondern auf den Vorschlag der Mitglieder des
Gerichtshofes, des Rathes der Advokaten ( du conseil de l'or-
[Spaltenumbruch] dre des avocats
) und der Disciplinarkammer der Avoues ( de la
chambre de discipline des avoues ) .

Die Exequien und das Begräbniß des ehrwürdigen Erzbi-
schofs von Paris haben gestern zu Notre Dame unter allge-
meiner Theilnahme des Volkes stattgefunden. Die meisten Volks-
repräsentanten und elf Bischöfe, als die Erzbischöfe von Nicäa und
Chalcedon, die Bischöfe von Langres, Beauvais, Quimper, Ne-
vers, Meaux, Orleans, Versailles, Blois und der oceanische
Bischof von Amata wohnten dem feierlichen Todtenamte bei. Auch
das diplomatische Corps, unter welchem die Anwesenheit des eng-
lischen Gesandten wohlgefällig aufgenommen wurde, war sehr
stark vertreten. Kirche und Katafalk waren einfach verziert, spre-
chen ja der Tod des geliebten Oberhirten und die an dem Gerüste
angebrachten Jnschriften: "Der Friede sey mit euch! -- Möge
mein Blut das letztvergossene seyn! -- Herr! erbarme dich deines
Volkes! -- Der gute Hirt gibt sein Leben hin für seine Schaafe!"
an und und für sich schon laut genug zu jedem fühlenden Gemüthe!

Auch der Verwaltungsrath der Bank von Frankreich hat für
jene Bürger, welche bei dem letzten Kampf für die Ordnung
verwundet worden sind, eine Unterstützung von 100,000 Francs
angewiesen.

Durch die Auflösung der Pariser Nationalwerkstätten sind lei-
der auch 25,000 Frauen, unter ihnen Mütter von acht Kindern,
brodlos geworden. Eine Deputation von vierhundert Frauen
hat sich deßhalb zum Minister der öffentlichen Arbeiten begeben
und ihn um Hülfe angefleht. Nach der Versicherung des Mini-
sters soll nun dieser Theil der Werkstätten wieder geöffnet wer-
den.

Herr von Girardin protestirt im Constitutionnel auf das Ent-
schiedenste gegen seine willkürliche Verhaftnehmung und droht in
der Presse, sobald sie wieder erscheint, die ganze Geschichte be-
leuchten zu wollen. Vorläufig liegt aber die Druckerei der
Presse noch unter Schloß und Siegel!

^ Aus dem Elsaß 8. Juli. Zu den täuschenden Verspre-
chungen, womit unter dem Namen der Freiheit die Beamtenherr-
schaft das Volk hinhält, gehört auch das bei uns in Anregung
gebrachte des Gratisunterrichtes für Alle. Wie herrlich und schön,
wie großartig, wie der Freiheit und Gleichheit entsprechend scheint
es, wenn es heißt, der Staat gibt und sichert Allen den nothwen-
digen Unterricht umsonst, und doch liegt gerade darin die Ver-
nichtung der gewünschten Unterrichtsfreiheit. Wie so? Wer kann
denn, wenn der Volksunterricht gratis gegeben werden muß,
mit dem Staate noch concurriren; der Staat ( das sind aber, wohl-
gemerkt, die Beamten ) , der den großen Beutel hat, wird allein
auch die Schulanstalten haben, und der Unterricht ist wiederum
monopolisirt, was doch allem Begriffe von Freiheit widerspricht.
Monopol und Freiheit, wie passen die zusammen! Aber in Paris
kennt man nur Monopole, Paris lebt nur von Monopolen, und die
Dictatur, welche die Hauptstadt über das ganze Land ausübt,
ist sie denn nicht auch ein, und zwar ein fast unerträgliches Mono-
pol? Nach unserer Ansicht würde die Nationalversammlung ihre
Pflicht in der Unterrichtsfrage vollkommen erfüllen, wenn sie die
Gemeinden
verpflichtete, vorbehaltlich der Unterstützung aus
der Staatscasse, für Schulen zu sorgen, und den armen und un-
bemittelten Kindern den Unterricht frei zu geben. Wir sehen hef-
tigen Debatten entgegen, und selbst Thiers wird gegen die vor-
geschlagene Bestimmung, als eine die Freiheit beeinträchtigende,
auftreten. Man sollte nicht glauben, wie schwer es ist, so wahre
und klare Grundsätze, wie der der Freiheit des Schulunterrichtes
ist, zur Annerkennung zu bringen; kämpfen wir doch schon acht-
zehn volle Jahre dafür, und immer noch haben bis jetzt die Vor-
urtheile und das Privatinteresse den Sieg davon getragen. Die
Monopolisten geben zu ungern ihr seitheriges Recht aus den Hän-
den, in Frankreich, wie anderwärts, und das ist des eigentlichen
Uebels Grund.



Anzeige.

Die zweite Sendung der neuen ächten holländischen Häringe
ist eingetroffen und wird zu bedeutend billigerem Preise als die
erste verkauft, sowie auch neue Holländer und Genueser Sar-
dellen, neue ächte westphälische Schinken in beliebiger Größe,
frische Oliven, Capern nonpareilles et surfines, ächte Perigord
Trüffeln in Dampf conservirt, neue dürre Margeln, getrocknete
und eingemachte Champignons, getrocknete italienische Castanien,
ächter rother und weiser Burgunder=Essig sowie feines und super-
feines Olivenöl ( Huile vierge ) bei

    Karl Joseph Giani.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. -- Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. -- Druck von Florian Kupferberg.

[Beginn Spaltensatz] Landesgeldbeutel von den eingeschüchterten Deputirten ohne Wei-
teres geöffnet. Jn diesem Sinne, d. i. im Sinne der Regierung,
wurden gestern alle Finanzfragen, die von uns schon früher be-
rührte Angelegenheit der Sparcassen und die Umwandlung der
Schatzscheine in 3% Renten zu 55 genehmigt.

Wichtiger war die eigentliche politische Discussion des Tages.
Es war nämlich schon längere Zeit die Rede davon gewesen die
Regierung wegen der Unterdrückung der bekannten revolutionären
Blätter [unleserliches Material – 3 Zeichen fehlen]und anderer Maßnahmen zu interpelliren und so kam es denn
gestern dazu, daß wirklich von einem Abgeordneten eine Anfrage an
sie gerichtet wurde, was es für eine Bewandtniß mit dem Heerlager
von 50,000 Mann habe, das unter den Mauern von Paris zu-
sammengezogen wird? Ein Anderer wollte wissen, wie es künftig
mit der Caution der Zeitungen gehalten werden solle? Die Ant-
wort Cavaignacs war kurz und schneidend. Der Belagerungszu-
stand, sagte er, sey zwar eine furchtbare Waffe in den Händen
der Gewalt, allein bei der in der Stadt immer noch
fortdauernden Gährung werde er wohl noch lange
dauern müssen.
Was die Zeitungen betreffe, so seyen diese
vorläufig nur suspendirt, nicht unterdrückt, und die Regierung
werde sie wieder frei geben, wenn sie der Presse gegenüber gehö-
rig gerüstet sey. Dazu bedürfe es aber eines Gesetzes, das im
gegenwärtigen Augenblicke nicht erlassen werden könne; die Re-
gierung habe es darum für angemessen erachtet die Caution und
zwar nach den Bestimmungen des Gesetzes vom Jahre 1831 wie-
der einzuführen. „Die Septembergesetze, meinte Cavaignac, seyen
von der provisorischen Regierung zwar abgeschafft worden, allein
es gebe noch viele andere, mit welchen derselbe Zweck auch erreicht
werden könne.“ Solche Aeußerungen werfen ganz eigenthümliche
Streiflichter auf unsere Zustände! Hätte ein Minister Karls X.
oder Louis Philipps eine solche Aeußerung gethan, — das ganze
Land hätte sich im Namen der Freiheit gegen ihn erhoben und die
Dynastie aus dem Lande gejagt!

Es ist eine große Thorheit in der Entlassung des seitherigen
Justizministers Carnot sofort wieder Reaction zu wittern. Herr
Carnot bekannte sich nach der Februarrevolution zu socialistischen
Grundsätzen, die ganz nahe an Communismus streifen, er hatte
in diesem Sinne Schulbücher schreiben lassen, und ein solcher
Mann paßt nicht zum Unterrichtsminister. An seinem Nachfolger
Vaulabelle soll übrigens der Unterricht auch keine besondere Er-
oberung gemacht haben, er ist ein Journalist aus der Schule des
National, die eben für ihre Jünger alle Aemter in Frankreich
gepachtet zu haben scheint.

Auch dem französischen Justizwesen stehen bedeutende Verän-
derungen bevor. Vor Allem sollen nicht nur die Wahllisten der
Jury,
sondern auch ihre Competenz bedeutend erweitert werden.
An die Stelle der seitherigen von richterlichen Beamten gebilde-
ten Anklagekammer tritt nämlich eine Anklagejury, die sich we-
nigstens jeden Monat einmal am Hauptort des Departements ver-
sammelt. Correctionelle Sachen, die vom Gesetze weder den
Polizeigerichten noch den Assisenhöfen zugetheilt sind, werden an
jedem Bezirkshauptorte von der Jury abgeurtheilt. Endlich soll
künftig bei den Assisen nicht mehr das Gericht, sondern die Jury
über den Grad der Strafbarkeit und den zu leistenden Schaden-
ersatz entscheiden. Was die Appellationsgerichte betrifft,
so bestehen diese fort, von dem Urtheil der Jury in correctionellen
Sachen findet indessen ebensowenig eine Appellation statt, wie von
ihrem Verdicte bei den Assisenverhandlungen. Die Competenz der
Friedensgerichte
wird erweitert, dagegen werden die Bezirks-
gerichte aufgehoben und es soll künftig in der Regel in jedem De-
partement nur ein Gericht erster Jnstanz bestehen. Dafür kommt
aber in jeden Bezirk zur Einleitung der Untersuchungen ein Unter-
suchungsrichter, ein Staatsprocuratorsubstitut und ein Ergänzungs-
richter. Die Zahl der Appellationsgerichtshöfe wird in ganz Frank-
reich auf 19 reducirt. Die Einrichtung des Cassationshofes bleibt
unverändert. Die Jnamovibilität der Richter ist im Principe
beibehalten, da es indessen im Lande der Freiheit nie ohne Des-
potismus abgeht, so sind dem Entwurf ein paar „vorübergehende
Bestimmungen“ beigegeben, die der Regierung freie Hand lassen
die Gerichte von den ihr mißliebigen Subjecten zu säubern. Die
Ernennung jener richterlichen Beamten, welche die Staatsbehörde
vertreten, bleibt wie seither ausschließlich der Regierung, dagegen
werden die Richter am Cassationshofe von der Nationalversamm-
lung ernannt, die Präsidenten und Vicepräsidenten der Gerichts-
höfe von den Collegien selbst gewählt. Zu allen andern richterlichen
Stellen ernennt die Regierung jedoch nicht willkürlich und
nach Gunse,
sondern auf den Vorschlag der Mitglieder des
Gerichtshofes, des Rathes der Advokaten ( du conseil de l'or-
[Spaltenumbruch] dre des avocats
) und der Disciplinarkammer der Avoués ( de la
chambre de discipline des avoués ) .

Die Exequien und das Begräbniß des ehrwürdigen Erzbi-
schofs von Paris haben gestern zu Notre Dame unter allge-
meiner Theilnahme des Volkes stattgefunden. Die meisten Volks-
repräsentanten und elf Bischöfe, als die Erzbischöfe von Nicäa und
Chalcedon, die Bischöfe von Langres, Beauvais, Quimper, Ne-
vers, Meaux, Orleans, Versailles, Blois und der oceanische
Bischof von Amata wohnten dem feierlichen Todtenamte bei. Auch
das diplomatische Corps, unter welchem die Anwesenheit des eng-
lischen Gesandten wohlgefällig aufgenommen wurde, war sehr
stark vertreten. Kirche und Katafalk waren einfach verziert, spre-
chen ja der Tod des geliebten Oberhirten und die an dem Gerüste
angebrachten Jnschriften: „Der Friede sey mit euch! — Möge
mein Blut das letztvergossene seyn! — Herr! erbarme dich deines
Volkes! — Der gute Hirt gibt sein Leben hin für seine Schaafe!“
an und und für sich schon laut genug zu jedem fühlenden Gemüthe!

Auch der Verwaltungsrath der Bank von Frankreich hat für
jene Bürger, welche bei dem letzten Kampf für die Ordnung
verwundet worden sind, eine Unterstützung von 100,000 Francs
angewiesen.

Durch die Auflösung der Pariser Nationalwerkstätten sind lei-
der auch 25,000 Frauen, unter ihnen Mütter von acht Kindern,
brodlos geworden. Eine Deputation von vierhundert Frauen
hat sich deßhalb zum Minister der öffentlichen Arbeiten begeben
und ihn um Hülfe angefleht. Nach der Versicherung des Mini-
sters soll nun dieser Theil der Werkstätten wieder geöffnet wer-
den.

Herr von Girardin protestirt im Constitutionnel auf das Ent-
schiedenste gegen seine willkürliche Verhaftnehmung und droht in
der Presse, sobald sie wieder erscheint, die ganze Geschichte be-
leuchten zu wollen. Vorläufig liegt aber die Druckerei der
Presse noch unter Schloß und Siegel!

△ Aus dem Elsaß 8. Juli. Zu den täuschenden Verspre-
chungen, womit unter dem Namen der Freiheit die Beamtenherr-
schaft das Volk hinhält, gehört auch das bei uns in Anregung
gebrachte des Gratisunterrichtes für Alle. Wie herrlich und schön,
wie großartig, wie der Freiheit und Gleichheit entsprechend scheint
es, wenn es heißt, der Staat gibt und sichert Allen den nothwen-
digen Unterricht umsonst, und doch liegt gerade darin die Ver-
nichtung der gewünschten Unterrichtsfreiheit. Wie so? Wer kann
denn, wenn der Volksunterricht gratis gegeben werden muß,
mit dem Staate noch concurriren; der Staat ( das sind aber, wohl-
gemerkt, die Beamten ) , der den großen Beutel hat, wird allein
auch die Schulanstalten haben, und der Unterricht ist wiederum
monopolisirt, was doch allem Begriffe von Freiheit widerspricht.
Monopol und Freiheit, wie passen die zusammen! Aber in Paris
kennt man nur Monopole, Paris lebt nur von Monopolen, und die
Dictatur, welche die Hauptstadt über das ganze Land ausübt,
ist sie denn nicht auch ein, und zwar ein fast unerträgliches Mono-
pol? Nach unserer Ansicht würde die Nationalversammlung ihre
Pflicht in der Unterrichtsfrage vollkommen erfüllen, wenn sie die
Gemeinden
verpflichtete, vorbehaltlich der Unterstützung aus
der Staatscasse, für Schulen zu sorgen, und den armen und un-
bemittelten Kindern den Unterricht frei zu geben. Wir sehen hef-
tigen Debatten entgegen, und selbst Thiers wird gegen die vor-
geschlagene Bestimmung, als eine die Freiheit beeinträchtigende,
auftreten. Man sollte nicht glauben, wie schwer es ist, so wahre
und klare Grundsätze, wie der der Freiheit des Schulunterrichtes
ist, zur Annerkennung zu bringen; kämpfen wir doch schon acht-
zehn volle Jahre dafür, und immer noch haben bis jetzt die Vor-
urtheile und das Privatinteresse den Sieg davon getragen. Die
Monopolisten geben zu ungern ihr seitheriges Recht aus den Hän-
den, in Frankreich, wie anderwärts, und das ist des eigentlichen
Uebels Grund.



Anzeige.

Die zweite Sendung der neuen ächten holländischen Häringe
ist eingetroffen und wird zu bedeutend billigerem Preise als die
erste verkauft, sowie auch neue Holländer und Genueser Sar-
dellen, neue ächte westphälische Schinken in beliebiger Größe,
frische Oliven, Capern nonpareilles et surfines, ächte Perigord
Trüffeln in Dampf conservirt, neue dürre Margeln, getrocknete
und eingemachte Champignons, getrocknete italienische Castanien,
ächter rother und weiser Burgunder=Essig sowie feines und super-
feines Olivenöl ( Huile vierge ) bei

    Karl Joseph Giani.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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[0004] Landesgeldbeutel von den eingeschüchterten Deputirten ohne Wei- teres geöffnet. Jn diesem Sinne, d. i. im Sinne der Regierung, wurden gestern alle Finanzfragen, die von uns schon früher be- rührte Angelegenheit der Sparcassen und die Umwandlung der Schatzscheine in 3% Renten zu 55 genehmigt. Wichtiger war die eigentliche politische Discussion des Tages. Es war nämlich schon längere Zeit die Rede davon gewesen die Regierung wegen der Unterdrückung der bekannten revolutionären Blätter ___und anderer Maßnahmen zu interpelliren und so kam es denn gestern dazu, daß wirklich von einem Abgeordneten eine Anfrage an sie gerichtet wurde, was es für eine Bewandtniß mit dem Heerlager von 50,000 Mann habe, das unter den Mauern von Paris zu- sammengezogen wird? Ein Anderer wollte wissen, wie es künftig mit der Caution der Zeitungen gehalten werden solle? Die Ant- wort Cavaignacs war kurz und schneidend. Der Belagerungszu- stand, sagte er, sey zwar eine furchtbare Waffe in den Händen der Gewalt, allein bei der in der Stadt immer noch fortdauernden Gährung werde er wohl noch lange dauern müssen. Was die Zeitungen betreffe, so seyen diese vorläufig nur suspendirt, nicht unterdrückt, und die Regierung werde sie wieder frei geben, wenn sie der Presse gegenüber gehö- rig gerüstet sey. Dazu bedürfe es aber eines Gesetzes, das im gegenwärtigen Augenblicke nicht erlassen werden könne; die Re- gierung habe es darum für angemessen erachtet die Caution und zwar nach den Bestimmungen des Gesetzes vom Jahre 1831 wie- der einzuführen. „Die Septembergesetze, meinte Cavaignac, seyen von der provisorischen Regierung zwar abgeschafft worden, allein es gebe noch viele andere, mit welchen derselbe Zweck auch erreicht werden könne.“ Solche Aeußerungen werfen ganz eigenthümliche Streiflichter auf unsere Zustände! Hätte ein Minister Karls X. oder Louis Philipps eine solche Aeußerung gethan, — das ganze Land hätte sich im Namen der Freiheit gegen ihn erhoben und die Dynastie aus dem Lande gejagt! Es ist eine große Thorheit in der Entlassung des seitherigen Justizministers Carnot sofort wieder Reaction zu wittern. Herr Carnot bekannte sich nach der Februarrevolution zu socialistischen Grundsätzen, die ganz nahe an Communismus streifen, er hatte in diesem Sinne Schulbücher schreiben lassen, und ein solcher Mann paßt nicht zum Unterrichtsminister. An seinem Nachfolger Vaulabelle soll übrigens der Unterricht auch keine besondere Er- oberung gemacht haben, er ist ein Journalist aus der Schule des National, die eben für ihre Jünger alle Aemter in Frankreich gepachtet zu haben scheint. Auch dem französischen Justizwesen stehen bedeutende Verän- derungen bevor. Vor Allem sollen nicht nur die Wahllisten der Jury, sondern auch ihre Competenz bedeutend erweitert werden. An die Stelle der seitherigen von richterlichen Beamten gebilde- ten Anklagekammer tritt nämlich eine Anklagejury, die sich we- nigstens jeden Monat einmal am Hauptort des Departements ver- sammelt. Correctionelle Sachen, die vom Gesetze weder den Polizeigerichten noch den Assisenhöfen zugetheilt sind, werden an jedem Bezirkshauptorte von der Jury abgeurtheilt. Endlich soll künftig bei den Assisen nicht mehr das Gericht, sondern die Jury über den Grad der Strafbarkeit und den zu leistenden Schaden- ersatz entscheiden. Was die Appellationsgerichte betrifft, so bestehen diese fort, von dem Urtheil der Jury in correctionellen Sachen findet indessen ebensowenig eine Appellation statt, wie von ihrem Verdicte bei den Assisenverhandlungen. Die Competenz der Friedensgerichte wird erweitert, dagegen werden die Bezirks- gerichte aufgehoben und es soll künftig in der Regel in jedem De- partement nur ein Gericht erster Jnstanz bestehen. Dafür kommt aber in jeden Bezirk zur Einleitung der Untersuchungen ein Unter- suchungsrichter, ein Staatsprocuratorsubstitut und ein Ergänzungs- richter. Die Zahl der Appellationsgerichtshöfe wird in ganz Frank- reich auf 19 reducirt. Die Einrichtung des Cassationshofes bleibt unverändert. Die Jnamovibilität der Richter ist im Principe beibehalten, da es indessen im Lande der Freiheit nie ohne Des- potismus abgeht, so sind dem Entwurf ein paar „vorübergehende Bestimmungen“ beigegeben, die der Regierung freie Hand lassen die Gerichte von den ihr mißliebigen Subjecten zu säubern. Die Ernennung jener richterlichen Beamten, welche die Staatsbehörde vertreten, bleibt wie seither ausschließlich der Regierung, dagegen werden die Richter am Cassationshofe von der Nationalversamm- lung ernannt, die Präsidenten und Vicepräsidenten der Gerichts- höfe von den Collegien selbst gewählt. Zu allen andern richterlichen Stellen ernennt die Regierung jedoch nicht willkürlich und nach Gunse, sondern auf den Vorschlag der Mitglieder des Gerichtshofes, des Rathes der Advokaten ( du conseil de l'or- dre des avocats ) und der Disciplinarkammer der Avoués ( de la chambre de discipline des avoués ) . Die Exequien und das Begräbniß des ehrwürdigen Erzbi- schofs von Paris haben gestern zu Notre Dame unter allge- meiner Theilnahme des Volkes stattgefunden. Die meisten Volks- repräsentanten und elf Bischöfe, als die Erzbischöfe von Nicäa und Chalcedon, die Bischöfe von Langres, Beauvais, Quimper, Ne- vers, Meaux, Orleans, Versailles, Blois und der oceanische Bischof von Amata wohnten dem feierlichen Todtenamte bei. Auch das diplomatische Corps, unter welchem die Anwesenheit des eng- lischen Gesandten wohlgefällig aufgenommen wurde, war sehr stark vertreten. Kirche und Katafalk waren einfach verziert, spre- chen ja der Tod des geliebten Oberhirten und die an dem Gerüste angebrachten Jnschriften: „Der Friede sey mit euch! — Möge mein Blut das letztvergossene seyn! — Herr! erbarme dich deines Volkes! — Der gute Hirt gibt sein Leben hin für seine Schaafe!“ an und und für sich schon laut genug zu jedem fühlenden Gemüthe! Auch der Verwaltungsrath der Bank von Frankreich hat für jene Bürger, welche bei dem letzten Kampf für die Ordnung verwundet worden sind, eine Unterstützung von 100,000 Francs angewiesen. Durch die Auflösung der Pariser Nationalwerkstätten sind lei- der auch 25,000 Frauen, unter ihnen Mütter von acht Kindern, brodlos geworden. Eine Deputation von vierhundert Frauen hat sich deßhalb zum Minister der öffentlichen Arbeiten begeben und ihn um Hülfe angefleht. Nach der Versicherung des Mini- sters soll nun dieser Theil der Werkstätten wieder geöffnet wer- den. Herr von Girardin protestirt im Constitutionnel auf das Ent- schiedenste gegen seine willkürliche Verhaftnehmung und droht in der Presse, sobald sie wieder erscheint, die ganze Geschichte be- leuchten zu wollen. Vorläufig liegt aber die Druckerei der Presse noch unter Schloß und Siegel! △ Aus dem Elsaß 8. Juli. Zu den täuschenden Verspre- chungen, womit unter dem Namen der Freiheit die Beamtenherr- schaft das Volk hinhält, gehört auch das bei uns in Anregung gebrachte des Gratisunterrichtes für Alle. Wie herrlich und schön, wie großartig, wie der Freiheit und Gleichheit entsprechend scheint es, wenn es heißt, der Staat gibt und sichert Allen den nothwen- digen Unterricht umsonst, und doch liegt gerade darin die Ver- nichtung der gewünschten Unterrichtsfreiheit. Wie so? Wer kann denn, wenn der Volksunterricht gratis gegeben werden muß, mit dem Staate noch concurriren; der Staat ( das sind aber, wohl- gemerkt, die Beamten ) , der den großen Beutel hat, wird allein auch die Schulanstalten haben, und der Unterricht ist wiederum monopolisirt, was doch allem Begriffe von Freiheit widerspricht. Monopol und Freiheit, wie passen die zusammen! Aber in Paris kennt man nur Monopole, Paris lebt nur von Monopolen, und die Dictatur, welche die Hauptstadt über das ganze Land ausübt, ist sie denn nicht auch ein, und zwar ein fast unerträgliches Mono- pol? Nach unserer Ansicht würde die Nationalversammlung ihre Pflicht in der Unterrichtsfrage vollkommen erfüllen, wenn sie die Gemeinden verpflichtete, vorbehaltlich der Unterstützung aus der Staatscasse, für Schulen zu sorgen, und den armen und un- bemittelten Kindern den Unterricht frei zu geben. Wir sehen hef- tigen Debatten entgegen, und selbst Thiers wird gegen die vor- geschlagene Bestimmung, als eine die Freiheit beeinträchtigende, auftreten. Man sollte nicht glauben, wie schwer es ist, so wahre und klare Grundsätze, wie der der Freiheit des Schulunterrichtes ist, zur Annerkennung zu bringen; kämpfen wir doch schon acht- zehn volle Jahre dafür, und immer noch haben bis jetzt die Vor- urtheile und das Privatinteresse den Sieg davon getragen. Die Monopolisten geben zu ungern ihr seitheriges Recht aus den Hän- den, in Frankreich, wie anderwärts, und das ist des eigentlichen Uebels Grund. Anzeige. Die zweite Sendung der neuen ächten holländischen Häringe ist eingetroffen und wird zu bedeutend billigerem Preise als die erste verkauft, sowie auch neue Holländer und Genueser Sar- dellen, neue ächte westphälische Schinken in beliebiger Größe, frische Oliven, Capern nonpareilles et surfines, ächte Perigord Trüffeln in Dampf conservirt, neue dürre Margeln, getrocknete und eingemachte Champignons, getrocknete italienische Castanien, ächter rother und weiser Burgunder=Essig sowie feines und super- feines Olivenöl ( Huile vierge ) bei Karl Joseph Giani. Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 26. Mainz, 11. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal026_1848/4>, abgerufen am 24.11.2024.