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Mährisches Tagblatt. Nr. 204, Olmütz, 06.09.1895.

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[Spaltenumbruch]

frage, Mutineum, Harnack, Reichstagswahl im
sechsten Wahlkreise, die gewiß mit einem Fiasco
der anti-socialdemokratischen Elemente schließt,
muß man, ohne B. zu nennen, in der allerschärf-
sten Weise benützen, um dem Kaiser den Eindruck
zu machen, daß er in dieser Angelegenheit nicht
gut berathen ist, und ihm den Schluß auf B.
überlassen. Man muß also rings um das poli-
tische Centrum, respective das Cartell Scheiter-
haufen anzünden und sie hell auflodern lassen,
den herrschenden Opportunismus in die Flammen
werfen und dadurch die Lage beleuchten. Merkt
der Kaiser, daß man zwischen ihn und B. Zwie-
tracht säen will, so stößt man ihn zurück Nährt
man in Dingen, wo er instinctiv auf unserer
Seite steht, seine Unzufriedenheit, so stärkt man
ihn principiell, ohne ihn persönlich zu reizen. Er
hat kürzlich gesagt: Sechs Monate will ich den
alten B. verschnaufen lassen, dann regiere ich
selbst. B. selbst hat gemeint, daß er den Kaiser
nicht in der Hand behält. Wir müssen also, ohne
uns etwas zu vergeben, doch behutsam sein.

(Die Lösung der armenischen Frage.)

In informirten Kreisen circulirt seit zwei Tagen
die Version, daß der Sultan in die Annahme
der von den Großmächten bezüglich Armeniens
gestellten Bedingungen eingewilligt hätte. Be-
stätigt sich diese Angabe, dann wäre endlich Aus-
sicht vorhanden, daß die armenische Frage einer
befriedigenden Lösung entgegengeführt wird. Im
Hinblicke auf die Darstellung, als ob sich die
Dreibundmächte gegenüber den Schritten Englands,
Rußlands und Frankreichs bei der Pforte ablehnend
verhalten hätten, ist es nicht ohne Interesse, zu
constatiren, daß das "Fremdenblatt" in einem
anscheinend inspirirten Artikel der Pforte ent-
schieden zur Nachgiebigkeit räth.

(Das Madagassische Abenteuer.)

Die
Franzosen ko[st]et der Kampf mit den Howas in
Madagaskar bereits mehr Opfer an Geld und Sol-
daten, als sie sich anfangs vorstellten. Die fran-
zösische Regierung begehrt für die Expedition auf
Madagaskar einen neuen Fünfzig-Millionen-
Credit, nachdem die ersten fünfundsechzig Millionen
bereits verbraucht sind.




Locales und Provinzielles.


(Se. kais. Hoheit, der Herr Erzherzog
Josef Ferdinand)

trifft in den nächsten Tagen
in Olmütz ein, um sich hier selbst zu verabschie-
den. In der Residenz des kaiserlichen Prinzen,
welcher bekanntlich nach Wien übersiedelt, woselbst
er die Kriegsschule absolviren wird, werden be-
reits die Vorbereitungen zu dessen Uebersiedlung
getroffen und wird das Meublement bereits in
den nächsten Tagen nach Wien geschafft werden.

(Scheiden.)

Die Nachricht, daß Se. kais.
Hoheit Erzherzog Josef Ferdinand aus
[Spaltenumbruch] unserer Stadt scheidet, wird von unserer gesamm-
ten Bevölkerung nur mit Bedauern gehört wer-
den. Dieselbe brachte dem kais. Prinzen die
herzlichsten Sympathien entgegen. Sein liebens-
würdiges, von steifem Ceremoniell freies Wesen,
sein freundliches Benehmen hatten ihm hier
rasch die Herzen gewonnen, und Niemand möchte
gerne an das Scheiden denken. Aber der kaiser-
liche Dienst ruft, und der junge Erzherzog folgt
diesem Rufe nach Wien. Wir wollen hoffen, daß
es ihm hier behagte, und daß er beim Scheiden
von Olmütz durchaus freundliche Erinnerungen
in die Residenz mitnehmen wird, aus welcher
ihn vielleicht der "Dienst" wieder einmal nach
Olmütz beruft, von wo ihn beim Scheiden die
besten Wünsche geleiten.

(Der Statthalter in Hohenstadt.)

Ge-
stern Früh erfolgte die Abfahrt Seiner Excellenz
des Statthalters von Littau über Schwarzbach
nach Hohenstadt, woselbst im Bahnhofe ein
Empfang durch den Bezirkshauptmann Ritter v.
Kundratitz, die Gemeindevertretungen der umlie-
genden Orte und an der Stadtgrenze durch den
an der Spitze der Gemeindevertretung erschienenen
Bürgermeister Stalzer stattfand. Sämmtliche
deutschen und böhmischen Vereine der Stadt
Hohenstadt und Umgebung, sowie die Schulkinder
bildeten bis zum Gebäude der Bezirkshauptmann-
schaft Spalier. Nach den Empfängen besichtigte
Freiherr von Spens-Booden Nachmittags die
Kirche, die Schulen, das Fabriksetablissement
Braß und Söhne und die Mälzerei Klatscher.
Abends fuhr Se. Excellenz nach M.-Schönberg.

(Ehrenbürgerrecht-Verleihung.)

Die Ge-
meinde Boskowitz hat dem Landesgerichtsrath Dr.
Geißler das Ehrenbürgerrecht verliehen.

(Personalnachricht.)

Der Commandant
des Infanterie-Regiments Nr. 8, Herr Oberst
Carl Edler von Eisenbauer, ist auf sein
Ansuchen in den Ruhestand getreten. Aus diesem
Anlasse hat denselben Se. Majestät der Kaiser
durch Verleihung des Ordens der eisernen Krone
dritter Classe ausgezeichnet.

(Personales.)

Herr Stadphysicus Dr. Hans
Cantor ist von seiner Urlaubsreise wieder in
Olmütz eingetroffen und hat die Leitung des
Stadtphysicates übernommen.

(Die Demonstrationen gegen den Statt-
halter.)

In den tschechischen Kreisen unsere[r] Nach-
barbezirke herrscht arge Verstimmung. Ein großer
Theil derselben ist unzufrieden mit den Führern,
welche die Demonstrationen gegen die Person des
Statthalters inscenirten und die slavische Bevöl-
kerung auf diese Weise verhinderten, ihre Wünsche
und Beschwerden auf dem so wirksamen Wege des
directen mündlichen Verkehrs mit dem Vertreter
des Kaisers im Lande zu Gehör zu bringen. Als
Symptom dieser Verstimmung darf es wohl
gelten, daß die elericalen und alttschechischen
Organe sich über diese Demonstration gründlich
[Spaltenumbruch] ausschweigen, während die jungtschechischen Blätter
ihre Genugthuung darüber äußern. Es ist auch
nicht ohne Interesse zu constatiren, daß der
Clerus im Gegensatze zu den tschechischen Füh-
rern, die sich ferne hielten, überall an der Spitze
derer stand, die an der festlichen Begrüßung des
Statthalters theilnahmen.

(Lewinsky's 60. Geburtstag.)

Am 20. d.
feiert der k. u. k. Hofschauspieler Josef Lewinsky
seinen 60. Geburtstag. Er wurde in Wien 1835
geboren. Als 1851 seine Eltern in Roth geriethen,
mußte er das Studiren am Wiener Schotten-
Gymnasium aufgeben und wandte sich der Buch-
haltung zu. Aber schon im Frühjahr 1853 bat
er den Comparserie-Inspicienten des Burgtheaters,
Wilhelm Just, ihn als Schüler aufzunehmen.
Aber Just sagte: "Was wollen Sie mit einer
solchen Figur? Zum Liebhaber sind Sie weder
groß noch schön genug und für Character-Rollen
zu unbedeutend ..." -- Endlich gab Just nach.
Lewinsky trat auf Wiener Bühnen anfänglich
als Statist auf, wurde später Aushilfsstatist im
Burgtheater. Am 17. Jänner 1855 trat er in
Halm's "Fechter von Ravenna" als "Ein
Journalist" zum ersten Male im Theater an der
Wien auf. Nach sieben Monaten wurde dem
"Talentlosen" gekündigt und er ging nach
Troppau, von hier nach Bielitz, wo er ein erstes
Rollenfach mit 36 fl. Monatsgage übernahm.
Von hier ging er nach Brünn. Am 4. Mai 1858
trat Lewinsky zum ersten Male im Burgtheater
auf; er spielte den Franz Moor" und wurde
als erster Characterdarsteller engagirt. Seit
22. Jänner 1865 ist er wirklicher Hofschauspieler,
dessen Repertoire über 200 Rollen umfaßt. Auf
der hiesigen Bühne hat Lewinsky wiederholt
gastirt, und wiederholt lernten wir ihn hier auch
als Vorleser kennen und bewundern.

(Die Heimkehr der Truppen vom Ma-
növerfeld.)

Sonntag treffen die ersten heimkeh-
renden Truppen vom Manöverfeld wieder in Ol-
mütz ein u. zw. sind dies die Reservisten des 54.
Inf.-Rgts., welche als die ersten abrüsten und
zum heimatlichen Herde zurückk[e]hren. Am Dien-
stag rückt sodann die übrige Garnison in ihre
Dislocationen wieder ein. Mit der Hcimkehr
der Truppen werden sodann die Straßen der
Stadt, welche jetzt sehr leer sind, wieder ein be-
wegtes Bild erhalten.

(Die Olmützer Gartenbau - Ausstellung)

des hiesigen Vereines "Hortolonia" wird morgen
um 10 Uhr Früh feierlich eröffnet. Es ist das
erste Unternehmen d[i]eser Art in Olmütz und
man darf also erwarten, daß der Besuch der
Ausstellung seitens des Publicums ein sehr reger
sein wird. Diese Erwartung ist umso begründeter,
als die Ausstellung viel des Schönen und Sehens-
werthen bieten wird. Dieselbe findet in der
Wilhelmshalle unseres herrlichen Stadtparkes
statt, also im schönsten Rahmen, der einer Aus-




[Spaltenumbruch]

und -- schnaps! lagen wir um. Bis an die
Hüften im Wasser watend, traten wir den Rück-
zug an und achteten natürlich nicht darauf, daß
das eigenthümliche Geheul immer näher kam.
Wer beschreibt daher unseren Schrecken, als wir
uns plötzlich nicht einer, sondern einer ganzen
Heerde Tigerkatzen gegenübersahen, die uns wuth-
fauchend am Strande empfingen! Unsere Tänze-
rinnen waren es und Rache wollten sie an uns
nehmen, weil Madame Pecqueur sie an die Luft
gesetzt hatte. Bis an die Zähne mit faulen
Früchten bewaffnet, drangen sie auf uns ein;
weiß der Himmel wo sie alle die vordorbenen
Bananen, Limonen und Orangen so schnell
aufgetrieben hatten, die uns um die Ohren
sausten! Antoinette stand in der vordersten
Gefechtsreihe; dank dem hellen Mondschein er-
kannte ich sie deutlich, und als sie mich erkannte,
widmete sie mir ihr schwerstes Wurfgeschoß, eine
halbverfaulte Ananas, die auf meinem Kopfe
explodirte, daß es nur so quatschte. Dann wurde
mir der Hut herunter gerissen und dem Weltmeere
anvertraut, Männer, die der exmittirte Fischer
herbeigerufen, griffen ins Gefecht ein, und nun
regnete es neben allerlei Südfrüchten auch noch
Hiebe. Wehren konnten wir uns nicht, denn wir
waren vor dem Artilleriefeuer der Amazonen so
weit zurückgewichen, daß wir bis unter die
Arme im Wasser standen. Wie die schwarzen
Racker mit Rudern und langen Bambusknüppeln
auf uns losdroschen! Ging das so fort, dann
schlugen sie uns allesammt mausetodt.


[Spaltenumbruch]

Da -- ich hatte soeben wieder eine Kopfnuß
bekommen, die mir die größte Hochachtung vor
der Haltbarkeit menschlicher Verstandeskasten ab-
zwang -- krachte hinter uns ein Gewehrschuß
und entsetzt stoben unsere Bedränger auseinander.
Unser Capitän hatte von Bord aus durch das
Nachtglas beobachtet, wie wir gewalkt wurden,
und uns endlich ein Boot zu Hilfe geschickt,
dessen Führer mit einem blinden Schuß der
Schlacht ein Ende machte.

Windelweich geprügelt kamen wir längseit.
Der Capitän saß auf der Verschanzung, und
während ich mich die Fallreepstreppe hinauf-
schleppte, rief er mir zu: "Na, war's recht ro-
mantisch in Afrika, junger Held?" --




Zehn Jahre später war der also Verspottete
in Libreville wirklich der Held des Tages.

Das will freilich nicht viel heißen, denn in
kleinen Tropenstädten greifen die Europäer
gierig nach jeder Gelegenheit einen der Ihrigen
zu feiern, schon um den schwarzen "Brüdern"
die Ueberlegenheit der weißen Rasse [d]arzuthun.
Aus diesem Grunde durften denn auch hier die
Eingeborenen aus angemessener Entfernung Zeu-
gen sein, wie Pater Lebrun, der Vorsteher der
französischen Missionsanstalt, bei einem Gartenfeste
eine Rede auf den jungen deutschen Capitän
schwang, der einen der Missionsbrüder am Cap
Lopez den Händen der Urungu-Neger entwunden
und hierher geflüchtet hatte. Ist das ein großes
Thier! dachten offenbar die farbigen Zuschauer,
[Spaltenumbruch] als der Gefeierte nach dem Schluß der Rede
von den geladenen Officieren und Kaufleuten
glückwünschend umdrängt wurde. Und er warf
sich nicht schlecht in die Brust. Hätte er vielleicht
bescheiden abwehren sollen? Fiel ihm gar nicht ein.

Da sieht er ein rundliches, in hellen Kattun
gekleidetes Negerweib heranwatscheln.

"Mon cher ... Mon cher capitaine",
flüstern ihre minniglichen Polsterlippen und dann
noch etwas von Antoinette und Verzeihung und
ewigem Lieben.

"Was ist's mit der Negerin? Eine neue
Huldigung?" fragen die Gäste.

Da naht ein zweites, ein weißes Weib mit
einem stattlichen Schnurrbart und ein zusammen-
gefaltetes Blatt Papier in der Hand haltend --
aha! eine Glückwunsch-Adresse. "Madame Pec-
queur," sagt einer der umstehenden Herren, und
männiglich harrt gespannt der Dinge, die da
kommen sollen.

Der Gefeierte hat seine einstige Tänzerin
und Gegnerin wieder erkannt, -- er erkennt auch
Madame Pecqueur wieder, aber ihm ahnt nichts
Gutes von diesem Wiedersehen. Dennoch bewahrt
er seine Würde, während er die Adresse ent-
gegennimmt und vor den Augen seiner weißen
Brüder entfaltet. Alle recken die Hälse und lesen
mit ihm:

2. September 188*
3 bout. de Cognac ... a 10 fr[s]. .. 30. --
Tableau!! --




[Spaltenumbruch]

frage, Mutineum, Harnack, Reichstagswahl im
ſechſten Wahlkreiſe, die gewiß mit einem Fiasco
der anti-ſocialdemokratiſchen Elemente ſchließt,
muß man, ohne B. zu nennen, in der allerſchärf-
ſten Weiſe benützen, um dem Kaiſer den Eindruck
zu machen, daß er in dieſer Angelegenheit nicht
gut berathen iſt, und ihm den Schluß auf B.
überlaſſen. Man muß alſo rings um das poli-
tiſche Centrum, reſpective das Cartell Scheiter-
haufen anzünden und ſie hell auflodern laſſen,
den herrſchenden Opportunismus in die Flammen
werfen und dadurch die Lage beleuchten. Merkt
der Kaiſer, daß man zwiſchen ihn und B. Zwie-
tracht ſäen will, ſo ſtößt man ihn zurück Nährt
man in Dingen, wo er inſtinctiv auf unſerer
Seite ſteht, ſeine Unzufriedenheit, ſo ſtärkt man
ihn principiell, ohne ihn perſönlich zu reizen. Er
hat kürzlich geſagt: Sechs Monate will ich den
alten B. verſchnaufen laſſen, dann regiere ich
ſelbſt. B. ſelbſt hat gemeint, daß er den Kaiſer
nicht in der Hand behält. Wir müſſen alſo, ohne
uns etwas zu vergeben, doch behutſam ſein.

(Die Löſung der armeniſchen Frage.)

In informirten Kreiſen circulirt ſeit zwei Tagen
die Verſion, daß der Sultan in die Annahme
der von den Großmächten bezüglich Armeniens
geſtellten Bedingungen eingewilligt hätte. Be-
ſtätigt ſich dieſe Angabe, dann wäre endlich Aus-
ſicht vorhanden, daß die armeniſche Frage einer
befriedigenden Löſung entgegengeführt wird. Im
Hinblicke auf die Darſtellung, als ob ſich die
Dreibundmächte gegenüber den Schritten Englands,
Rußlands und Frankreichs bei der Pforte ablehnend
verhalten hätten, iſt es nicht ohne Intereſſe, zu
conſtatiren, daß das „Fremdenblatt“ in einem
anſcheinend inſpirirten Artikel der Pforte ent-
ſchieden zur Nachgiebigkeit räth.

(Das Madagaſſiſche Abenteuer.)

Die
Franzoſen ko[ſt]et der Kampf mit den Howas in
Madagaskar bereits mehr Opfer an Geld und Sol-
daten, als ſie ſich anfangs vorſtellten. Die fran-
zöſiſche Regierung begehrt für die Expedition auf
Madagaskar einen neuen Fünfzig-Millionen-
Credit, nachdem die erſten fünfundſechzig Millionen
bereits verbraucht ſind.




Locales und Provinzielles.


(Se. kaiſ. Hoheit, der Herr Erzherzog
Joſef Ferdinand)

trifft in den nächſten Tagen
in Olmütz ein, um ſich hier ſelbſt zu verabſchie-
den. In der Reſidenz des kaiſerlichen Prinzen,
welcher bekanntlich nach Wien überſiedelt, woſelbſt
er die Kriegsſchule abſolviren wird, werden be-
reits die Vorbereitungen zu deſſen Ueberſiedlung
getroffen und wird das Meublement bereits in
den nächſten Tagen nach Wien geſchafft werden.

(Scheiden.)

Die Nachricht, daß Se. kaiſ.
Hoheit Erzherzog Joſef Ferdinand aus
[Spaltenumbruch] unſerer Stadt ſcheidet, wird von unſerer geſamm-
ten Bevölkerung nur mit Bedauern gehört wer-
den. Dieſelbe brachte dem kaiſ. Prinzen die
herzlichſten Sympathien entgegen. Sein liebens-
würdiges, von ſteifem Ceremoniell freies Weſen,
ſein freundliches Benehmen hatten ihm hier
raſch die Herzen gewonnen, und Niemand möchte
gerne an das Scheiden denken. Aber der kaiſer-
liche Dienſt ruft, und der junge Erzherzog folgt
dieſem Rufe nach Wien. Wir wollen hoffen, daß
es ihm hier behagte, und daß er beim Scheiden
von Olmütz durchaus freundliche Erinnerungen
in die Reſidenz mitnehmen wird, aus welcher
ihn vielleicht der „Dienſt“ wieder einmal nach
Olmütz beruft, von wo ihn beim Scheiden die
beſten Wünſche geleiten.

(Der Statthalter in Hohenſtadt.)

Ge-
ſtern Früh erfolgte die Abfahrt Seiner Excellenz
des Statthalters von Littau über Schwarzbach
nach Hohenſtadt, woſelbſt im Bahnhofe ein
Empfang durch den Bezirkshauptmann Ritter v.
Kundratitz, die Gemeindevertretungen der umlie-
genden Orte und an der Stadtgrenze durch den
an der Spitze der Gemeindevertretung erſchienenen
Bürgermeiſter Stalzer ſtattfand. Sämmtliche
deutſchen und böhmiſchen Vereine der Stadt
Hohenſtadt und Umgebung, ſowie die Schulkinder
bildeten bis zum Gebäude der Bezirkshauptmann-
ſchaft Spalier. Nach den Empfängen beſichtigte
Freiherr von Spens-Booden Nachmittags die
Kirche, die Schulen, das Fabriksetabliſſement
Braß und Söhne und die Mälzerei Klatſcher.
Abends fuhr Se. Excellenz nach M.-Schönberg.

(Ehrenbürgerrecht-Verleihung.)

Die Ge-
meinde Boskowitz hat dem Landesgerichtsrath Dr.
Geißler das Ehrenbürgerrecht verliehen.

(Perſonalnachricht.)

Der Commandant
des Infanterie-Regiments Nr. 8, Herr Oberſt
Carl Edler von Eiſenbauer, iſt auf ſein
Anſuchen in den Ruheſtand getreten. Aus dieſem
Anlaſſe hat denſelben Se. Majeſtät der Kaiſer
durch Verleihung des Ordens der eiſernen Krone
dritter Claſſe ausgezeichnet.

(Perſonales.)

Herr Stadphyſicus Dr. Hans
Cantor iſt von ſeiner Urlaubsreiſe wieder in
Olmütz eingetroffen und hat die Leitung des
Stadtphýſicates übernommen.

(Die Demonſtrationen gegen den Statt-
halter.)

In den tſchechiſchen Kreiſen unſere[r] Nach-
barbezirke herrſcht arge Verſtimmung. Ein großer
Theil derſelben iſt unzufrieden mit den Führern,
welche die Demonſtrationen gegen die Perſon des
Statthalters inſcenirten und die ſlaviſche Bevöl-
kerung auf dieſe Weiſe verhinderten, ihre Wünſche
und Beſchwerden auf dem ſo wirkſamen Wege des
directen mündlichen Verkehrs mit dem Vertreter
des Kaiſers im Lande zu Gehör zu bringen. Als
Symptom dieſer Verſtimmung darf es wohl
gelten, daß die elericalen und alttſchechiſchen
Organe ſich über dieſe Demonſtration gründlich
[Spaltenumbruch] ausſchweigen, während die jungtſchechiſchen Blätter
ihre Genugthuung darüber äußern. Es iſt auch
nicht ohne Intereſſe zu conſtatiren, daß der
Clerus im Gegenſatze zu den tſchechiſchen Füh-
rern, die ſich ferne hielten, überall an der Spitze
derer ſtand, die an der feſtlichen Begrüßung des
Statthalters theilnahmen.

(Lewinsky’s 60. Geburtstag.)

Am 20. d.
feiert der k. u. k. Hofſchauſpieler Joſef Lewinsky
ſeinen 60. Geburtstag. Er wurde in Wien 1835
geboren. Als 1851 ſeine Eltern in Roth geriethen,
mußte er das Studiren am Wiener Schotten-
Gymnaſium aufgeben und wandte ſich der Buch-
haltung zu. Aber ſchon im Frühjahr 1853 bat
er den Comparſerie-Inſpicienten des Burgtheaters,
Wilhelm Juſt, ihn als Schüler aufzunehmen.
Aber Juſt ſagte: „Was wollen Sie mit einer
ſolchen Figur? Zum Liebhaber ſind Sie weder
groß noch ſchön genug und für Character-Rollen
zu unbedeutend ...“ — Endlich gab Juſt nach.
Lewinsky trat auf Wiener Bühnen anfänglich
als Statiſt auf, wurde ſpäter Aushilfsſtatiſt im
Burgtheater. Am 17. Jänner 1855 trat er in
Halm’s „Fechter von Ravenna“ als „Ein
Journaliſt“ zum erſten Male im Theater an der
Wien auf. Nach ſieben Monaten wurde dem
„Talentloſen“ gekündigt und er ging nach
Troppau, von hier nach Bielitz, wo er ein erſtes
Rollenfach mit 36 fl. Monatsgage übernahm.
Von hier ging er nach Brünn. Am 4. Mai 1858
trat Lewinsky zum erſten Male im Burgtheater
auf; er ſpielte den Franz Moor“ und wurde
als erſter Characterdarſteller engagirt. Seit
22. Jänner 1865 iſt er wirklicher Hofſchauſpieler,
deſſen Repertoire über 200 Rollen umfaßt. Auf
der hieſigen Bühne hat Lewinsky wiederholt
gaſtirt, und wiederholt lernten wir ihn hier auch
als Vorleſer kennen und bewundern.

(Die Heimkehr der Truppen vom Ma-
növerfeld.)

Sonntag treffen die erſten heimkeh-
renden Truppen vom Manöverfeld wieder in Ol-
mütz ein u. zw. ſind dies die Reſerviſten des 54.
Inf.-Rgts., welche als die erſten abrüſten und
zum heimatlichen Herde zurückk[e]hren. Am Dien-
ſtag rückt ſodann die übrige Garniſon in ihre
Dislocationen wieder ein. Mit der Hcimkehr
der Truppen werden ſodann die Straßen der
Stadt, welche jetzt ſehr leer ſind, wieder ein be-
wegtes Bild erhalten.

(Die Olmützer Gartenbau - Ausſtellung)

des hieſigen Vereines „Hortolonia“ wird morgen
um 10 Uhr Früh feierlich eröffnet. Es iſt das
erſte Unternehmen d[i]eſer Art in Olmütz und
man darf alſo erwarten, daß der Beſuch der
Ausſtellung ſeitens des Publicums ein ſehr reger
ſein wird. Dieſe Erwartung iſt umſo begründeter,
als die Ausſtellung viel des Schönen und Sehens-
werthen bieten wird. Dieſelbe findet in der
Wilhelmshalle unſeres herrlichen Stadtparkes
ſtatt, alſo im ſchönſten Rahmen, der einer Aus-




[Spaltenumbruch]

und — ſchnaps! lagen wir um. Bis an die
Hüften im Waſſer watend, traten wir den Rück-
zug an und achteten natürlich nicht darauf, daß
das eigenthümliche Geheul immer näher kam.
Wer beſchreibt daher unſeren Schrecken, als wir
uns plötzlich nicht einer, ſondern einer ganzen
Heerde Tigerkatzen gegenüberſahen, die uns wuth-
fauchend am Strande empfingen! Unſere Tänze-
rinnen waren es und Rache wollten ſie an uns
nehmen, weil Madame Pecqueur ſie an die Luft
geſetzt hatte. Bis an die Zähne mit faulen
Früchten bewaffnet, drangen ſie auf uns ein;
weiß der Himmel wo ſie alle die vordorbenen
Bananen, Limonen und Orangen ſo ſchnell
aufgetrieben hatten, die uns um die Ohren
ſauſten! Antoinette ſtand in der vorderſten
Gefechtsreihe; dank dem hellen Mondſchein er-
kannte ich ſie deutlich, und als ſie mich erkannte,
widmete ſie mir ihr ſchwerſtes Wurfgeſchoß, eine
halbverfaulte Ananas, die auf meinem Kopfe
explodirte, daß es nur ſo quatſchte. Dann wurde
mir der Hut herunter geriſſen und dem Weltmeere
anvertraut, Männer, die der exmittirte Fiſcher
herbeigerufen, griffen ins Gefecht ein, und nun
regnete es neben allerlei Südfrüchten auch noch
Hiebe. Wehren konnten wir uns nicht, denn wir
waren vor dem Artilleriefeuer der Amazonen ſo
weit zurückgewichen, daß wir bis unter die
Arme im Waſſer ſtanden. Wie die ſchwarzen
Racker mit Rudern und langen Bambusknüppeln
auf uns losdroſchen! Ging das ſo fort, dann
ſchlugen ſie uns alleſammt mauſetodt.


[Spaltenumbruch]

Da — ich hatte ſoeben wieder eine Kopfnuß
bekommen, die mir die größte Hochachtung vor
der Haltbarkeit menſchlicher Verſtandeskaſten ab-
zwang — krachte hinter uns ein Gewehrſchuß
und entſetzt ſtoben unſere Bedränger auseinander.
Unſer Capitän hatte von Bord aus durch das
Nachtglas beobachtet, wie wir gewalkt wurden,
und uns endlich ein Boot zu Hilfe geſchickt,
deſſen Führer mit einem blinden Schuß der
Schlacht ein Ende machte.

Windelweich geprügelt kamen wir längſeit.
Der Capitän ſaß auf der Verſchanzung, und
während ich mich die Fallreepstreppe hinauf-
ſchleppte, rief er mir zu: „Na, war’s recht ro-
mantiſch in Afrika, junger Held?“ —




Zehn Jahre ſpäter war der alſo Verſpottete
in Libreville wirklich der Held des Tages.

Das will freilich nicht viel heißen, denn in
kleinen Tropenſtädten greifen die Europäer
gierig nach jeder Gelegenheit einen der Ihrigen
zu feiern, ſchon um den ſchwarzen „Brüdern“
die Ueberlegenheit der weißen Raſſe [d]arzuthun.
Aus dieſem Grunde durften denn auch hier die
Eingeborenen aus angemeſſener Entfernung Zeu-
gen ſein, wie Pater Lebrun, der Vorſteher der
franzöſiſchen Miſſionsanſtalt, bei einem Gartenfeſte
eine Rede auf den jungen deutſchen Capitän
ſchwang, der einen der Miſſionsbrüder am Cap
Lopez den Händen der Urungu-Neger entwunden
und hierher geflüchtet hatte. Iſt das ein großes
Thier! dachten offenbar die farbigen Zuſchauer,
[Spaltenumbruch] als der Gefeierte nach dem Schluß der Rede
von den geladenen Officieren und Kaufleuten
glückwünſchend umdrängt wurde. Und er warf
ſich nicht ſchlecht in die Bruſt. Hätte er vielleicht
beſcheiden abwehren ſollen? Fiel ihm gar nicht ein.

Da ſieht er ein rundliches, in hellen Kattun
gekleidetes Negerweib heranwatſcheln.

„Mon cher ... Mon cher capitaine“,
flüſtern ihre minniglichen Polſterlippen und dann
noch etwas von Antoinette und Verzeihung und
ewigem Lieben.

„Was iſt’s mit der Negerin? Eine neue
Huldigung?“ fragen die Gäſte.

Da naht ein zweites, ein weißes Weib mit
einem ſtattlichen Schnurrbart und ein zuſammen-
gefaltetes Blatt Papier in der Hand haltend —
aha! eine Glückwunſch-Adreſſe. „Madame Pec-
queur,“ ſagt einer der umſtehenden Herren, und
männiglich harrt geſpannt der Dinge, die da
kommen ſollen.

Der Gefeierte hat ſeine einſtige Tänzerin
und Gegnerin wieder erkannt, — er erkennt auch
Madame Pecqueur wieder, aber ihm ahnt nichts
Gutes von dieſem Wiederſehen. Dennoch bewahrt
er ſeine Würde, während er die Adreſſe ent-
gegennimmt und vor den Augen ſeiner weißen
Brüder entfaltet. Alle recken die Hälſe und leſen
mit ihm:

2. September 188*
3 bout. de Cognac ... á 10 fr[s]. .. 30. —
Tableau!! —




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[[4]/0004] frage, Mutineum, Harnack, Reichstagswahl im ſechſten Wahlkreiſe, die gewiß mit einem Fiasco der anti-ſocialdemokratiſchen Elemente ſchließt, muß man, ohne B. zu nennen, in der allerſchärf- ſten Weiſe benützen, um dem Kaiſer den Eindruck zu machen, daß er in dieſer Angelegenheit nicht gut berathen iſt, und ihm den Schluß auf B. überlaſſen. Man muß alſo rings um das poli- tiſche Centrum, reſpective das Cartell Scheiter- haufen anzünden und ſie hell auflodern laſſen, den herrſchenden Opportunismus in die Flammen werfen und dadurch die Lage beleuchten. Merkt der Kaiſer, daß man zwiſchen ihn und B. Zwie- tracht ſäen will, ſo ſtößt man ihn zurück Nährt man in Dingen, wo er inſtinctiv auf unſerer Seite ſteht, ſeine Unzufriedenheit, ſo ſtärkt man ihn principiell, ohne ihn perſönlich zu reizen. Er hat kürzlich geſagt: Sechs Monate will ich den alten B. verſchnaufen laſſen, dann regiere ich ſelbſt. B. ſelbſt hat gemeint, daß er den Kaiſer nicht in der Hand behält. Wir müſſen alſo, ohne uns etwas zu vergeben, doch behutſam ſein. (Die Löſung der armeniſchen Frage.) In informirten Kreiſen circulirt ſeit zwei Tagen die Verſion, daß der Sultan in die Annahme der von den Großmächten bezüglich Armeniens geſtellten Bedingungen eingewilligt hätte. Be- ſtätigt ſich dieſe Angabe, dann wäre endlich Aus- ſicht vorhanden, daß die armeniſche Frage einer befriedigenden Löſung entgegengeführt wird. Im Hinblicke auf die Darſtellung, als ob ſich die Dreibundmächte gegenüber den Schritten Englands, Rußlands und Frankreichs bei der Pforte ablehnend verhalten hätten, iſt es nicht ohne Intereſſe, zu conſtatiren, daß das „Fremdenblatt“ in einem anſcheinend inſpirirten Artikel der Pforte ent- ſchieden zur Nachgiebigkeit räth. (Das Madagaſſiſche Abenteuer.) Die Franzoſen koſtet der Kampf mit den Howas in Madagaskar bereits mehr Opfer an Geld und Sol- daten, als ſie ſich anfangs vorſtellten. Die fran- zöſiſche Regierung begehrt für die Expedition auf Madagaskar einen neuen Fünfzig-Millionen- Credit, nachdem die erſten fünfundſechzig Millionen bereits verbraucht ſind. Locales und Provinzielles. Olmütz, 6. September. (Se. kaiſ. Hoheit, der Herr Erzherzog Joſef Ferdinand) trifft in den nächſten Tagen in Olmütz ein, um ſich hier ſelbſt zu verabſchie- den. In der Reſidenz des kaiſerlichen Prinzen, welcher bekanntlich nach Wien überſiedelt, woſelbſt er die Kriegsſchule abſolviren wird, werden be- reits die Vorbereitungen zu deſſen Ueberſiedlung getroffen und wird das Meublement bereits in den nächſten Tagen nach Wien geſchafft werden. (Scheiden.) Die Nachricht, daß Se. kaiſ. Hoheit Erzherzog Joſef Ferdinand aus unſerer Stadt ſcheidet, wird von unſerer geſamm- ten Bevölkerung nur mit Bedauern gehört wer- den. Dieſelbe brachte dem kaiſ. Prinzen die herzlichſten Sympathien entgegen. Sein liebens- würdiges, von ſteifem Ceremoniell freies Weſen, ſein freundliches Benehmen hatten ihm hier raſch die Herzen gewonnen, und Niemand möchte gerne an das Scheiden denken. Aber der kaiſer- liche Dienſt ruft, und der junge Erzherzog folgt dieſem Rufe nach Wien. Wir wollen hoffen, daß es ihm hier behagte, und daß er beim Scheiden von Olmütz durchaus freundliche Erinnerungen in die Reſidenz mitnehmen wird, aus welcher ihn vielleicht der „Dienſt“ wieder einmal nach Olmütz beruft, von wo ihn beim Scheiden die beſten Wünſche geleiten. (Der Statthalter in Hohenſtadt.) Ge- ſtern Früh erfolgte die Abfahrt Seiner Excellenz des Statthalters von Littau über Schwarzbach nach Hohenſtadt, woſelbſt im Bahnhofe ein Empfang durch den Bezirkshauptmann Ritter v. Kundratitz, die Gemeindevertretungen der umlie- genden Orte und an der Stadtgrenze durch den an der Spitze der Gemeindevertretung erſchienenen Bürgermeiſter Stalzer ſtattfand. Sämmtliche deutſchen und böhmiſchen Vereine der Stadt Hohenſtadt und Umgebung, ſowie die Schulkinder bildeten bis zum Gebäude der Bezirkshauptmann- ſchaft Spalier. Nach den Empfängen beſichtigte Freiherr von Spens-Booden Nachmittags die Kirche, die Schulen, das Fabriksetabliſſement Braß und Söhne und die Mälzerei Klatſcher. Abends fuhr Se. Excellenz nach M.-Schönberg. (Ehrenbürgerrecht-Verleihung.) Die Ge- meinde Boskowitz hat dem Landesgerichtsrath Dr. Geißler das Ehrenbürgerrecht verliehen. (Perſonalnachricht.) Der Commandant des Infanterie-Regiments Nr. 8, Herr Oberſt Carl Edler von Eiſenbauer, iſt auf ſein Anſuchen in den Ruheſtand getreten. Aus dieſem Anlaſſe hat denſelben Se. Majeſtät der Kaiſer durch Verleihung des Ordens der eiſernen Krone dritter Claſſe ausgezeichnet. (Perſonales.) Herr Stadphyſicus Dr. Hans Cantor iſt von ſeiner Urlaubsreiſe wieder in Olmütz eingetroffen und hat die Leitung des Stadtphýſicates übernommen. (Die Demonſtrationen gegen den Statt- halter.) In den tſchechiſchen Kreiſen unſerer Nach- barbezirke herrſcht arge Verſtimmung. Ein großer Theil derſelben iſt unzufrieden mit den Führern, welche die Demonſtrationen gegen die Perſon des Statthalters inſcenirten und die ſlaviſche Bevöl- kerung auf dieſe Weiſe verhinderten, ihre Wünſche und Beſchwerden auf dem ſo wirkſamen Wege des directen mündlichen Verkehrs mit dem Vertreter des Kaiſers im Lande zu Gehör zu bringen. Als Symptom dieſer Verſtimmung darf es wohl gelten, daß die elericalen und alttſchechiſchen Organe ſich über dieſe Demonſtration gründlich ausſchweigen, während die jungtſchechiſchen Blätter ihre Genugthuung darüber äußern. Es iſt auch nicht ohne Intereſſe zu conſtatiren, daß der Clerus im Gegenſatze zu den tſchechiſchen Füh- rern, die ſich ferne hielten, überall an der Spitze derer ſtand, die an der feſtlichen Begrüßung des Statthalters theilnahmen. (Lewinsky’s 60. Geburtstag.) Am 20. d. feiert der k. u. k. Hofſchauſpieler Joſef Lewinsky ſeinen 60. Geburtstag. Er wurde in Wien 1835 geboren. Als 1851 ſeine Eltern in Roth geriethen, mußte er das Studiren am Wiener Schotten- Gymnaſium aufgeben und wandte ſich der Buch- haltung zu. Aber ſchon im Frühjahr 1853 bat er den Comparſerie-Inſpicienten des Burgtheaters, Wilhelm Juſt, ihn als Schüler aufzunehmen. Aber Juſt ſagte: „Was wollen Sie mit einer ſolchen Figur? Zum Liebhaber ſind Sie weder groß noch ſchön genug und für Character-Rollen zu unbedeutend ...“ — Endlich gab Juſt nach. Lewinsky trat auf Wiener Bühnen anfänglich als Statiſt auf, wurde ſpäter Aushilfsſtatiſt im Burgtheater. Am 17. Jänner 1855 trat er in Halm’s „Fechter von Ravenna“ als „Ein Journaliſt“ zum erſten Male im Theater an der Wien auf. Nach ſieben Monaten wurde dem „Talentloſen“ gekündigt und er ging nach Troppau, von hier nach Bielitz, wo er ein erſtes Rollenfach mit 36 fl. Monatsgage übernahm. Von hier ging er nach Brünn. Am 4. Mai 1858 trat Lewinsky zum erſten Male im Burgtheater auf; er ſpielte den Franz Moor“ und wurde als erſter Characterdarſteller engagirt. Seit 22. Jänner 1865 iſt er wirklicher Hofſchauſpieler, deſſen Repertoire über 200 Rollen umfaßt. Auf der hieſigen Bühne hat Lewinsky wiederholt gaſtirt, und wiederholt lernten wir ihn hier auch als Vorleſer kennen und bewundern. (Die Heimkehr der Truppen vom Ma- növerfeld.) Sonntag treffen die erſten heimkeh- renden Truppen vom Manöverfeld wieder in Ol- mütz ein u. zw. ſind dies die Reſerviſten des 54. Inf.-Rgts., welche als die erſten abrüſten und zum heimatlichen Herde zurückkehren. Am Dien- ſtag rückt ſodann die übrige Garniſon in ihre Dislocationen wieder ein. Mit der Hcimkehr der Truppen werden ſodann die Straßen der Stadt, welche jetzt ſehr leer ſind, wieder ein be- wegtes Bild erhalten. (Die Olmützer Gartenbau - Ausſtellung) des hieſigen Vereines „Hortolonia“ wird morgen um 10 Uhr Früh feierlich eröffnet. Es iſt das erſte Unternehmen dieſer Art in Olmütz und man darf alſo erwarten, daß der Beſuch der Ausſtellung ſeitens des Publicums ein ſehr reger ſein wird. Dieſe Erwartung iſt umſo begründeter, als die Ausſtellung viel des Schönen und Sehens- werthen bieten wird. Dieſelbe findet in der Wilhelmshalle unſeres herrlichen Stadtparkes ſtatt, alſo im ſchönſten Rahmen, der einer Aus- und — ſchnaps! lagen wir um. Bis an die Hüften im Waſſer watend, traten wir den Rück- zug an und achteten natürlich nicht darauf, daß das eigenthümliche Geheul immer näher kam. Wer beſchreibt daher unſeren Schrecken, als wir uns plötzlich nicht einer, ſondern einer ganzen Heerde Tigerkatzen gegenüberſahen, die uns wuth- fauchend am Strande empfingen! Unſere Tänze- rinnen waren es und Rache wollten ſie an uns nehmen, weil Madame Pecqueur ſie an die Luft geſetzt hatte. Bis an die Zähne mit faulen Früchten bewaffnet, drangen ſie auf uns ein; weiß der Himmel wo ſie alle die vordorbenen Bananen, Limonen und Orangen ſo ſchnell aufgetrieben hatten, die uns um die Ohren ſauſten! Antoinette ſtand in der vorderſten Gefechtsreihe; dank dem hellen Mondſchein er- kannte ich ſie deutlich, und als ſie mich erkannte, widmete ſie mir ihr ſchwerſtes Wurfgeſchoß, eine halbverfaulte Ananas, die auf meinem Kopfe explodirte, daß es nur ſo quatſchte. Dann wurde mir der Hut herunter geriſſen und dem Weltmeere anvertraut, Männer, die der exmittirte Fiſcher herbeigerufen, griffen ins Gefecht ein, und nun regnete es neben allerlei Südfrüchten auch noch Hiebe. Wehren konnten wir uns nicht, denn wir waren vor dem Artilleriefeuer der Amazonen ſo weit zurückgewichen, daß wir bis unter die Arme im Waſſer ſtanden. Wie die ſchwarzen Racker mit Rudern und langen Bambusknüppeln auf uns losdroſchen! Ging das ſo fort, dann ſchlugen ſie uns alleſammt mauſetodt. Da — ich hatte ſoeben wieder eine Kopfnuß bekommen, die mir die größte Hochachtung vor der Haltbarkeit menſchlicher Verſtandeskaſten ab- zwang — krachte hinter uns ein Gewehrſchuß und entſetzt ſtoben unſere Bedränger auseinander. Unſer Capitän hatte von Bord aus durch das Nachtglas beobachtet, wie wir gewalkt wurden, und uns endlich ein Boot zu Hilfe geſchickt, deſſen Führer mit einem blinden Schuß der Schlacht ein Ende machte. Windelweich geprügelt kamen wir längſeit. Der Capitän ſaß auf der Verſchanzung, und während ich mich die Fallreepstreppe hinauf- ſchleppte, rief er mir zu: „Na, war’s recht ro- mantiſch in Afrika, junger Held?“ — Zehn Jahre ſpäter war der alſo Verſpottete in Libreville wirklich der Held des Tages. Das will freilich nicht viel heißen, denn in kleinen Tropenſtädten greifen die Europäer gierig nach jeder Gelegenheit einen der Ihrigen zu feiern, ſchon um den ſchwarzen „Brüdern“ die Ueberlegenheit der weißen Raſſe darzuthun. Aus dieſem Grunde durften denn auch hier die Eingeborenen aus angemeſſener Entfernung Zeu- gen ſein, wie Pater Lebrun, der Vorſteher der franzöſiſchen Miſſionsanſtalt, bei einem Gartenfeſte eine Rede auf den jungen deutſchen Capitän ſchwang, der einen der Miſſionsbrüder am Cap Lopez den Händen der Urungu-Neger entwunden und hierher geflüchtet hatte. Iſt das ein großes Thier! dachten offenbar die farbigen Zuſchauer, als der Gefeierte nach dem Schluß der Rede von den geladenen Officieren und Kaufleuten glückwünſchend umdrängt wurde. Und er warf ſich nicht ſchlecht in die Bruſt. Hätte er vielleicht beſcheiden abwehren ſollen? Fiel ihm gar nicht ein. Da ſieht er ein rundliches, in hellen Kattun gekleidetes Negerweib heranwatſcheln. „Mon cher ... Mon cher capitaine“, flüſtern ihre minniglichen Polſterlippen und dann noch etwas von Antoinette und Verzeihung und ewigem Lieben. „Was iſt’s mit der Negerin? Eine neue Huldigung?“ fragen die Gäſte. Da naht ein zweites, ein weißes Weib mit einem ſtattlichen Schnurrbart und ein zuſammen- gefaltetes Blatt Papier in der Hand haltend — aha! eine Glückwunſch-Adreſſe. „Madame Pec- queur,“ ſagt einer der umſtehenden Herren, und männiglich harrt geſpannt der Dinge, die da kommen ſollen. Der Gefeierte hat ſeine einſtige Tänzerin und Gegnerin wieder erkannt, — er erkennt auch Madame Pecqueur wieder, aber ihm ahnt nichts Gutes von dieſem Wiederſehen. Dennoch bewahrt er ſeine Würde, während er die Adreſſe ent- gegennimmt und vor den Augen ſeiner weißen Brüder entfaltet. Alle recken die Hälſe und leſen mit ihm: 2. September 188* 3 bout. de Cognac ... á 10 frs. .. 30. — Tableau!! —

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 204, Olmütz, 06.09.1895, S. [4]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches204_1895/4>, abgerufen am 24.11.2024.