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Mährisches Tagblatt. Nr. 204, Olmütz, 06.09.1895.

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[Spaltenumbruch]

Kaiser Wilhelm im königl. Schlosse eine Tafel
und um 81/2 Uhr Abends Festfahrt auf der
Oder statt. Dienstag, den 10. Mittwoch. den 11
und Donnerstag den 12. d. Vormittags finden
die Feldmanöver des preußischen Gardecorps,
sowie des 2., 3. und 9. deutschen Armee-Corps
statt. Donnerstag um 5 Uhr Nachmittags erfolgt
die Abreise des Kaisers von Oesterreich. -- Mit
dem Kaiser von Oesterreich werden im General-
landschaftsgebäude wohnen: Generaladjutant Ge-
neral der Cavallerie Graf Paar, Flügeladjutant
Oberstltnt. Tengler, Ordonanz-Officier Oberstltnt.
von Dintl, Generaladjutant und Vorstand der
Militärkanzlei FML. Bolfras von Ahnenburg,
Militär-Bevollmächtigter bei der österr.-ungar.
Botschaft in Berlin, Generalmajor Freiherr von
Steininger. -- Der Chef des österreichischen Ge-
ralstabes FZM. Frh. v. Beck und der Chef des
operativen Bureaus des Generalstabes Oberst
Potiorek wohnen beim Kaufmann Grimm auf
dem Roßmarkt und der deutsche Botschafter in
Wien Graf zu Eulenburg, beim Stadtrath Grawitz
auf dem Königsplatz

(Die Wiener Gemeindewahlen.)

Je näher
der Termin für die Wiener Gemeindewahlen
rückt, desto hitziger wird der Wahlkampf, desto
schärfer spitzen sich die Gegensätze zu desto mehr
nehmen die antisemitischen Führer zu himmelho-
hen Phrasen ihre Zuflucht, um ihre Schaaren
mit sich fortzureißen. "Ganz Europa wundert
sich nicht wenig." An dieses alte Burschenlied
wird man erinnert, wenn man das nachgerade
schon den Chimborasso übersteigende Geflunker der
antisemitischen Wirthshausschwätzer liest. Prinz
Liechtenstein hat Dienstag, wie ein Wiener Blatt
schreibt, sogar seinen Freund Lueger überluegert.
Wollte Herr Lueger als Bürgermeister "ein Fels
im brandenden Meer" sein, obgleich seit Shakespeare
in unseren Landen noch kein Meer entdeckt wurde,
so ging der schwarze Prinz um eine geographische
Nasenlänge weiter und annectirte für sich und
seine Partei ganz Europa. "Wenn Wien dies-
mal antisemitisch wähle", meinte die Hernalser
Durchlaucht, "dann werde ganz Europa antise-
mitisch werden!" Man wundere sich also nicht
mehr darüber, daß unsere Antisemiten ihre Lun-
gen gar so heftig in Action setzen und wenigstens
durch Geschrei die Aufmerksamkeit zu erregen be-
müht sind. Europa muß es ja doch hören! Hat
Prinz Liechtenstein vielleicht auch schon die famose
Uhr in der Hand, die ihm derlei kommende Er-
eignisse auf die Stunde genau anzeigt? Wenn's
ihm nur nicht wieder so wie einstmals passirt,
daß die Uhr von einem kräftigen Streich zersplit-
tert wird und die Scherben der Durchlaucht auf
die Nase fliegen! Für Europa und die umlie-
genden Ortschaften gäbe das wenigstens ein klei-
nes Amusement. Die Massen der Wähler wer-
den jedoch auch diesesmal wieder, wie wir fürch-
ten, sich von solchem Geflunker bestechen lassen
und dem fürstlichen "Erbführer" aufsitzen.


[Spaltenumbruch]
(Die jungtschechische Bewegung.)

Bezeich-
nend für die jungtschechische Bewegung und für
den voraussichtlichen Ausfall der kommenden Land-
tagswahlen in Böhmen ist die Thatsache, daß es
den Jungtschechen gelang, den Grafen Johann
Harrach aus seiner Stelle als Obmann der Be-
zirksvertretung von Nepomuk zu verdrängen,
welche Ehrenstelle Graf Harrach durch viele Jahre
einnahm. An seine Stelle wurde der Jungtscheche
Josef Stolba gewählt, der 12 Stimmen erhielt,
während die Alttschechen nur 7 Stimmen für
ihren Candidaten aufbrachten. Die "Narodni Listy"
feiern diesen Sieg als einen großen Erfolg, weil
angeblich die Wähler durch ihre Abstimmug be-
wiesen haben, daß sie sich nicht mehr zu reactio-
nären Zwecken mißbrauchen lassen. Das jung-
tschechische Blatt schreibt dieser Wahl hohe poli-
tische Bedeutung zu, da durch dieselbe "eine
Hauptwurzel des weitverzweigten, aber bereits
wurmstichigen clericalen Adelsbaumes" beseitigt
wurde. In Wien will Prinz Liechtenstein dafür
von Neuem festere Wurzeln für diesen Baum
suchen.

(Anehrliche Waffen.)

Noch ist die Emo-
tion der Verachtung über den schamlosen Jesuiten-
streich der Kaltenegger und Genossen in der
Cillier Frage nicht verwunden und schon werden
nun neue Thatsachen mitgetheilt, welche die Kampf-
weise unserer Gegner charakterisiren. Die Ge-
meindevorstehung von Saldenhofen hat vor
kurzem mit allen gegen die vier deutschen Stimmen
den Beschluß gefaßt, beim Justizministerium die
Versetzung des Gerichtsadjuncten Dr. Glas in
Mahrenberg aus dem Grunde zu verlangen, weil
derselbe der slovenischen Sprache nicht genügend
mächtig sei. Nun spricht aber, wie der Gewährs-
mann versichert, Dr. Glas die slovenische Sprache,
die er allerdings erst in den letzten Jahren ge-
lernt hat, gramatikalisch besser, als mancher soge-
nannte Slovene; er hat sich jedoch die Ungnade der
Saldenhofener Gemeindemehrheit durch den
Umstand zugezogen, daß er einer deutschen Familie
entstammt und mit den windischen Hetzern nicht
gemeinsame Sache machen will. -- Ein zweiter
Fall ist folgender. Bekanntlich hat die Gemeinde
Mahrenburg von ihrem verstorbenen Ehrenbürger
Ignaz Wrentschur ein Haus geerbt und sie hat
nun auf Grund dieses Legates die Gründung
einer Gemeindesparcassa beschlossen. Sofort finden
sich einige in der Posojilnica bekannte Individuen,
welche in der Notariatskanzlei eine Erklärung
unterzeichnen, daß sie eine Haftung für die
Gemeindesparcasse nicht übernehmen. Was hat sie
zu diesem Schritte veranlaßt? Lediglich der
Umstand, daß der Legatar ein guter Deutscher
gewesen ist. Mit solchen Gegnern müssen wir
Deutschen in Oesterreich uns herumschlagen!

(Die römische Curie und die ungarische
Bischofs-Conferenz.)

Gegenüber der Meldung
der "Neuen Freien Presse" über eine Einwir-
kung der Curie auf die Beschlüsse der Bischofs-
[Spaltenumbruch] conferenz erfährl der "Pester Lloyd" von wohl
unterrichteter Seite, daß weder die römische
Curie, noch der Nuntius auf Form
oder Inhalt der von der Bischofs-
conferenz beschlossenen Hirtenbriefe
Einfluß genommen hat.
Schon der erste
Entwurf, welchen der Fürstprimas, getreu seiner
Devise, verfaßt und behufs Kenntnißnahme un-
terbreitet hat, war von jenem patriotischen Geiste
durchdrungen, welcher in den definitiv angenom-
menen Hirtenbriefen zum Ausdruck gelangt.
Staatssecretär Rampolla sandte den E[n]twurf,
da die Curie sich einer Einmengung in innere
Fragen Ungarns immer mehr enthält, nur mit
einigen immerhin mildernden Bemerkungen dog-
matischer Natur zurück, ohne die politische Seite
der Frage auch nur zu berühren. Das Redac-
tionscomite der Bischofsconferenz behielt im Wesen
den Ideengang des ursprünglichen Entwurfes
bei, welcher blos auf Grund schriftlich mitge-
theilter Wünsche einzelner Prälaten ergänzt wurde.
Die Discussion im Plenum betraf zumeist styli-
stische Fragen des lateinischen Textes, da die
Bischöfe bezüglich des Meritums schon früher
einig waren.

(Fürst Hohenlohe in Rußland.)

Eine
Petersburger Depesche meldet, daß der deutsche
Reichskanzler dort eintreffen und in Peterhof
von dem russischen Kaiserpaar empfangen werden
wird. Man ist unwillkürlich geneigt, diesem Be-
suche des Fürsten Hohenlohe politische Bedeutung
beizumessen, obwohl es immerhin möglich wäre,
daß ihn Privat-Angelegenheiten, die seinen russischen
Besitz -- das Schloß Worki -- betreffen, nach
Petersburg führen.

(Ein Brief Stöcker's.)

Der "Vorwärts"
veröffentlicht folgenden, anscheinend aus Ende
1890 oder Anfangs 1891 herrührenden Brief
Stöcker's an einen sehr bekannten Führer der
conservativen Partei, welcher sehr pikante Auf-
schlüsse über die damalige Stellung der Conser-
vativen zum Kaiser und Bismarck bietet:
X. (Name eines conservativen Abgeordneten) sagte
mir, daß Sie einige Artikel, welche das schnöde
Spiel von Bismarck und Genossen mit dem
Kaiser aufdecken, für zeitgemäß hielten. Darf ich
Ihnen dagegen meine Anschauungen über das,
was ich für richtig halte darlegen? Ich glaube,
daß im Augenblick Fürst B. den Kaiser voll-
kommen eingenommen hat, ganz besonders in
Bezug auf das Cartell, das nun einmal Bismarck
für die Grundlage seiner Politik und für ein
ungemein großes Ereigniß ansieht. Will man
dagegen die B.schen Intriguen seit der Waldersee-
Versammlung ausspielen, und zwar mit mehr
oder weniger Gegenüberstellung von B. und dem
Kaiser, so verliert man das Spiel und reizt den
Letzteren. Ich hörte noch gestern, daß er ganz für
die Cartell Politik gewonnen ist. Was man nun
meines Erachtens thun kann und muß, ist Folgendes-
Principiell wichtige Fragen, wie die Juden-




[Spaltenumbruch]

"Kann ich da einem Kriegstanz beiwohnen?"
fragte ich in meinem besten Schulfranzösisch.

Ein unsagbar spöttisches Lächeln umspielte
der Wirthin Mund, den ein hübsches Cadetten-
schnurbärtchen beschattete.

"Bei mir verkehren nur Cavaliere", antwor-
tete sie pikirt.

"Und die Damen?"

"Sind Christinnen."

Von Neuem enttäuscht, wendete ich mich
nach dem Fenster ab und bohrte meine Augen in
eine im Garten stehende Palme, um wenigstens
etwas Afrikanisches zu sehen, als plötzlich die
Klänge -- "der Wacht am Rhein" an mein Ohr
schlugen. Madame Pequeur lächelte listig. Der
schwarze Harmonikaspieler in der Halle draußen
brachte uns auf ihren Befehl, bevor er zum
Tanz aufspielte, eine Huldigung dar. Die bis
jetzt anwesenden Cavaliere, ein französischer Unter-
officier und ein Civilist, dessen Nase die Aequa-
torsonne in Rothglut versetzt hatte, schnitten zwar
böse Gesichter dazu, als aber auch jetzt die
Damen kamen, beruhigten sie sich sichtlich, ja sie
lachten sogar.

Es wäre auch ein Kunststück gewesen, beim
Anblick dieser "Christinnen" nicht zu lachen, so
fratzenhaft geziert und plump zugleich traten sie
auf. Die schwarzen Körper in schlechtsitzenden
europäische Kleider, die großen Füße in
Strümpfe und Schuhe gezwängt, erinnerten sie
lebhaft an die bedauernswerthen Insassen eines
[Spaltenumbruch] heimathlichen Affentheaters. Das einzige Charac-
teristische, das nicht geradezu erheiternd wirkte,
war der melonenförmige, kunstvolle Kopfputz,
wahre Wollberge, in denen zahllose aus Fluß-
pferdzähnen gefertigte Haarpfeile steckten. Eine
der Schönen sah mich durch die Glasthüre hin-
durch sitzen, sie kam verschämt näher und als-
bald wußte ich, daß sie trotz ihrer Frisur a la
Pompadour
Antoinette hieß und Durst hatte.

"'rin ins Vergnügen!" rief einer meiner
Kameraden, in die Halle gehend, und engagirte d. h.
er packte eine der Christinnen beim Wickel und
stampfte mit ihr los. Rasch trank Antoinette mein
Glas aus, legte meinen Arm um ihre Hüfte, und
auch wir "schwebten" unter möglichster Schonung
befreundeter Hühneraugen dahin. Es war ja
entschieden mehr Arbeit als Vergnügen, meine
Tänzerin im Walzer herumzuwerfen, aber was
thut man nicht alles einem Feiertag zu liebe.
Gut, daß es reichliche Trinkpausen gab, in denen
man Athem schöpfen konnte! Andererseits bedeutete
jede Erfrischung, die Antoinette zu sich nahm,
für mich einen schmerzlichen Vermögensverlust,
denn Madame Pequeur ließ sich ihren Cognac
gut bezahlen, und als ich aus Sparsamkeits-
rücksichten meine Tänzerin mit maisons du Nord
regaliren wollte, kannte man dieses Getränk gar
nicht.

Endlich wurde mir unheimlich zu Muthe,
ich bezahlte meine Zeche, winkte meinen Kameraden
und empfahl mich um so schneller, als die Wirthin
[Spaltenumbruch] von drei Flaschen Cognac redete, die noch zu be-
zahlen seien. Es war ohnehin Zeit zum-Aufbruch,
denn es dunkelte schon und während der Nacht
spukten angeblich Leoparden, Schlangen und
anderes Ungeziefer im Busch.

"Beinahe hätte mich die Alte einstecken lassen"
sagte der Segelmacher, der ganz a[t]hemlos nach-
gerannt kam. "Die schwarzen Racker hatten sich
heimlich ein paar Flaschen Cognac bei Seite ge-
schafft, die wir bezahlen sollten. Woher denn das
viele Geld nehmen? Ausgerückt bin ich g[a]nz ein-
fach, und weil man mich nicht einholen konnte,
werden jetzt die Christinnen hinausgeworfen."

Während wir im beschleunigten Maischtempo
den Wald durchschritten, hörten wir deutlich ein
langgezogenes Geheul hinter uns. "Leoparden,"
sagte ich zu meinem Nebenmann, dieser antwortete
"kann stimmen!" und unwillkürlich gingen wir
zum Sturmschritt über. Romantik hin, Romantik
her; unbekannt einer Tigerkatze gegenübertreten,
das mochte riskiren, wer Lust dazu hatte.

Aber es kam noch viel romantischer. Unser
Boot war schon abgefahren, und wir mußten
einen in der Nähe des Strandes fischenden Neger
ansprechen, uns mit seinem Kanoe an Bord zu
setzen. Der Bursche wollte aber nicht, und so
blieb nichts übrig, als das Fahrzeug zu entern,
den Eigenthümer über Bord zu werfen und ohne
ihn in See zu stechen. Da inzwischen der Mond
aufgegangen war, erschien uns dies nicht schwer,
so ein kielloses Kanoe hat aber seine Mucken,


[Spaltenumbruch]

Kaiſer Wilhelm im königl. Schloſſe eine Tafel
und um 8½ Uhr Abends Feſtfahrt auf der
Oder ſtatt. Dienſtag, den 10. Mittwoch. den 11
und Donnerſtag den 12. d. Vormittags finden
die Feldmanöver des preußiſchen Gardecorps,
ſowie des 2., 3. und 9. deutſchen Armee-Corps
ſtatt. Donnerſtag um 5 Uhr Nachmittags erfolgt
die Abreiſe des Kaiſers von Oeſterreich. — Mit
dem Kaiſer von Oeſterreich werden im General-
landſchaftsgebäude wohnen: Generaladjutant Ge-
neral der Cavallerie Graf Paar, Flügeladjutant
Oberſtltnt. Tengler, Ordonanz-Officier Oberſtltnt.
von Dintl, Generaladjutant und Vorſtand der
Militärkanzlei FML. Bolfras von Ahnenburg,
Militär-Bevollmächtigter bei der öſterr.-ungar.
Botſchaft in Berlin, Generalmajor Freiherr von
Steininger. — Der Chef des öſterreichiſchen Ge-
ralſtabes FZM. Frh. v. Beck und der Chef des
operativen Bureaus des Generalſtabes Oberſt
Potiorek wohnen beim Kaufmann Grimm auf
dem Roßmarkt und der deutſche Botſchafter in
Wien Graf zu Eulenburg, beim Stadtrath Grawitz
auf dem Königsplatz

(Die Wiener Gemeindewahlen.)

Je näher
der Termin für die Wiener Gemeindewahlen
rückt, deſto hitziger wird der Wahlkampf, deſto
ſchärfer ſpitzen ſich die Gegenſätze zu deſto mehr
nehmen die antiſemitiſchen Führer zu himmelho-
hen Phraſen ihre Zuflucht, um ihre Schaaren
mit ſich fortzureißen. „Ganz Europa wundert
ſich nicht wenig.“ An dieſes alte Burſchenlied
wird man erinnert, wenn man das nachgerade
ſchon den Chimboraſſo überſteigende Geflunker der
antiſemitiſchen Wirthshausſchwätzer lieſt. Prinz
Liechtenſtein hat Dienſtag, wie ein Wiener Blatt
ſchreibt, ſogar ſeinen Freund Lueger überluegert.
Wollte Herr Lueger als Bürgermeiſter „ein Fels
im brandenden Meer“ ſein, obgleich ſeit Shakeſpeare
in unſeren Landen noch kein Meer entdeckt wurde,
ſo ging der ſchwarze Prinz um eine geographiſche
Naſenlänge weiter und annectirte für ſich und
ſeine Partei ganz Europa. „Wenn Wien dies-
mal antiſemitiſch wähle“, meinte die Hernalſer
Durchlaucht, „dann werde ganz Europa antiſe-
mitiſch werden!“ Man wundere ſich alſo nicht
mehr darüber, daß unſere Antiſemiten ihre Lun-
gen gar ſo heftig in Action ſetzen und wenigſtens
durch Geſchrei die Aufmerkſamkeit zu erregen be-
müht ſind. Europa muß es ja doch hören! Hat
Prinz Liechtenſtein vielleicht auch ſchon die famoſe
Uhr in der Hand, die ihm derlei kommende Er-
eigniſſe auf die Stunde genau anzeigt? Wenn’s
ihm nur nicht wieder ſo wie einſtmals paſſirt,
daß die Uhr von einem kräftigen Streich zerſplit-
tert wird und die Scherben der Durchlaucht auf
die Naſe fliegen! Für Europa und die umlie-
genden Ortſchaften gäbe das wenigſtens ein klei-
nes Amuſement. Die Maſſen der Wähler wer-
den jedoch auch dieſesmal wieder, wie wir fürch-
ten, ſich von ſolchem Geflunker beſtechen laſſen
und dem fürſtlichen „Erbführer“ aufſitzen.


[Spaltenumbruch]
(Die jungtſchechiſche Bewegung.)

Bezeich-
nend für die jungtſchechiſche Bewegung und für
den vorausſichtlichen Ausfall der kommenden Land-
tagswahlen in Böhmen iſt die Thatſache, daß es
den Jungtſchechen gelang, den Grafen Johann
Harrach aus ſeiner Stelle als Obmann der Be-
zirksvertretung von Nepomuk zu verdrängen,
welche Ehrenſtelle Graf Harrach durch viele Jahre
einnahm. An ſeine Stelle wurde der Jungtſcheche
Joſef Stolba gewählt, der 12 Stimmen erhielt,
während die Alttſchechen nur 7 Stimmen für
ihren Candidaten aufbrachten. Die „Narodni Liſty“
feiern dieſen Sieg als einen großen Erfolg, weil
angeblich die Wähler durch ihre Abſtimmug be-
wieſen haben, daß ſie ſich nicht mehr zu reactio-
nären Zwecken mißbrauchen laſſen. Das jung-
tſchechiſche Blatt ſchreibt dieſer Wahl hohe poli-
tiſche Bedeutung zu, da durch dieſelbe „eine
Hauptwurzel des weitverzweigten, aber bereits
wurmſtichigen clericalen Adelsbaumes“ beſeitigt
wurde. In Wien will Prinz Liechtenſtein dafür
von Neuem feſtere Wurzeln für dieſen Baum
ſuchen.

(Anehrliche Waffen.)

Noch iſt die Emo-
tion der Verachtung über den ſchamloſen Jeſuiten-
ſtreich der Kaltenegger und Genoſſen in der
Cillier Frage nicht verwunden und ſchon werden
nun neue Thatſachen mitgetheilt, welche die Kampf-
weiſe unſerer Gegner charakteriſiren. Die Ge-
meindevorſtehung von Saldenhofen hat vor
kurzem mit allen gegen die vier deutſchen Stimmen
den Beſchluß gefaßt, beim Juſtizminiſterium die
Verſetzung des Gerichtsadjuncten Dr. Glas in
Mahrenberg aus dem Grunde zu verlangen, weil
derſelbe der ſloveniſchen Sprache nicht genügend
mächtig ſei. Nun ſpricht aber, wie der Gewährs-
mann verſichert, Dr. Glas die ſloveniſche Sprache,
die er allerdings erſt in den letzten Jahren ge-
lernt hat, gramatikaliſch beſſer, als mancher ſoge-
nannte Slovene; er hat ſich jedoch die Ungnade der
Saldenhofener Gemeindemehrheit durch den
Umſtand zugezogen, daß er einer deutſchen Familie
entſtammt und mit den windiſchen Hetzern nicht
gemeinſame Sache machen will. — Ein zweiter
Fall iſt folgender. Bekanntlich hat die Gemeinde
Mahrenburg von ihrem verſtorbenen Ehrenbürger
Ignaz Wrentſchur ein Haus geerbt und ſie hat
nun auf Grund dieſes Legates die Gründung
einer Gemeindeſparcaſſa beſchloſſen. Sofort finden
ſich einige in der Poſojilnica bekannte Individuen,
welche in der Notariatskanzlei eine Erklärung
unterzeichnen, daß ſie eine Haftung für die
Gemeindeſparcaſſe nicht übernehmen. Was hat ſie
zu dieſem Schritte veranlaßt? Lediglich der
Umſtand, daß der Legatar ein guter Deutſcher
geweſen iſt. Mit ſolchen Gegnern müſſen wir
Deutſchen in Oeſterreich uns herumſchlagen!

(Die römiſche Curie und die ungariſche
Biſchofs-Conferenz.)

Gegenüber der Meldung
der „Neuen Freien Preſſe“ über eine Einwir-
kung der Curie auf die Beſchlüſſe der Biſchofs-
[Spaltenumbruch] conferenz erfährl der „Peſter Lloyd“ von wohl
unterrichteter Seite, daß weder die römiſche
Curie, noch der Nuntius auf Form
oder Inhalt der von der Biſchofs-
conferenz beſchloſſenen Hirtenbriefe
Einfluß genommen hat.
Schon der erſte
Entwurf, welchen der Fürſtprimas, getreu ſeiner
Deviſe, verfaßt und behufs Kenntnißnahme un-
terbreitet hat, war von jenem patriotiſchen Geiſte
durchdrungen, welcher in den definitiv angenom-
menen Hirtenbriefen zum Ausdruck gelangt.
Staatsſecretär Rampolla ſandte den E[n]twurf,
da die Curie ſich einer Einmengung in innere
Fragen Ungarns immer mehr enthält, nur mit
einigen immerhin mildernden Bemerkungen dog-
matiſcher Natur zurück, ohne die politiſche Seite
der Frage auch nur zu berühren. Das Redac-
tionscomité der Biſchofsconferenz behielt im Weſen
den Ideengang des urſprünglichen Entwurfes
bei, welcher blos auf Grund ſchriftlich mitge-
theilter Wünſche einzelner Prälaten ergänzt wurde.
Die Discuſſion im Plenum betraf zumeiſt ſtyli-
ſtiſche Fragen des lateiniſchen Textes, da die
Biſchöfe bezüglich des Meritums ſchon früher
einig waren.

(Fürſt Hohenlohe in Rußland.)

Eine
Petersburger Depeſche meldet, daß der deutſche
Reichskanzler dort eintreffen und in Peterhof
von dem ruſſiſchen Kaiſerpaar empfangen werden
wird. Man iſt unwillkürlich geneigt, dieſem Be-
ſuche des Fürſten Hohenlohe politiſche Bedeutung
beizumeſſen, obwohl es immerhin möglich wäre,
daß ihn Privat-Angelegenheiten, die ſeinen ruſſiſchen
Beſitz — das Schloß Worki — betreffen, nach
Petersburg führen.

(Ein Brief Stöcker’s.)

Der „Vorwärts“
veröffentlicht folgenden, anſcheinend aus Ende
1890 oder Anfangs 1891 herrührenden Brief
Stöcker’s an einen ſehr bekannten Führer der
conſervativen Partei, welcher ſehr pikante Auf-
ſchlüſſe über die damalige Stellung der Conſer-
vativen zum Kaiſer und Bismarck bietet:
X. (Name eines conſervativen Abgeordneten) ſagte
mir, daß Sie einige Artikel, welche das ſchnöde
Spiel von Bismarck und Genoſſen mit dem
Kaiſer aufdecken, für zeitgemäß hielten. Darf ich
Ihnen dagegen meine Anſchauungen über das,
was ich für richtig halte darlegen? Ich glaube,
daß im Augenblick Fürſt B. den Kaiſer voll-
kommen eingenommen hat, ganz beſonders in
Bezug auf das Cartell, das nun einmal Bismarck
für die Grundlage ſeiner Politik und für ein
ungemein großes Ereigniß anſieht. Will man
dagegen die B.ſchen Intriguen ſeit der Walderſee-
Verſammlung ausſpielen, und zwar mit mehr
oder weniger Gegenüberſtellung von B. und dem
Kaiſer, ſo verliert man das Spiel und reizt den
Letzteren. Ich hörte noch geſtern, daß er ganz für
die Cartell Politik gewonnen iſt. Was man nun
meines Erachtens thun kann und muß, iſt Folgendes-
Principiell wichtige Fragen, wie die Juden-




[Spaltenumbruch]

„Kann ich da einem Kriegstanz beiwohnen?“
fragte ich in meinem beſten Schulfranzöſiſch.

Ein unſagbar ſpöttiſches Lächeln umſpielte
der Wirthin Mund, den ein hübſches Cadetten-
ſchnurbärtchen beſchattete.

„Bei mir verkehren nur Cavaliere“, antwor-
tete ſie pikirt.

„Und die Damen?“

„Sind Chriſtinnen.“

Von Neuem enttäuſcht, wendete ich mich
nach dem Fenſter ab und bohrte meine Augen in
eine im Garten ſtehende Palme, um wenigſtens
etwas Afrikaniſches zu ſehen, als plötzlich die
Klänge — „der Wacht am Rhein“ an mein Ohr
ſchlugen. Madame Pequeur lächelte liſtig. Der
ſchwarze Harmonikaſpieler in der Halle draußen
brachte uns auf ihren Befehl, bevor er zum
Tanz aufſpielte, eine Huldigung dar. Die bis
jetzt anweſenden Cavaliere, ein franzöſiſcher Unter-
officier und ein Civiliſt, deſſen Naſe die Aequa-
torſonne in Rothglut verſetzt hatte, ſchnitten zwar
böſe Geſichter dazu, als aber auch jetzt die
Damen kamen, beruhigten ſie ſich ſichtlich, ja ſie
lachten ſogar.

Es wäre auch ein Kunſtſtück geweſen, beim
Anblick dieſer „Chriſtinnen“ nicht zu lachen, ſo
fratzenhaft geziert und plump zugleich traten ſie
auf. Die ſchwarzen Körper in ſchlechtſitzenden
europäiſche Kleider, die großen Füße in
Strümpfe und Schuhe gezwängt, erinnerten ſie
lebhaft an die bedauernswerthen Inſaſſen eines
[Spaltenumbruch] heimathlichen Affentheaters. Das einzige Charac-
teriſtiſche, das nicht geradezu erheiternd wirkte,
war der melonenförmige, kunſtvolle Kopfputz,
wahre Wollberge, in denen zahlloſe aus Fluß-
pferdzähnen gefertigte Haarpfeile ſteckten. Eine
der Schönen ſah mich durch die Glasthüre hin-
durch ſitzen, ſie kam verſchämt näher und als-
bald wußte ich, daß ſie trotz ihrer Friſur á la
Pompadour
Antoinette hieß und Durſt hatte.

„’rin ins Vergnügen!“ rief einer meiner
Kameraden, in die Halle gehend, und engagirte d. h.
er packte eine der Chriſtinnen beim Wickel und
ſtampfte mit ihr los. Raſch trank Antoinette mein
Glas aus, legte meinen Arm um ihre Hüfte, und
auch wir „ſchwebten“ unter möglichſter Schonung
befreundeter Hühneraugen dahin. Es war ja
entſchieden mehr Arbeit als Vergnügen, meine
Tänzerin im Walzer herumzuwerfen, aber was
thut man nicht alles einem Feiertag zu liebe.
Gut, daß es reichliche Trinkpauſen gab, in denen
man Athem ſchöpfen konnte! Andererſeits bedeutete
jede Erfriſchung, die Antoinette zu ſich nahm,
für mich einen ſchmerzlichen Vermögensverluſt,
denn Madame Pequeur ließ ſich ihren Cognac
gut bezahlen, und als ich aus Sparſamkeits-
rückſichten meine Tänzerin mit maisons du Nord
regaliren wollte, kannte man dieſes Getränk gar
nicht.

Endlich wurde mir unheimlich zu Muthe,
ich bezahlte meine Zeche, winkte meinen Kameraden
und empfahl mich um ſo ſchneller, als die Wirthin
[Spaltenumbruch] von drei Flaſchen Cognac redete, die noch zu be-
zahlen ſeien. Es war ohnehin Zeit zum-Aufbruch,
denn es dunkelte ſchon und während der Nacht
ſpukten angeblich Leoparden, Schlangen und
anderes Ungeziefer im Buſch.

„Beinahe hätte mich die Alte einſtecken laſſen“
ſagte der Segelmacher, der ganz a[t]hemlos nach-
gerannt kam. „Die ſchwarzen Racker hatten ſich
heimlich ein paar Flaſchen Cognac bei Seite ge-
ſchafft, die wir bezahlen ſollten. Woher denn das
viele Geld nehmen? Ausgerückt bin ich g[a]nz ein-
fach, und weil man mich nicht einholen konnte,
werden jetzt die Chriſtinnen hinausgeworfen.“

Während wir im beſchleunigten Maiſchtempo
den Wald durchſchritten, hörten wir deutlich ein
langgezogenes Geheul hinter uns. „Leoparden,“
ſagte ich zu meinem Nebenmann, dieſer antwortete
„kann ſtimmen!“ und unwillkürlich gingen wir
zum Sturmſchritt über. Romantik hin, Romantik
her; unbekannt einer Tigerkatze gegenübertreten,
das mochte riskiren, wer Luſt dazu hatte.

Aber es kam noch viel romantiſcher. Unſer
Boot war ſchon abgefahren, und wir mußten
einen in der Nähe des Strandes fiſchenden Neger
anſprechen, uns mit ſeinem Kanoe an Bord zu
ſetzen. Der Burſche wollte aber nicht, und ſo
blieb nichts übrig, als das Fahrzeug zu entern,
den Eigenthümer über Bord zu werfen und ohne
ihn in See zu ſtechen. Da inzwiſchen der Mond
aufgegangen war, erſchien uns dies nicht ſchwer,
ſo ein kielloſes Kanoe hat aber ſeine Mucken,


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[[3]/0003] Kaiſer Wilhelm im königl. Schloſſe eine Tafel und um 8½ Uhr Abends Feſtfahrt auf der Oder ſtatt. Dienſtag, den 10. Mittwoch. den 11 und Donnerſtag den 12. d. Vormittags finden die Feldmanöver des preußiſchen Gardecorps, ſowie des 2., 3. und 9. deutſchen Armee-Corps ſtatt. Donnerſtag um 5 Uhr Nachmittags erfolgt die Abreiſe des Kaiſers von Oeſterreich. — Mit dem Kaiſer von Oeſterreich werden im General- landſchaftsgebäude wohnen: Generaladjutant Ge- neral der Cavallerie Graf Paar, Flügeladjutant Oberſtltnt. Tengler, Ordonanz-Officier Oberſtltnt. von Dintl, Generaladjutant und Vorſtand der Militärkanzlei FML. Bolfras von Ahnenburg, Militär-Bevollmächtigter bei der öſterr.-ungar. Botſchaft in Berlin, Generalmajor Freiherr von Steininger. — Der Chef des öſterreichiſchen Ge- ralſtabes FZM. Frh. v. Beck und der Chef des operativen Bureaus des Generalſtabes Oberſt Potiorek wohnen beim Kaufmann Grimm auf dem Roßmarkt und der deutſche Botſchafter in Wien Graf zu Eulenburg, beim Stadtrath Grawitz auf dem Königsplatz (Die Wiener Gemeindewahlen.) Je näher der Termin für die Wiener Gemeindewahlen rückt, deſto hitziger wird der Wahlkampf, deſto ſchärfer ſpitzen ſich die Gegenſätze zu deſto mehr nehmen die antiſemitiſchen Führer zu himmelho- hen Phraſen ihre Zuflucht, um ihre Schaaren mit ſich fortzureißen. „Ganz Europa wundert ſich nicht wenig.“ An dieſes alte Burſchenlied wird man erinnert, wenn man das nachgerade ſchon den Chimboraſſo überſteigende Geflunker der antiſemitiſchen Wirthshausſchwätzer lieſt. Prinz Liechtenſtein hat Dienſtag, wie ein Wiener Blatt ſchreibt, ſogar ſeinen Freund Lueger überluegert. Wollte Herr Lueger als Bürgermeiſter „ein Fels im brandenden Meer“ ſein, obgleich ſeit Shakeſpeare in unſeren Landen noch kein Meer entdeckt wurde, ſo ging der ſchwarze Prinz um eine geographiſche Naſenlänge weiter und annectirte für ſich und ſeine Partei ganz Europa. „Wenn Wien dies- mal antiſemitiſch wähle“, meinte die Hernalſer Durchlaucht, „dann werde ganz Europa antiſe- mitiſch werden!“ Man wundere ſich alſo nicht mehr darüber, daß unſere Antiſemiten ihre Lun- gen gar ſo heftig in Action ſetzen und wenigſtens durch Geſchrei die Aufmerkſamkeit zu erregen be- müht ſind. Europa muß es ja doch hören! Hat Prinz Liechtenſtein vielleicht auch ſchon die famoſe Uhr in der Hand, die ihm derlei kommende Er- eigniſſe auf die Stunde genau anzeigt? Wenn’s ihm nur nicht wieder ſo wie einſtmals paſſirt, daß die Uhr von einem kräftigen Streich zerſplit- tert wird und die Scherben der Durchlaucht auf die Naſe fliegen! Für Europa und die umlie- genden Ortſchaften gäbe das wenigſtens ein klei- nes Amuſement. Die Maſſen der Wähler wer- den jedoch auch dieſesmal wieder, wie wir fürch- ten, ſich von ſolchem Geflunker beſtechen laſſen und dem fürſtlichen „Erbführer“ aufſitzen. (Die jungtſchechiſche Bewegung.) Bezeich- nend für die jungtſchechiſche Bewegung und für den vorausſichtlichen Ausfall der kommenden Land- tagswahlen in Böhmen iſt die Thatſache, daß es den Jungtſchechen gelang, den Grafen Johann Harrach aus ſeiner Stelle als Obmann der Be- zirksvertretung von Nepomuk zu verdrängen, welche Ehrenſtelle Graf Harrach durch viele Jahre einnahm. An ſeine Stelle wurde der Jungtſcheche Joſef Stolba gewählt, der 12 Stimmen erhielt, während die Alttſchechen nur 7 Stimmen für ihren Candidaten aufbrachten. Die „Narodni Liſty“ feiern dieſen Sieg als einen großen Erfolg, weil angeblich die Wähler durch ihre Abſtimmug be- wieſen haben, daß ſie ſich nicht mehr zu reactio- nären Zwecken mißbrauchen laſſen. Das jung- tſchechiſche Blatt ſchreibt dieſer Wahl hohe poli- tiſche Bedeutung zu, da durch dieſelbe „eine Hauptwurzel des weitverzweigten, aber bereits wurmſtichigen clericalen Adelsbaumes“ beſeitigt wurde. In Wien will Prinz Liechtenſtein dafür von Neuem feſtere Wurzeln für dieſen Baum ſuchen. (Anehrliche Waffen.) Noch iſt die Emo- tion der Verachtung über den ſchamloſen Jeſuiten- ſtreich der Kaltenegger und Genoſſen in der Cillier Frage nicht verwunden und ſchon werden nun neue Thatſachen mitgetheilt, welche die Kampf- weiſe unſerer Gegner charakteriſiren. Die Ge- meindevorſtehung von Saldenhofen hat vor kurzem mit allen gegen die vier deutſchen Stimmen den Beſchluß gefaßt, beim Juſtizminiſterium die Verſetzung des Gerichtsadjuncten Dr. Glas in Mahrenberg aus dem Grunde zu verlangen, weil derſelbe der ſloveniſchen Sprache nicht genügend mächtig ſei. Nun ſpricht aber, wie der Gewährs- mann verſichert, Dr. Glas die ſloveniſche Sprache, die er allerdings erſt in den letzten Jahren ge- lernt hat, gramatikaliſch beſſer, als mancher ſoge- nannte Slovene; er hat ſich jedoch die Ungnade der Saldenhofener Gemeindemehrheit durch den Umſtand zugezogen, daß er einer deutſchen Familie entſtammt und mit den windiſchen Hetzern nicht gemeinſame Sache machen will. — Ein zweiter Fall iſt folgender. Bekanntlich hat die Gemeinde Mahrenburg von ihrem verſtorbenen Ehrenbürger Ignaz Wrentſchur ein Haus geerbt und ſie hat nun auf Grund dieſes Legates die Gründung einer Gemeindeſparcaſſa beſchloſſen. Sofort finden ſich einige in der Poſojilnica bekannte Individuen, welche in der Notariatskanzlei eine Erklärung unterzeichnen, daß ſie eine Haftung für die Gemeindeſparcaſſe nicht übernehmen. Was hat ſie zu dieſem Schritte veranlaßt? Lediglich der Umſtand, daß der Legatar ein guter Deutſcher geweſen iſt. Mit ſolchen Gegnern müſſen wir Deutſchen in Oeſterreich uns herumſchlagen! (Die römiſche Curie und die ungariſche Biſchofs-Conferenz.) Gegenüber der Meldung der „Neuen Freien Preſſe“ über eine Einwir- kung der Curie auf die Beſchlüſſe der Biſchofs- conferenz erfährl der „Peſter Lloyd“ von wohl unterrichteter Seite, daß weder die römiſche Curie, noch der Nuntius auf Form oder Inhalt der von der Biſchofs- conferenz beſchloſſenen Hirtenbriefe Einfluß genommen hat. Schon der erſte Entwurf, welchen der Fürſtprimas, getreu ſeiner Deviſe, verfaßt und behufs Kenntnißnahme un- terbreitet hat, war von jenem patriotiſchen Geiſte durchdrungen, welcher in den definitiv angenom- menen Hirtenbriefen zum Ausdruck gelangt. Staatsſecretär Rampolla ſandte den Entwurf, da die Curie ſich einer Einmengung in innere Fragen Ungarns immer mehr enthält, nur mit einigen immerhin mildernden Bemerkungen dog- matiſcher Natur zurück, ohne die politiſche Seite der Frage auch nur zu berühren. Das Redac- tionscomité der Biſchofsconferenz behielt im Weſen den Ideengang des urſprünglichen Entwurfes bei, welcher blos auf Grund ſchriftlich mitge- theilter Wünſche einzelner Prälaten ergänzt wurde. Die Discuſſion im Plenum betraf zumeiſt ſtyli- ſtiſche Fragen des lateiniſchen Textes, da die Biſchöfe bezüglich des Meritums ſchon früher einig waren. (Fürſt Hohenlohe in Rußland.) Eine Petersburger Depeſche meldet, daß der deutſche Reichskanzler dort eintreffen und in Peterhof von dem ruſſiſchen Kaiſerpaar empfangen werden wird. Man iſt unwillkürlich geneigt, dieſem Be- ſuche des Fürſten Hohenlohe politiſche Bedeutung beizumeſſen, obwohl es immerhin möglich wäre, daß ihn Privat-Angelegenheiten, die ſeinen ruſſiſchen Beſitz — das Schloß Worki — betreffen, nach Petersburg führen. (Ein Brief Stöcker’s.) Der „Vorwärts“ veröffentlicht folgenden, anſcheinend aus Ende 1890 oder Anfangs 1891 herrührenden Brief Stöcker’s an einen ſehr bekannten Führer der conſervativen Partei, welcher ſehr pikante Auf- ſchlüſſe über die damalige Stellung der Conſer- vativen zum Kaiſer und Bismarck bietet: X. (Name eines conſervativen Abgeordneten) ſagte mir, daß Sie einige Artikel, welche das ſchnöde Spiel von Bismarck und Genoſſen mit dem Kaiſer aufdecken, für zeitgemäß hielten. Darf ich Ihnen dagegen meine Anſchauungen über das, was ich für richtig halte darlegen? Ich glaube, daß im Augenblick Fürſt B. den Kaiſer voll- kommen eingenommen hat, ganz beſonders in Bezug auf das Cartell, das nun einmal Bismarck für die Grundlage ſeiner Politik und für ein ungemein großes Ereigniß anſieht. Will man dagegen die B.ſchen Intriguen ſeit der Walderſee- Verſammlung ausſpielen, und zwar mit mehr oder weniger Gegenüberſtellung von B. und dem Kaiſer, ſo verliert man das Spiel und reizt den Letzteren. Ich hörte noch geſtern, daß er ganz für die Cartell Politik gewonnen iſt. Was man nun meines Erachtens thun kann und muß, iſt Folgendes- Principiell wichtige Fragen, wie die Juden- „Kann ich da einem Kriegstanz beiwohnen?“ fragte ich in meinem beſten Schulfranzöſiſch. Ein unſagbar ſpöttiſches Lächeln umſpielte der Wirthin Mund, den ein hübſches Cadetten- ſchnurbärtchen beſchattete. „Bei mir verkehren nur Cavaliere“, antwor- tete ſie pikirt. „Und die Damen?“ „Sind Chriſtinnen.“ Von Neuem enttäuſcht, wendete ich mich nach dem Fenſter ab und bohrte meine Augen in eine im Garten ſtehende Palme, um wenigſtens etwas Afrikaniſches zu ſehen, als plötzlich die Klänge — „der Wacht am Rhein“ an mein Ohr ſchlugen. Madame Pequeur lächelte liſtig. Der ſchwarze Harmonikaſpieler in der Halle draußen brachte uns auf ihren Befehl, bevor er zum Tanz aufſpielte, eine Huldigung dar. Die bis jetzt anweſenden Cavaliere, ein franzöſiſcher Unter- officier und ein Civiliſt, deſſen Naſe die Aequa- torſonne in Rothglut verſetzt hatte, ſchnitten zwar böſe Geſichter dazu, als aber auch jetzt die Damen kamen, beruhigten ſie ſich ſichtlich, ja ſie lachten ſogar. Es wäre auch ein Kunſtſtück geweſen, beim Anblick dieſer „Chriſtinnen“ nicht zu lachen, ſo fratzenhaft geziert und plump zugleich traten ſie auf. Die ſchwarzen Körper in ſchlechtſitzenden europäiſche Kleider, die großen Füße in Strümpfe und Schuhe gezwängt, erinnerten ſie lebhaft an die bedauernswerthen Inſaſſen eines heimathlichen Affentheaters. Das einzige Charac- teriſtiſche, das nicht geradezu erheiternd wirkte, war der melonenförmige, kunſtvolle Kopfputz, wahre Wollberge, in denen zahlloſe aus Fluß- pferdzähnen gefertigte Haarpfeile ſteckten. Eine der Schönen ſah mich durch die Glasthüre hin- durch ſitzen, ſie kam verſchämt näher und als- bald wußte ich, daß ſie trotz ihrer Friſur á la Pompadour Antoinette hieß und Durſt hatte. „’rin ins Vergnügen!“ rief einer meiner Kameraden, in die Halle gehend, und engagirte d. h. er packte eine der Chriſtinnen beim Wickel und ſtampfte mit ihr los. Raſch trank Antoinette mein Glas aus, legte meinen Arm um ihre Hüfte, und auch wir „ſchwebten“ unter möglichſter Schonung befreundeter Hühneraugen dahin. Es war ja entſchieden mehr Arbeit als Vergnügen, meine Tänzerin im Walzer herumzuwerfen, aber was thut man nicht alles einem Feiertag zu liebe. Gut, daß es reichliche Trinkpauſen gab, in denen man Athem ſchöpfen konnte! Andererſeits bedeutete jede Erfriſchung, die Antoinette zu ſich nahm, für mich einen ſchmerzlichen Vermögensverluſt, denn Madame Pequeur ließ ſich ihren Cognac gut bezahlen, und als ich aus Sparſamkeits- rückſichten meine Tänzerin mit maisons du Nord regaliren wollte, kannte man dieſes Getränk gar nicht. Endlich wurde mir unheimlich zu Muthe, ich bezahlte meine Zeche, winkte meinen Kameraden und empfahl mich um ſo ſchneller, als die Wirthin von drei Flaſchen Cognac redete, die noch zu be- zahlen ſeien. Es war ohnehin Zeit zum-Aufbruch, denn es dunkelte ſchon und während der Nacht ſpukten angeblich Leoparden, Schlangen und anderes Ungeziefer im Buſch. „Beinahe hätte mich die Alte einſtecken laſſen“ ſagte der Segelmacher, der ganz athemlos nach- gerannt kam. „Die ſchwarzen Racker hatten ſich heimlich ein paar Flaſchen Cognac bei Seite ge- ſchafft, die wir bezahlen ſollten. Woher denn das viele Geld nehmen? Ausgerückt bin ich ganz ein- fach, und weil man mich nicht einholen konnte, werden jetzt die Chriſtinnen hinausgeworfen.“ Während wir im beſchleunigten Maiſchtempo den Wald durchſchritten, hörten wir deutlich ein langgezogenes Geheul hinter uns. „Leoparden,“ ſagte ich zu meinem Nebenmann, dieſer antwortete „kann ſtimmen!“ und unwillkürlich gingen wir zum Sturmſchritt über. Romantik hin, Romantik her; unbekannt einer Tigerkatze gegenübertreten, das mochte riskiren, wer Luſt dazu hatte. Aber es kam noch viel romantiſcher. Unſer Boot war ſchon abgefahren, und wir mußten einen in der Nähe des Strandes fiſchenden Neger anſprechen, uns mit ſeinem Kanoe an Bord zu ſetzen. Der Burſche wollte aber nicht, und ſo blieb nichts übrig, als das Fahrzeug zu entern, den Eigenthümer über Bord zu werfen und ohne ihn in See zu ſtechen. Da inzwiſchen der Mond aufgegangen war, erſchien uns dies nicht ſchwer, ſo ein kielloſes Kanoe hat aber ſeine Mucken,

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 204, Olmütz, 06.09.1895, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches204_1895/3>, abgerufen am 25.11.2024.