Mährisches Tagblatt. Nr. 136, Olmütz, 14.06.1888.[Spaltenumbruch]
wenn sich nicht die unberechenbaren moralischen Politische Nachrichten. (Aus dem Heeresausschusse der unga- rischen Delegation.) Gestern erstattete, wie die Nach dem Kriegsminister Baron Bauer er- Minister-Präsident Tisza erwidert, daß Der Delegirte Hegedüs will wissen, ob die Hierauf antwortete Minister-Präsident Tisza, (Nochmals der Rücktritt Puttkamers.) Angesichts der betrübenden Nachrichten über das (Ein Sieg der clericalen Partei in Velgien.) In Belgien sind vorgesten die Er- (Anruhen in Scutari) In Albanien [Spaltenumbruch] Garbanzos verlieren die Könige unendlich rasch "Seine Majestät Alfonso X[I]II. trug ein Warum hat uns der officiöse Telgraph ("Berl. Tagblatt.") Der Kampf wider den Tabak. Als Friedrich Wilhelm, der große Curfürst Dieser Kampf wider den Tabak wurde in [Spaltenumbruch]
wenn ſich nicht die unberechenbaren moraliſchen Politiſche Nachrichten. (Aus dem Heeresausſchuſſe der unga- riſchen Delegation.) Geſtern erſtattete, wie die Nach dem Kriegsminiſter Baron Bauer er- Miniſter-Präſident Tisza erwidert, daß Der Delegirte Hegedüs will wiſſen, ob die Hierauf antwortete Miniſter-Präſident Tisza, (Nochmals der Rücktritt Puttkamers.) Angeſichts der betrübenden Nachrichten über das (Ein Sieg der clericalen Partei in Velgien.) In Belgien ſind vorgeſten die Er- (Anruhen in Scutari) In Albanien [Spaltenumbruch] Garbanzos verlieren die Könige unendlich raſch „Seine Majeſtät Alfonſo X[I]II. trug ein Warum hat uns der officiöſe Telgraph („Berl. Tagblatt.“) Der Kampf wider den Tabak. Als Friedrich Wilhelm, der große Curfürſt Dieſer Kampf wider den Tabak wurde in <TEI> <text> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ausstellungen1" next="#ausstellungen2" type="jArticle" n="2"> <pb facs="#f0002" n="[2]"/> <cb/> </div> </div> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="reaction2" prev="#reaction1" type="jArticle" n="2"> <p>wenn ſich nicht die unberechenbaren moraliſchen<lb/> Folgen daran geknüpft hätten. Wird eine ſolche<lb/> Wirkung auf die Dauer hintanzuhalten ſein? Daß<lb/> der Kaiſer mit dem politiſchen Geſammtſyſtem<lb/> nicht übereinſtimmt, daß er namentlich die geübte<lb/> Wahlpraxis auf das ſchärfſte verurthei<supplied>l</supplied>t, war<lb/> vor den letzten Ereigniſſen ſchon bekannt und iſt<lb/> durch denſelben auf das nachdrücklichſte beſtätigt<lb/> worden. Die bleiche Angſt der Reaction vor der<lb/> Veröffentlichung des kaiſerlichen Schreibens über<lb/> die Wahlfreiheit redet ganze Bände. Hierin liegt<lb/> die Bedeutung der letzten Vorgänge und dieſe<lb/> wird ſich früher oder ſpäter geltend machen. Je-<lb/> denfalls wenn die freiſinnige Partei und Preſſe<lb/> einigermaßen ihre Aufgabe erkennt und in ver-<lb/> nünftiger und zweckmäßiger Weiſe ihre Schul-<lb/> digkeit thut. Zweimal hat der Kaiſer gezeigt,<lb/> daß er die Schichte, die zwiſchen ihm und dem<lb/> freiſinnigen Volke liegt, durchbrechen will und<lb/> das ſollte d<supplied>o</supplied>ch eine Mahnung an das deutſche<lb/> Volk ſein, dieſen hochherzigen Intentionen des<lb/> Monarchen aus eigener Kraft gerecht zu werden.<lb/> Um die Stellung des Fürſten Bismarck braucht<lb/> der Nation nicht bange zu ſein. Nicht nur kann<lb/> es als ſicher gelten, daß auch Kaiſer Friedrich<lb/> ſich von dem großen Staatsmanne nicht trennen<lb/> will und nicht trennen wird; man gewinnt auch<lb/> immer mehr den Eindruck, als betrachte Fürſt<lb/> Bismarck die Zeit für gekommen, da man auch<lb/> ohne die reactionären Parteien regieren kann. Der<lb/> geniale Realpolitiker hat ſich niemals an Parteien<lb/> und Syſteme gebunden und er wird die Politik<lb/> der freien Hand auch fernerhin zu bethätigen<lb/> wiſſen.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Politiſche Nachrichten.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">(Aus dem Heeresausſchuſſe der unga-<lb/> riſchen Delegation.)</hi> </head> <p>Geſtern erſtattete, wie die<lb/> „Wiener Allg. Ztg.“ meldet, der Kriegsminiſter<lb/> Baron Bauer ſein Expoſé im Heeres-Ausſchuß<lb/> der ungariſchen Delegation. Die Rede des Kriegs-<lb/> miniſters wurde als eine ſtreng vertrauliche er-<lb/> klärt, weßhalb ſich nur über den äußeren Ein-<lb/> druck berichten läßt. Seine Rede machte im Allge-<lb/> meinen durch die treffenden Argumente, welche er<lb/> anführte, den beſten Eindruck. Auch die oppoſi-<lb/> tionellen Delegirten waren zufrieden, da der Kriegs-<lb/> miniſter der ſtaatsrechtlichen Stellung der Armee<lb/> auch den Ungarn gegenüber gerecht wurde. Aus<lb/> dieſem Grunde dürfte das Heeres-Erforderniß<lb/> auch bei der Oppoſition auf keine großen Hin-<lb/> derniſſe ſtoßen. Der Kriegsminiſter erwähnte in<lb/> ſeiner Rede, daß, wie die Delegirten ohnedies<lb/> wiſſen, die Situation eine geſpannte ſei. Bei den<lb/> Ausgaben für die Erhöhung des Officiersſtandes<lb/> verweilte Baron Bauer längere Zeit. Dieſe Er-<lb/> höhung, ſagte er, ſei eine nothwendige Vorſicht<lb/><cb/> für einen etwaigen ernſten Moment, womit nicht<lb/> geſagt ſein will, daß ein ernſter Moment eintre-<lb/> ten müſſe, aber er ſei immerhin möglich. Nach<lb/> dem Tenor der ganzen Rede des Kriegsminiſters<lb/> läßt ſich nur ſo viel ſagen, daß die Situation<lb/> keine momentane Gefahr in ſich berge, was aber<lb/> nicht ausſchließt, daß ſie ſich unerwartet in eine<lb/> gefahrvolle verwandeln kann.</p><lb/> <p>Nach dem Kriegsminiſter Baron Bauer er-<lb/> hob ſich der Delegirte Beöthy, und erklärte,<lb/> daß er zwiſchen dem Vorgehen des jetzigen und<lb/> dem des früheren Kriegsminiſters einen großen<lb/> Widerſpruch finde. Während Bylandt-Rheidt die<lb/> Armee für vollendet erklärte, komme ein neuer<lb/> Kriegsminiſter mit neuen Forderungen, ein Beweis,<lb/> daß die Armee noch immer Verbeſſerungen haben<lb/> müſſe.</p><lb/> <p>Miniſter-Präſident Tisza erwidert, daß<lb/> dieſer Widerſpruch nicht exiſtire, da die jetzigen<lb/> Vorlagen nicht von Bauer, ſondern noch von<lb/> Bylandt-Rheidt herrühren.</p><lb/> <p>Der Delegirte Hegedüs will wiſſen, ob die<lb/> Mehrerforderniſſe ſtabil ſeien oder blos in dieſem<lb/> Jahre gefordert werden</p><lb/> <p>Hierauf antwortete Miniſter-Präſident Tisza,<lb/> daß das Erforderniß wegen der politiſchen Situa-<lb/> tion nothwendig ſei und die bewilligten Mittel<lb/> dazu beitragen, daß im Nothfalle die Armee um<lb/> vierzehn Tage früher in Bereitſchaft zu ſein<lb/> vermag.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">(Nochmals der Rücktritt Puttkamers.)</hi> </head><lb/> <p>Angeſichts der betrübenden Nachrichten über das<lb/> Befinden Kaiſer Friedrich’s verlieren die Mel-<lb/> dungen und Aeußerungen, welche auf den Rück-<lb/> tritt Puttkamer’s Bezug haben, ihren augenblick-<lb/> lichen Werth. Das Intereſſe vereinigt ſich in der<lb/> Frage, wer den freigewordenen Poſten eines<lb/> Miniſters des Innern übernehmen wird. Nach<lb/> einer Mittheilung der Münchener „Allg. Ztg.“<lb/> genehmigte der Kaiſer den Oberpräſidenten von<lb/> Poſen, Grafen Zedlitz-Trützſchler, als Candidaten<lb/> für das Miniſterium des Innern, doch ſteht die<lb/> Antwort des Grafen auf die betreffende Anfrage<lb/> noch aus. Inzwiſchen werden Stimmen laut,<lb/> welche darauf hinweiſen, daß die Kriſe mit dem<lb/> Rücktritt Puttkamer’s nicht abgeſchloſſen ſei. Be-<lb/> zeichnend nach dieſer Richtung ſind die Ausfüh-<lb/> rungen der „Köln. Ztg.“ Das mit den Anſchau-<lb/> ungen im Reichskanzleramt vertraute Blatt ſchreibt:<lb/> „Hinter dem albernen Reactionsgeſchrei, welches<lb/> harmloſe Gemüther faſt zu dem Glauben ver-<lb/> leiten könnte, wir hätten im Deutſchland des<lb/> großen Kaiſers Withelm unter einer unerträg-<lb/> lichen Knechtſchaft geſchmachtet, ſteckt nichts als<lb/> die Sehnſucht einer gründlich abgewirthſchafteten<lb/> Partei nach einer brauchbaren, das heißt, auf<lb/> die Einfalt berechneten Wahlparole, und es iſt nur<lb/> zu bedauern, wenn ſich am preußiſchen Hofe unver-<lb/><cb/> antwortliche Berather finden ſollten, die kein Be-<lb/> denken tragen, einem Eugen Richter in die Hände<lb/> zu arbeiten. Zwar wird die Behauptung, daß<lb/> nach Herrn v. Puttkamer’s Abgang noch andere<lb/> Mitglieder des Cabinets ſich veranlaßt geſehen<lb/> hätten, Entlaſſungsgeſuche einzureichen, in gut<lb/> unterrichteten Kreiſen als unbegründet bezeichnet:<lb/> dennoch können wir uns der patriotiſchen Beſorg-<lb/> niß nicht entſchlagen, daß es den in dem officiöſen<lb/> Artikel bezeichneten Hofkreiſen durch ihre fortge-<lb/> ſetzten Mückenſtiche ſchließlich doch noch gelingen<lb/> werde, dem Fürſten Bismarck die Amtsbürde,<lb/> welche er unter ſchwierigen Umſtänden mit be-<lb/> wundernswerther Opferwilligkeit weiterträgt, zu<lb/> verleiden. Das deutſche Volk ſteht angeſichts der<lb/> Vorgänge der letzten Monate unter dem trüben<lb/> Eindrucke, daß es politiſch einer ganz unberechen-<lb/> baren Zukunft entgegengeht.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">(Ein Sieg der clericalen Partei in<lb/> Velgien.)</hi> </head> <p>In Belgien ſind vorgeſten die Er-<lb/> gänzungswahlen für den Senat und die Reprä-<lb/> ſentanten-Kammer entſchieden zu Gunſten der<lb/> clericalen Partei ausgefallen. In Brüſſel iſt eine<lb/> Stichwahl zwiſchen den Candidaten der gemäßig-<lb/> ten Liberalen und den „Independenten“ erforder-<lb/> lich. Doch iſt aus den vorliegenden Telegrammen<lb/> noch nicht zu erſehen, ob für alle Mandate (16<lb/> Abgeordnete und 8 Senatoren) oder bloß für<lb/> eine Anzahl derſelben Stichwahlen nöthig ſind.<lb/> Die nächſten Abgeordnetenwahlen für die andere<lb/> Hälfte der Kammer finden erſt nach zwei Jahren<lb/> die nächſten Senatswahlen in vier Jahren ſtatt.<lb/> Die vorgeſtrigen Wahlen fanden in den Provin-<lb/> zen Antwerpen, Brabant, Luxemburg, Namur<lb/> und Oſt-Flandern ſtatt, welche zuſammen 69 Abge-<lb/> ordnete an Stelle der ausſcheidenden zu wählen<lb/> hatten. Von den Letzteren gehörten nur fünf der<lb/> liberalen Partei an, die alſo in dem Wahlkampfe<lb/> weit mehr zu gewinnen als zu verlieren hatte. Den-<lb/> noch hat ſie zwei von den beſeſſenen fünf Sitzen<lb/> verloren, einen in Oſtende und den anderen in<lb/> Virton, und bleibt in der Minderheit, auch wenn<lb/> ſie am nächſten Dienstag in Brüſſel vollſtändig<lb/> ſiegen ſollte; denn in der bisherigen Kammer<lb/> hatte ſie den 96 Stimmen der Rechten und der<lb/> Unabhängigen, die im Senate ebenfalls die Mehr-<lb/> heit behalten, nur 42 entgegenzuſtellen. Der vor-<lb/> geſtrige Wahltag hat dem clericalen Regiment in<lb/> Belgien neue Stärke verliehen, und ſteht eine<lb/> weitere Zerſtörung des ſtaatlichen Schulweſens,<lb/> wie es von der früheren liberalen Regierung ein-<lb/> gerichtet worden war, zu erwarten. Ueberdies<lb/> planen die Clericalen ein neues Wahlgeſetz, welches<lb/> den ländlichen Wählern das Uebergewicht ver-<lb/> ſchaffen und dadurch die Herrſchaft des Clericalis-<lb/> mus feſtigen ſoll.</p> </div><lb/> <div xml:id="scutari1" next="#scutari2" type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">(Anruhen in Scutari)</hi> </head> <p>In <hi rendition="#g">Albanien</hi><lb/> gährt es fortwährend. Der „Pol. Corr.“ wird</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ausstellungen2" prev="#ausstellungen1" type="jArticle" n="2"> <p>Garbanzos verlieren die Könige unendlich raſch<lb/> den Re<supplied>i</supplied>z der Neuheit, und das veränderliche Volk<lb/> jagt ſie manchmal davon, noch bevor ſie ihre<lb/> Lenden mit dem eben vom Schneider gebrachten<lb/> neuen Hermelinſchlafrocke gürten konnten. 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Maje-<lb/> ſtät wiederholt ein allergnädigſtes <hi rendition="#aq">„Hottoh“</hi><lb/> vernehmen. Dem gleichzeitigen Wunſche Höchſt-<lb/> desſelben, ein wenig „Pferdchen“ zu ſpielen,<lb/> konnte jedoch aus politiſchen Gründen nicht<lb/> ſofort Folge gegeben werden. Dies erregte<lb/> ſeinen Allerhöchſten Unwillen, und der König<lb/> ſtreckte gegen den Miniſterpräſidenten, ſowie<lb/> gegen den Vorſitzenden des Senats die Zunge<lb/> heraus. Glücklicherweiſe wurde jetzt ein Tuſch<lb/> geblaſen, was den König wieder heiter ſtimmte.<lb/> Er ſchlug die Händchen zuſammen, ſtrampelte<lb/> mit den allerdurchlauchtigſten Beinen und lachte<lb/><cb/> laut auf. Während der officiellen Anſprachen<lb/> unterhielt ſich Se. Majeſtät damit, die vor<lb/> ihm auf einem Tabouret ſitzenden Infantinnen<lb/> an den Haarzöpfen zu reißen. Anfangs ver-<lb/> biſſen Ihre königlichen Hoheiten den Schmerz,<lb/> endlich aber kniffen Höchſtdieſelben unbemerkt<lb/> Se. Majeſtät in die Wade. Der König be-<lb/> gann bitterlich zu heulen — und die Feier-<lb/> lichkeit mußte für kurze Zeit unterbrochen<lb/> werden ...“</hi> </p><lb/> <p>Warum hat uns der officiöſe Telgraph<lb/> eigentlich dieſe kleine Epiſode verſchwiegen? Ich<lb/> finde ſie viel intereſſanter, als die ganze Welt-<lb/> ausſtellung ...</p><lb/> <bibl>(„Berl. Tagblatt.“)</bibl> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div xml:id="tabak1" next="#tabak2" type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der Kampf wider den Tabak.</hi> </head><lb/> <p>Als Friedrich Wilhelm, der große Curfürſt<lb/> von Brandenburg, jene erſten Verſuche machte,<lb/> das Banner der Hohenzollern auch an der weſt-<lb/> afrikaniſchen Küſte einzubürgern, kamen ſeine<lb/> neuen Unterthanen vom Stamme Chams gelegent-<lb/> lich eines Austauſches von allerhand Freuudlich-<lb/> keiten auch einmal nach Berlin. Es war jeden-<lb/> falls wohl das erſte Mal, daß die Bewohner<lb/> desſelben einen echten unverfälſchten Schwarzen<lb/> in ihrer Mitte ſahen. Die Afrikaner mit dem<lb/> Pomp ihrer bunten, ſteinverzierten Kleidung<lb/> erregten daher auch kein kleines Anfſehen in der<lb/> märkiſchen Hauptſtadt, jedoch das allergrößte ver-<lb/> urſachte ein Umſtand, welcher den Leuten zwiſchen<lb/> der Spree und Havel wie eine Ungeheuerlichkeit<lb/> vorkam. Die Fremden führten nämlich einen<lb/><cb/> brennenden Stengel im Munde, welcher fortglomm,<lb/> während ſie den Dampf aus ihren Lippen blieſen.<lb/> Berlin gerieth ſchließlich aus Rand und Band<lb/> ob dieſes Wunders, welches in ſeinen Mauern<lb/> ſtattfand, und ſogar aus der Umgegend ſtrömte<lb/> man in Schaaren herbei, um desſelben an-<lb/> ſichtig zu werden. Inzwiſchen ſtolzirten die<lb/> Schwarzen unabläſſig durch die Straßen Berlins,<lb/> nicht wenig ſtolz auf das Staunen, welches ſie<lb/> hervorriefen. Nichtsdeſtoweniger zeigten ſie ſich in<lb/> hohem Grade zugänglich, und als ein Bäuerlein<lb/> aus der Mark, welche gleichfalls auf die Kunde<lb/> von dieſem Wunder nach Berlin gekommen war,<lb/> Mund und Augen gar zu auffällig aufriß, ging ein<lb/> Schwarzer in ſeiner Freundlichkeit ſogar ſo weit,<lb/> daß er den dampfenden Tabakſtengel aus dem<lb/> Munde nahm und ihn den Gaffer anbot. Der<lb/> aber nahm, wie der gewiſſenhafte Chroniſt be-<lb/> richtet, angſterfüllt Reißaus vor der Zumuthung,<lb/> welche man an ihn ſtellte, indem er dabei in<lb/> die Worte ausbrach: „Nee, gnädijer Herr Düwel,<lb/> (Teufel): Ick fräte (freſſe) keen Füihr (Feuer)!“</p><lb/> <p>Dieſer Kampf wider den Tabak wurde in<lb/> den Ländern, wo heute die größten Conſumenten<lb/> desſelben anſäſſig ſind, mit einer Energie geführt,<lb/> welche unſere Generation kaum begreifen kann.<lb/> Lag darin etwa die inſtinctive Ahnung, daß das<lb/> an ſich ſo wohlfeile und leicht zu erzielende Kraut<lb/> einmal ihren Werth finden würden, welchen die<lb/> Menſchheit, ſobald ſie ſich erſt an den Genuß<lb/> desſelben gewöhnt, kaum noch erſchwingen könne?<lb/> Merkwürdigerweiſe diente der Tabak zuerſt<lb/> keineswegs zu dem Zwecke, für welchen ihn heute<lb/> die Menſchheit in ihrer großen Mehrheit beſtimmt.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[2]/0002]
wenn ſich nicht die unberechenbaren moraliſchen
Folgen daran geknüpft hätten. Wird eine ſolche
Wirkung auf die Dauer hintanzuhalten ſein? Daß
der Kaiſer mit dem politiſchen Geſammtſyſtem
nicht übereinſtimmt, daß er namentlich die geübte
Wahlpraxis auf das ſchärfſte verurtheilt, war
vor den letzten Ereigniſſen ſchon bekannt und iſt
durch denſelben auf das nachdrücklichſte beſtätigt
worden. Die bleiche Angſt der Reaction vor der
Veröffentlichung des kaiſerlichen Schreibens über
die Wahlfreiheit redet ganze Bände. Hierin liegt
die Bedeutung der letzten Vorgänge und dieſe
wird ſich früher oder ſpäter geltend machen. Je-
denfalls wenn die freiſinnige Partei und Preſſe
einigermaßen ihre Aufgabe erkennt und in ver-
nünftiger und zweckmäßiger Weiſe ihre Schul-
digkeit thut. Zweimal hat der Kaiſer gezeigt,
daß er die Schichte, die zwiſchen ihm und dem
freiſinnigen Volke liegt, durchbrechen will und
das ſollte doch eine Mahnung an das deutſche
Volk ſein, dieſen hochherzigen Intentionen des
Monarchen aus eigener Kraft gerecht zu werden.
Um die Stellung des Fürſten Bismarck braucht
der Nation nicht bange zu ſein. Nicht nur kann
es als ſicher gelten, daß auch Kaiſer Friedrich
ſich von dem großen Staatsmanne nicht trennen
will und nicht trennen wird; man gewinnt auch
immer mehr den Eindruck, als betrachte Fürſt
Bismarck die Zeit für gekommen, da man auch
ohne die reactionären Parteien regieren kann. Der
geniale Realpolitiker hat ſich niemals an Parteien
und Syſteme gebunden und er wird die Politik
der freien Hand auch fernerhin zu bethätigen
wiſſen.
Politiſche Nachrichten.
(Aus dem Heeresausſchuſſe der unga-
riſchen Delegation.) Geſtern erſtattete, wie die
„Wiener Allg. Ztg.“ meldet, der Kriegsminiſter
Baron Bauer ſein Expoſé im Heeres-Ausſchuß
der ungariſchen Delegation. Die Rede des Kriegs-
miniſters wurde als eine ſtreng vertrauliche er-
klärt, weßhalb ſich nur über den äußeren Ein-
druck berichten läßt. Seine Rede machte im Allge-
meinen durch die treffenden Argumente, welche er
anführte, den beſten Eindruck. Auch die oppoſi-
tionellen Delegirten waren zufrieden, da der Kriegs-
miniſter der ſtaatsrechtlichen Stellung der Armee
auch den Ungarn gegenüber gerecht wurde. Aus
dieſem Grunde dürfte das Heeres-Erforderniß
auch bei der Oppoſition auf keine großen Hin-
derniſſe ſtoßen. Der Kriegsminiſter erwähnte in
ſeiner Rede, daß, wie die Delegirten ohnedies
wiſſen, die Situation eine geſpannte ſei. Bei den
Ausgaben für die Erhöhung des Officiersſtandes
verweilte Baron Bauer längere Zeit. Dieſe Er-
höhung, ſagte er, ſei eine nothwendige Vorſicht
für einen etwaigen ernſten Moment, womit nicht
geſagt ſein will, daß ein ernſter Moment eintre-
ten müſſe, aber er ſei immerhin möglich. Nach
dem Tenor der ganzen Rede des Kriegsminiſters
läßt ſich nur ſo viel ſagen, daß die Situation
keine momentane Gefahr in ſich berge, was aber
nicht ausſchließt, daß ſie ſich unerwartet in eine
gefahrvolle verwandeln kann.
Nach dem Kriegsminiſter Baron Bauer er-
hob ſich der Delegirte Beöthy, und erklärte,
daß er zwiſchen dem Vorgehen des jetzigen und
dem des früheren Kriegsminiſters einen großen
Widerſpruch finde. Während Bylandt-Rheidt die
Armee für vollendet erklärte, komme ein neuer
Kriegsminiſter mit neuen Forderungen, ein Beweis,
daß die Armee noch immer Verbeſſerungen haben
müſſe.
Miniſter-Präſident Tisza erwidert, daß
dieſer Widerſpruch nicht exiſtire, da die jetzigen
Vorlagen nicht von Bauer, ſondern noch von
Bylandt-Rheidt herrühren.
Der Delegirte Hegedüs will wiſſen, ob die
Mehrerforderniſſe ſtabil ſeien oder blos in dieſem
Jahre gefordert werden
Hierauf antwortete Miniſter-Präſident Tisza,
daß das Erforderniß wegen der politiſchen Situa-
tion nothwendig ſei und die bewilligten Mittel
dazu beitragen, daß im Nothfalle die Armee um
vierzehn Tage früher in Bereitſchaft zu ſein
vermag.
(Nochmals der Rücktritt Puttkamers.)
Angeſichts der betrübenden Nachrichten über das
Befinden Kaiſer Friedrich’s verlieren die Mel-
dungen und Aeußerungen, welche auf den Rück-
tritt Puttkamer’s Bezug haben, ihren augenblick-
lichen Werth. Das Intereſſe vereinigt ſich in der
Frage, wer den freigewordenen Poſten eines
Miniſters des Innern übernehmen wird. Nach
einer Mittheilung der Münchener „Allg. Ztg.“
genehmigte der Kaiſer den Oberpräſidenten von
Poſen, Grafen Zedlitz-Trützſchler, als Candidaten
für das Miniſterium des Innern, doch ſteht die
Antwort des Grafen auf die betreffende Anfrage
noch aus. Inzwiſchen werden Stimmen laut,
welche darauf hinweiſen, daß die Kriſe mit dem
Rücktritt Puttkamer’s nicht abgeſchloſſen ſei. Be-
zeichnend nach dieſer Richtung ſind die Ausfüh-
rungen der „Köln. Ztg.“ Das mit den Anſchau-
ungen im Reichskanzleramt vertraute Blatt ſchreibt:
„Hinter dem albernen Reactionsgeſchrei, welches
harmloſe Gemüther faſt zu dem Glauben ver-
leiten könnte, wir hätten im Deutſchland des
großen Kaiſers Withelm unter einer unerträg-
lichen Knechtſchaft geſchmachtet, ſteckt nichts als
die Sehnſucht einer gründlich abgewirthſchafteten
Partei nach einer brauchbaren, das heißt, auf
die Einfalt berechneten Wahlparole, und es iſt nur
zu bedauern, wenn ſich am preußiſchen Hofe unver-
antwortliche Berather finden ſollten, die kein Be-
denken tragen, einem Eugen Richter in die Hände
zu arbeiten. Zwar wird die Behauptung, daß
nach Herrn v. Puttkamer’s Abgang noch andere
Mitglieder des Cabinets ſich veranlaßt geſehen
hätten, Entlaſſungsgeſuche einzureichen, in gut
unterrichteten Kreiſen als unbegründet bezeichnet:
dennoch können wir uns der patriotiſchen Beſorg-
niß nicht entſchlagen, daß es den in dem officiöſen
Artikel bezeichneten Hofkreiſen durch ihre fortge-
ſetzten Mückenſtiche ſchließlich doch noch gelingen
werde, dem Fürſten Bismarck die Amtsbürde,
welche er unter ſchwierigen Umſtänden mit be-
wundernswerther Opferwilligkeit weiterträgt, zu
verleiden. Das deutſche Volk ſteht angeſichts der
Vorgänge der letzten Monate unter dem trüben
Eindrucke, daß es politiſch einer ganz unberechen-
baren Zukunft entgegengeht.“
(Ein Sieg der clericalen Partei in
Velgien.) In Belgien ſind vorgeſten die Er-
gänzungswahlen für den Senat und die Reprä-
ſentanten-Kammer entſchieden zu Gunſten der
clericalen Partei ausgefallen. In Brüſſel iſt eine
Stichwahl zwiſchen den Candidaten der gemäßig-
ten Liberalen und den „Independenten“ erforder-
lich. Doch iſt aus den vorliegenden Telegrammen
noch nicht zu erſehen, ob für alle Mandate (16
Abgeordnete und 8 Senatoren) oder bloß für
eine Anzahl derſelben Stichwahlen nöthig ſind.
Die nächſten Abgeordnetenwahlen für die andere
Hälfte der Kammer finden erſt nach zwei Jahren
die nächſten Senatswahlen in vier Jahren ſtatt.
Die vorgeſtrigen Wahlen fanden in den Provin-
zen Antwerpen, Brabant, Luxemburg, Namur
und Oſt-Flandern ſtatt, welche zuſammen 69 Abge-
ordnete an Stelle der ausſcheidenden zu wählen
hatten. Von den Letzteren gehörten nur fünf der
liberalen Partei an, die alſo in dem Wahlkampfe
weit mehr zu gewinnen als zu verlieren hatte. Den-
noch hat ſie zwei von den beſeſſenen fünf Sitzen
verloren, einen in Oſtende und den anderen in
Virton, und bleibt in der Minderheit, auch wenn
ſie am nächſten Dienstag in Brüſſel vollſtändig
ſiegen ſollte; denn in der bisherigen Kammer
hatte ſie den 96 Stimmen der Rechten und der
Unabhängigen, die im Senate ebenfalls die Mehr-
heit behalten, nur 42 entgegenzuſtellen. Der vor-
geſtrige Wahltag hat dem clericalen Regiment in
Belgien neue Stärke verliehen, und ſteht eine
weitere Zerſtörung des ſtaatlichen Schulweſens,
wie es von der früheren liberalen Regierung ein-
gerichtet worden war, zu erwarten. Ueberdies
planen die Clericalen ein neues Wahlgeſetz, welches
den ländlichen Wählern das Uebergewicht ver-
ſchaffen und dadurch die Herrſchaft des Clericalis-
mus feſtigen ſoll.
(Anruhen in Scutari) In Albanien
gährt es fortwährend. Der „Pol. Corr.“ wird
Garbanzos verlieren die Könige unendlich raſch
den Reiz der Neuheit, und das veränderliche Volk
jagt ſie manchmal davon, noch bevor ſie ihre
Lenden mit dem eben vom Schneider gebrachten
neuen Hermelinſchlafrocke gürten konnten. Man
kann es daher Alfolſo XIII. nicht verdenken,
wenn er den wichtigſten Staatsactionen eine ge-
wiſſe ſouveräne Gleichgiltigkeit entgegenbringt. Ich
entnehme einem Bericht über die Eröffnungs-
ceremonien von Barcelona folgende characteriſtiſche
Einzelheiten:
„Seine Majeſtät Alfonſo XIII. trug ein
ſehr kleidſames weißes Spitzencoſtüm. Dasſelbe
war tief decolletirt und ließ auch die königlichen
Arme, ſowie die allerhöchſten Beine vom Knie
abwärts frei. Rückwärts an der Taille hatte der
König eine große Roſamaſche ... Der Hofſtaat
das diplomatiſche Corps, die erſten Würdenträger
und Großen des Reiches, waren bereits voll-
zählig verſammelt als der König geruhte, ſich
die Eſtrade hinauftragen und auf den Thron-
ſeſſel ſetzen zu laſſen. Hierbei ließ S. Maje-
ſtät wiederholt ein allergnädigſtes „Hottoh“
vernehmen. Dem gleichzeitigen Wunſche Höchſt-
desſelben, ein wenig „Pferdchen“ zu ſpielen,
konnte jedoch aus politiſchen Gründen nicht
ſofort Folge gegeben werden. Dies erregte
ſeinen Allerhöchſten Unwillen, und der König
ſtreckte gegen den Miniſterpräſidenten, ſowie
gegen den Vorſitzenden des Senats die Zunge
heraus. Glücklicherweiſe wurde jetzt ein Tuſch
geblaſen, was den König wieder heiter ſtimmte.
Er ſchlug die Händchen zuſammen, ſtrampelte
mit den allerdurchlauchtigſten Beinen und lachte
laut auf. Während der officiellen Anſprachen
unterhielt ſich Se. Majeſtät damit, die vor
ihm auf einem Tabouret ſitzenden Infantinnen
an den Haarzöpfen zu reißen. Anfangs ver-
biſſen Ihre königlichen Hoheiten den Schmerz,
endlich aber kniffen Höchſtdieſelben unbemerkt
Se. Majeſtät in die Wade. Der König be-
gann bitterlich zu heulen — und die Feier-
lichkeit mußte für kurze Zeit unterbrochen
werden ...“
Warum hat uns der officiöſe Telgraph
eigentlich dieſe kleine Epiſode verſchwiegen? Ich
finde ſie viel intereſſanter, als die ganze Welt-
ausſtellung ...
(„Berl. Tagblatt.“)
Der Kampf wider den Tabak.
Als Friedrich Wilhelm, der große Curfürſt
von Brandenburg, jene erſten Verſuche machte,
das Banner der Hohenzollern auch an der weſt-
afrikaniſchen Küſte einzubürgern, kamen ſeine
neuen Unterthanen vom Stamme Chams gelegent-
lich eines Austauſches von allerhand Freuudlich-
keiten auch einmal nach Berlin. Es war jeden-
falls wohl das erſte Mal, daß die Bewohner
desſelben einen echten unverfälſchten Schwarzen
in ihrer Mitte ſahen. Die Afrikaner mit dem
Pomp ihrer bunten, ſteinverzierten Kleidung
erregten daher auch kein kleines Anfſehen in der
märkiſchen Hauptſtadt, jedoch das allergrößte ver-
urſachte ein Umſtand, welcher den Leuten zwiſchen
der Spree und Havel wie eine Ungeheuerlichkeit
vorkam. Die Fremden führten nämlich einen
brennenden Stengel im Munde, welcher fortglomm,
während ſie den Dampf aus ihren Lippen blieſen.
Berlin gerieth ſchließlich aus Rand und Band
ob dieſes Wunders, welches in ſeinen Mauern
ſtattfand, und ſogar aus der Umgegend ſtrömte
man in Schaaren herbei, um desſelben an-
ſichtig zu werden. Inzwiſchen ſtolzirten die
Schwarzen unabläſſig durch die Straßen Berlins,
nicht wenig ſtolz auf das Staunen, welches ſie
hervorriefen. Nichtsdeſtoweniger zeigten ſie ſich in
hohem Grade zugänglich, und als ein Bäuerlein
aus der Mark, welche gleichfalls auf die Kunde
von dieſem Wunder nach Berlin gekommen war,
Mund und Augen gar zu auffällig aufriß, ging ein
Schwarzer in ſeiner Freundlichkeit ſogar ſo weit,
daß er den dampfenden Tabakſtengel aus dem
Munde nahm und ihn den Gaffer anbot. Der
aber nahm, wie der gewiſſenhafte Chroniſt be-
richtet, angſterfüllt Reißaus vor der Zumuthung,
welche man an ihn ſtellte, indem er dabei in
die Worte ausbrach: „Nee, gnädijer Herr Düwel,
(Teufel): Ick fräte (freſſe) keen Füihr (Feuer)!“
Dieſer Kampf wider den Tabak wurde in
den Ländern, wo heute die größten Conſumenten
desſelben anſäſſig ſind, mit einer Energie geführt,
welche unſere Generation kaum begreifen kann.
Lag darin etwa die inſtinctive Ahnung, daß das
an ſich ſo wohlfeile und leicht zu erzielende Kraut
einmal ihren Werth finden würden, welchen die
Menſchheit, ſobald ſie ſich erſt an den Genuß
desſelben gewöhnt, kaum noch erſchwingen könne?
Merkwürdigerweiſe diente der Tabak zuerſt
keineswegs zu dem Zwecke, für welchen ihn heute
die Menſchheit in ihrer großen Mehrheit beſtimmt.
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