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Mährisches Tagblatt. Nr. 136, Olmütz, 14.06.1888.

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Mährisches
Tagblatt.

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Außerhalb Olmütz überneh-
men Inse[rti]ons-Aufträge:
Heinrich Schalek, Annon-
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pest, Berlin, Frankfurt a. M.
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Alois Opellik, in Wien, Rud.
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in Wien, München u.
Berlin, M. Dukes , Wien I.
Schulerstraße 8. G. L. Daube
u. Co.
Frankfurt a. M.
Adolf Steiner's Annoncen
bureau in Hamburg, sowie
sämmtl. conc. Insertions Bu-
reaus des In- u. Auslandes




Manuscripte werden nicht
zurückgestellt.




Nr. 136. Olmütz, Donnerstag den 14. Juni 1888. 9. Jahrgang.



[Spaltenumbruch]
Fürst Bismarck und die deutsche
Reaction.


Welche Folgen auch die Verabschiedung des
preußischen Ministers des Innern, Herrn von
Puttkamer, nach sich ziehen mag -- sicher ist,
daß die Stellung des Reichskanzlers von dersel-
ben unberührt bleibt, gleichwie die Krise über-
haupt mit dem Fürsten Bismarck nichts gemein
hatte. Allerdings aber hat es bei dieser Demis-
sion sich nicht um einige politisch-reactionäre
Extravaganzen des Ministers, sondern in hervor-
ragender Weise um einen wesentlichen Theil des
innern Regierungssystems in Preußen gehandelt.
Die aufrichtig reactionäre Presse hat dies ganz
entschieden ausgesprochen, und sogar ein Theil der
gouvernementalen, und darunter gerade diejenigen
Blätter, welche notorisch die nächste Fühlung mit
dem Kanzler haben, haben die Sache in genau
demselben Sinne aufgefaßt. Der Versuch, das
wahre Wesen und die ganze Tragweite des Vor-
falls zu verschleiern, war allerdings von vorn-
herein eine hoffnungslose. Denn derjenige Punkt,
bei werchem die Meinungsverschiedenheit zwischen
dem Kaiser und dem Minister des Innern zuerst
zu Tage trat, nämlich die Art, wie Herr von
Puttkamer die verfassungmäßig verbürgte Wahl-
freiheit auffassen zu dürfen glaubt, war nicht ein
vereinzelter und nebensächlicher Punkt und auch
nicht blos einer unter mehreren Hauptpunkten,
sondern er war der springende Punkt des ganzen
Systems. Das ganze gegenwärtige System der
[Spaltenumbruch] inneren Politik des Deutschen Reiches, das Sy-
stem einer reactionären Politik unter dem Scheine
der Zustimmung des Volkes ist nur möglich bei
einem unaufhörlichen, verfassungs- und gesetz-
widrigen, mit allen Mitteln und namentlich mit
dem Mißbrauch der Amtsgewalt ausgeübten
Drucke auf die Wähler.

Als daher Kaiser Friedrich ganz aus freier
Willensentschließung ein Schreiben an den Mi-
nister des Innern richtete, von welchem man be-
hauptet, daß es einen scharfen Tadel der bishe-
rigen Wahlproxis enthielt, war die Krisis eröffnet
und die Stellung des Herrn v. Puttkamer un-
haltbar geworden.

Anfänglich hatte es den Anschein, als wäre
die Regierung entschlossen gewesen, diesen Kampf
mit dem äußersten Aufwand von Nachdruck und
Zähigkeit zu führen. Die Verhältnisse in der
inneren Politik des Deutschen Reiches sind so ge-
spannt, die Herrschaft des gegenwärtigen Systems
so auf Schrauben gestellt, dieses System selbst so
verwickelt und gekünstelt und sein Gleichgewicht
so auf der Schneide des Messers schwankend, daß
eine nur kurze Unterbrechung desselben mit seinem
endgiltigen Verschwinden gleichbedeutend wäre,
und von einer Wiederherstellung unter abermals
geänderten Verhältnissen keine Rede sein könnte.
Daher die große Angst der Träger und In-
teressenten dieses Systems vor der Thronbestei-
gung Kaiser Friedrich's, die Angst, die sich in so
unverständiger, zum Theil ins Abscheuliche ge-
steigerter Art kundgab, daher die Anklammerung
an die Hoffnung, daß der "unliebsame Zwischen-
fall" möglichst schnell und möglichst spurlos vor-
[Spaltenumbruch] übergehen werde, der sich in den unaufhörlichen
tendentiösen Schwarzmalereien über den Zustand
des Kaisers, der ja an sich traurig genug ist,
kundgibt; daher endlich die verzweifelte Ent-
schlossenheit seitens der Minister, den Platz nicht
zu räumen, zugleich aber auch kein grundsätz-
tickes Zugeständniß zu machen, welches das Sy-
stem irgendwie ins Schwanken bringen könnte.

Die Einzelheiten der Vorgänge, deren End-
ergebniß die Demission Puttkamer's ist, entziehen
sich der Kenntnißnahme; aber es ist unmöglich,
sich vorzustellen, daß sie im Widerspruch gegen
die Intentionen des Fürsten Bismarck erfolgt sei.
Und darin liegt immerhin ein, wenn auch schwa-
ches Symptom erfreulichen Characters, es läßt
darauf schließen, daß der Kanzler nicht gewillt
sei, der Reaction seine mächtige Stütze auch
weiterhin zur Verfügung zu stellen. In der That
ist die fröhliche Unverfrorenheit, mit welcher die
reactionären Parteien im April ihren Willen
gegen den des Kaisers setzten und die "Stimme
des Volkes" auf gut neubonapartistisch anriefen,
von ihnen gewichen. Freilich wäre es aber, wie
gesagt, gar zu optimistisch, an dem völligen und
raschen Zusammenbruch des gegenwärtigen Sy-
stems zu glauben, und es kommt wesentlich dar-
auf an, wer zum Nachfolger im Ministerium des
Innern berufen werden wird. Was die Reaction
fürchtete, war die große Kräftigung, die der po-
litische Freisinn aus der Haltung des Kaisers zie-
hen würde. Man würde Herrn v. Puttkamer leich-
ten Herzens geopfert, man würde auch das Ge-
setz über die Verlängerung der Legislaturperio-
den ohne großen Schmerz fallen gelassen haben,




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.
Ausstellungen an Ausstellungen.

Spanien, dieses weder mit einer starken
Regierung, noch auch mit Glücksgütern gesegnete
Land, hat sich endlich ebenfalls entschlossen, "in
den friedlichen Wettkampf mit sämmtlichen Natio-
nen des Erdballs einzutreten" -- wie man sich
in officieller Begeisterung auszudrücken pflegt.
Mit anderen Worten; es hat heuer auch seine
Weltausstellung. Es war die höchste Zeit! So
weit unser entzücktes Auge reicht, erblicken wir
heuer Welt-, Landes-, Colonial-, Regional-,
Districts-, Bezirks-, allgemeine, besondere, ge-
werbliche, landwirthschaftliche, Hunde-, Blumen-,
Fischerei, Schifffahrts-, Mastvieh- und Kunst-
Ausstellungen. Die Welt wird allmälig zu eng
für all diese Weltausstellungen, die einen so
unleugbaren Werth haben. Zunächst für das
große Comite der Ausstellung, welches die Com-
thur- und Ritterkreuze im unvermeidlichen Or-
densgestöber erhält. Dann für die Subcomites,
deren Mitgliedern man kleinere Decorationen zur
Erfrischung herumreicht. Dann für die Aussteller,
die papierne Divlome, goldene, silberne oder
bronzene Medaillon bekommen. Ausgezeichnet
wird nun einmal Jeder, so daß die rücksichts-
losesten Streber sich gewöhnlich "hors concurs"
begeben und auf die Ehrenpreise verzichten, nur
um sich hervorzuthun! Jawohl, keiner entgeht
bei solcher Gelegenheit der Auszeichnung. Da ist
es dann gleichgiltig, ob er einen Triumphbogen
[Spaltenumbruch] aufgeführt hat, der sich bei näherer Betrachtung
als eine Anhäufung von Zahnbürsten erweist,
oder Siegessäulen von Hunyadp Janos-Bitter-
wasserflaschen, egyptische Pyramiden aus Zwirn-
spulen und Renaissancepaläste aus Schweizer-
Käse ...

Wenn ich von meiner persönlichen Vorliebe
sprechen darf, so ziehe ich die Mastviehausstellun-
gen allen andern vor. Denn in sämmtlichen
Expositionen will doch einer über den Anderen
hinaus, und das bringt noch mehr Dünkel,
Hoffart und Ueberhebung in diese ohnehin schon
vom Höherhinauswollen verpestete Welt. Dagegen
hüpft mir mein bürgerliches Herz im Leibe, wenn
ich die aristocratischen Bestrebungen dahin ge-
richtet sehe, daß Einer ein größerer Ochse sein
will, als der Andere -- wie dies ja auch in den
Mastviehausstellungen geschieht ..... Dennoch
verkenne ich keineswegs die Bedeutung der übri-
gen Unternehmungen gleicher Art, z. B. der
Kunstausstellungen, in welchen erstens die Kame-
radschaft prächtige Orgien feiern kann, und
zweitens junge Künstler durch unverdiente Zurück-
setzung einen mächtigen Sporn zum Weiterstreben
bekommen. Was aber die Weltausstellungen be-
trifft, so sehe ich ihre Nothwendigkeit jetzt mehr
als je ein. Jetzt, wo sich die Staaten durch die
sinnreichsten Schutz- und Differenzialzölle von
einander absperren, ist es überaus wünschenswerth,
im Auslande diejenigen Waaren zur Schau zu
bringen, an deren Verkauf man späterhin ver-
hindert sein wird. Scheint Ihnen das unklar?
Ja, es ist eben Nationalökonomie. Von ihrer
erwähnten Nützlichkeit abgesehen, sind aber die
[Spaltenumbruch] Ausstellungen auch etwas Angenehmes, beinahe
ein Vergnügen -- wenigstens für solche Personen,
die den Strapazen eines tagelangen Herumwan-
delns in menschenvollen Räumen gewachsen sind.
Hinter den Schaufenstern glitzern Kostbarkeiten,
die der Erweckung von Neid, Gier und Mißgunst
zu dienen berufen sind. Und Triumphbogen,
Siegessäulen und Pyramiden, Renaissancepaläste,
geformt aus den obengenannten Materialien. --
Jawohl eine Weltausstellung gemahnt an die
Nationalspeise der Spanier, an das große Ragout
die olla potrida, in der die verschiedensten Fleisch-
sorten und Gemüse und andere unbekannte Kleinig-
keiten, alle möglichen Chorizos und Garbanzos
einträchtig durch einander dampfen.

So ist denn gar wohl begreiflich, daß man
auch in Barcelona die Chorizos und Garbanzos
einer Weltausstellung servirt hat. Eröffnet wurde
dieselbe durch Se. Majestät Alfonso XIII. in
Person, und dieser heitere Umstand bringt das
eptlegene Land jedem Humoristen von Prosession
näher. Es war die erste Weltausstellung, die der
jugendliche Monarch mit seiner Gegenwart beehrte.
Der nunmehr dreijährige Lebenslauf dieses groß-
mächtigen Herrn ist ja bekannt. Unmittelbar nach
seiner Geburt -- in einem Augenblicke, wo ihn
die vielen neuen Eindrücke verwirrrn mußten,
und er die ganze Tragweite einer so wichtigen
Maßregel nicht überblicken konnte -- wurde ihm
die Königskrone auf das zartbeflaumte Haupt
gesetzt. Man hat ihn nicht befragt, ob er es
nicht vorzöge, als schlichter Privatsäugling im
Auslande zu leben. Vielleicht wäre ihm das lieber
gewesen. Denn in dem Lande des Chorizios und


[Spaltenumbruch]

Das
„Mähriſche Tagblatt“
mit der illuſtr. Wochenbeilage
„Illuſtrirt. Sonntagsblatt“
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Mähriſches
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peſt, Berlin, Frankfurt a. M.
Hamburg, Baſel und Leipzig
Alois Opellik, in Wien, Rud.
Mosse
in Wien, München u.
Berlin, M. Dukes , Wien I.
Schulerſtraße 8. G. L. Daube
u. Co.
Frankfurt a. M.
Adolf Steiner’s Annoncen
bureau in Hamburg, ſowie
ſämmtl. conc. Inſertions Bu-
reaus des In- u. Auslandes




Manuſcripte werden nicht
zurückgeſtellt.




Nr. 136. Olmütz, Donnerstag den 14. Juni 1888. 9. Jahrgang.



[Spaltenumbruch]
Fürſt Bismarck und die deutſche
Reaction.


Welche Folgen auch die Verabſchiedung des
preußiſchen Miniſters des Innern, Herrn von
Puttkamer, nach ſich ziehen mag — ſicher iſt,
daß die Stellung des Reichskanzlers von derſel-
ben unberührt bleibt, gleichwie die Kriſe über-
haupt mit dem Fürſten Bismarck nichts gemein
hatte. Allerdings aber hat es bei dieſer Demiſ-
ſion ſich nicht um einige politiſch-reactionäre
Extravaganzen des Miniſters, ſondern in hervor-
ragender Weiſe um einen weſentlichen Theil des
innern Regierungsſyſtems in Preußen gehandelt.
Die aufrichtig reactionäre Preſſe hat dies ganz
entſchieden ausgeſprochen, und ſogar ein Theil der
gouvernementalen, und darunter gerade diejenigen
Blätter, welche notoriſch die nächſte Fühlung mit
dem Kanzler haben, haben die Sache in genau
demſelben Sinne aufgefaßt. Der Verſuch, das
wahre Weſen und die ganze Tragweite des Vor-
falls zu verſchleiern, war allerdings von vorn-
herein eine hoffnungsloſe. Denn derjenige Punkt,
bei werchem die Meinungsverſchiedenheit zwiſchen
dem Kaiſer und dem Miniſter des Innern zuerſt
zu Tage trat, nämlich die Art, wie Herr von
Puttkamer die verfaſſungmäßig verbürgte Wahl-
freiheit auffaſſen zu dürfen glaubt, war nicht ein
vereinzelter und nebenſächlicher Punkt und auch
nicht blos einer unter mehreren Hauptpunkten,
ſondern er war der ſpringende Punkt des ganzen
Syſtems. Das ganze gegenwärtige Syſtem der
[Spaltenumbruch] inneren Politik des Deutſchen Reiches, das Sy-
ſtem einer reactionären Politik unter dem Scheine
der Zuſtimmung des Volkes iſt nur möglich bei
einem unaufhörlichen, verfaſſungs- und geſetz-
widrigen, mit allen Mitteln und namentlich mit
dem Mißbrauch der Amtsgewalt ausgeübten
Drucke auf die Wähler.

Als daher Kaiſer Friedrich ganz aus freier
Willensentſchließung ein Schreiben an den Mi-
niſter des Innern richtete, von welchem man be-
hauptet, daß es einen ſcharfen Tadel der bishe-
rigen Wahlproxis enthielt, war die Kriſis eröffnet
und die Stellung des Herrn v. Puttkamer un-
haltbar geworden.

Anfänglich hatte es den Anſchein, als wäre
die Regierung entſchloſſen geweſen, dieſen Kampf
mit dem äußerſten Aufwand von Nachdruck und
Zähigkeit zu führen. Die Verhältniſſe in der
inneren Politik des Deutſchen Reiches ſind ſo ge-
ſpannt, die Herrſchaft des gegenwärtigen Syſtems
ſo auf Schrauben geſtellt, dieſes Syſtem ſelbſt ſo
verwickelt und gekünſtelt und ſein Gleichgewicht
ſo auf der Schneide des Meſſers ſchwankend, daß
eine nur kurze Unterbrechung desſelben mit ſeinem
endgiltigen Verſchwinden gleichbedeutend wäre,
und von einer Wiederherſtellung unter abermals
geänderten Verhältniſſen keine Rede ſein könnte.
Daher die große Angſt der Träger und In-
tereſſenten dieſes Syſtems vor der Thronbeſtei-
gung Kaiſer Friedrich’s, die Angſt, die ſich in ſo
unverſtändiger, zum Theil ins Abſcheuliche ge-
ſteigerter Art kundgab, daher die Anklammerung
an die Hoffnung, daß der „unliebſame Zwiſchen-
fall“ möglichſt ſchnell und möglichſt ſpurlos vor-
[Spaltenumbruch] übergehen werde, der ſich in den unaufhörlichen
tendentiöſen Schwarzmalereien über den Zuſtand
des Kaiſers, der ja an ſich traurig genug iſt,
kundgibt; daher endlich die verzweifelte Ent-
ſchloſſenheit ſeitens der Miniſter, den Platz nicht
zu räumen, zugleich aber auch kein grundſätz-
tickes Zugeſtändniß zu machen, welches das Sy-
ſtem irgendwie ins Schwanken bringen könnte.

Die Einzelheiten der Vorgänge, deren End-
ergebniß die Demiſſion Puttkamer’s iſt, entziehen
ſich der Kenntnißnahme; aber es iſt unmöglich,
ſich vorzuſtellen, daß ſie im Widerſpruch gegen
die Intentionen des Fürſten Bismarck erfolgt ſei.
Und darin liegt immerhin ein, wenn auch ſchwa-
ches Symptom erfreulichen Characters, es läßt
darauf ſchließen, daß der Kanzler nicht gewillt
ſei, der Reaction ſeine mächtige Stütze auch
weiterhin zur Verfügung zu ſtellen. In der That
iſt die fröhliche Unverfrorenheit, mit welcher die
reactionären Parteien im April ihren Willen
gegen den des Kaiſers ſetzten und die „Stimme
des Volkes“ auf gut neubonapartiſtiſch anriefen,
von ihnen gewichen. Freilich wäre es aber, wie
geſagt, gar zu optimiſtiſch, an dem völligen und
raſchen Zuſammenbruch des gegenwärtigen Sy-
ſtems zu glauben, und es kommt weſentlich dar-
auf an, wer zum Nachfolger im Miniſterium des
Innern berufen werden wird. Was die Reaction
fürchtete, war die große Kräftigung, die der po-
litiſche Freiſinn aus der Haltung des Kaiſers zie-
hen würde. Man würde Herrn v. Puttkamer leich-
ten Herzens geopfert, man würde auch das Ge-
ſetz über die Verlängerung der Legislaturperio-
den ohne großen Schmerz fallen gelaſſen haben,




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.
Ausſtellungen an Ausſtellungen.

Spanien, dieſes weder mit einer ſtarken
Regierung, noch auch mit Glücksgütern geſegnete
Land, hat ſich endlich ebenfalls entſchloſſen, „in
den friedlichen Wettkampf mit ſämmtlichen Natio-
nen des Erdballs einzutreten“ — wie man ſich
in officieller Begeiſterung auszudrücken pflegt.
Mit anderen Worten; es hat heuer auch ſeine
Weltausſtellung. Es war die höchſte Zeit! So
weit unſer entzücktes Auge reicht, erblicken wir
heuer Welt-, Landes-, Colonial-, Regional-,
Diſtricts-, Bezirks-, allgemeine, beſondere, ge-
werbliche, landwirthſchaftliche, Hunde-, Blumen-,
Fiſcherei, Schifffahrts-, Maſtvieh- und Kunſt-
Ausſtellungen. Die Welt wird allmälig zu eng
für all dieſe Weltausſtellungen, die einen ſo
unleugbaren Werth haben. Zunächſt für das
große Comité der Ausſtellung, welches die Com-
thur- und Ritterkreuze im unvermeidlichen Or-
densgeſtöber erhält. Dann für die Subcomités,
deren Mitgliedern man kleinere Decorationen zur
Erfriſchung herumreicht. Dann für die Ausſteller,
die papierne Divlome, goldene, ſilberne oder
bronzene Medaillon bekommen. Ausgezeichnet
wird nun einmal Jeder, ſo daß die rückſichts-
loſeſten Streber ſich gewöhnlich „hors concurs“
begeben und auf die Ehrenpreiſe verzichten, nur
um ſich hervorzuthun! Jawohl, keiner entgeht
bei ſolcher Gelegenheit der Auszeichnung. Da iſt
es dann gleichgiltig, ob er einen Triumphbogen
[Spaltenumbruch] aufgeführt hat, der ſich bei näherer Betrachtung
als eine Anhäufung von Zahnbürſten erweiſt,
oder Siegesſäulen von Hunyadp Janos-Bitter-
waſſerflaſchen, egyptiſche Pyramiden aus Zwirn-
ſpulen und Renaiſſancepaläſte aus Schweizer-
Käſe ...

Wenn ich von meiner perſönlichen Vorliebe
ſprechen darf, ſo ziehe ich die Maſtviehausſtellun-
gen allen andern vor. Denn in ſämmtlichen
Expoſitionen will doch einer über den Anderen
hinaus, und das bringt noch mehr Dünkel,
Hoffart und Ueberhebung in dieſe ohnehin ſchon
vom Höherhinauswollen verpeſtete Welt. Dagegen
hüpft mir mein bürgerliches Herz im Leibe, wenn
ich die ariſtocratiſchen Beſtrebungen dahin ge-
richtet ſehe, daß Einer ein größerer Ochſe ſein
will, als der Andere — wie dies ja auch in den
Maſtviehausſtellungen geſchieht ..... Dennoch
verkenne ich keineswegs die Bedeutung der übri-
gen Unternehmungen gleicher Art, z. B. der
Kunſtausſtellungen, in welchen erſtens die Kame-
radſchaft prächtige Orgien feiern kann, und
zweitens junge Künſtler durch unverdiente Zurück-
ſetzung einen mächtigen Sporn zum Weiterſtreben
bekommen. Was aber die Weltausſtellungen be-
trifft, ſo ſehe ich ihre Nothwendigkeit jetzt mehr
als je ein. Jetzt, wo ſich die Staaten durch die
ſinnreichſten Schutz- und Differenzialzölle von
einander abſperren, iſt es überaus wünſchenswerth,
im Auslande diejenigen Waaren zur Schau zu
bringen, an deren Verkauf man ſpäterhin ver-
hindert ſein wird. Scheint Ihnen das unklar?
Ja, es iſt eben Nationalökonomie. Von ihrer
erwähnten Nützlichkeit abgeſehen, ſind aber die
[Spaltenumbruch] Ausſtellungen auch etwas Angenehmes, beinahe
ein Vergnügen — wenigſtens für ſolche Perſonen,
die den Strapazen eines tagelangen Herumwan-
delns in menſchenvollen Räumen gewachſen ſind.
Hinter den Schaufenſtern glitzern Koſtbarkeiten,
die der Erweckung von Neid, Gier und Mißgunſt
zu dienen berufen ſind. Und Triumphbogen,
Siegesſäulen und Pyramiden, Renaiſſancepaläſte,
geformt aus den obengenannten Materialien. —
Jawohl eine Weltausſtellung gemahnt an die
Nationalſpeiſe der Spanier, an das große Ragout
die olla potrida, in der die verſchiedenſten Fleiſch-
ſorten und Gemüſe und andere unbekannte Kleinig-
keiten, alle möglichen Chorizos und Garbanzos
einträchtig durch einander dampfen.

So iſt denn gar wohl begreiflich, daß man
auch in Barcelona die Chorizos und Garbanzos
einer Weltausſtellung ſervirt hat. Eröffnet wurde
dieſelbe durch Se. Majeſtät Alfonſo XIII. in
Perſon, und dieſer heitere Umſtand bringt das
eptlegene Land jedem Humoriſten von Proſeſſion
näher. Es war die erſte Weltausſtellung, die der
jugendliche Monarch mit ſeiner Gegenwart beehrte.
Der nunmehr dreijährige Lebenslauf dieſes groß-
mächtigen Herrn iſt ja bekannt. Unmittelbar nach
ſeiner Geburt — in einem Augenblicke, wo ihn
die vielen neuen Eindrücke verwirrrn mußten,
und er die ganze Tragweite einer ſo wichtigen
Maßregel nicht überblicken konnte — wurde ihm
die Königskrone auf das zartbeflaumte Haupt
geſetzt. Man hat ihn nicht befragt, ob er es
nicht vorzöge, als ſchlichter Privatſäugling im
Auslande zu leben. Vielleicht wäre ihm das lieber
geweſen. Denn in dem Lande des Chorizios und


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[[1]/0001] Das „Mähriſche Tagblatt“ mit der illuſtr. Wochenbeilage „Illuſtrirt. Sonntagsblatt“ erſcheint mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage täglich Ausgabe 2 Uhr Nachmittags im Adminiſtrations-Locale Niederring Nr. 41 neu ober den Fleiſchbänken. Abonnement für Olmütz: Ganzjährig fl. 10.— Halbjährig fl. 5. Vierteljährig fl. 2 50 Monatlich fl. —.90 Zuſtellung ins Haus monat- lich 10 Kreuzer. Auswärts durch die Poſt: Ganzjährig fl. 14.— Halbjährig „ 7.— Vierteljährig „ 3.50 Einzelne Nummer 5 Kreuzer. Mähriſches Tagblatt. Inſertionsgebühren: Die 4mal geſpaltene Petitzeil oder deren Raum 6 Kreuzer. Außerhalb Olmütz überneh- men Inſertions-Aufträge: Heinrich Schalek, Annon- cen-Exped. in Wien, I., Woll- zeile Nr. 11, Haasenstein & Vogler in Wien, Prag, Buda- peſt, Berlin, Frankfurt a. M. Hamburg, Baſel und Leipzig Alois Opellik, in Wien, Rud. Mosse in Wien, München u. Berlin, M. Dukes , Wien I. Schulerſtraße 8. G. L. Daube u. Co. Frankfurt a. M. Adolf Steiner’s Annoncen bureau in Hamburg, ſowie ſämmtl. conc. Inſertions Bu- reaus des In- u. Auslandes Manuſcripte werden nicht zurückgeſtellt. Nr. 136. Olmütz, Donnerstag den 14. Juni 1888. 9. Jahrgang. Fürſt Bismarck und die deutſche Reaction. Olmütz, 14. Juni. Welche Folgen auch die Verabſchiedung des preußiſchen Miniſters des Innern, Herrn von Puttkamer, nach ſich ziehen mag — ſicher iſt, daß die Stellung des Reichskanzlers von derſel- ben unberührt bleibt, gleichwie die Kriſe über- haupt mit dem Fürſten Bismarck nichts gemein hatte. Allerdings aber hat es bei dieſer Demiſ- ſion ſich nicht um einige politiſch-reactionäre Extravaganzen des Miniſters, ſondern in hervor- ragender Weiſe um einen weſentlichen Theil des innern Regierungsſyſtems in Preußen gehandelt. 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Das ganze gegenwärtige Syſtem der inneren Politik des Deutſchen Reiches, das Sy- ſtem einer reactionären Politik unter dem Scheine der Zuſtimmung des Volkes iſt nur möglich bei einem unaufhörlichen, verfaſſungs- und geſetz- widrigen, mit allen Mitteln und namentlich mit dem Mißbrauch der Amtsgewalt ausgeübten Drucke auf die Wähler. Als daher Kaiſer Friedrich ganz aus freier Willensentſchließung ein Schreiben an den Mi- niſter des Innern richtete, von welchem man be- hauptet, daß es einen ſcharfen Tadel der bishe- rigen Wahlproxis enthielt, war die Kriſis eröffnet und die Stellung des Herrn v. Puttkamer un- haltbar geworden. Anfänglich hatte es den Anſchein, als wäre die Regierung entſchloſſen geweſen, dieſen Kampf mit dem äußerſten Aufwand von Nachdruck und Zähigkeit zu führen. 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Daher die große Angſt der Träger und In- tereſſenten dieſes Syſtems vor der Thronbeſtei- gung Kaiſer Friedrich’s, die Angſt, die ſich in ſo unverſtändiger, zum Theil ins Abſcheuliche ge- ſteigerter Art kundgab, daher die Anklammerung an die Hoffnung, daß der „unliebſame Zwiſchen- fall“ möglichſt ſchnell und möglichſt ſpurlos vor- übergehen werde, der ſich in den unaufhörlichen tendentiöſen Schwarzmalereien über den Zuſtand des Kaiſers, der ja an ſich traurig genug iſt, kundgibt; daher endlich die verzweifelte Ent- ſchloſſenheit ſeitens der Miniſter, den Platz nicht zu räumen, zugleich aber auch kein grundſätz- tickes Zugeſtändniß zu machen, welches das Sy- ſtem irgendwie ins Schwanken bringen könnte. Die Einzelheiten der Vorgänge, deren End- ergebniß die Demiſſion Puttkamer’s iſt, entziehen ſich der Kenntnißnahme; aber es iſt unmöglich, ſich vorzuſtellen, daß ſie im Widerſpruch gegen die Intentionen des Fürſten Bismarck erfolgt ſei. Und darin liegt immerhin ein, wenn auch ſchwa- ches Symptom erfreulichen Characters, es läßt darauf ſchließen, daß der Kanzler nicht gewillt ſei, der Reaction ſeine mächtige Stütze auch weiterhin zur Verfügung zu ſtellen. In der That iſt die fröhliche Unverfrorenheit, mit welcher die reactionären Parteien im April ihren Willen gegen den des Kaiſers ſetzten und die „Stimme des Volkes“ auf gut neubonapartiſtiſch anriefen, von ihnen gewichen. Freilich wäre es aber, wie geſagt, gar zu optimiſtiſch, an dem völligen und raſchen Zuſammenbruch des gegenwärtigen Sy- ſtems zu glauben, und es kommt weſentlich dar- auf an, wer zum Nachfolger im Miniſterium des Innern berufen werden wird. Was die Reaction fürchtete, war die große Kräftigung, die der po- litiſche Freiſinn aus der Haltung des Kaiſers zie- hen würde. Man würde Herrn v. 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Zunächſt für das große Comité der Ausſtellung, welches die Com- thur- und Ritterkreuze im unvermeidlichen Or- densgeſtöber erhält. Dann für die Subcomités, deren Mitgliedern man kleinere Decorationen zur Erfriſchung herumreicht. Dann für die Ausſteller, die papierne Divlome, goldene, ſilberne oder bronzene Medaillon bekommen. Ausgezeichnet wird nun einmal Jeder, ſo daß die rückſichts- loſeſten Streber ſich gewöhnlich „hors concurs“ begeben und auf die Ehrenpreiſe verzichten, nur um ſich hervorzuthun! Jawohl, keiner entgeht bei ſolcher Gelegenheit der Auszeichnung. Da iſt es dann gleichgiltig, ob er einen Triumphbogen aufgeführt hat, der ſich bei näherer Betrachtung als eine Anhäufung von Zahnbürſten erweiſt, oder Siegesſäulen von Hunyadp Janos-Bitter- waſſerflaſchen, egyptiſche Pyramiden aus Zwirn- ſpulen und Renaiſſancepaläſte aus Schweizer- Käſe ... Wenn ich von meiner perſönlichen Vorliebe ſprechen darf, ſo ziehe ich die Maſtviehausſtellun- gen allen andern vor. Denn in ſämmtlichen Expoſitionen will doch einer über den Anderen hinaus, und das bringt noch mehr Dünkel, Hoffart und Ueberhebung in dieſe ohnehin ſchon vom Höherhinauswollen verpeſtete Welt. Dagegen hüpft mir mein bürgerliches Herz im Leibe, wenn ich die ariſtocratiſchen Beſtrebungen dahin ge- richtet ſehe, daß Einer ein größerer Ochſe ſein will, als der Andere — wie dies ja auch in den Maſtviehausſtellungen geſchieht ..... Dennoch verkenne ich keineswegs die Bedeutung der übri- gen Unternehmungen gleicher Art, z. B. der Kunſtausſtellungen, in welchen erſtens die Kame- radſchaft prächtige Orgien feiern kann, und zweitens junge Künſtler durch unverdiente Zurück- ſetzung einen mächtigen Sporn zum Weiterſtreben bekommen. Was aber die Weltausſtellungen be- trifft, ſo ſehe ich ihre Nothwendigkeit jetzt mehr als je ein. Jetzt, wo ſich die Staaten durch die ſinnreichſten Schutz- und Differenzialzölle von einander abſperren, iſt es überaus wünſchenswerth, im Auslande diejenigen Waaren zur Schau zu bringen, an deren Verkauf man ſpäterhin ver- hindert ſein wird. Scheint Ihnen das unklar? Ja, es iſt eben Nationalökonomie. Von ihrer erwähnten Nützlichkeit abgeſehen, ſind aber die Ausſtellungen auch etwas Angenehmes, beinahe ein Vergnügen — wenigſtens für ſolche Perſonen, die den Strapazen eines tagelangen Herumwan- delns in menſchenvollen Räumen gewachſen ſind. Hinter den Schaufenſtern glitzern Koſtbarkeiten, die der Erweckung von Neid, Gier und Mißgunſt zu dienen berufen ſind. Und Triumphbogen, Siegesſäulen und Pyramiden, Renaiſſancepaläſte, geformt aus den obengenannten Materialien. — Jawohl eine Weltausſtellung gemahnt an die Nationalſpeiſe der Spanier, an das große Ragout die olla potrida, in der die verſchiedenſten Fleiſch- ſorten und Gemüſe und andere unbekannte Kleinig- keiten, alle möglichen Chorizos und Garbanzos einträchtig durch einander dampfen. So iſt denn gar wohl begreiflich, daß man auch in Barcelona die Chorizos und Garbanzos einer Weltausſtellung ſervirt hat. Eröffnet wurde dieſelbe durch Se. Majeſtät Alfonſo XIII. in Perſon, und dieſer heitere Umſtand bringt das eptlegene Land jedem Humoriſten von Proſeſſion näher. Es war die erſte Weltausſtellung, die der jugendliche Monarch mit ſeiner Gegenwart beehrte. Der nunmehr dreijährige Lebenslauf dieſes groß- mächtigen Herrn iſt ja bekannt. Unmittelbar nach ſeiner Geburt — in einem Augenblicke, wo ihn die vielen neuen Eindrücke verwirrrn mußten, und er die ganze Tragweite einer ſo wichtigen Maßregel nicht überblicken konnte — wurde ihm die Königskrone auf das zartbeflaumte Haupt geſetzt. Man hat ihn nicht befragt, ob er es nicht vorzöge, als ſchlichter Privatſäugling im Auslande zu leben. Vielleicht wäre ihm das lieber geweſen. Denn in dem Lande des Chorizios und

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 136, Olmütz, 14.06.1888, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches136_1888/1>, abgerufen am 19.04.2024.