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Das Heller-Blatt. Nr. 9. Breslau, 1. März 1834.

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Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] einem Krokodil ergriffen und gefressen. Das Fleisch
dieser Raubthiere kommt in Sennar auf den Markt, es
hat eine schmutzig weiße Farbe und schmeckt fast wie
sehr junges Kalbfleisch mit einem leichten Fischgeruch.

Der Mek von Schendy treibt den Getreidehandel
in seinem Staat allein. Seine Kriegsmacht besteht
aus 1000 berittenen Arabern, und er ist im Besitz von
20 Feuergewehren, die er von egyptischen Kaufleuten
entweder erhandelt oder genommen hat, mit diesen be-
waffnet er seine Lieblingssklaven, aber wenige von ih-
nen haben Muth genug, sie abzufeuern, und es giebt
keinen, der es wagte, ein Ziel zu nehmen, indem er
das Gewehr an die Schultern hielte. Gemeiniglich
erschreckt der Anblick davon allein den Feind, und in
sofern entspricht dies ganz ihrem Vorhaben; denn es ist
beständig der Wunsch beider Partheien, die Schlacht
mit so wenig Blutvergießen als möglich zu beendigen,
weil das Gesetz der Wiedervergeltung bei diesen Arabern
in voller Kraft steht. Verschiedene von des Meks Flin-
ten sind verdorben, und es fand sich Niemand, sie zu
reinigen oder auszubessern. Da ich nun eines Tages
beim Putzen meines Gewehrs war gesehn worden, so
schloß man daraus, daß ich in dieser Kunst erfahren
sei, und machte mir ernstliche Vorschläge, in des Meks
Dienste als Büchsenschmidt zu treten. Er bot mir ei-
nen Sklaven und zwei Sklavinnen an, und so viel Dhurra
als ich zu ihrem Unterhalt brauchte. Natürlich schlug
ich dies Anerbieten rund ab. Da er mich nicht zum
Dableiben vermocht hatte, so wünschte der Mek wenig-
stens mein Gewehr zu besitzen. Er schickte darnach und
behielt es einige Tage; und auf mein inständiges Gesuch,
es zurück zu erhalten, schickte er mir vier spanische Tha-
ler, und befahl zugleich seinen Sklaven, mir einige
Schüsseln mit Brot und Fleisch aus seiner Küche zuzu-
stellen. Auf meine Klagen gegen Eingeborne über diese
Behandlung, erwiederten dieselben, daß, da ich von
des Meks Essen genossen, ich sein Freund geworden
sei, und es würde mir zur größten Schande gereichen,
wenn ich irgend Schwierigkeiten machte, von meinem
Gewehr zu scheiden. Jch war sehr ärgerlich darüber,
mußte aber zum bösen Spiel gute Miene machen.

Es wird wunderbar erscheinen, daß Feuergewehre
hier nicht häufiger getroffen werden, da man sie so leicht
einbringen kann. Jndeß liegt die Ursache in der Furcht,
welche die Kaufleute haben, sie zu führen, um nicht die
Habgier des einen oder andern der Häuptlinge zu erre-
gen. Den Landleuten ist eine Flinte der Gegenstand
des größten Schreckens, und wird Dutzende sogleich
forttreiben. Ein Dschalin=Araber, der einige Strauß-
federn in unserm Hause verkaufen wollte, ging sogleich
davon, als er mein Gewehr im Winkel der Stube ste-
hen sah, und wünschte, daß man es sogleich entferne,
weil es ihm nicht gefiel, in der Nähe eines so tödtlichen
Werkzeugs zu verweilen.



[Spaltenumbruch]
Die Wallrosse stellen Schild-
wachen aus
.

Auf dem Eise, heißt es in des Capitain Cook's
dritter Reise um die Welt, lag eine erstaunliche Menge
Wallrosse, und da wir bis hierher diese Thiere für See-
kühe gehalten hatten, die gut zu essen sind, so schickte
ich, da es uns an frischen Lebensmitteln gebrach, die
Boote beider Schiffe aus, um einige davon zu erlegen.
Als unsere Boote des Abends mit 9 Stück vermeinter
Seekühe an Bord unsers Schiffes wieder zurückkamen,
und mancher Matrose, der schon ein Paar Tage lang
jedes Thier dieser Art, das er sah, gleichsam mit den
Augen verzehrt hatte, endlich einen leckern Schmaus zu
genießen glaubte, traten ein Paar von unsern Leuten,
die ehemals diese Thiere in Grönland gesehen hatten,
mit der Nachricht auf. daß es nicht Seekühe, sondern
Wallrosse wären, die man dort niemals esse. Wie sehr
fand sich nicht ein Jeder bei dieser Nachricht in seinen
Erwartungen betrogen! Doch ließen wir uns durch
nichts abhalten, so lange von diesen Meer=Ungeheuern
zu zehren, als ein Stück davon übrig war, und es gab
Wenige an Bord, die nicht diese frische Speise unserm
Pökelfleische vorgezogen hätten. Das Fett ist anfäng-
lich süß wie Mark; in wenigen Tagen aber wird es ran-
zig, wenn man es nicht einsalzt, wo es sich weit länger
hält. Das magere Fleisch ist grob, schwarz, und von
etwas wildem Geschmack; das Herz hingegen schmeckt
beinahe so gut als Ochsenherz. Das ausgeschmolzene
Fett giebt ein reichliches Oel, das sehr gut in Lampen
brennt. Die Zähne oder Hauer waren jetzt ( im August )
bei allen sehr klein, und selbst bei den ältesten und größ-
ten nicht über 6 Zoll lang. Wir schlossen daraus, daß
sie ihre alten Zähne erst kürzlich verloren haben müßten.

Diese Thiere liegen in Heerden von vielen hunder-
ten auf dem Eise, und drängen sich wie Schweine über
einander. Sie brüllen sehr laut, und kündigten uns
bei neblichtem Wetter oder des Nachts, die Nähe des
Eises an, ehe wir es noch sehen konnten. Nie fanden
wir die ganze Heerde schlafend, sondern jederzeit hielten
einige davon Wache. Näherte sich ihnen ein Boot, so
weckten diese die zunächst bei ihnen Schlafenden auf,
und auf diese Art pflanzte sich nach und nach der Lärm
weiter fort, bis in wenigen Augenblicken die ganze
Heerde aufgemacht war. Deshalb aber ergriffen sie
noch nicht die Flucht, sondern warteten, bis man Feuer
auf sie gegeben hatte, alsdann stürzten sie sich in der
äußersten Unordnung über einander ins Meer. Dieje-
nigen, die nicht auf den ersten Schuß todt niederfielen,
gingen mehrentheils für uns verloren, wenn wir sie
nicht tödtlich verwundet hatten. Uebrigens kamen uns
diese Thiere nicht so gefährlich vor, als sie einige Na-
turforscher geschildert haben; ja dies waren sie nicht
einmal, wenn man sie angriff, und die Gefahr war
mehr scheinbar als wirklich. Oft folgten sie unsern
[Ende Spaltensatz]

Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] einem Krokodil ergriffen und gefressen. Das Fleisch
dieser Raubthiere kommt in Sennar auf den Markt, es
hat eine schmutzig weiße Farbe und schmeckt fast wie
sehr junges Kalbfleisch mit einem leichten Fischgeruch.

Der Mek von Schendy treibt den Getreidehandel
in seinem Staat allein. Seine Kriegsmacht besteht
aus 1000 berittenen Arabern, und er ist im Besitz von
20 Feuergewehren, die er von egyptischen Kaufleuten
entweder erhandelt oder genommen hat, mit diesen be-
waffnet er seine Lieblingssklaven, aber wenige von ih-
nen haben Muth genug, sie abzufeuern, und es giebt
keinen, der es wagte, ein Ziel zu nehmen, indem er
das Gewehr an die Schultern hielte. Gemeiniglich
erschreckt der Anblick davon allein den Feind, und in
sofern entspricht dies ganz ihrem Vorhaben; denn es ist
beständig der Wunsch beider Partheien, die Schlacht
mit so wenig Blutvergießen als möglich zu beendigen,
weil das Gesetz der Wiedervergeltung bei diesen Arabern
in voller Kraft steht. Verschiedene von des Meks Flin-
ten sind verdorben, und es fand sich Niemand, sie zu
reinigen oder auszubessern. Da ich nun eines Tages
beim Putzen meines Gewehrs war gesehn worden, so
schloß man daraus, daß ich in dieser Kunst erfahren
sei, und machte mir ernstliche Vorschläge, in des Meks
Dienste als Büchsenschmidt zu treten. Er bot mir ei-
nen Sklaven und zwei Sklavinnen an, und so viel Dhurra
als ich zu ihrem Unterhalt brauchte. Natürlich schlug
ich dies Anerbieten rund ab. Da er mich nicht zum
Dableiben vermocht hatte, so wünschte der Mek wenig-
stens mein Gewehr zu besitzen. Er schickte darnach und
behielt es einige Tage; und auf mein inständiges Gesuch,
es zurück zu erhalten, schickte er mir vier spanische Tha-
ler, und befahl zugleich seinen Sklaven, mir einige
Schüsseln mit Brot und Fleisch aus seiner Küche zuzu-
stellen. Auf meine Klagen gegen Eingeborne über diese
Behandlung, erwiederten dieselben, daß, da ich von
des Meks Essen genossen, ich sein Freund geworden
sei, und es würde mir zur größten Schande gereichen,
wenn ich irgend Schwierigkeiten machte, von meinem
Gewehr zu scheiden. Jch war sehr ärgerlich darüber,
mußte aber zum bösen Spiel gute Miene machen.

Es wird wunderbar erscheinen, daß Feuergewehre
hier nicht häufiger getroffen werden, da man sie so leicht
einbringen kann. Jndeß liegt die Ursache in der Furcht,
welche die Kaufleute haben, sie zu führen, um nicht die
Habgier des einen oder andern der Häuptlinge zu erre-
gen. Den Landleuten ist eine Flinte der Gegenstand
des größten Schreckens, und wird Dutzende sogleich
forttreiben. Ein Dschalin=Araber, der einige Strauß-
federn in unserm Hause verkaufen wollte, ging sogleich
davon, als er mein Gewehr im Winkel der Stube ste-
hen sah, und wünschte, daß man es sogleich entferne,
weil es ihm nicht gefiel, in der Nähe eines so tödtlichen
Werkzeugs zu verweilen.



[Spaltenumbruch]
Die Wallrosse stellen Schild-
wachen aus
.

Auf dem Eise, heißt es in des Capitain Cook's
dritter Reise um die Welt, lag eine erstaunliche Menge
Wallrosse, und da wir bis hierher diese Thiere für See-
kühe gehalten hatten, die gut zu essen sind, so schickte
ich, da es uns an frischen Lebensmitteln gebrach, die
Boote beider Schiffe aus, um einige davon zu erlegen.
Als unsere Boote des Abends mit 9 Stück vermeinter
Seekühe an Bord unsers Schiffes wieder zurückkamen,
und mancher Matrose, der schon ein Paar Tage lang
jedes Thier dieser Art, das er sah, gleichsam mit den
Augen verzehrt hatte, endlich einen leckern Schmaus zu
genießen glaubte, traten ein Paar von unsern Leuten,
die ehemals diese Thiere in Grönland gesehen hatten,
mit der Nachricht auf. daß es nicht Seekühe, sondern
Wallrosse wären, die man dort niemals esse. Wie sehr
fand sich nicht ein Jeder bei dieser Nachricht in seinen
Erwartungen betrogen! Doch ließen wir uns durch
nichts abhalten, so lange von diesen Meer=Ungeheuern
zu zehren, als ein Stück davon übrig war, und es gab
Wenige an Bord, die nicht diese frische Speise unserm
Pökelfleische vorgezogen hätten. Das Fett ist anfäng-
lich süß wie Mark; in wenigen Tagen aber wird es ran-
zig, wenn man es nicht einsalzt, wo es sich weit länger
hält. Das magere Fleisch ist grob, schwarz, und von
etwas wildem Geschmack; das Herz hingegen schmeckt
beinahe so gut als Ochsenherz. Das ausgeschmolzene
Fett giebt ein reichliches Oel, das sehr gut in Lampen
brennt. Die Zähne oder Hauer waren jetzt ( im August )
bei allen sehr klein, und selbst bei den ältesten und größ-
ten nicht über 6 Zoll lang. Wir schlossen daraus, daß
sie ihre alten Zähne erst kürzlich verloren haben müßten.

Diese Thiere liegen in Heerden von vielen hunder-
ten auf dem Eise, und drängen sich wie Schweine über
einander. Sie brüllen sehr laut, und kündigten uns
bei neblichtem Wetter oder des Nachts, die Nähe des
Eises an, ehe wir es noch sehen konnten. Nie fanden
wir die ganze Heerde schlafend, sondern jederzeit hielten
einige davon Wache. Näherte sich ihnen ein Boot, so
weckten diese die zunächst bei ihnen Schlafenden auf,
und auf diese Art pflanzte sich nach und nach der Lärm
weiter fort, bis in wenigen Augenblicken die ganze
Heerde aufgemacht war. Deshalb aber ergriffen sie
noch nicht die Flucht, sondern warteten, bis man Feuer
auf sie gegeben hatte, alsdann stürzten sie sich in der
äußersten Unordnung über einander ins Meer. Dieje-
nigen, die nicht auf den ersten Schuß todt niederfielen,
gingen mehrentheils für uns verloren, wenn wir sie
nicht tödtlich verwundet hatten. Uebrigens kamen uns
diese Thiere nicht so gefährlich vor, als sie einige Na-
turforscher geschildert haben; ja dies waren sie nicht
einmal, wenn man sie angriff, und die Gefahr war
mehr scheinbar als wirklich. Oft folgten sie unsern
[Ende Spaltensatz]

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Auf meine Klagen gegen Eingeborne über diese Behandlung, erwiederten dieselben, daß, da ich von des Meks Essen genossen, ich sein Freund geworden sei, und es würde mir zur größten Schande gereichen, wenn ich irgend Schwierigkeiten machte, von meinem Gewehr zu scheiden. Jch war sehr ärgerlich darüber, mußte aber zum bösen Spiel gute Miene machen. Es wird wunderbar erscheinen, daß Feuergewehre hier nicht häufiger getroffen werden, da man sie so leicht einbringen kann. Jndeß liegt die Ursache in der Furcht, welche die Kaufleute haben, sie zu führen, um nicht die Habgier des einen oder andern der Häuptlinge zu erre- gen. Den Landleuten ist eine Flinte der Gegenstand des größten Schreckens, und wird Dutzende sogleich forttreiben. 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Als unsere Boote des Abends mit 9 Stück vermeinter Seekühe an Bord unsers Schiffes wieder zurückkamen, und mancher Matrose, der schon ein Paar Tage lang jedes Thier dieser Art, das er sah, gleichsam mit den Augen verzehrt hatte, endlich einen leckern Schmaus zu genießen glaubte, traten ein Paar von unsern Leuten, die ehemals diese Thiere in Grönland gesehen hatten, mit der Nachricht auf. daß es nicht Seekühe, sondern Wallrosse wären, die man dort niemals esse. Wie sehr fand sich nicht ein Jeder bei dieser Nachricht in seinen Erwartungen betrogen! Doch ließen wir uns durch nichts abhalten, so lange von diesen Meer=Ungeheuern zu zehren, als ein Stück davon übrig war, und es gab Wenige an Bord, die nicht diese frische Speise unserm Pökelfleische vorgezogen hätten. Das Fett ist anfäng- lich süß wie Mark; in wenigen Tagen aber wird es ran- zig, wenn man es nicht einsalzt, wo es sich weit länger hält. Das magere Fleisch ist grob, schwarz, und von etwas wildem Geschmack; das Herz hingegen schmeckt beinahe so gut als Ochsenherz. Das ausgeschmolzene Fett giebt ein reichliches Oel, das sehr gut in Lampen brennt. Die Zähne oder Hauer waren jetzt ( im August ) bei allen sehr klein, und selbst bei den ältesten und größ- ten nicht über 6 Zoll lang. Wir schlossen daraus, daß sie ihre alten Zähne erst kürzlich verloren haben müßten. Diese Thiere liegen in Heerden von vielen hunder- ten auf dem Eise, und drängen sich wie Schweine über einander. Sie brüllen sehr laut, und kündigten uns bei neblichtem Wetter oder des Nachts, die Nähe des Eises an, ehe wir es noch sehen konnten. Nie fanden wir die ganze Heerde schlafend, sondern jederzeit hielten einige davon Wache. Näherte sich ihnen ein Boot, so weckten diese die zunächst bei ihnen Schlafenden auf, und auf diese Art pflanzte sich nach und nach der Lärm weiter fort, bis in wenigen Augenblicken die ganze Heerde aufgemacht war. Deshalb aber ergriffen sie noch nicht die Flucht, sondern warteten, bis man Feuer auf sie gegeben hatte, alsdann stürzten sie sich in der äußersten Unordnung über einander ins Meer. Dieje- nigen, die nicht auf den ersten Schuß todt niederfielen, gingen mehrentheils für uns verloren, wenn wir sie nicht tödtlich verwundet hatten. Uebrigens kamen uns diese Thiere nicht so gefährlich vor, als sie einige Na- turforscher geschildert haben; ja dies waren sie nicht einmal, wenn man sie angriff, und die Gefahr war mehr scheinbar als wirklich. Oft folgten sie unsern

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Zitationshilfe: Das Heller-Blatt. Nr. 9. Breslau, 1. März 1834, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller09_1834/3>, abgerufen am 27.11.2024.