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Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 8. Berlin-Charlottenburg, 9. März 1905.

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Dr. Heinrich Pudor: Moderner Landwirtschaftsbetrieb.
importierte im Januar 1902 für 25_907_520 Mk. Speck. Dänemark liefert
der Quantität und der Qualität nach das meiste, denn der Däne verstand es
vortrefflich, durch Kreuzung des heimischen Landschweines mit dem Yorkshire-
Schwein, eine Schweinerasse zu züchten, welche dem Engländer just den Speck
liefert, den er vor seinem Gang in die City zum Frühstück braucht. Bewunderns-
wert ist dabei die Schnelligkeit, mit der der Däne seinen Landwirtschaftsbetrieb
entsprechend den Anforderungen des englischen Marktes umgestaltet hat, denn
noch Mitte der 80 er Jahre war diese dänische Landwirtschaft auf den Export
lebenden Viehes angewiesen. Was es heißen will, in einem Monat 4_551_690 kg
Speck zu exportieren -- dies der Export des Monats Februar 1902 -- davon
kann man sich ohne weiteres keinen Begriff machen. Nur dadurch, daß die
Landwirtschaft den industriellen Betrieb annahm, daß Produktion und Absatz
genossenschaftlich organisiert und der Betrieb kaufmännisch geregelt wurde, wurde
es möglich.

Auch der Honig fängt an, eine Rolle auf dem Wirtschaftsmarkt zu spielen.
Rumänien produzierte im Jahre 1901 385_389 kg Honig und 44_867 kg Wachs.
Jn Westeuropa macht Jrland bedeutende Anstrengungen, wo eine lebhafte
genossenschaftliche Tätigkeit auch auf diesem Gebiete eingesetzt hat. Jn Süd-
australien ist die Honigproduktion von 238_000 kg im Jahre 1899/1900 auf
736_000 kg im Jahre 1900/1901 gestiegen.

Gehen wir aber nunmehr zu dem wohl am aussichtsreichsten Gebiete der
Gemüse= und Obstkultur über. Die deutschen Agrarier wollen zwar noch immer
nicht daran glauben, daß es sich für Deutschland lohne, Gemüsebau im Großen
zu betreiben. Amerika und Frankreich aber haben es längst eingesehen. "Ja,
wenn wir das französische Klima hätten", pflegen wohl die Deutschen zu sagen.
Aber Radieschen beispielsweise lassen sich sehr gut in Deutschland bauen. Nun
mögen sich die deutschen Agrarier die Ziffern ansehen betreffend den Radieschen-
Export Frankreichs nach England. Ahnlich verhält es sich mit der Äpfelzucht.
Canada hat ein weit strengeres Klima als Deutschland, aber Canadas Äpfel-
produktion und Export nimmt einen steigenden Umfang an, der zur Annahme
eines Dominialgesetzes behufs Vermeidung von Unreellitäten geführt hat.

Die Sache liegt nicht so, daß das deutsche Klima nicht Äpfel wachsen
ließe, sondern so, daß der deutsche Bauer sich für zu agrarisch hält, um sich
mit Gemüsebau und Obstbau abzugeben. Der Deutsche legt weder auf Gleich-
artigkeit in Rücksicht auf die Qualität, noch auf gute Verpackung Wert. Er
macht es wie der Vogel Strauß, er will die Wahrheit nicht hören, er schimpft
auf das schlechte Klima -- ohne die angestammte Trägheit in der Annahme
neuer Produktionsmethoden einzusehen. Daß die Gemüse= und Fruchtkonserve
eine noch größere Bedeutung erlangen wird, als die Fleischkonserve schon hat
und gehabt hat, wird er erst begreifen, wenn Frankreich den Gärtnereiprodukten-
markt der Welt in ähnlicher Weise beherrschen wird, wie es heute seitens
Dänemark bezüglich des Buttermarktes der Fall ist.

Wir wollen uns der Einsicht nicht verschließen, daß sich die Landwirtschaft
entsprechend den Fortschritten der Technik und Wissenschaft ( besonders der
Chemie ) , mehr und mehr industrialisiert, in dem Sinne, daß der Landwirtschafts-
betrieb ein durchaus nach wissenschaftlichen und kapitalistischen Grundsätzen ins
Werk gesetzter und kaufmännisch geleiteter Betrieb wird. An Stelle der Roh-
produkte liefernden Rittergutswirtschaft tritt die mit Jndustriekräften arbeitende

Dr. Heinrich Pudor: Moderner Landwirtschaftsbetrieb.
importierte im Januar 1902 für 25_907_520 Mk. Speck. Dänemark liefert
der Quantität und der Qualität nach das meiste, denn der Däne verstand es
vortrefflich, durch Kreuzung des heimischen Landschweines mit dem Yorkshire-
Schwein, eine Schweinerasse zu züchten, welche dem Engländer just den Speck
liefert, den er vor seinem Gang in die City zum Frühstück braucht. Bewunderns-
wert ist dabei die Schnelligkeit, mit der der Däne seinen Landwirtschaftsbetrieb
entsprechend den Anforderungen des englischen Marktes umgestaltet hat, denn
noch Mitte der 80 er Jahre war diese dänische Landwirtschaft auf den Export
lebenden Viehes angewiesen. Was es heißen will, in einem Monat 4_551_690 kg
Speck zu exportieren — dies der Export des Monats Februar 1902 — davon
kann man sich ohne weiteres keinen Begriff machen. Nur dadurch, daß die
Landwirtschaft den industriellen Betrieb annahm, daß Produktion und Absatz
genossenschaftlich organisiert und der Betrieb kaufmännisch geregelt wurde, wurde
es möglich.

Auch der Honig fängt an, eine Rolle auf dem Wirtschaftsmarkt zu spielen.
Rumänien produzierte im Jahre 1901 385_389 kg Honig und 44_867 kg Wachs.
Jn Westeuropa macht Jrland bedeutende Anstrengungen, wo eine lebhafte
genossenschaftliche Tätigkeit auch auf diesem Gebiete eingesetzt hat. Jn Süd-
australien ist die Honigproduktion von 238_000 kg im Jahre 1899/1900 auf
736_000 kg im Jahre 1900/1901 gestiegen.

Gehen wir aber nunmehr zu dem wohl am aussichtsreichsten Gebiete der
Gemüse= und Obstkultur über. Die deutschen Agrarier wollen zwar noch immer
nicht daran glauben, daß es sich für Deutschland lohne, Gemüsebau im Großen
zu betreiben. Amerika und Frankreich aber haben es längst eingesehen. „Ja,
wenn wir das französische Klima hätten“, pflegen wohl die Deutschen zu sagen.
Aber Radieschen beispielsweise lassen sich sehr gut in Deutschland bauen. Nun
mögen sich die deutschen Agrarier die Ziffern ansehen betreffend den Radieschen-
Export Frankreichs nach England. Ahnlich verhält es sich mit der Äpfelzucht.
Canada hat ein weit strengeres Klima als Deutschland, aber Canadas Äpfel-
produktion und Export nimmt einen steigenden Umfang an, der zur Annahme
eines Dominialgesetzes behufs Vermeidung von Unreellitäten geführt hat.

Die Sache liegt nicht so, daß das deutsche Klima nicht Äpfel wachsen
ließe, sondern so, daß der deutsche Bauer sich für zu agrarisch hält, um sich
mit Gemüsebau und Obstbau abzugeben. Der Deutsche legt weder auf Gleich-
artigkeit in Rücksicht auf die Qualität, noch auf gute Verpackung Wert. Er
macht es wie der Vogel Strauß, er will die Wahrheit nicht hören, er schimpft
auf das schlechte Klima — ohne die angestammte Trägheit in der Annahme
neuer Produktionsmethoden einzusehen. Daß die Gemüse= und Fruchtkonserve
eine noch größere Bedeutung erlangen wird, als die Fleischkonserve schon hat
und gehabt hat, wird er erst begreifen, wenn Frankreich den Gärtnereiprodukten-
markt der Welt in ähnlicher Weise beherrschen wird, wie es heute seitens
Dänemark bezüglich des Buttermarktes der Fall ist.

Wir wollen uns der Einsicht nicht verschließen, daß sich die Landwirtschaft
entsprechend den Fortschritten der Technik und Wissenschaft ( besonders der
Chemie ) , mehr und mehr industrialisiert, in dem Sinne, daß der Landwirtschafts-
betrieb ein durchaus nach wissenschaftlichen und kapitalistischen Grundsätzen ins
Werk gesetzter und kaufmännisch geleiteter Betrieb wird. An Stelle der Roh-
produkte liefernden Rittergutswirtschaft tritt die mit Jndustriekräften arbeitende

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[370/0034] Dr. Heinrich Pudor: Moderner Landwirtschaftsbetrieb. importierte im Januar 1902 für 25_907_520 Mk. Speck. Dänemark liefert der Quantität und der Qualität nach das meiste, denn der Däne verstand es vortrefflich, durch Kreuzung des heimischen Landschweines mit dem Yorkshire- Schwein, eine Schweinerasse zu züchten, welche dem Engländer just den Speck liefert, den er vor seinem Gang in die City zum Frühstück braucht. Bewunderns- wert ist dabei die Schnelligkeit, mit der der Däne seinen Landwirtschaftsbetrieb entsprechend den Anforderungen des englischen Marktes umgestaltet hat, denn noch Mitte der 80 er Jahre war diese dänische Landwirtschaft auf den Export lebenden Viehes angewiesen. Was es heißen will, in einem Monat 4_551_690 kg Speck zu exportieren — dies der Export des Monats Februar 1902 — davon kann man sich ohne weiteres keinen Begriff machen. Nur dadurch, daß die Landwirtschaft den industriellen Betrieb annahm, daß Produktion und Absatz genossenschaftlich organisiert und der Betrieb kaufmännisch geregelt wurde, wurde es möglich. Auch der Honig fängt an, eine Rolle auf dem Wirtschaftsmarkt zu spielen. Rumänien produzierte im Jahre 1901 385_389 kg Honig und 44_867 kg Wachs. Jn Westeuropa macht Jrland bedeutende Anstrengungen, wo eine lebhafte genossenschaftliche Tätigkeit auch auf diesem Gebiete eingesetzt hat. Jn Süd- australien ist die Honigproduktion von 238_000 kg im Jahre 1899/1900 auf 736_000 kg im Jahre 1900/1901 gestiegen. Gehen wir aber nunmehr zu dem wohl am aussichtsreichsten Gebiete der Gemüse= und Obstkultur über. Die deutschen Agrarier wollen zwar noch immer nicht daran glauben, daß es sich für Deutschland lohne, Gemüsebau im Großen zu betreiben. Amerika und Frankreich aber haben es längst eingesehen. „Ja, wenn wir das französische Klima hätten“, pflegen wohl die Deutschen zu sagen. Aber Radieschen beispielsweise lassen sich sehr gut in Deutschland bauen. Nun mögen sich die deutschen Agrarier die Ziffern ansehen betreffend den Radieschen- Export Frankreichs nach England. Ahnlich verhält es sich mit der Äpfelzucht. Canada hat ein weit strengeres Klima als Deutschland, aber Canadas Äpfel- produktion und Export nimmt einen steigenden Umfang an, der zur Annahme eines Dominialgesetzes behufs Vermeidung von Unreellitäten geführt hat. Die Sache liegt nicht so, daß das deutsche Klima nicht Äpfel wachsen ließe, sondern so, daß der deutsche Bauer sich für zu agrarisch hält, um sich mit Gemüsebau und Obstbau abzugeben. Der Deutsche legt weder auf Gleich- artigkeit in Rücksicht auf die Qualität, noch auf gute Verpackung Wert. Er macht es wie der Vogel Strauß, er will die Wahrheit nicht hören, er schimpft auf das schlechte Klima — ohne die angestammte Trägheit in der Annahme neuer Produktionsmethoden einzusehen. Daß die Gemüse= und Fruchtkonserve eine noch größere Bedeutung erlangen wird, als die Fleischkonserve schon hat und gehabt hat, wird er erst begreifen, wenn Frankreich den Gärtnereiprodukten- markt der Welt in ähnlicher Weise beherrschen wird, wie es heute seitens Dänemark bezüglich des Buttermarktes der Fall ist. Wir wollen uns der Einsicht nicht verschließen, daß sich die Landwirtschaft entsprechend den Fortschritten der Technik und Wissenschaft ( besonders der Chemie ) , mehr und mehr industrialisiert, in dem Sinne, daß der Landwirtschafts- betrieb ein durchaus nach wissenschaftlichen und kapitalistischen Grundsätzen ins Werk gesetzter und kaufmännisch geleiteter Betrieb wird. An Stelle der Roh- produkte liefernden Rittergutswirtschaft tritt die mit Jndustriekräften arbeitende

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Zitationshilfe: Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 8. Berlin-Charlottenburg, 9. März 1905, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0108_1905/34>, abgerufen am 24.11.2024.