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Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 6. Berlin-Charlottenburg, 23. Februar 1905.

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Dr. Bruno Borchardt: Zur Beurteilung der jüngsten Schulkonflikte.
werden sollen. Diese soll aus ein bis drei Mitgliedern des Magistrats, eben-
sovielen Deputierten der Stadtverordnetenversammlung und einer gleichen
Anzahl des Schul= und Erziehungswesens kundiger Männer bestehen. Außer-
dem sollen in größeren Städten die Superintendenten berechtigt sein, die
Schulangelegenheiten ihrer Diözesen vorzutragen und darüber ihre Stimme
abzugeben. Für die sämtlichen Mitglieder der Schuldeputation nimmt die
Regierung das Bestätigungsrecht in Anspruch. Der Wirkungskreis und die
Befugnisse der Schuldeputation werden in ziemlich weitgehender Weise fest-
gesetzt.

Das in dieser Ministerial=Jnstruktion in Anspruch genommene Bestäti-
gungsrecht der Regierung für die Mitglieder der Schuldeputation widersprach
der Städteordnung von 1808, welche für die Mitglieder der Deputationen nur
ein Bestätigungsrecht des Magistrats, nicht der Regierung kennt. Selbstver-
ständlich kann eine zur Ausführung eines Gesetzes erlassene Ministerialverord-
nung bestimmte Vorschriften eben dieses Gesetzes nicht außer Kraft setzen und
entgegen diesen Vorschriften andere gesetzliche Normen schaffen. Daher wurde
das Bestätigungsrecht der Regierung von Anfang an und, von Berlin we-
nigstens, mit Erfolg bestritten. Zwar hielt die Regierung an der durch § 179 b
der Städteordnung in keiner Weise gestützten Auffassung fest, daß die Ver-
waltung der inneren Angelegenheiten des Schulwesens keine kommunale, son-
dern eine staatliche Aufgabe sei, und nahm deswegen das Bestätigungsrecht für
die Mitglieder der Schuldeputation auch ohne besonderes Gesetz in Anspruch;
aber für Berlin wurde am 20. Juni 1829 eine besondere Verordnung erlassen,
in der an die Stelle der bisherigen Schulkommissionen gesetzt wird: "der Ma-
gistrat und eine nach den Grundsätzen der Städteordnung von 1808 gebildete
rein städtische Schuldeputation ".

Die Städteordnung von 1808 wurde später durch die neue für die sechs
östlichen Provinzen der Monarchie vom 30. Juni 1853 ersetzt. Sie beseitigt
das Bestätigungsrecht des Magistrats gegenüber den Mitgliedern der städti-
schen Deputationen, also auch der Schuldeputation. Jm übrigen ist die Schul-
verwaltung in dieser Städteordnung, die noch gegenwärtig die gesetzliche Grund-
lage der kommunalen Selbstverwaltung bildet, nicht erwähnt; dagegen heißt
es in der zur Ausführung der Städteordnung erlassenen Ministerial=Jnstruktion
vom 20. Juni 1853:

"Für die Kirchen= und Schuldeputationen, welche sich ihrem Ressortver-
hältnisse gemäß nicht bloß auf dem Gebiete der eigentlichen Gemeindeverwaltung
bewegen, bilden die neben den älteren Städteordnungen ergangenen beson-
deren Bestimmungen fernerhin die leitenden Normen."

Auch hier kehrt also die Behauptung wieder, daß die Schulverwaltung
eigentlich nicht eine Gemeindeangelegenheit sei, eine Be-
hauptung, die seitdem von Ministern noch häufig wiederholt wird, deshalb aber
aller Vernunft und den wirklichen Verhältnissen nicht weniger ins Gesicht
schlägt. Selbstverständlich kann auch die Behauptung der Regierung, wenn
sie auch noch so oft wiederholt wird, entgegen den gesetzlichen Bestimmungen
kein Recht schaffen; höchstens kann bei der Machtfülle, mit welcher die Träger
der Regierung, die Minister, bekleidet sind, durch ihre irrige Auffassung das
Recht gebeugt, vergewaltigt werden, freilich nicht in einem Rechtsstaat, in
welchem in letzter Jnstanz gerichtliche Behörden zu entscheiden haben, was
Rechtens ist, wohl aber im absoluten Polizeistaat, der das moderne Preußen
gerade auf dem Gebiete des Schulwesens immer noch ist.

Schließlich ist noch ein Gesetz zu erwähnen, auf das sich bei der Behand-
lung des jüngsten Berliner Schulkonflikts im Abgeordnetenhause der Kultus-

Dr. Bruno Borchardt: Zur Beurteilung der jüngsten Schulkonflikte.
werden sollen. Diese soll aus ein bis drei Mitgliedern des Magistrats, eben-
sovielen Deputierten der Stadtverordnetenversammlung und einer gleichen
Anzahl des Schul= und Erziehungswesens kundiger Männer bestehen. Außer-
dem sollen in größeren Städten die Superintendenten berechtigt sein, die
Schulangelegenheiten ihrer Diözesen vorzutragen und darüber ihre Stimme
abzugeben. Für die sämtlichen Mitglieder der Schuldeputation nimmt die
Regierung das Bestätigungsrecht in Anspruch. Der Wirkungskreis und die
Befugnisse der Schuldeputation werden in ziemlich weitgehender Weise fest-
gesetzt.

Das in dieser Ministerial=Jnstruktion in Anspruch genommene Bestäti-
gungsrecht der Regierung für die Mitglieder der Schuldeputation widersprach
der Städteordnung von 1808, welche für die Mitglieder der Deputationen nur
ein Bestätigungsrecht des Magistrats, nicht der Regierung kennt. Selbstver-
ständlich kann eine zur Ausführung eines Gesetzes erlassene Ministerialverord-
nung bestimmte Vorschriften eben dieses Gesetzes nicht außer Kraft setzen und
entgegen diesen Vorschriften andere gesetzliche Normen schaffen. Daher wurde
das Bestätigungsrecht der Regierung von Anfang an und, von Berlin we-
nigstens, mit Erfolg bestritten. Zwar hielt die Regierung an der durch § 179 b
der Städteordnung in keiner Weise gestützten Auffassung fest, daß die Ver-
waltung der inneren Angelegenheiten des Schulwesens keine kommunale, son-
dern eine staatliche Aufgabe sei, und nahm deswegen das Bestätigungsrecht für
die Mitglieder der Schuldeputation auch ohne besonderes Gesetz in Anspruch;
aber für Berlin wurde am 20. Juni 1829 eine besondere Verordnung erlassen,
in der an die Stelle der bisherigen Schulkommissionen gesetzt wird: „der Ma-
gistrat und eine nach den Grundsätzen der Städteordnung von 1808 gebildete
rein städtische Schuldeputation “.

Die Städteordnung von 1808 wurde später durch die neue für die sechs
östlichen Provinzen der Monarchie vom 30. Juni 1853 ersetzt. Sie beseitigt
das Bestätigungsrecht des Magistrats gegenüber den Mitgliedern der städti-
schen Deputationen, also auch der Schuldeputation. Jm übrigen ist die Schul-
verwaltung in dieser Städteordnung, die noch gegenwärtig die gesetzliche Grund-
lage der kommunalen Selbstverwaltung bildet, nicht erwähnt; dagegen heißt
es in der zur Ausführung der Städteordnung erlassenen Ministerial=Jnstruktion
vom 20. Juni 1853:

„Für die Kirchen= und Schuldeputationen, welche sich ihrem Ressortver-
hältnisse gemäß nicht bloß auf dem Gebiete der eigentlichen Gemeindeverwaltung
bewegen, bilden die neben den älteren Städteordnungen ergangenen beson-
deren Bestimmungen fernerhin die leitenden Normen.“

Auch hier kehrt also die Behauptung wieder, daß die Schulverwaltung
eigentlich nicht eine Gemeindeangelegenheit sei, eine Be-
hauptung, die seitdem von Ministern noch häufig wiederholt wird, deshalb aber
aller Vernunft und den wirklichen Verhältnissen nicht weniger ins Gesicht
schlägt. Selbstverständlich kann auch die Behauptung der Regierung, wenn
sie auch noch so oft wiederholt wird, entgegen den gesetzlichen Bestimmungen
kein Recht schaffen; höchstens kann bei der Machtfülle, mit welcher die Träger
der Regierung, die Minister, bekleidet sind, durch ihre irrige Auffassung das
Recht gebeugt, vergewaltigt werden, freilich nicht in einem Rechtsstaat, in
welchem in letzter Jnstanz gerichtliche Behörden zu entscheiden haben, was
Rechtens ist, wohl aber im absoluten Polizeistaat, der das moderne Preußen
gerade auf dem Gebiete des Schulwesens immer noch ist.

Schließlich ist noch ein Gesetz zu erwähnen, auf das sich bei der Behand-
lung des jüngsten Berliner Schulkonflikts im Abgeordnetenhause der Kultus-

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[266/0026] Dr. Bruno Borchardt: Zur Beurteilung der jüngsten Schulkonflikte. werden sollen. Diese soll aus ein bis drei Mitgliedern des Magistrats, eben- sovielen Deputierten der Stadtverordnetenversammlung und einer gleichen Anzahl des Schul= und Erziehungswesens kundiger Männer bestehen. Außer- dem sollen in größeren Städten die Superintendenten berechtigt sein, die Schulangelegenheiten ihrer Diözesen vorzutragen und darüber ihre Stimme abzugeben. Für die sämtlichen Mitglieder der Schuldeputation nimmt die Regierung das Bestätigungsrecht in Anspruch. Der Wirkungskreis und die Befugnisse der Schuldeputation werden in ziemlich weitgehender Weise fest- gesetzt. Das in dieser Ministerial=Jnstruktion in Anspruch genommene Bestäti- gungsrecht der Regierung für die Mitglieder der Schuldeputation widersprach der Städteordnung von 1808, welche für die Mitglieder der Deputationen nur ein Bestätigungsrecht des Magistrats, nicht der Regierung kennt. Selbstver- ständlich kann eine zur Ausführung eines Gesetzes erlassene Ministerialverord- nung bestimmte Vorschriften eben dieses Gesetzes nicht außer Kraft setzen und entgegen diesen Vorschriften andere gesetzliche Normen schaffen. Daher wurde das Bestätigungsrecht der Regierung von Anfang an und, von Berlin we- nigstens, mit Erfolg bestritten. Zwar hielt die Regierung an der durch § 179 b der Städteordnung in keiner Weise gestützten Auffassung fest, daß die Ver- waltung der inneren Angelegenheiten des Schulwesens keine kommunale, son- dern eine staatliche Aufgabe sei, und nahm deswegen das Bestätigungsrecht für die Mitglieder der Schuldeputation auch ohne besonderes Gesetz in Anspruch; aber für Berlin wurde am 20. Juni 1829 eine besondere Verordnung erlassen, in der an die Stelle der bisherigen Schulkommissionen gesetzt wird: „der Ma- gistrat und eine nach den Grundsätzen der Städteordnung von 1808 gebildete rein städtische Schuldeputation “. Die Städteordnung von 1808 wurde später durch die neue für die sechs östlichen Provinzen der Monarchie vom 30. Juni 1853 ersetzt. Sie beseitigt das Bestätigungsrecht des Magistrats gegenüber den Mitgliedern der städti- schen Deputationen, also auch der Schuldeputation. Jm übrigen ist die Schul- verwaltung in dieser Städteordnung, die noch gegenwärtig die gesetzliche Grund- lage der kommunalen Selbstverwaltung bildet, nicht erwähnt; dagegen heißt es in der zur Ausführung der Städteordnung erlassenen Ministerial=Jnstruktion vom 20. Juni 1853: „Für die Kirchen= und Schuldeputationen, welche sich ihrem Ressortver- hältnisse gemäß nicht bloß auf dem Gebiete der eigentlichen Gemeindeverwaltung bewegen, bilden die neben den älteren Städteordnungen ergangenen beson- deren Bestimmungen fernerhin die leitenden Normen.“ Auch hier kehrt also die Behauptung wieder, daß die Schulverwaltung eigentlich nicht eine Gemeindeangelegenheit sei, eine Be- hauptung, die seitdem von Ministern noch häufig wiederholt wird, deshalb aber aller Vernunft und den wirklichen Verhältnissen nicht weniger ins Gesicht schlägt. Selbstverständlich kann auch die Behauptung der Regierung, wenn sie auch noch so oft wiederholt wird, entgegen den gesetzlichen Bestimmungen kein Recht schaffen; höchstens kann bei der Machtfülle, mit welcher die Träger der Regierung, die Minister, bekleidet sind, durch ihre irrige Auffassung das Recht gebeugt, vergewaltigt werden, freilich nicht in einem Rechtsstaat, in welchem in letzter Jnstanz gerichtliche Behörden zu entscheiden haben, was Rechtens ist, wohl aber im absoluten Polizeistaat, der das moderne Preußen gerade auf dem Gebiete des Schulwesens immer noch ist. Schließlich ist noch ein Gesetz zu erwähnen, auf das sich bei der Behand- lung des jüngsten Berliner Schulkonflikts im Abgeordnetenhause der Kultus-

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Zitationshilfe: Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 6. Berlin-Charlottenburg, 23. Februar 1905, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0106_1905/26>, abgerufen am 24.11.2024.