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[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.

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mer an Fenster liegen, damit sie täglich eine Veränderung haben, und alle
Jahr
einmahl herumkommen mögen.
Mercanto.
Jch weiß es nicht warum es geschehn, doch ist nicht zu glauben, daß
der Rahmen, welchen dergleichen müßige Leute wegzubeissen pflegen,
in diesem Jahr wieder gewachsen seyn werde. Die Börse, das Ad-
miralitäts- und Ost-Jndianische-Haus,
der Printzen-Hof, und
das Arsenal verdienen gleichfals einer genauen Betrachtung, und werdet
ihr, Mylord, morgen den gantzen Tag damit zuzubringen haben. Von
der Grösse dieser Stadt nur noch dieses zu gedencken, so kan man davon
leicht urtheilen, wenn man weiß, daß 300. Nachtwächter allhier unterhal-
ten werden.
Bingley.
Diese Nachricht wird mir morgen um desto mehr zu statten kommen,
wenn ich das, wovon ihr mir Eröfnung gethan, selbst zu betrachten Gelegen-
heit haben werde. Sie verfielen hierauf auf andre Discourse, und Mylord
Childron,
welcher bißher ohne ein Wort darein zu reden, stille gesessen hat-
te, wurde gleichfals munter. Er gab Mercanto von vielen Englischen Din-
gen auf sein Befragen Nachricht, und dieses dauerte, biß die hereinbrechende
Mitternacht sie zu der benöthigten Ruh ermahnte. Früh Morgens mach-
ten sie sich mit ihrem freygebigen Wirth auf, und nahmen durch seine An-
führung alles in Augenschein, wovon er ihnen schon gesagt hatte. Sie fun-
den alles so, und noch kostbarer und gestunden ihm, daß sie dergleichen
Pracht hier anzutreffen fast nicht vermuthen sollen. Mylord Bingley be-
trachtete zugleich die vielen Canäle in dem sumpfigten Boden, und er-
kundigte sich bey seinem Führer:
Bingley.
Wie es doch möglich sey, daß auf einer so luckern Erde so grosse Pal-
läste, ohne Gesahr zu sincken, stehn könten?
Mercanto.
Von dieser an sich rechtmäßigen Furcht befreyen uns die unzehligen
Pfähle, welche in den Grund eingerammelt sind, und trifft es dahero rich-
tig ein, wenn man sagt, daß die Unkosten zu Befestigung des Grundes ge-
meiniglich die zu dem Ober-Gebäude überstiegen. Da nun also unsere gan-
tze Stadt auf purem Holtze ruht, so könnet ihr, Mylord, leicht ermessen,
in was vor Schrecken wir gesetzet wurden, da vor einem Jahr und drüber
sich die schädlichen Würmer Millionen-Weise meldeten, und an den Däm-
men
und Pfählen unbeschreiblichen Schaden verursachten.
Bin-
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mer an Fenſter liegen, damit ſie taͤglich eine Veraͤnderung haben, und alle
Jahr
einmahl herumkommen moͤgen.
Mercanto.
Jch weiß es nicht warum es geſchehn, doch iſt nicht zu glauben, daß
der Rahmen, welchen dergleichen muͤßige Leute wegzubeiſſen pflegen,
in dieſem Jahr wieder gewachſen ſeyn werde. Die Boͤrſe, das Ad-
miralitaͤts- und Oſt-Jndianiſche-Haus,
der Printzen-Hof, und
das Arſenal verdienen gleichfals einer genauen Betrachtung, und werdet
ihr, Mylord, morgen den gantzen Tag damit zuzubringen haben. Von
der Groͤſſe dieſer Stadt nur noch dieſes zu gedencken, ſo kan man davon
leicht urtheilen, wenn man weiß, daß 300. Nachtwaͤchter allhier unterhal-
ten werden.
Bingley.
Dieſe Nachricht wird mir morgen um deſto mehr zu ſtatten kommen,
wenn ich das, wovon ihr mir Eroͤfnung gethan, ſelbſt zu betrachten Gelegen-
heit haben werde. Sie verfielen hierauf auf andre Diſcourſe, und Mylord
Childron,
welcher bißher ohne ein Wort darein zu reden, ſtille geſeſſen hat-
te, wurde gleichfals munter. Er gab Mercanto von vielen Engliſchen Din-
gen auf ſein Befragen Nachricht, und dieſes dauerte, biß die hereinbrechende
Mitternacht ſie zu der benoͤthigten Ruh ermahnte. Fruͤh Morgens mach-
ten ſie ſich mit ihrem freygebigen Wirth auf, und nahmen durch ſeine An-
fuͤhrung alles in Augenſchein, wovon er ihnen ſchon geſagt hatte. Sie fun-
den alles ſo, und noch koſtbarer und geſtunden ihm, daß ſie dergleichen
Pracht hier anzutreffen faſt nicht vermuthen ſollen. Mylord Bingley be-
trachtete zugleich die vielen Canaͤle in dem ſumpfigten Boden, und er-
kundigte ſich bey ſeinem Fuͤhrer:
Bingley.
Wie es doch moͤglich ſey, daß auf einer ſo luckern Erde ſo groſſe Pal-
laͤſte, ohne Geſahr zu ſincken, ſtehn koͤnten?
Mercanto.
Von dieſer an ſich rechtmaͤßigen Furcht befreyen uns die unzehligen
Pfaͤhle, welche in den Grund eingerammelt ſind, und trifft es dahero rich-
tig ein, wenn man ſagt, daß die Unkoſten zu Befeſtigung des Grundes ge-
meiniglich die zu dem Ober-Gebaͤude uͤberſtiegen. Da nun alſo unſere gan-
tze Stadt auf purem Holtze ruht, ſo koͤnnet ihr, Mylord, leicht ermeſſen,
in was vor Schrecken wir geſetzet wurden, da vor einem Jahr und druͤber
ſich die ſchaͤdlichen Wuͤrmer Millionen-Weiſe meldeten, und an den Daͤm-
men
und Pfaͤhlen unbeſchreiblichen Schaden verurſachten.
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Zitationshilfe: [N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734/23>, abgerufen am 28.03.2024.