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[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.

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Schloß einzulassen. Jch schickte meine Bedienten allenthalben herum, um
das Gefängniß dieser Schönen auszukundschaffen, es war aber alle Mühe
vergebens. Mein treuer Anton that in dieser Ungewißheit wiederum das
beste. Denn er berichtete mich, daß sie von hier weg, und in einen benach-
barten Meyerhof gebracht wär. Jch machte mich in gröster Geschwindigkeit
auf, um diese Stelle zu erreichen, muste aber zu meinem grösten Verdruß
länger als sechs Stunden zu bringen, ehe ich an dem verlangten Ort ankam.
Da erfuhr ich abermahl zu meinem äusserstem Schrecken, daß sie vor einer
halben Stunde abgeholet, und in Begleitung von 12. gewafneten Personen
davon gefahren wär. Weder die Unerfahrenheit dasiger Gegend, noch die
geringe Anzahl meiner Leute konte mich zurücke halten, der Spur des
Wagens in möglichster Eile zufolgen. Mein Bemühen war auch nicht
vergebens, indem ich sie nach Verfliessung einer Stunde an einem Wald ein-
holte. Sie hatten mit der Kutschen mir nicht entweichen können, ob sie mich
gleich von weiten gesehn, und hielten also in einer kleinen Schlacht-Ord-
nung stille. Jch kehrte mich an diese Anstalten wenig, und rennte da ich
vor Liebe gantz blind war, in vollem Eyfer auf den Anführer loß, welchem
ich ohne ein Wort zu sprechen ein paar Kugeln durch den Kopf jagte. Sei-
ne Gefährten und meine Bedienten wurden darüber gleichfals uneinig, und
die Pistohlen feyerten auf beyden Seiten so wenig, daß von der Gegen-Par-
they achte auf dem Platze blieben, und die übrigen die Flucht zu nehmen ge-
nöthiget wurden. Meine Leute behielten also mit Verlust zwey von den ih-
rigen den Platz, und ich war im Begrif mich der Kutsche zu nahen, und vor
meiner angebetheten Amariane niederzuwerfen. Alleine eine feindliche Ku-
gel, welche mir oben in die rechte Brust gedrungen, versetzte mich in eine so
jählinge Schwachheit, daß ich ohnmächtig vom Pferde sanck. Der Rest
von meinen Bedienten lief eilig herzu, mich aufzuhalten, sahen aber mit kei-
nen geringen Erstaunen, daß kein Leben mehr in mir, und ich mehr zu den
Todten als Lebendigen zu rechnen war. Sie setzten mich zu der unglücklichen
Amariane in den Wagen, und eilten nach einem nicht weit entlegenen Dorf-
fe zu, allwo sie einen berühmten Doctor herbey holen, und mich in der Ge-
schwindigkeit so gut als es seyn konte, verbinden liessen. Dieser bezeigte we-
nige Hofnung zu meiner Aufkunfft, worüber meine Geliebte ein zärtliches
Mitleyden blicken ließ, welches sich durch einen Strohm von Thränen Linde-
derung zu machen suchte. Die Hülfe des Himmels, die Kunst des Do-
ctors,
und meine gute Natur, thaten inzwischen eine so gute Würckung,
daß nach Verfliessung dreyer Tage es sich mit mir besserte, und ich wieder re-
den konte. Die bestürtzte Amariane betrachtete mich als ihren Erretter, und

sorgte

Schloß einzulaſſen. Jch ſchickte meine Bedienten allenthalben herum, um
das Gefaͤngniß dieſer Schoͤnen auszukundſchaffen, es war aber alle Muͤhe
vergebens. Mein treuer Anton that in dieſer Ungewißheit wiederum das
beſte. Denn er berichtete mich, daß ſie von hier weg, und in einen benach-
barten Meyerhof gebracht waͤr. Jch machte mich in groͤſter Geſchwindigkeit
auf, um dieſe Stelle zu erreichen, muſte aber zu meinem groͤſten Verdruß
laͤnger als ſechs Stunden zu bringen, ehe ich an dem verlangten Ort ankam.
Da erfuhr ich abermahl zu meinem aͤuſſerſtem Schrecken, daß ſie vor einer
halben Stunde abgeholet, und in Begleitung von 12. gewafneten Perſonen
davon gefahren waͤr. Weder die Unerfahrenheit daſiger Gegend, noch die
geringe Anzahl meiner Leute konte mich zuruͤcke halten, der Spur des
Wagens in moͤglichſter Eile zufolgen. Mein Bemuͤhen war auch nicht
vergebens, indem ich ſie nach Verflieſſung einer Stunde an einem Wald ein-
holte. Sie hatten mit der Kutſchen mir nicht entweichen koͤnnen, ob ſie mich
gleich von weiten geſehn, und hielten alſo in einer kleinen Schlacht-Ord-
nung ſtille. Jch kehrte mich an dieſe Anſtalten wenig, und rennte da ich
vor Liebe gantz blind war, in vollem Eyfer auf den Anfuͤhrer loß, welchem
ich ohne ein Wort zu ſprechen ein paar Kugeln durch den Kopf jagte. Sei-
ne Gefaͤhrten und meine Bedienten wurden daruͤber gleichfals uneinig, und
die Piſtohlen feyerten auf beyden Seiten ſo wenig, daß von der Gegen-Par-
they achte auf dem Platze blieben, und die uͤbrigen die Flucht zu nehmen ge-
noͤthiget wurden. Meine Leute behielten alſo mit Verluſt zwey von den ih-
rigen den Platz, und ich war im Begrif mich der Kutſche zu nahen, und vor
meiner angebetheten Amariane niederzuwerfen. Alleine eine feindliche Ku-
gel, welche mir oben in die rechte Bruſt gedrungen, verſetzte mich in eine ſo
jaͤhlinge Schwachheit, daß ich ohnmaͤchtig vom Pferde ſanck. Der Reſt
von meinen Bedienten lief eilig herzu, mich aufzuhalten, ſahen aber mit kei-
nen geringen Erſtaunen, daß kein Leben mehr in mir, und ich mehr zu den
Todten als Lebendigen zu rechnen war. Sie ſetzten mich zu der ungluͤcklichen
Amariane in den Wagen, und eilten nach einem nicht weit entlegenen Dorf-
fe zu, allwo ſie einen beruͤhmten Doctor herbey holen, und mich in der Ge-
ſchwindigkeit ſo gut als es ſeyn konte, verbinden lieſſen. Dieſer bezeigte we-
nige Hofnung zu meiner Aufkunfft, woruͤber meine Geliebte ein zaͤrtliches
Mitleyden blicken ließ, welches ſich durch einen Strohm von Thraͤnen Linde-
derung zu machen ſuchte. Die Huͤlfe des Himmels, die Kunſt des Do-
ctors,
und meine gute Natur, thaten inzwiſchen eine ſo gute Wuͤrckung,
daß nach Verflieſſung dreyer Tage es ſich mit mir beſſerte, und ich wieder re-
den konte. Die beſtuͤrtzte Amariane betrachtete mich als ihren Erretter, und

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734/16>, abgerufen am 21.11.2024.