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[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.

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MYlord. Bingley. war durch den frühzeitigen Hintritt seiner un-
vergleichlichen Gemahlin in einen so bedaurenswürdigen Stand
gerathen, daß er ein schwartzes Gewölbe den prächtigsten Zim-
mern, ein Schau-Gerichte den angenehmsten Speisen, und
eine trostlose Einsamkeit der sonst vergnügenden Gesellschafft
vorzuziehen kein Bedencken trug. Sein Schmertz schien ihm täglich un-
erträglicher, und sein Verlust grösser, ob seit dem Tode seiner Amaria-
ne
gleich mehr als ein Jahr vorbey geflossen. Jhr Bild schwebete ihm
im Traume so lebhafftig vor den geschlossnen Augen, daß er es ge-
wiß wiedererlangt zu haben meynte, da er hingegen bey der Eröfnung der-
selben von seinem unschätzbaren Verlust noch mehr versichert wurde. Und
dieser Schmertz war mehr als zu gerecht, da er ihn einer Person widmete,
deren Erlangung ihm unsägliche Mühe gekostet, und welche seine Treue mit
einer unverfälschtem Aufrichtigkeit unausgesetzt vergolten hatte. Er saß des
Tags über an einer mit schwartzem Sammet bezogenen Tafel, und sahe das
vor ihm stehende Bildniß seiner theuersten Gemahlin mit schmachtenden Au-
gen an, als wenn er noch aus den Farben Trost und Linderung schöpfen
wolte. Allein dieses Vergnügen war allzuschlecht, als daß es ihm eine voll-
kommene Zufriedenheit zu wege bringen können. Seine Freunde hatten ein
billiges Mitleyden mit seinem Verhängniß, und hätten gern einen Theil von
ihrer Gemüths-Ruhe entbehret, wenn dieses nur ihm die seinige wider zu-
schaffen vermögend gewesen wäre. Mylord Childron war über diese Be-
schaffenheit eines Freundes, welchen er von Hertzen liebte, besonders gerüh-
ret, und sahe mit einem traurigen Mißvergnügen, daß alle sein Zureden nur
in den Wind geredet zu seyn schiene. Er ergriff endlich die Gelegenheit, noch
einmahl sein äusserstes zu thun, um bey ihm diese Vangigkeit zu lindern, als er

Mylord
A

[Abbildung]

MYlord. Bingley. war durch den fruͤhzeitigen Hintritt ſeiner un-
vergleichlichen Gemahlin in einen ſo bedaurenswuͤrdigen Stand
gerathen, daß er ein ſchwartzes Gewoͤlbe den praͤchtigſten Zim-
mern, ein Schau-Gerichte den angenehmſten Speiſen, und
eine troſtloſe Einſamkeit der ſonſt vergnuͤgenden Geſellſchafft
vorzuziehen kein Bedencken trug. Sein Schmertz ſchien ihm taͤglich un-
ertraͤglicher, und ſein Verluſt groͤſſer, ob ſeit dem Tode ſeiner Amaria-
ne
gleich mehr als ein Jahr vorbey gefloſſen. Jhr Bild ſchwebete ihm
im Traume ſo lebhafftig vor den geſchloſſnen Augen, daß er es ge-
wiß wiedererlangt zu haben meynte, da er hingegen bey der Eroͤfnung der-
ſelben von ſeinem unſchaͤtzbaren Verluſt noch mehr verſichert wurde. Und
dieſer Schmertz war mehr als zu gerecht, da er ihn einer Perſon widmete,
deren Erlangung ihm unſaͤgliche Muͤhe gekoſtet, und welche ſeine Treue mit
einer unverfaͤlſchtem Aufrichtigkeit unausgeſetzt vergolten hatte. Er ſaß des
Tags uͤber an einer mit ſchwartzem Sammet bezogenen Tafel, und ſahe das
vor ihm ſtehende Bildniß ſeiner theuerſten Gemahlin mit ſchmachtenden Au-
gen an, als wenn er noch aus den Farben Troſt und Linderung ſchoͤpfen
wolte. Allein dieſes Vergnuͤgen war allzuſchlecht, als daß es ihm eine voll-
kommene Zufriedenheit zu wege bringen koͤnnen. Seine Freunde hatten ein
billiges Mitleyden mit ſeinem Verhaͤngniß, und haͤtten gern einen Theil von
ihrer Gemuͤths-Ruhe entbehret, wenn dieſes nur ihm die ſeinige wider zu-
ſchaffen vermoͤgend geweſen waͤre. Mylord Childron war uͤber dieſe Be-
ſchaffenheit eines Freundes, welchen er von Hertzen liebte, beſonders geruͤh-
ret, und ſahe mit einem traurigen Mißvergnuͤgen, daß alle ſein Zureden nur
in den Wind geredet zu ſeyn ſchiene. Er ergriff endlich die Gelegenheit, noch
einmahl ſein aͤuſſerſtes zu thun, um bey ihm dieſe Vangigkeit zu lindern, als er

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734/11>, abgerufen am 24.11.2024.