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Herders Conversations-Lexikon. Bd. 4. Freiburg im Breisgau, 1856.

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Poitou, geb. 1209, Sohn des engl. Königs Johann, ein durch seine Blei- und Zinngruben reicher Prinz, wurde 1256 von einigen deutschen Fürsten zum deutschen Könige gewählt, kam mehrmals nach Deutschland u. fand bei den deutschen Fürsten so lange Anklang, als er Geld vertheilen konnte; st. 1272.


Richardis, St., Kaiserin und Stifterin des Klosters Andlau im Elsaß, war eine Tochter des elsäßischen Grafen Erchangar von Nordgau, wurde 862 mit Karl dem Dicken vermählt, gründete 880 das Kloster Andlau (Eleon) bei Schlettstadt am Wasgauer Gebirge. Hofintriguen, welche gegen den blödsinnig gewordenen Kaiser angesponnen wurden, bewirkten, daß R. bei ihm in den Verdacht verbotenen Umganges mit seinem geschickten und ergebenen Großkanzler Bischof Liutward von Vercelli gerieth, Liutward wurde all seiner Aemter entsetzt u. entfernt, R. ohne weiteres verstoßen, obwohl ein Gottesurtheil ihre Unschuld dargethan haben soll. Sie zog sich in die Abtei Andlau zurück und st. 893 od. 89. Gedächtnißtag 18. Sept.


Richard von St. Victor, einer der ausgezeichnetsten theolog. Schriftsteller des Mittelalters, geb. Schotte, schrieb im Kloster St. Victor zu Paris die tiefsinnigsten mystischen u. philosoph. Schriften, während es um ihn herum sehr unklösterlich zuging, st. 1173 als Prior. Berühmt sind namentlich seine Abhandlungen über die Trinität sowie sein System der Mystik, das er auf den Grundlagen des Honorius von Autun sowie seines Lehrers Hugo von St. Victor aufstellte u. von welchem man einen Abriß in Görres Mystik findet. Opera, Vened. 1506, Paris 1518. Vgl. Engelhardt: R. und Johannes Ruysbrock.


Richardson (Ritschärdsn), Samuel, der Erfinder des Familienromanes in Briefform, geb. 1689 in der Grafschaft Derby, Buchdrucker, gebildet durch freie Beobachtung der Natur, belehrenden Umgang u. moralische Lectüre, mit den alten Classikern fast ganz unbekannt, schilderte in seinen Romanen Scenen aus dem wirklichen Leben und aus Familienkreisen, um moralische Wahrheiten zu versinnlichen. Seine Tugendmuster sind oft maßlos idealisirt, die Darstellung lebendig aber zu wortreich, der Styl correct und harmonisch aber etwas steif. Seine Hauptwerke: Pamela (1740), Clarissa (1748), Sir Charles Grandison (1753) u. a. wurden ins Deutsche übersetzt, von Ch. F. Weiße zum Aufbau einer "Tugendlehre" benützt u. fanden Nachahmer, von denen sich alle durch sittliche Tendenz und fast alle zugleich durch Langweiligkeit auszeichneten.


Richardson, Sir John, geb. 1787 zu Dumfries, Arzt, Gefährte Franklins auf dessen 2 ersten Nordpolexpeditionen, unternahm 1848-49 eine neue arktische Reise zur Aufsuchung Franklins, die er in "Boat voyage through Rupertsland" (2 Bde., Lond. 1851) beschrieb. - R., James, Schotte, geb. um 1810, war längere Zeit Missionär, unternahm 1850 mit Barth u. Overweg eine Entdeckungsreise nach dem Sudan, st. aber schon am 4. März 1851 unweit Kuka. ("Narrative of a mission to Central-Africa". 2 Bde., London 1853.)


Richelieu (Risch'liöh), Armand Jean Duplessis, Herzog von, geb. 5. Sept. 1585 auf dem Schlosse R. in Poitou, bestimmte sich zuerst zum Soldaten, später zum Geistlichen, wurde schon 1607 Bischof von Lucon, 1614 Almosenier der Königin Mutter Maria von Medici, 1616 Staatssekretär des Kriegs u. der auswärtigen Angelegenheiten, 1622 Cardinal, 1624 Staatsrath und bald Premierminister. Die intriguante Königin Mutter, durch deren Gunst er gestiegen war, verjagte er zuletzt aus Frankreich, das er im Namen Ludwigs XIII. regierte, obwohl ihm der König persönlich nicht geneigt war. (Ueber R.s innere und äußere Politik s. Frankreich Bd. II. S. 759-60.) Als Staatsmann verschonte er keinen besiegten Feind (vgl. Montmorency u. Cinq-Mars), benutzte aber seine Macht nicht zur Ausübung von Privatrache. R. unterwarf die Hugenotten, weil es zur Herstellung der Reichseinheit nothwendig war, ließ ihnen aber alle bürgerlichen Rechte und die Freiheit des Cults, fand auch in seiner Cardinalswürde kein Hinderniß durch die Unterstützung der Schweden die kathol.

Poitou, geb. 1209, Sohn des engl. Königs Johann, ein durch seine Blei- und Zinngruben reicher Prinz, wurde 1256 von einigen deutschen Fürsten zum deutschen Könige gewählt, kam mehrmals nach Deutschland u. fand bei den deutschen Fürsten so lange Anklang, als er Geld vertheilen konnte; st. 1272.


Richardis, St., Kaiserin und Stifterin des Klosters Andlau im Elsaß, war eine Tochter des elsäßischen Grafen Erchangar von Nordgau, wurde 862 mit Karl dem Dicken vermählt, gründete 880 das Kloster Andlau (Eleon) bei Schlettstadt am Wasgauer Gebirge. Hofintriguen, welche gegen den blödsinnig gewordenen Kaiser angesponnen wurden, bewirkten, daß R. bei ihm in den Verdacht verbotenen Umganges mit seinem geschickten und ergebenen Großkanzler Bischof Liutward von Vercelli gerieth, Liutward wurde all seiner Aemter entsetzt u. entfernt, R. ohne weiteres verstoßen, obwohl ein Gottesurtheil ihre Unschuld dargethan haben soll. Sie zog sich in die Abtei Andlau zurück und st. 893 od. 89. Gedächtnißtag 18. Sept.


Richard von St. Victor, einer der ausgezeichnetsten theolog. Schriftsteller des Mittelalters, geb. Schotte, schrieb im Kloster St. Victor zu Paris die tiefsinnigsten mystischen u. philosoph. Schriften, während es um ihn herum sehr unklösterlich zuging, st. 1173 als Prior. Berühmt sind namentlich seine Abhandlungen über die Trinität sowie sein System der Mystik, das er auf den Grundlagen des Honorius von Autun sowie seines Lehrers Hugo von St. Victor aufstellte u. von welchem man einen Abriß in Görres Mystik findet. Opera, Vened. 1506, Paris 1518. Vgl. Engelhardt: R. und Johannes Ruysbrock.


Richardson (Ritschärdsn), Samuel, der Erfinder des Familienromanes in Briefform, geb. 1689 in der Grafschaft Derby, Buchdrucker, gebildet durch freie Beobachtung der Natur, belehrenden Umgang u. moralische Lectüre, mit den alten Classikern fast ganz unbekannt, schilderte in seinen Romanen Scenen aus dem wirklichen Leben und aus Familienkreisen, um moralische Wahrheiten zu versinnlichen. Seine Tugendmuster sind oft maßlos idealisirt, die Darstellung lebendig aber zu wortreich, der Styl correct und harmonisch aber etwas steif. Seine Hauptwerke: Pamela (1740), Clarissa (1748), Sir Charles Grandison (1753) u. a. wurden ins Deutsche übersetzt, von Ch. F. Weiße zum Aufbau einer „Tugendlehre“ benützt u. fanden Nachahmer, von denen sich alle durch sittliche Tendenz und fast alle zugleich durch Langweiligkeit auszeichneten.


Richardson, Sir John, geb. 1787 zu Dumfries, Arzt, Gefährte Franklins auf dessen 2 ersten Nordpolexpeditionen, unternahm 1848–49 eine neue arktische Reise zur Aufsuchung Franklins, die er in „Boat voyage through Rupertsland“ (2 Bde., Lond. 1851) beschrieb. – R., James, Schotte, geb. um 1810, war längere Zeit Missionär, unternahm 1850 mit Barth u. Overweg eine Entdeckungsreise nach dem Sudan, st. aber schon am 4. März 1851 unweit Kuka. („Narrative of a mission to Central-Africa“. 2 Bde., London 1853.)


Richelieu (Rischʼliöh), Armand Jean Duplessis, Herzog von, geb. 5. Sept. 1585 auf dem Schlosse R. in Poitou, bestimmte sich zuerst zum Soldaten, später zum Geistlichen, wurde schon 1607 Bischof von Luçon, 1614 Almosenier der Königin Mutter Maria von Medici, 1616 Staatssekretär des Kriegs u. der auswärtigen Angelegenheiten, 1622 Cardinal, 1624 Staatsrath und bald Premierminister. Die intriguante Königin Mutter, durch deren Gunst er gestiegen war, verjagte er zuletzt aus Frankreich, das er im Namen Ludwigs XIII. regierte, obwohl ihm der König persönlich nicht geneigt war. (Ueber R.s innere und äußere Politik s. Frankreich Bd. II. S. 759–60.) Als Staatsmann verschonte er keinen besiegten Feind (vgl. Montmorency u. Cinq-Mars), benutzte aber seine Macht nicht zur Ausübung von Privatrache. R. unterwarf die Hugenotten, weil es zur Herstellung der Reichseinheit nothwendig war, ließ ihnen aber alle bürgerlichen Rechte und die Freiheit des Cults, fand auch in seiner Cardinalswürde kein Hinderniß durch die Unterstützung der Schweden die kathol.

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[725/0726] Poitou, geb. 1209, Sohn des engl. Königs Johann, ein durch seine Blei- und Zinngruben reicher Prinz, wurde 1256 von einigen deutschen Fürsten zum deutschen Könige gewählt, kam mehrmals nach Deutschland u. fand bei den deutschen Fürsten so lange Anklang, als er Geld vertheilen konnte; st. 1272. Richardis, St., Kaiserin und Stifterin des Klosters Andlau im Elsaß, war eine Tochter des elsäßischen Grafen Erchangar von Nordgau, wurde 862 mit Karl dem Dicken vermählt, gründete 880 das Kloster Andlau (Eleon) bei Schlettstadt am Wasgauer Gebirge. Hofintriguen, welche gegen den blödsinnig gewordenen Kaiser angesponnen wurden, bewirkten, daß R. bei ihm in den Verdacht verbotenen Umganges mit seinem geschickten und ergebenen Großkanzler Bischof Liutward von Vercelli gerieth, Liutward wurde all seiner Aemter entsetzt u. entfernt, R. ohne weiteres verstoßen, obwohl ein Gottesurtheil ihre Unschuld dargethan haben soll. Sie zog sich in die Abtei Andlau zurück und st. 893 od. 89. Gedächtnißtag 18. Sept. Richard von St. Victor, einer der ausgezeichnetsten theolog. Schriftsteller des Mittelalters, geb. Schotte, schrieb im Kloster St. Victor zu Paris die tiefsinnigsten mystischen u. philosoph. Schriften, während es um ihn herum sehr unklösterlich zuging, st. 1173 als Prior. Berühmt sind namentlich seine Abhandlungen über die Trinität sowie sein System der Mystik, das er auf den Grundlagen des Honorius von Autun sowie seines Lehrers Hugo von St. Victor aufstellte u. von welchem man einen Abriß in Görres Mystik findet. Opera, Vened. 1506, Paris 1518. Vgl. Engelhardt: R. und Johannes Ruysbrock. Richardson (Ritschärdsn), Samuel, der Erfinder des Familienromanes in Briefform, geb. 1689 in der Grafschaft Derby, Buchdrucker, gebildet durch freie Beobachtung der Natur, belehrenden Umgang u. moralische Lectüre, mit den alten Classikern fast ganz unbekannt, schilderte in seinen Romanen Scenen aus dem wirklichen Leben und aus Familienkreisen, um moralische Wahrheiten zu versinnlichen. Seine Tugendmuster sind oft maßlos idealisirt, die Darstellung lebendig aber zu wortreich, der Styl correct und harmonisch aber etwas steif. Seine Hauptwerke: Pamela (1740), Clarissa (1748), Sir Charles Grandison (1753) u. a. wurden ins Deutsche übersetzt, von Ch. F. Weiße zum Aufbau einer „Tugendlehre“ benützt u. fanden Nachahmer, von denen sich alle durch sittliche Tendenz und fast alle zugleich durch Langweiligkeit auszeichneten. Richardson, Sir John, geb. 1787 zu Dumfries, Arzt, Gefährte Franklins auf dessen 2 ersten Nordpolexpeditionen, unternahm 1848–49 eine neue arktische Reise zur Aufsuchung Franklins, die er in „Boat voyage through Rupertsland“ (2 Bde., Lond. 1851) beschrieb. – R., James, Schotte, geb. um 1810, war längere Zeit Missionär, unternahm 1850 mit Barth u. Overweg eine Entdeckungsreise nach dem Sudan, st. aber schon am 4. März 1851 unweit Kuka. („Narrative of a mission to Central-Africa“. 2 Bde., London 1853.) Richelieu (Rischʼliöh), Armand Jean Duplessis, Herzog von, geb. 5. Sept. 1585 auf dem Schlosse R. in Poitou, bestimmte sich zuerst zum Soldaten, später zum Geistlichen, wurde schon 1607 Bischof von Luçon, 1614 Almosenier der Königin Mutter Maria von Medici, 1616 Staatssekretär des Kriegs u. der auswärtigen Angelegenheiten, 1622 Cardinal, 1624 Staatsrath und bald Premierminister. Die intriguante Königin Mutter, durch deren Gunst er gestiegen war, verjagte er zuletzt aus Frankreich, das er im Namen Ludwigs XIII. regierte, obwohl ihm der König persönlich nicht geneigt war. (Ueber R.s innere und äußere Politik s. Frankreich Bd. II. S. 759–60.) Als Staatsmann verschonte er keinen besiegten Feind (vgl. Montmorency u. Cinq-Mars), benutzte aber seine Macht nicht zur Ausübung von Privatrache. R. unterwarf die Hugenotten, weil es zur Herstellung der Reichseinheit nothwendig war, ließ ihnen aber alle bürgerlichen Rechte und die Freiheit des Cults, fand auch in seiner Cardinalswürde kein Hinderniß durch die Unterstützung der Schweden die kathol.

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Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 4. Freiburg im Breisgau, 1856, S. 725. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon04_1856/726>, abgerufen am 23.11.2024.