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Herders Conversations-Lexikon. Bd. 4. Freiburg im Breisgau, 1856.

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Aufnahme in dieselben geschah nur nach gewissen Vorbereitungen. Den eigentlichen Inhalt kennen wir nicht. da die Mitglieder eidlich zur Geheimhaltung verpflichtet waren; ohne Zweifel aber waren die bedeutendsten, nämlich die eleusinischen und samothracischen, die Reste einer vorhellenischen Religion, die sich an diesen Plätzen erhielt; sie widersprach dem griech. Volksglauben übrigens so wenig als irgend eine andere polytheistische Lehre und Ceremonie und diente vielmehr zur Ergänzung desselben. In späterer Zeit machten sich bei den Römern besonders M. des Bachus u. der Isis geltend, die von wandernden griech. und ägypt. Priestern administrirt wurden, wobei es oft sehr unsauber herging.


Mysterien, mysteres oder auch miracles, nannten die romanischen Völker des Mittelalters geistliche Schauspiele, von den Moralitäten (s. d.) unterschieden, insofern ihr Stoff aus dem Leiden und Sterben Jesu Christi oder großer Heiligen genommen wurde. Die den deutschen Oster- und Passionsspielen entsprechenden M. kamen auf, indem die zur Passionszeit übliche Vorlesung der Leidensgeschichte in der Kirche allmälig dramatisirt wurde. Man vertheilte die Rollen, das Erlernte wurde frei vorgetragen, der Vortragende zog ein seiner Rolle entsprechendes Kostüm an; man machte Einschiebsel von Reden, Gesangstücken und neuen Personen, Teufeln u. Engeln, spielte auch im Freien; eine lächerliche Person, namentlich Judas Iskarioth, vertrat das volksthümliche Element in mehr oder minder derbkomischer oder burlesker Weise, die anfangs lat. Sprache mußte der deutschen weichen u. s. f. Schon unter Kaiser Otto I. (936-73) dichtete Hroswitha, die Nonne von Gandersheim, geistliche Schauspiele, von Wernher von Tegernsee ist ein ludus paschalis de adventu et interitu Christi vorhanden; die Wunder der hl. Katharina, das Stück vom Leiden Jesu Christi, welches Hoffmann herausgab, ist noch meist lateinisch, das Osterspiel: Marienklage, das Alsfelder Passionsspiel u. a. sind berühmte M. Schon als Theodorich Schernberg das Märchen von der Päpstin Johanna als das "Spiel von Frau Jutten" behandelte (um 1480), begannen Uebersetzungen von Terenz u. Plautus, seit 1520 auch aus dem Spanischen; noch 1571 wurde Holzwarths Saul aufgeführt, ein Stück von 10 Akten mit 600 Schauspielern u. bis heute haben sich bei den Basken, in der Bretagne, im Tyrol, namentlich auch im Oberammergau in Oberbayern Reste der M. erhalten. Vgl. Mone's Schauspiele des Mittelalters (1816); Devrient: Das Passionsspiel im Oberammergau (Leipzig 1851).


Mystificiren, Einen in ergötzlicher Weise hinters Licht führen, in den April schicken; daher Mystification.


Mystik, griech., religiöse, nennt man heutzutage im Allgemeinen das Bestreben, mit dem Ueberirdischen u. Göttlichen in unmittelbaren substantiellen Verkehr zu treten, um in diesem Verkehre selig zu sein. M. und Religion stehen somit im innersten Zusammenhange; bei allen Völkern sind M.er u. mystische Erscheinungen nichts weniger als selten, Menschen von vorherrschend melancholischer Gemüthsart haben häufig einen Hang zur M; aber während die ächte und christliche M. an der Hand der Kirche ihrem Ziele entgegengeht u. das Leben der größten Heiligen mit seinen wunderbaren Erscheinungen u. Ergebnissen sowie die Schriften eines H. Suso (st. 1365). I. Geiler (st. 1510), der hl. Theresia u. a. Zeugniß für die ächte M. des Christenthums ablegten, ist die Geschichte der außerchristlichen Religionen, vieler christlichen Sekten (von den Gnostikern bis zu den modernen Muckern) sowie der philosophische Pantheismus in seinen verschiedensten Formen von Plotin u. Porphyrius bis herauf zu Schelling ein Verdammungsurtheil der falschen M. oder des Mysticismus. Man unterscheidet contemplative M.er, bei denen die selige Vereinigung mit Gott und Seinem Reiche in unmittelbarer Anschauung Sache des Gefühles ist, von praktischer, welche die ganze Energie ihres Willens aufbieten, um durch die Mittel strenger Askese das irdische Prinzip in sich, das Fleisch,

Aufnahme in dieselben geschah nur nach gewissen Vorbereitungen. Den eigentlichen Inhalt kennen wir nicht. da die Mitglieder eidlich zur Geheimhaltung verpflichtet waren; ohne Zweifel aber waren die bedeutendsten, nämlich die eleusinischen und samothracischen, die Reste einer vorhellenischen Religion, die sich an diesen Plätzen erhielt; sie widersprach dem griech. Volksglauben übrigens so wenig als irgend eine andere polytheistische Lehre und Ceremonie und diente vielmehr zur Ergänzung desselben. In späterer Zeit machten sich bei den Römern besonders M. des Bachus u. der Isis geltend, die von wandernden griech. und ägypt. Priestern administrirt wurden, wobei es oft sehr unsauber herging.


Mysterien, mystères oder auch miracles, nannten die romanischen Völker des Mittelalters geistliche Schauspiele, von den Moralitäten (s. d.) unterschieden, insofern ihr Stoff aus dem Leiden und Sterben Jesu Christi oder großer Heiligen genommen wurde. Die den deutschen Oster- und Passionsspielen entsprechenden M. kamen auf, indem die zur Passionszeit übliche Vorlesung der Leidensgeschichte in der Kirche allmälig dramatisirt wurde. Man vertheilte die Rollen, das Erlernte wurde frei vorgetragen, der Vortragende zog ein seiner Rolle entsprechendes Kostüm an; man machte Einschiebsel von Reden, Gesangstücken und neuen Personen, Teufeln u. Engeln, spielte auch im Freien; eine lächerliche Person, namentlich Judas Iskarioth, vertrat das volksthümliche Element in mehr oder minder derbkomischer oder burlesker Weise, die anfangs lat. Sprache mußte der deutschen weichen u. s. f. Schon unter Kaiser Otto I. (936–73) dichtete Hroswitha, die Nonne von Gandersheim, geistliche Schauspiele, von Wernher von Tegernsee ist ein ludus paschalis de adventu et interitu Christi vorhanden; die Wunder der hl. Katharina, das Stück vom Leiden Jesu Christi, welches Hoffmann herausgab, ist noch meist lateinisch, das Osterspiel: Marienklage, das Alsfelder Passionsspiel u. a. sind berühmte M. Schon als Theodorich Schernberg das Märchen von der Päpstin Johanna als das „Spiel von Frau Jutten“ behandelte (um 1480), begannen Uebersetzungen von Terenz u. Plautus, seit 1520 auch aus dem Spanischen; noch 1571 wurde Holzwarths Saul aufgeführt, ein Stück von 10 Akten mit 600 Schauspielern u. bis heute haben sich bei den Basken, in der Bretagne, im Tyrol, namentlich auch im Oberammergau in Oberbayern Reste der M. erhalten. Vgl. Moneʼs Schauspiele des Mittelalters (1816); Devrient: Das Passionsspiel im Oberammergau (Leipzig 1851).


Mystificiren, Einen in ergötzlicher Weise hinters Licht führen, in den April schicken; daher Mystification.


Mystik, griech., religiöse, nennt man heutzutage im Allgemeinen das Bestreben, mit dem Ueberirdischen u. Göttlichen in unmittelbaren substantiellen Verkehr zu treten, um in diesem Verkehre selig zu sein. M. und Religion stehen somit im innersten Zusammenhange; bei allen Völkern sind M.er u. mystische Erscheinungen nichts weniger als selten, Menschen von vorherrschend melancholischer Gemüthsart haben häufig einen Hang zur M; aber während die ächte und christliche M. an der Hand der Kirche ihrem Ziele entgegengeht u. das Leben der größten Heiligen mit seinen wunderbaren Erscheinungen u. Ergebnissen sowie die Schriften eines H. Suso (st. 1365). I. Geiler (st. 1510), der hl. Theresia u. a. Zeugniß für die ächte M. des Christenthums ablegten, ist die Geschichte der außerchristlichen Religionen, vieler christlichen Sekten (von den Gnostikern bis zu den modernen Muckern) sowie der philosophische Pantheismus in seinen verschiedensten Formen von Plotin u. Porphyrius bis herauf zu Schelling ein Verdammungsurtheil der falschen M. oder des Mysticismus. Man unterscheidet contemplative M.er, bei denen die selige Vereinigung mit Gott und Seinem Reiche in unmittelbarer Anschauung Sache des Gefühles ist, von praktischer, welche die ganze Energie ihres Willens aufbieten, um durch die Mittel strenger Askese das irdische Prinzip in sich, das Fleisch,

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[276/0277] Aufnahme in dieselben geschah nur nach gewissen Vorbereitungen. Den eigentlichen Inhalt kennen wir nicht. da die Mitglieder eidlich zur Geheimhaltung verpflichtet waren; ohne Zweifel aber waren die bedeutendsten, nämlich die eleusinischen und samothracischen, die Reste einer vorhellenischen Religion, die sich an diesen Plätzen erhielt; sie widersprach dem griech. Volksglauben übrigens so wenig als irgend eine andere polytheistische Lehre und Ceremonie und diente vielmehr zur Ergänzung desselben. In späterer Zeit machten sich bei den Römern besonders M. des Bachus u. der Isis geltend, die von wandernden griech. und ägypt. Priestern administrirt wurden, wobei es oft sehr unsauber herging. Mysterien, mystères oder auch miracles, nannten die romanischen Völker des Mittelalters geistliche Schauspiele, von den Moralitäten (s. d.) unterschieden, insofern ihr Stoff aus dem Leiden und Sterben Jesu Christi oder großer Heiligen genommen wurde. Die den deutschen Oster- und Passionsspielen entsprechenden M. kamen auf, indem die zur Passionszeit übliche Vorlesung der Leidensgeschichte in der Kirche allmälig dramatisirt wurde. Man vertheilte die Rollen, das Erlernte wurde frei vorgetragen, der Vortragende zog ein seiner Rolle entsprechendes Kostüm an; man machte Einschiebsel von Reden, Gesangstücken und neuen Personen, Teufeln u. Engeln, spielte auch im Freien; eine lächerliche Person, namentlich Judas Iskarioth, vertrat das volksthümliche Element in mehr oder minder derbkomischer oder burlesker Weise, die anfangs lat. Sprache mußte der deutschen weichen u. s. f. Schon unter Kaiser Otto I. (936–73) dichtete Hroswitha, die Nonne von Gandersheim, geistliche Schauspiele, von Wernher von Tegernsee ist ein ludus paschalis de adventu et interitu Christi vorhanden; die Wunder der hl. Katharina, das Stück vom Leiden Jesu Christi, welches Hoffmann herausgab, ist noch meist lateinisch, das Osterspiel: Marienklage, das Alsfelder Passionsspiel u. a. sind berühmte M. Schon als Theodorich Schernberg das Märchen von der Päpstin Johanna als das „Spiel von Frau Jutten“ behandelte (um 1480), begannen Uebersetzungen von Terenz u. Plautus, seit 1520 auch aus dem Spanischen; noch 1571 wurde Holzwarths Saul aufgeführt, ein Stück von 10 Akten mit 600 Schauspielern u. bis heute haben sich bei den Basken, in der Bretagne, im Tyrol, namentlich auch im Oberammergau in Oberbayern Reste der M. erhalten. Vgl. Moneʼs Schauspiele des Mittelalters (1816); Devrient: Das Passionsspiel im Oberammergau (Leipzig 1851). Mystificiren, Einen in ergötzlicher Weise hinters Licht führen, in den April schicken; daher Mystification. Mystik, griech., religiöse, nennt man heutzutage im Allgemeinen das Bestreben, mit dem Ueberirdischen u. Göttlichen in unmittelbaren substantiellen Verkehr zu treten, um in diesem Verkehre selig zu sein. M. und Religion stehen somit im innersten Zusammenhange; bei allen Völkern sind M.er u. mystische Erscheinungen nichts weniger als selten, Menschen von vorherrschend melancholischer Gemüthsart haben häufig einen Hang zur M; aber während die ächte und christliche M. an der Hand der Kirche ihrem Ziele entgegengeht u. das Leben der größten Heiligen mit seinen wunderbaren Erscheinungen u. Ergebnissen sowie die Schriften eines H. Suso (st. 1365). I. Geiler (st. 1510), der hl. Theresia u. a. Zeugniß für die ächte M. des Christenthums ablegten, ist die Geschichte der außerchristlichen Religionen, vieler christlichen Sekten (von den Gnostikern bis zu den modernen Muckern) sowie der philosophische Pantheismus in seinen verschiedensten Formen von Plotin u. Porphyrius bis herauf zu Schelling ein Verdammungsurtheil der falschen M. oder des Mysticismus. Man unterscheidet contemplative M.er, bei denen die selige Vereinigung mit Gott und Seinem Reiche in unmittelbarer Anschauung Sache des Gefühles ist, von praktischer, welche die ganze Energie ihres Willens aufbieten, um durch die Mittel strenger Askese das irdische Prinzip in sich, das Fleisch,

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Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 4. Freiburg im Breisgau, 1856, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon04_1856/277>, abgerufen am 22.11.2024.