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Die Bayerische Presse. Nr. 140. Würzburg, 12. Juni 1850.

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[Spaltenumbruch] fähigkeitsbeweises zu treffen. Daher das eifrige
Bemühen, Zeugnisse für die Geistesstörung beizu-
bringen, daher diese täglich wiederkehrenden Er-
zählungen von seinen phantastischen Plänen und
Projekten in unsern gesinnungstüchtigen, unpartei-
ischen Blättern."

Wien, 6. Juni. Jn Mähren gewinnen die
Judenkrawalle eine immer größere Ausdehnung.
Am 31. Mai war selbst in Olmütz ein solcher
Exceß, der freilich nur in einer Katzenmusik be-
stand für einen Hauseigenthümer, der sein Haus
einem Jsraeliten verkauft hatte, und am 27. Mai
war ein ähnlicher Krawall in dem nicht weit von
Olmütz entfernten Dorfe Doloplas. Jn Trebitsch,
Straßnitz und Jglau sind die Excedenten inhaf-
tirt und Untersuchungen eingeleitet, aber der Haß
gegen die Juden scheint sich der ganzen Bevölke-
rung bemächtigt zu haben, und das einzige Mit-
tel, ihn nachhaltig unschädlich zu machen, läge in
dem mäßigen Gebrauch der Gleichberechtigung
durch die Juden selbst. Scheidewände, welche
durch Jahrhunderte aufrecht standen, lassen sich
nicht über Nacht wegräumen.

   

Prerau, 7. Juni. Eingehenden Berichten zu-
folge haben sich bei der letzten Judenhetze daselbst
über 2000 Prerauer betheiligt. Alle Juden welche
in ihrem Emancipationswahne sich beikommen lie-
ßen auf Grund der Charte vom 4. März in der
Christenstadt Quartiere zu beziehen, wurden ver-
trieben und ihre Wohnungen beschädigt. Es mußte
aus Kremsier Militär in Anspruch genommen und
der Belagerungszustand verkündigt werden.

   

Berlin, 8. Juni. Noch viel strenger als
die gestern erwähnte Preß=Verordnung lautet die
Vollzugsinstruktion welche die beiden Minister des
Jnnern und des Handels, v. Manteuffel und v.
d. Heydt, in einem Umlaufschreiben an die Re-
gierungspräsidenten u. die Oberpostdirektoren erlassen
haben. Da die k. Verordnung für die Post das
Recht in Anspruch nimmt einer Zeitung die Ver-
sendung ( den Debit ) zu versagen oder zu gewäh-
ren, so werden die Regierungspräsidenten aufge-
fordert, die ihnen gefährlich erscheinenden Zeitun-
gen schleunigst ( noch vor Umlauf des Semesters )
der betreffenden Oberpostdirektion anzuzeigen, da-
mit diese die Versendung dieser Blätter einstelle.
Binnen 14 Tagen ist dem Ministerium ein Ver-
zeichniß dieser proseribirten Blätter vorzulegen.
Sollten Reklamationen eingehen, so behält sich
das Ministerium die Entscheidung vor; einstweilen
bleibt es bei den Verfügungen des Regierungs-
präsidenten.

Berlin, 8. Juni. Die Gräfin Charlotte zu
Stolberg=Wernigerode hat dem von ihr zu Alt-
dorf, im Kreise Pleß, erbauten Hospital für ober-
schlesische Typhuswaisen neuerdings ein Kapital
von 400 Thlrn. geschenkt. -- Zur Erleichterung
des Eisenbahnverkehrs ist dem Vernehmen nach
die Absicht, eine Conferenz von Bevollmächtigten
derjenigen deutschen Regierungen, welche bereits
dem Eisenbahnpostkarten=Verein angehören, nach
Dresden zu berufen und auch die übrigen deut-
schen Regierungen zur Theilnahme an dem Verein
einzuladen. Mehrere dieser letztern, namentlich
auch die k. bayer. Regierung, sollen bereits ihre
Geneigtheit zu erkennen gegeben haben, dem Ver-
ein beizutreten.

   

Breslau, 6. Juni. Seit mehreren Jahren ist
der Wollmarkt, dieser Glanzpunkt des Breslauer
Lebens, nicht so bewegt gewesen, wie diesmal.
Fast alle Gutsbesitzer der Provinz sind anwesend,
und ihre gebräunten, bärtigen Gesichter strahlen
von innerer Zufriedenheit, wenn man sie nach dem
Stande des Geschäfts fragt, obgleich man selten
eine hiermit übereinstimmende Aeußerung hören
wird. Ganz feine Wolle wurde mit 110 bis
130 Thlr., feine Mittelwolle 75--85 Thlr. und
gewöhnliche mit 60--65 Thlr. pro Ctr. bezahlt.
Seit gestern Nachmittag sind jedoch die Preise
gewichen und möchten leicht, wenn sich diese Nei-
gung erhält, bis auf den vorjährigen Preis zu-
rückgehen, welcher jedoch immer noch ein recht an-
nehmbarer ist, bei dem jeder Gutsbesitzer bestehen
kann.

   
[Spaltenumbruch]

Posen, 6. Juni. Hier ist der Behörde eine
unter das polnische Volk verbreitete Schrift in
die Hände gefallen, die zu einer neuen Schilder-
hebung geradezu auffordert. Die Schrift führt
den wunderlichen Titel: "Worte der Wahrheit
für das polnische Volk. Erschienen unter der
Obhut der allerheiligsten Mutter Gottes zu Czen-
stochau, der Schutzpatronin Polens." Sie predigt
den todtlichen Haß gegen Deutsche und Russen,
sucht das polnische Landvolk durch communistische
Lehren, die als künftige Gesetze verkündigt wer-
den, zur Empörung zu verlocken, und sagt ge-
radezu, daß Errettung von dem schmachvollen
Verderben des polnischen Volks nur noch durch
einen todesmuthigen allgemeinen Kampf gegen die
Unterdrücker möglich sei. Die Eidesformel der
Bundesmitglieder, welche vor einem Crucifix und
einer geweihten Kerze kniend zu sprechen ist, lau-
tet: "Jch N. N. schwöre im Angesicht des all-
mächtigen Gottes, bei dem Kreuze und Leiden des
Heilands, daß ich von ganzem Herzen und von
ganzer Seele nach dem zukünftigen glücklichen
Polen verlange; daß ich zu jeder Zeit und soviel
in meinen Kräften steht andere über Polen beleh-
ren und zur Leistung des Eides heranziehen werde.
Jch schwöre, daß ich mich, sobald der Ausspruch
des Aufstandes angekündigt wird, ohne Verzug,
mit gehörig zugerichteter Sense oder andern Waf-
sen einstellen werde." Schließlich werden die
Polen ermahnt, den Spaniern nachzuahmen: alle,
die Waffen tragen können, sollen die Waffen er-
greifen; Weiber, Kinder, Greise sollen die Feinde
zu Hause morden; in den Städten soll man auf
sie herab siedendes Wasser gießen oder Steine
werfen. Ueberall müssen sie vernichtet werden.
Hoffentlich werden diese gutgemeinten Lehren er-
folglos bleiben; eine neue Schilderhebung würde
wahrscheinlich mit dem gänzlichen Untergang der
Polen endigen.

Frankreich.

C Paris, 9. Juni. Man liest heute im
" Siecle " folgendes Schreiben des Repräsentanten
Rigal, datirt vom 8. Juni: "Herr Redakteur!
Zur Berichtigung einer von Jhnen gegebenen No-
tiz erlauben Sie mir, die wahren Thatsachen an-
zuführen. Sountag den 2. Juni ersuchte ich um
eine Audienz in der bestimmten Absicht, meine
Ansichten über die Verstümmelung des allgemei-
nen Stimmrechtes zur Kenntniß des Erwählten
vom 10. Dezember zu bringen. Jch konnte hof-
fen, daß der Präsident vom Art. 58 der Consti-
tution Gebrauch machen würde, welcher lautet:
"Der Präsident kann durch eine motivirte Bot-
schaft eine neue Berathung verlangen." Am 3.
Juni erschien das Wahlgesetz im Moniteur. Am
Abende desselben Tages erhielt ich ein Schreiben,
welches die Audienz auf 10 Uhr des andern
Morgens festsetzte. Pflichtgemäß stellte ich mich
zur bestimmten Stunde ein. Jch bezeichnete meine
Stellung ihm gegenüber, da ich bei seiner Wahl
nicht für ihn gestimmt hatte. Jch erklärte kurz,
wie frühere Arbeiten mir einige Autorität in
der Sache gäben, und ging zur Zahlenfrage über.
Der Präsident vernahm meine Darlegung mit
sichtlichem Jnteresse. Jch hatte gezeigt, wie sechs
Millionen Wähler gestrichen wurden und fügte
hinzu: "Dieß ist gerade die Anzahl Stimmen,
welche den Präsidenten der Republik geschaffen
haben, vielleicht sind es sogar die nämlichen." --
Es ward mir die Antwort: "Das gestern ver-
kündigte Gesetz bezieht sich speziell auf die Er-
nennung der Repräsentanten. Der Präsident
der Republik wird gewählt kraft eines von der
Constituante auch ausdrücklich für diesen besonde-
ren Fall gegebenen Gesetzes." Jch verhehlte mein
Erstaunen über diese Ansicht nicht. Jch drang
entschiedener vor und sagte: "Gesetzt, das allge-
meine Stimmrecht könnte auf Einen großen Tag
wieder auferstehen, ist es nicht wahrscheinlich, daß
das Volk wenig Sympathie für einen Beamten
haben werde, unter welchem, wenn auch nicht
durch welchen es seines Rechtes beraubt wor-
den? "Dieß ist eine persöniche Frage. Jch oder
ein anderer, daran liegt wenig: aber die Wahl
[Spaltenumbruch] des Präsidenten der Repulik ist durch das neue
Gesetz nicht geregelt." Jch bezeichne diesen Satz
ausdrücklich mit Anführungszeichen, um ihre No-
tiz zu berichtigen. Jch theilte die Hauptpunkte
dieses Gesprächs nur sehr wenigen politischen
Freunden mit, sah aber, daß meine Verschwiegen-
heit unnöthig war. Der Präsident Dupin kam im
Elysee in dem Augenblik an, in welchem ich es
verließ. Er schien überrascht, da er mich nie
dort gesehen. Mittwoch, 5 Juni Abends rief
mir am Schlusse der Nationalversammlung Du-
pin zu: "Nun! haben Sie den Präsidenten der
Republik bekehrt?" -- "Sie wußten wohl, daß
ich zu spät kam." -- Die Sache war dadurch
öffentlich geworden. Jch konnte nicht länger schwei-
gen. Mein Brief ist lang, doch wollte ich be-
weisen, welchen Maßstab man mir für Einigung
der Convenienz mit einem Zeugnisse geboten, wel-
ches die politische Lage des Landes nothwendig
macht. P. Rigal, Repräsentant ( Tarn ) ."

-- Die Regierung hat telegraphisch die Nach-
richt erhalten, daß die Armee bei der Ergänzungs-
wahl für den Niederrhein fast einstimmig für Karl
Müller gestimmt hat. Dem General Changarnier
gebührt das Verdienst dieses Manövers, welches
die Wahl als einen Akt der Subordination hin-
stellt. Ein in dieser Beziehung sehr merkwürdi-
ges Aktenstück bringt das " Evenement." Der
Kommandant der 13 Division, General Marey-
Mouge, verkündet in einem Divisions=Tagsbefehl
seinen Truppen: der Kriegsminister habe ihm be-
fohlen, den Corpskommandanten, so wie den Mi-
litärbeamten officiös anzuzeigen, daß Karl Müller
der gemäßigte Candidat für die Ersatzwahl am
Niederrhein sei.

Schweiz.

Bern, 4. Juni. Die Luzerner und Tessiner
Regierung sind in einen interessanten Conflikt mit
der Kirchenverwaltung gerathen. Ein Luzerner
Geistlicher, Jmbach, welcher 7 Jahre lang der
wichtigen Pfarre Sursee als Geistlicher und Seel-
sorger vorstand, legte vor einem Jahre sein Pfarr-
amt nieder und stellte an den Bischof von Basel
das Gesuch er möchte seine Zurücksetzung in den
Laienstand bewirken, wurde aber abgewiesen. Die
Regierung von Luzern aber gab ihm auf die An-
zeige daß er den geistlichen Stand verlasse, die
Versicherung, daß sie ihn in Recht und Pflicht
jedem andern Bürger gleich achte, und ertheilte
ihm dann die Bewilligung zur Ehe, die durch den
reformirten Geistlichen Zimmermann im Großmün-
ster zu Zürich vor 14 Tagen eingesegnet wurde,
obgleich Braut und Bräutigam katholischer Con-
fession sind, und vorher, was sonst immer ge-
schieht, kein Confessionswechsel stattgefunden hat.
Das Pfarramt ersuchte die Regierung das Zu-
sammenleben beider Leute polizeilich zu verbieten,
wurde aber abgewiesen. Der Bischof hat mit
Excommunication gedroht, wozu er nach dem rö-
mischen Kirchengesetz berechtigt, sogar verpflichtet
ist. Wird aber die Regierung dem bischöflichen
Erlasse ihr Placet ertheilen? Schwerlich. Man ist
gespannt auf den Ausgang dieses Handels. Der
große Rath von Tessin hat mit 50 gegen 36
Stimmen nach lebhafter Diskussion der päpstlichen
Wahl des Propsten Coroni an die Erzpriester-
stelle von Balerna das Placet verweigert. Die
Frage ist von Jnteresse. Die Collatur, die erste
des Kantons, steht dem Papste zu, und zwar auf
einen dreifachen Vorschlag des Erzbischofs von
Como. Die Stelle wurde 1845 vacant und
1846 geschah die Wahl, welche nach den Ante-
cedentien Coroni's als eine Provocation im son-
derbündischen Sinne galt. Nachdem der Staats-
rath das Placet verweigert hatte, wendete sich der
Bischof mit seinem Anhang 1849 an den großen
Rath, welcher das Gesuch einfach an den Staats-
rath wies. Die Petenten wiederholten ihr Gesuch
in diesem Jahr noch einmal, und die Geistlichen
des Kantons ließen alle Federn zu Gunsten Co-
roni 's springen. Aber der große Rath faßte den
schon erwähnten Beschluß und hofft Unterstützung
von der Stellung die Piemont in jüngster Zeit
eingenommen hat. Die Bundesversammlung hatte

[Spaltenumbruch] fähigkeitsbeweises zu treffen. Daher das eifrige
Bemühen, Zeugnisse für die Geistesstörung beizu-
bringen, daher diese täglich wiederkehrenden Er-
zählungen von seinen phantastischen Plänen und
Projekten in unsern gesinnungstüchtigen, unpartei-
ischen Blättern.“

Wien, 6. Juni. Jn Mähren gewinnen die
Judenkrawalle eine immer größere Ausdehnung.
Am 31. Mai war selbst in Olmütz ein solcher
Exceß, der freilich nur in einer Katzenmusik be-
stand für einen Hauseigenthümer, der sein Haus
einem Jsraeliten verkauft hatte, und am 27. Mai
war ein ähnlicher Krawall in dem nicht weit von
Olmütz entfernten Dorfe Doloplas. Jn Trebitsch,
Straßnitz und Jglau sind die Excedenten inhaf-
tirt und Untersuchungen eingeleitet, aber der Haß
gegen die Juden scheint sich der ganzen Bevölke-
rung bemächtigt zu haben, und das einzige Mit-
tel, ihn nachhaltig unschädlich zu machen, läge in
dem mäßigen Gebrauch der Gleichberechtigung
durch die Juden selbst. Scheidewände, welche
durch Jahrhunderte aufrecht standen, lassen sich
nicht über Nacht wegräumen.

   

Prerau, 7. Juni. Eingehenden Berichten zu-
folge haben sich bei der letzten Judenhetze daselbst
über 2000 Prerauer betheiligt. Alle Juden welche
in ihrem Emancipationswahne sich beikommen lie-
ßen auf Grund der Charte vom 4. März in der
Christenstadt Quartiere zu beziehen, wurden ver-
trieben und ihre Wohnungen beschädigt. Es mußte
aus Kremsier Militär in Anspruch genommen und
der Belagerungszustand verkündigt werden.

   

Berlin, 8. Juni. Noch viel strenger als
die gestern erwähnte Preß=Verordnung lautet die
Vollzugsinstruktion welche die beiden Minister des
Jnnern und des Handels, v. Manteuffel und v.
d. Heydt, in einem Umlaufschreiben an die Re-
gierungspräsidenten u. die Oberpostdirektoren erlassen
haben. Da die k. Verordnung für die Post das
Recht in Anspruch nimmt einer Zeitung die Ver-
sendung ( den Debit ) zu versagen oder zu gewäh-
ren, so werden die Regierungspräsidenten aufge-
fordert, die ihnen gefährlich erscheinenden Zeitun-
gen schleunigst ( noch vor Umlauf des Semesters )
der betreffenden Oberpostdirektion anzuzeigen, da-
mit diese die Versendung dieser Blätter einstelle.
Binnen 14 Tagen ist dem Ministerium ein Ver-
zeichniß dieser proseribirten Blätter vorzulegen.
Sollten Reklamationen eingehen, so behält sich
das Ministerium die Entscheidung vor; einstweilen
bleibt es bei den Verfügungen des Regierungs-
präsidenten.

Berlin, 8. Juni. Die Gräfin Charlotte zu
Stolberg=Wernigerode hat dem von ihr zu Alt-
dorf, im Kreise Pleß, erbauten Hospital für ober-
schlesische Typhuswaisen neuerdings ein Kapital
von 400 Thlrn. geschenkt. -- Zur Erleichterung
des Eisenbahnverkehrs ist dem Vernehmen nach
die Absicht, eine Conferenz von Bevollmächtigten
derjenigen deutschen Regierungen, welche bereits
dem Eisenbahnpostkarten=Verein angehören, nach
Dresden zu berufen und auch die übrigen deut-
schen Regierungen zur Theilnahme an dem Verein
einzuladen. Mehrere dieser letztern, namentlich
auch die k. bayer. Regierung, sollen bereits ihre
Geneigtheit zu erkennen gegeben haben, dem Ver-
ein beizutreten.

   

Breslau, 6. Juni. Seit mehreren Jahren ist
der Wollmarkt, dieser Glanzpunkt des Breslauer
Lebens, nicht so bewegt gewesen, wie diesmal.
Fast alle Gutsbesitzer der Provinz sind anwesend,
und ihre gebräunten, bärtigen Gesichter strahlen
von innerer Zufriedenheit, wenn man sie nach dem
Stande des Geschäfts fragt, obgleich man selten
eine hiermit übereinstimmende Aeußerung hören
wird. Ganz feine Wolle wurde mit 110 bis
130 Thlr., feine Mittelwolle 75--85 Thlr. und
gewöhnliche mit 60--65 Thlr. pro Ctr. bezahlt.
Seit gestern Nachmittag sind jedoch die Preise
gewichen und möchten leicht, wenn sich diese Nei-
gung erhält, bis auf den vorjährigen Preis zu-
rückgehen, welcher jedoch immer noch ein recht an-
nehmbarer ist, bei dem jeder Gutsbesitzer bestehen
kann.

   
[Spaltenumbruch]

Posen, 6. Juni. Hier ist der Behörde eine
unter das polnische Volk verbreitete Schrift in
die Hände gefallen, die zu einer neuen Schilder-
hebung geradezu auffordert. Die Schrift führt
den wunderlichen Titel: „Worte der Wahrheit
für das polnische Volk. Erschienen unter der
Obhut der allerheiligsten Mutter Gottes zu Czen-
stochau, der Schutzpatronin Polens.“ Sie predigt
den todtlichen Haß gegen Deutsche und Russen,
sucht das polnische Landvolk durch communistische
Lehren, die als künftige Gesetze verkündigt wer-
den, zur Empörung zu verlocken, und sagt ge-
radezu, daß Errettung von dem schmachvollen
Verderben des polnischen Volks nur noch durch
einen todesmuthigen allgemeinen Kampf gegen die
Unterdrücker möglich sei. Die Eidesformel der
Bundesmitglieder, welche vor einem Crucifix und
einer geweihten Kerze kniend zu sprechen ist, lau-
tet: „Jch N. N. schwöre im Angesicht des all-
mächtigen Gottes, bei dem Kreuze und Leiden des
Heilands, daß ich von ganzem Herzen und von
ganzer Seele nach dem zukünftigen glücklichen
Polen verlange; daß ich zu jeder Zeit und soviel
in meinen Kräften steht andere über Polen beleh-
ren und zur Leistung des Eides heranziehen werde.
Jch schwöre, daß ich mich, sobald der Ausspruch
des Aufstandes angekündigt wird, ohne Verzug,
mit gehörig zugerichteter Sense oder andern Waf-
sen einstellen werde.“ Schließlich werden die
Polen ermahnt, den Spaniern nachzuahmen: alle,
die Waffen tragen können, sollen die Waffen er-
greifen; Weiber, Kinder, Greise sollen die Feinde
zu Hause morden; in den Städten soll man auf
sie herab siedendes Wasser gießen oder Steine
werfen. Ueberall müssen sie vernichtet werden.
Hoffentlich werden diese gutgemeinten Lehren er-
folglos bleiben; eine neue Schilderhebung würde
wahrscheinlich mit dem gänzlichen Untergang der
Polen endigen.

Frankreich.

C Paris, 9. Juni. Man liest heute im
„ Siècle “ folgendes Schreiben des Repräsentanten
Rigal, datirt vom 8. Juni: „Herr Redakteur!
Zur Berichtigung einer von Jhnen gegebenen No-
tiz erlauben Sie mir, die wahren Thatsachen an-
zuführen. Sountag den 2. Juni ersuchte ich um
eine Audienz in der bestimmten Absicht, meine
Ansichten über die Verstümmelung des allgemei-
nen Stimmrechtes zur Kenntniß des Erwählten
vom 10. Dezember zu bringen. Jch konnte hof-
fen, daß der Präsident vom Art. 58 der Consti-
tution Gebrauch machen würde, welcher lautet:
„Der Präsident kann durch eine motivirte Bot-
schaft eine neue Berathung verlangen.“ Am 3.
Juni erschien das Wahlgesetz im Moniteur. Am
Abende desselben Tages erhielt ich ein Schreiben,
welches die Audienz auf 10 Uhr des andern
Morgens festsetzte. Pflichtgemäß stellte ich mich
zur bestimmten Stunde ein. Jch bezeichnete meine
Stellung ihm gegenüber, da ich bei seiner Wahl
nicht für ihn gestimmt hatte. Jch erklärte kurz,
wie frühere Arbeiten mir einige Autorität in
der Sache gäben, und ging zur Zahlenfrage über.
Der Präsident vernahm meine Darlegung mit
sichtlichem Jnteresse. Jch hatte gezeigt, wie sechs
Millionen Wähler gestrichen wurden und fügte
hinzu: „Dieß ist gerade die Anzahl Stimmen,
welche den Präsidenten der Republik geschaffen
haben, vielleicht sind es sogar die nämlichen.“ --
Es ward mir die Antwort: „Das gestern ver-
kündigte Gesetz bezieht sich speziell auf die Er-
nennung der Repräsentanten. Der Präsident
der Republik wird gewählt kraft eines von der
Constituante auch ausdrücklich für diesen besonde-
ren Fall gegebenen Gesetzes.“ Jch verhehlte mein
Erstaunen über diese Ansicht nicht. Jch drang
entschiedener vor und sagte: „Gesetzt, das allge-
meine Stimmrecht könnte auf Einen großen Tag
wieder auferstehen, ist es nicht wahrscheinlich, daß
das Volk wenig Sympathie für einen Beamten
haben werde, unter welchem, wenn auch nicht
durch welchen es seines Rechtes beraubt wor-
den? „Dieß ist eine persöniche Frage. Jch oder
ein anderer, daran liegt wenig: aber die Wahl
[Spaltenumbruch] des Präsidenten der Repulik ist durch das neue
Gesetz nicht geregelt.“ Jch bezeichne diesen Satz
ausdrücklich mit Anführungszeichen, um ihre No-
tiz zu berichtigen. Jch theilte die Hauptpunkte
dieses Gesprächs nur sehr wenigen politischen
Freunden mit, sah aber, daß meine Verschwiegen-
heit unnöthig war. Der Präsident Dupin kam im
Elysee in dem Augenblik an, in welchem ich es
verließ. Er schien überrascht, da er mich nie
dort gesehen. Mittwoch, 5 Juni Abends rief
mir am Schlusse der Nationalversammlung Du-
pin zu: „Nun! haben Sie den Präsidenten der
Republik bekehrt?“ -- „Sie wußten wohl, daß
ich zu spät kam.“ -- Die Sache war dadurch
öffentlich geworden. Jch konnte nicht länger schwei-
gen. Mein Brief ist lang, doch wollte ich be-
weisen, welchen Maßstab man mir für Einigung
der Convenienz mit einem Zeugnisse geboten, wel-
ches die politische Lage des Landes nothwendig
macht. P. Rigal, Repräsentant ( Tarn ) .“

-- Die Regierung hat telegraphisch die Nach-
richt erhalten, daß die Armee bei der Ergänzungs-
wahl für den Niederrhein fast einstimmig für Karl
Müller gestimmt hat. Dem General Changarnier
gebührt das Verdienst dieses Manövers, welches
die Wahl als einen Akt der Subordination hin-
stellt. Ein in dieser Beziehung sehr merkwürdi-
ges Aktenstück bringt das „ Evénement.“ Der
Kommandant der 13 Division, General Marey-
Mouge, verkündet in einem Divisions=Tagsbefehl
seinen Truppen: der Kriegsminister habe ihm be-
fohlen, den Corpskommandanten, so wie den Mi-
litärbeamten officiös anzuzeigen, daß Karl Müller
der gemäßigte Candidat für die Ersatzwahl am
Niederrhein sei.

Schweiz.

Bern, 4. Juni. Die Luzerner und Tessiner
Regierung sind in einen interessanten Conflikt mit
der Kirchenverwaltung gerathen. Ein Luzerner
Geistlicher, Jmbach, welcher 7 Jahre lang der
wichtigen Pfarre Sursee als Geistlicher und Seel-
sorger vorstand, legte vor einem Jahre sein Pfarr-
amt nieder und stellte an den Bischof von Basel
das Gesuch er möchte seine Zurücksetzung in den
Laienstand bewirken, wurde aber abgewiesen. Die
Regierung von Luzern aber gab ihm auf die An-
zeige daß er den geistlichen Stand verlasse, die
Versicherung, daß sie ihn in Recht und Pflicht
jedem andern Bürger gleich achte, und ertheilte
ihm dann die Bewilligung zur Ehe, die durch den
reformirten Geistlichen Zimmermann im Großmün-
ster zu Zürich vor 14 Tagen eingesegnet wurde,
obgleich Braut und Bräutigam katholischer Con-
fession sind, und vorher, was sonst immer ge-
schieht, kein Confessionswechsel stattgefunden hat.
Das Pfarramt ersuchte die Regierung das Zu-
sammenleben beider Leute polizeilich zu verbieten,
wurde aber abgewiesen. Der Bischof hat mit
Excommunication gedroht, wozu er nach dem rö-
mischen Kirchengesetz berechtigt, sogar verpflichtet
ist. Wird aber die Regierung dem bischöflichen
Erlasse ihr Placet ertheilen? Schwerlich. Man ist
gespannt auf den Ausgang dieses Handels. Der
große Rath von Tessin hat mit 50 gegen 36
Stimmen nach lebhafter Diskussion der päpstlichen
Wahl des Propsten Coroni an die Erzpriester-
stelle von Balerna das Placet verweigert. Die
Frage ist von Jnteresse. Die Collatur, die erste
des Kantons, steht dem Papste zu, und zwar auf
einen dreifachen Vorschlag des Erzbischofs von
Como. Die Stelle wurde 1845 vacant und
1846 geschah die Wahl, welche nach den Ante-
cedentien Coroni's als eine Provocation im son-
derbündischen Sinne galt. Nachdem der Staats-
rath das Placet verweigert hatte, wendete sich der
Bischof mit seinem Anhang 1849 an den großen
Rath, welcher das Gesuch einfach an den Staats-
rath wies. Die Petenten wiederholten ihr Gesuch
in diesem Jahr noch einmal, und die Geistlichen
des Kantons ließen alle Federn zu Gunsten Co-
roni 's springen. Aber der große Rath faßte den
schon erwähnten Beschluß und hofft Unterstützung
von der Stellung die Piemont in jüngster Zeit
eingenommen hat. Die Bundesversammlung hatte

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[0002] fähigkeitsbeweises zu treffen. Daher das eifrige Bemühen, Zeugnisse für die Geistesstörung beizu- bringen, daher diese täglich wiederkehrenden Er- zählungen von seinen phantastischen Plänen und Projekten in unsern gesinnungstüchtigen, unpartei- ischen Blättern.“ Wien, 6. Juni. Jn Mähren gewinnen die Judenkrawalle eine immer größere Ausdehnung. Am 31. Mai war selbst in Olmütz ein solcher Exceß, der freilich nur in einer Katzenmusik be- stand für einen Hauseigenthümer, der sein Haus einem Jsraeliten verkauft hatte, und am 27. Mai war ein ähnlicher Krawall in dem nicht weit von Olmütz entfernten Dorfe Doloplas. Jn Trebitsch, Straßnitz und Jglau sind die Excedenten inhaf- tirt und Untersuchungen eingeleitet, aber der Haß gegen die Juden scheint sich der ganzen Bevölke- rung bemächtigt zu haben, und das einzige Mit- tel, ihn nachhaltig unschädlich zu machen, läge in dem mäßigen Gebrauch der Gleichberechtigung durch die Juden selbst. Scheidewände, welche durch Jahrhunderte aufrecht standen, lassen sich nicht über Nacht wegräumen. ( D. Z. ) Prerau, 7. Juni. Eingehenden Berichten zu- folge haben sich bei der letzten Judenhetze daselbst über 2000 Prerauer betheiligt. Alle Juden welche in ihrem Emancipationswahne sich beikommen lie- ßen auf Grund der Charte vom 4. März in der Christenstadt Quartiere zu beziehen, wurden ver- trieben und ihre Wohnungen beschädigt. Es mußte aus Kremsier Militär in Anspruch genommen und der Belagerungszustand verkündigt werden. ( A. Z. ) Berlin, 8. Juni. Noch viel strenger als die gestern erwähnte Preß=Verordnung lautet die Vollzugsinstruktion welche die beiden Minister des Jnnern und des Handels, v. Manteuffel und v. d. Heydt, in einem Umlaufschreiben an die Re- gierungspräsidenten u. die Oberpostdirektoren erlassen haben. Da die k. Verordnung für die Post das Recht in Anspruch nimmt einer Zeitung die Ver- sendung ( den Debit ) zu versagen oder zu gewäh- ren, so werden die Regierungspräsidenten aufge- fordert, die ihnen gefährlich erscheinenden Zeitun- gen schleunigst ( noch vor Umlauf des Semesters ) der betreffenden Oberpostdirektion anzuzeigen, da- mit diese die Versendung dieser Blätter einstelle. Binnen 14 Tagen ist dem Ministerium ein Ver- zeichniß dieser proseribirten Blätter vorzulegen. Sollten Reklamationen eingehen, so behält sich das Ministerium die Entscheidung vor; einstweilen bleibt es bei den Verfügungen des Regierungs- präsidenten. Berlin, 8. Juni. Die Gräfin Charlotte zu Stolberg=Wernigerode hat dem von ihr zu Alt- dorf, im Kreise Pleß, erbauten Hospital für ober- schlesische Typhuswaisen neuerdings ein Kapital von 400 Thlrn. geschenkt. -- Zur Erleichterung des Eisenbahnverkehrs ist dem Vernehmen nach die Absicht, eine Conferenz von Bevollmächtigten derjenigen deutschen Regierungen, welche bereits dem Eisenbahnpostkarten=Verein angehören, nach Dresden zu berufen und auch die übrigen deut- schen Regierungen zur Theilnahme an dem Verein einzuladen. Mehrere dieser letztern, namentlich auch die k. bayer. Regierung, sollen bereits ihre Geneigtheit zu erkennen gegeben haben, dem Ver- ein beizutreten. ( Frkf. O.P.A.=Ztg. ) Breslau, 6. Juni. Seit mehreren Jahren ist der Wollmarkt, dieser Glanzpunkt des Breslauer Lebens, nicht so bewegt gewesen, wie diesmal. Fast alle Gutsbesitzer der Provinz sind anwesend, und ihre gebräunten, bärtigen Gesichter strahlen von innerer Zufriedenheit, wenn man sie nach dem Stande des Geschäfts fragt, obgleich man selten eine hiermit übereinstimmende Aeußerung hören wird. Ganz feine Wolle wurde mit 110 bis 130 Thlr., feine Mittelwolle 75--85 Thlr. und gewöhnliche mit 60--65 Thlr. pro Ctr. bezahlt. Seit gestern Nachmittag sind jedoch die Preise gewichen und möchten leicht, wenn sich diese Nei- gung erhält, bis auf den vorjährigen Preis zu- rückgehen, welcher jedoch immer noch ein recht an- nehmbarer ist, bei dem jeder Gutsbesitzer bestehen kann. ( K. Z. ) Posen, 6. Juni. Hier ist der Behörde eine unter das polnische Volk verbreitete Schrift in die Hände gefallen, die zu einer neuen Schilder- hebung geradezu auffordert. Die Schrift führt den wunderlichen Titel: „Worte der Wahrheit für das polnische Volk. Erschienen unter der Obhut der allerheiligsten Mutter Gottes zu Czen- stochau, der Schutzpatronin Polens.“ Sie predigt den todtlichen Haß gegen Deutsche und Russen, sucht das polnische Landvolk durch communistische Lehren, die als künftige Gesetze verkündigt wer- den, zur Empörung zu verlocken, und sagt ge- radezu, daß Errettung von dem schmachvollen Verderben des polnischen Volks nur noch durch einen todesmuthigen allgemeinen Kampf gegen die Unterdrücker möglich sei. Die Eidesformel der Bundesmitglieder, welche vor einem Crucifix und einer geweihten Kerze kniend zu sprechen ist, lau- tet: „Jch N. N. schwöre im Angesicht des all- mächtigen Gottes, bei dem Kreuze und Leiden des Heilands, daß ich von ganzem Herzen und von ganzer Seele nach dem zukünftigen glücklichen Polen verlange; daß ich zu jeder Zeit und soviel in meinen Kräften steht andere über Polen beleh- ren und zur Leistung des Eides heranziehen werde. Jch schwöre, daß ich mich, sobald der Ausspruch des Aufstandes angekündigt wird, ohne Verzug, mit gehörig zugerichteter Sense oder andern Waf- sen einstellen werde.“ Schließlich werden die Polen ermahnt, den Spaniern nachzuahmen: alle, die Waffen tragen können, sollen die Waffen er- greifen; Weiber, Kinder, Greise sollen die Feinde zu Hause morden; in den Städten soll man auf sie herab siedendes Wasser gießen oder Steine werfen. Ueberall müssen sie vernichtet werden. Hoffentlich werden diese gutgemeinten Lehren er- folglos bleiben; eine neue Schilderhebung würde wahrscheinlich mit dem gänzlichen Untergang der Polen endigen. Frankreich. C Paris, 9. Juni. Man liest heute im „ Siècle “ folgendes Schreiben des Repräsentanten Rigal, datirt vom 8. Juni: „Herr Redakteur! Zur Berichtigung einer von Jhnen gegebenen No- tiz erlauben Sie mir, die wahren Thatsachen an- zuführen. Sountag den 2. Juni ersuchte ich um eine Audienz in der bestimmten Absicht, meine Ansichten über die Verstümmelung des allgemei- nen Stimmrechtes zur Kenntniß des Erwählten vom 10. Dezember zu bringen. Jch konnte hof- fen, daß der Präsident vom Art. 58 der Consti- tution Gebrauch machen würde, welcher lautet: „Der Präsident kann durch eine motivirte Bot- schaft eine neue Berathung verlangen.“ Am 3. Juni erschien das Wahlgesetz im Moniteur. Am Abende desselben Tages erhielt ich ein Schreiben, welches die Audienz auf 10 Uhr des andern Morgens festsetzte. Pflichtgemäß stellte ich mich zur bestimmten Stunde ein. Jch bezeichnete meine Stellung ihm gegenüber, da ich bei seiner Wahl nicht für ihn gestimmt hatte. Jch erklärte kurz, wie frühere Arbeiten mir einige Autorität in der Sache gäben, und ging zur Zahlenfrage über. Der Präsident vernahm meine Darlegung mit sichtlichem Jnteresse. Jch hatte gezeigt, wie sechs Millionen Wähler gestrichen wurden und fügte hinzu: „Dieß ist gerade die Anzahl Stimmen, welche den Präsidenten der Republik geschaffen haben, vielleicht sind es sogar die nämlichen.“ -- Es ward mir die Antwort: „Das gestern ver- kündigte Gesetz bezieht sich speziell auf die Er- nennung der Repräsentanten. Der Präsident der Republik wird gewählt kraft eines von der Constituante auch ausdrücklich für diesen besonde- ren Fall gegebenen Gesetzes.“ Jch verhehlte mein Erstaunen über diese Ansicht nicht. Jch drang entschiedener vor und sagte: „Gesetzt, das allge- meine Stimmrecht könnte auf Einen großen Tag wieder auferstehen, ist es nicht wahrscheinlich, daß das Volk wenig Sympathie für einen Beamten haben werde, unter welchem, wenn auch nicht durch welchen es seines Rechtes beraubt wor- den? „Dieß ist eine persöniche Frage. Jch oder ein anderer, daran liegt wenig: aber die Wahl des Präsidenten der Repulik ist durch das neue Gesetz nicht geregelt.“ Jch bezeichne diesen Satz ausdrücklich mit Anführungszeichen, um ihre No- tiz zu berichtigen. Jch theilte die Hauptpunkte dieses Gesprächs nur sehr wenigen politischen Freunden mit, sah aber, daß meine Verschwiegen- heit unnöthig war. Der Präsident Dupin kam im Elysee in dem Augenblik an, in welchem ich es verließ. Er schien überrascht, da er mich nie dort gesehen. Mittwoch, 5 Juni Abends rief mir am Schlusse der Nationalversammlung Du- pin zu: „Nun! haben Sie den Präsidenten der Republik bekehrt?“ -- „Sie wußten wohl, daß ich zu spät kam.“ -- Die Sache war dadurch öffentlich geworden. Jch konnte nicht länger schwei- gen. Mein Brief ist lang, doch wollte ich be- weisen, welchen Maßstab man mir für Einigung der Convenienz mit einem Zeugnisse geboten, wel- ches die politische Lage des Landes nothwendig macht. P. Rigal, Repräsentant ( Tarn ) .“ -- Die Regierung hat telegraphisch die Nach- richt erhalten, daß die Armee bei der Ergänzungs- wahl für den Niederrhein fast einstimmig für Karl Müller gestimmt hat. Dem General Changarnier gebührt das Verdienst dieses Manövers, welches die Wahl als einen Akt der Subordination hin- stellt. Ein in dieser Beziehung sehr merkwürdi- ges Aktenstück bringt das „ Evénement.“ Der Kommandant der 13 Division, General Marey- Mouge, verkündet in einem Divisions=Tagsbefehl seinen Truppen: der Kriegsminister habe ihm be- fohlen, den Corpskommandanten, so wie den Mi- litärbeamten officiös anzuzeigen, daß Karl Müller der gemäßigte Candidat für die Ersatzwahl am Niederrhein sei. Schweiz. Bern, 4. Juni. Die Luzerner und Tessiner Regierung sind in einen interessanten Conflikt mit der Kirchenverwaltung gerathen. Ein Luzerner Geistlicher, Jmbach, welcher 7 Jahre lang der wichtigen Pfarre Sursee als Geistlicher und Seel- sorger vorstand, legte vor einem Jahre sein Pfarr- amt nieder und stellte an den Bischof von Basel das Gesuch er möchte seine Zurücksetzung in den Laienstand bewirken, wurde aber abgewiesen. Die Regierung von Luzern aber gab ihm auf die An- zeige daß er den geistlichen Stand verlasse, die Versicherung, daß sie ihn in Recht und Pflicht jedem andern Bürger gleich achte, und ertheilte ihm dann die Bewilligung zur Ehe, die durch den reformirten Geistlichen Zimmermann im Großmün- ster zu Zürich vor 14 Tagen eingesegnet wurde, obgleich Braut und Bräutigam katholischer Con- fession sind, und vorher, was sonst immer ge- schieht, kein Confessionswechsel stattgefunden hat. Das Pfarramt ersuchte die Regierung das Zu- sammenleben beider Leute polizeilich zu verbieten, wurde aber abgewiesen. Der Bischof hat mit Excommunication gedroht, wozu er nach dem rö- mischen Kirchengesetz berechtigt, sogar verpflichtet ist. Wird aber die Regierung dem bischöflichen Erlasse ihr Placet ertheilen? Schwerlich. Man ist gespannt auf den Ausgang dieses Handels. Der große Rath von Tessin hat mit 50 gegen 36 Stimmen nach lebhafter Diskussion der päpstlichen Wahl des Propsten Coroni an die Erzpriester- stelle von Balerna das Placet verweigert. Die Frage ist von Jnteresse. Die Collatur, die erste des Kantons, steht dem Papste zu, und zwar auf einen dreifachen Vorschlag des Erzbischofs von Como. Die Stelle wurde 1845 vacant und 1846 geschah die Wahl, welche nach den Ante- cedentien Coroni's als eine Provocation im son- derbündischen Sinne galt. Nachdem der Staats- rath das Placet verweigert hatte, wendete sich der Bischof mit seinem Anhang 1849 an den großen Rath, welcher das Gesuch einfach an den Staats- rath wies. Die Petenten wiederholten ihr Gesuch in diesem Jahr noch einmal, und die Geistlichen des Kantons ließen alle Federn zu Gunsten Co- roni 's springen. Aber der große Rath faßte den schon erwähnten Beschluß und hofft Unterstützung von der Stellung die Piemont in jüngster Zeit eingenommen hat. Die Bundesversammlung hatte

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 140. Würzburg, 12. Juni 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische140_1850/2>, abgerufen am 21.11.2024.