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Die Bayerische Presse. Nr. 113. Würzburg, 11. Mai 1850.

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[Spaltenumbruch] wird raisonnirt und gezecht, die Theilnehmer ver-
nachläßigen ihre Familien, vergeuden ihr Geld,
werden am Ende arbeitsscheu, und versinken all-
mälig immer tiefer und tiefer in den Schlamm
physischer und moralischer Unbehaglichkeit, aus dem
sie ihrer Ansicht nach nichts zu reuen vermag, als
der Umsturz des Bestehenden. Jn diesen Ver-
sammlungen, die sich dem Uneingeweihten als ein-
fache Wirthshausgesellschaften darstellen, gibt es
nur Brüder und Schwestern, jede sonstige Höf-
lichkeitsformel ist verpönt; es wird auch, so lange
im sog. Extrazimmer noch Fremde, d. h. verdäch-
tige Gäste sich befinden, nichts gesprochen, was
irgend verfänglich wäre. Erst wenn die "soliden"
Gäste sich entfernt haben, dann spendet man sich
gegenseitig den Weihekuß, und die Agitation be-
ginnt. Charakteristisch ist, daß dieselben Leute, die
in den abendlichen Zusammenkünften sich dutzen,
am Tage und auf der Straße ganz fremd gegen
einander thun, und durch gar nichts verrathen,
daß sie Mitglieder ein und derselben Propaganda
sind. Wohin das führen soll, ist nicht abzusehen;
die Behörden können nicht füglich dagegen ein-
schreiten, weil die Betreffenden selbst den Schein
des Geheimnißvollen vermeiden, u. man am Ende den
Leuten weder den Besuch der Gasthäuser, noch
Visiten bei einem guten Freunde verbieten kann.
Seit die Verordnungen in kirchlichen Angelegen-
heiten erschienen sind, und die Spottlust der Wie-
ner die Läßigen im Glauben mit Schreckbildern
aller Art neckt, mit dem großen Bann, dem klei-
nen Bann, mit der gezwungenen Ablieferung der
Beichtzettel an die kathol. Seelsorger, mit Kir-
chenstrafen im Büßerhemde ec., treiben die Ver-
brüderten ihr gefährliches Spiel wo möglich noch
energischer und setzen alle Künste der Ueberredung
in Bewegung, um der neuen Lehre Freunde zu
gewinnen. Die hiesige loyale Presse, um nicht
illiberal zu scheinen, schweigt über diese inneren
Zustände, entweder weil sie nicht sattsam unter-
richtet ist von der Großartigkeit dieser Umtriebe,
oder weil sie fürchtet, von den oppositionellen
Journalen überschrieen und des Denuncianten-
thums verdächtigt zu werden. Gegen Agitationen
von dieser Ausdehnung und Beschaffenheit nützt
kein Ausnahmszustand, ja er ist sogar ein Hin-
derniß zur Bekämpfung derselben, weil er jeder
unbefangenen ehrlichen Association hemmend in
den Weg tritt, und den wahrhaften Menschen-
freunden den Weg abschneidet, die Massen aufzu-
klären über die Gefährlichkeit der Bestrebungen
dieser geheimen Gesellschaften an öffentlichen Or-
ten. Heute wurde ein hiesiges Winkelblatt --
die "Nationalzeitschrift" -- mit Beschlag belegt,
weil sie in einem Artikel zu beweisen suchte: die
kathol. Religion sei die dümmste, ergo die beste
im absolutistischen Sinne.

Wien, 6. Mai. Jn Betreff der demnächst
bevorstehenden Abreise Sr. Maj. des Kaisers sind
uns folgende Details aus zuverlässiger Quelle
bekannt geworden. Die Reise wird am 8. d. M.
angetreten werden, und beiläufig 14 Tage in
Auspruch nehmen. Jn Gratz und Laibach wird
Se. Maj. einen Tag, in Triest 4 Tage ver-
weilen. Nach einem kurzen Ausfluge nach Peta
erfolgt die Rückreise auf derselben Route. -- Aus
glaubwürdiger Quelle erfährt der "Spiegel", daß
in Bälde eine authentische Geschichte des Feld-
zugs der k. k. Armee in Ungarn unter dem Com-
mando des Baron Haynau in prachtvoller Aus-
stattung, mit genauen Karten und Plänen ver-
sehen, und aus einer competenten militärischen
Feder fließend, in Pesth im Drucke erscheinen
werde.

Triest, 6. Mai. Nach einiger Verspätung ist
nun das Dampfschiff aus der Levante eingetroffen.
Aus dem Piräeus erhalten wir die Notiz von der
endlichen Beilegung des englisch=hellenischen Zwi-
stes, einer traurigen Beilegung! Aus Mittheilun-
gen die der "Vaubau[unleserliches Material] " am 24. für die Herren
Gros und Thouvenel und von Seite des Herrn
Tricupis für die griechische Regierung gebracht,
ging hervor, daß Griechenland aus der Vermitte-
lung wenig oder gar nichts zu hoffen hatte. Hr.
Wyse drang auf Erfüllung der von ihm aufer-
[Spaltenumbruch][unleserliches Material - 5 Zeichen fehlen]egren Bedingungen. Die griechische Regierung
zögerte. Hr. Wyse kündigte den Wiederbeginn
der Gewaltmaßregeln für den 25. an, und wirk-
lich begann wieder die Blokade. Das Ministe-
rium rief die Kammern zusammen, und man be-
schloß, da Griechenland nirgends Hilfe fand, nach-
zugeben. Hr. Wyse forderte 30,000 Drachmen
für Hrn. Finlay sammt Jnteressen bis 4. April;
600 Pf. St. für Pacifico sammt Jnteressen zu
12 Proc., also 17,538 Dr.; 6756 Dr. für die
vier geplunderten jonischen Fahrzeuge in Salamis
sammt Jnteressen, also 9,583. 52 Dr.; sodann
2946. 97 Dr. für die in Patras und Pyrgos
beschäftigten Jonier, und 120,000 Dr. für Paci-
fico zur Vergütung seiner Verluste, die Forderung
an Portugal nicht eingerechnet. Für letztere de-
ponirt Griechenland 150,000 Dr. Für die be-
leidigte englische Flagge in Patras wird offlcielle
Entschuldigung geleistet. Die Noten des Hrn.
Londos an Hrn. Wyse vom 25. und 27. entspra-
chen diesen Forderungen, und enthielten einen
Schein über Dr. 330,068. 49. Der englische
Gesandte ist wieder in Athen. Die Flotte geht
nach Ncapel, um die Forderungen für in Sici-
lien beschädigte Engländer einzutreiben. Der " Jn-
flexible " ist nach Toulon. Jm Piräeus ist noch
der "Odin" und "Firebrand". Am 29. kamen die
bisher mit Beschlag belegten Schiffe von Salamis
nach dem Piräeus.

   

Südsteiermark. Auf alle Güter des Grafen
Clemens von Brandis werden Liguorianer als
Missionsprediger berufen, also nach Windan,
Schleinitz, Freiheim, Freienstein cc., auch im Pet-
tauer Felde werden sie beim Jubiläum der Kirche
Cerna gora ( Maria Neustift ) erwartet, und ein
Pfarrer der Bezirkshauptmannschaft Marburg
soll bereits erbötig sein, ihnen ein Haus zu
bauen.

England.

London, 4. Mai. An einem der geistlichen
Gerichtshöfe gibt es einen Posten, der wohl das
Non=plus=ultra einer reichen Sinecure ist; es ist
die Stelle eines Registrators an dem Prärogativ-
Gerichtshofe zu Canterbury, womit gar keine Ar-
beit und ein Gehalt von 12,000 Pf. verbunden
ist. Der Erzbischof hat die Stelle zu besetzen,
und es ist interessant zu sehen, wie die letzten
Erzbischöfe ihr Recht gebraucht haben. Erzbischof
Moore gab diese Stelle seinen beiden Söhnen;
Manners Soutton seinem Enkel, einem Knaben
von 10--12 Jahren; sein Nachfolger Howley
weigerte sich, die Stelle zu besetzen, -- ein sel-
tenes Beispiel von Uneigennützigkeit; der jetzige
Erzbischof, Sumner, hat sie seinem Sohne, einem
jungen Manne, der im Tempel studirt, gegeben.
Sir C. Hall brachte die Sache im Unterhause
kürzlich zur Sprache und die Stelle wird wahr-
scheinlich abgeschafft.

Frankreich.

Paris, 6. Mai. Ein Vorfall hat gestern
großes Aufsehen unter der Bevölkerung des dem
Jnvalidenhause zunächst angrenzenden Stadttheils
erregt. Als nämlich der Präsident der Republik
aus dem Dom der Jnvaliden, in welchem die ge-
bräuchliche Trauerfeier zum Andenken an Napo-
leons Sterbetag stattgefunden hatte, eben heraus-
trat, umringte ihn eine Masse Neugieriger mit
dem lauten Ruf: " Vive l'Empereur! Vive
Napoleon! Vive le premier Consul
!"

Paris, 6. Mai. Dieser Tage ward zu Lyon
das Leichenbegängniß eines thätigen Mitgliedes
der Sozialisten = Partei abgehalten. Eine Masse
seiner Meinungsgenossen, aber kein Geistlicher,
folgte dem Leichenwagen. Zu St. Just wurde
der Zug so tobend und drohend, daß der Posten
an der Kaserne unter die Waffen trat, worauf
die Soldaten gröblich beschimpft wurden. Auf
dem Kirchhofe kam es zwischen Mitgliedern des
Zuges zum Handgemenge, und als die Leiche
ins Grab gelegt war, erfolgte ein ernster Kampf,
in dessen Mitte eine Art Leichenrede gesprochen
ward. Noch nie wurde der Kirchhof so schmäh-
lich entweiht. Viele der Bessergesinnten aus dem
[Spaltenumbruch] Zuge eilten entrüstet heim, die übrigen gingen in
die Wirthshäuser oder unterhielten sich mit Jn-
sultirung friedlicher Vorbeigehenden. Wäre nicht
die Polizei eingeschritten, so hätten noch weit är-
gere Erzesse stattgefunden.

Paris, 8. Mai. Der General Gemeau hat
seinen Posten in Lyon, auf dem er durch den Ge-
neral de Castellane ersetzt wird, verlassen. Gemeau
äußerte in seiner Abschiedsrede an eine Deputa-
tion Lyoner Einwohner: "Jch gehe nach Rom,
weil ich dort den Schlußstein des socialen Ge-
bäudes selbst aufrecht zu erhalten glaube. Denn
meiner Ueberzeugung nach sind der Papst, die
Kirche, kurz die Religion, die wahren Grundlagen
unserer Civilisation."

C Paris, 8. Mai. Jn der heutigen Sitz-
ung wird endlich das neue Wahlgesetz vom Mi-
nister des Jnnern vorgelegt und die Dringlichkeit
dafür begehrt werden. Schon bei der Vorfrage
erwartet man leidenschaftliche Debatten. Da die
allgemeinen Wahlen erst in zwei Jahren Statt
sinden, auch keine Ersatzwahl in Aussicht steht,
ist die Dringlichkeitsforderung nur eine Sonde
für die eigentliche Abstimmung über das Gesetz.
Anderseits ist die Annahme des Gesetzes sicher,
wenn die Dringlichkeit zugestanden wird, d. h.
wenn man die vorläufige Prüfung des Staats-
raths verwirft und eine Lesung statt dreier fest-
setzt. Außer Berryer, den sein Amt als Bericht-
erstatter des Budgets fesselte, war kein Mitglied
der Siebzehnerkommission anwesend. Nur Reuois
d'Azy kam um 3 Uhr, flüsterte dem Präsidenten
einige Worte in's Ohr und verschwand. Die
Kommission hielt gestern Nachts eine lange Sitz-
ung, in welcher die vom Minister Baroche ab-
gefaßte Motivirung des Entwurfs noch bedeutend
gemildert wurde. -- Die Linke soll beschlossen
haben, nach Vorlage der Wahlreform wie bei
Larochejouquelin's Antrage die Vorfrage zu be-
gehren. -- L'Evenement enthält folgendes: Die
Bedingung eines zweijährigen Aufenthals, welcher
vorgeschlagen ist, würde zuerst den Präsidenten
der Republik seines Wahlrechtes verlustig
machen, da selber erst seit September 1848 in
Paris angekommen ist.

Dupin ist denn heute doch nach dem Depar-
tement Nievre abgereist, wo er auf seiner Besi-
tzung Raffigny 8--14 Tage verweilen wird. Man
deutet diese Beharrlichkeit des Prasidenten, auf
Urlaub zu gehen, als ein kluges Ausweichen vor
den Dingen, so da während dieser Zeit kommen
dürften. -- "L'Opinion publique" zeigt die ge-
stern Abend erfolgte Abreise Persigny's nach Ber-
lin an. Damit verschwinden alle auf ihn bezüg-
lichen Gerüchte. -- Le Siecle versichert, in al-
len Verwaltungszweigen habe man jetzt eine Menge
Beamten abgesetzt, und ihnen als alleiniges Mo-
tiv bezeichnet: Carlier habe sie als des Socialis-
mus verdächtig denuncirt. -- Heute kam ein Ka-
binetskurier mit Depeschen aus St. Petersburg
an. Es wurde sofort Ministerrath gehalten. --
Dupin hat den Vicepräsidenten General Bedeau
ersucht, im Fall energische Maßregeln zu ergreifen
wären, das Präsidium zu übernehmen. Ein Mit-
glied der Rechten bemerkte darüber: "Wir haben
zwar drei afrikanische Generale; aber Lamoriciere
kommt zu früh, Cavaignac zu spät, und Bedeau
gar nicht!" -- Die Repräsentanten kommen heute
ungewöhnlich zeitlich und zahlreich. Die Unterre-
dungen sind sehr lebhaft. Man drängt sich auf
den Tribunen. Die diplomatische Tribune ist nur
von Damen besetzt, kein einziger Diplomat zuge-
gen. Eugene Sue erscheint zum Erstenmal in der
Nationalversammlung; er nimmt zwischen Flotte
und Vidal Platz. -- Gesetzgebende Ver-
sammlung;
Sitzung vom 8. Mai. Den Vorsitz
führt General Bedeau. Minister Baroche legt
den Gesetzes=Entwurf über Wahlreform nieder,
fordert die Dringlichkeit und begehrt das Wort.
( Bewegung. ) Die Regierung hat sich bemüßigt
gesehen, wegen Beunruhigung der öffentlichen Mei-
nung durch das bestehende Wahlgesetz auf dessen
Abänderung anzutragen ( Lesen! Lesen! ) Die ge-
fährlichste Bestimmung sei der nur sechsmonatliche
Aufenthalt. So könne ein Wähler nach der Reihe

[Spaltenumbruch] wird raisonnirt und gezecht, die Theilnehmer ver-
nachläßigen ihre Familien, vergeuden ihr Geld,
werden am Ende arbeitsscheu, und versinken all-
mälig immer tiefer und tiefer in den Schlamm
physischer und moralischer Unbehaglichkeit, aus dem
sie ihrer Ansicht nach nichts zu reuen vermag, als
der Umsturz des Bestehenden. Jn diesen Ver-
sammlungen, die sich dem Uneingeweihten als ein-
fache Wirthshausgesellschaften darstellen, gibt es
nur Brüder und Schwestern, jede sonstige Höf-
lichkeitsformel ist verpönt; es wird auch, so lange
im sog. Extrazimmer noch Fremde, d. h. verdäch-
tige Gäste sich befinden, nichts gesprochen, was
irgend verfänglich wäre. Erst wenn die „soliden“
Gäste sich entfernt haben, dann spendet man sich
gegenseitig den Weihekuß, und die Agitation be-
ginnt. Charakteristisch ist, daß dieselben Leute, die
in den abendlichen Zusammenkünften sich dutzen,
am Tage und auf der Straße ganz fremd gegen
einander thun, und durch gar nichts verrathen,
daß sie Mitglieder ein und derselben Propaganda
sind. Wohin das führen soll, ist nicht abzusehen;
die Behörden können nicht füglich dagegen ein-
schreiten, weil die Betreffenden selbst den Schein
des Geheimnißvollen vermeiden, u. man am Ende den
Leuten weder den Besuch der Gasthäuser, noch
Visiten bei einem guten Freunde verbieten kann.
Seit die Verordnungen in kirchlichen Angelegen-
heiten erschienen sind, und die Spottlust der Wie-
ner die Läßigen im Glauben mit Schreckbildern
aller Art neckt, mit dem großen Bann, dem klei-
nen Bann, mit der gezwungenen Ablieferung der
Beichtzettel an die kathol. Seelsorger, mit Kir-
chenstrafen im Büßerhemde ec., treiben die Ver-
brüderten ihr gefährliches Spiel wo möglich noch
energischer und setzen alle Künste der Ueberredung
in Bewegung, um der neuen Lehre Freunde zu
gewinnen. Die hiesige loyale Presse, um nicht
illiberal zu scheinen, schweigt über diese inneren
Zustände, entweder weil sie nicht sattsam unter-
richtet ist von der Großartigkeit dieser Umtriebe,
oder weil sie fürchtet, von den oppositionellen
Journalen überschrieen und des Denuncianten-
thums verdächtigt zu werden. Gegen Agitationen
von dieser Ausdehnung und Beschaffenheit nützt
kein Ausnahmszustand, ja er ist sogar ein Hin-
derniß zur Bekämpfung derselben, weil er jeder
unbefangenen ehrlichen Association hemmend in
den Weg tritt, und den wahrhaften Menschen-
freunden den Weg abschneidet, die Massen aufzu-
klären über die Gefährlichkeit der Bestrebungen
dieser geheimen Gesellschaften an öffentlichen Or-
ten. Heute wurde ein hiesiges Winkelblatt --
die „Nationalzeitschrift“ -- mit Beschlag belegt,
weil sie in einem Artikel zu beweisen suchte: die
kathol. Religion sei die dümmste, ergo die beste
im absolutistischen Sinne.

Wien, 6. Mai. Jn Betreff der demnächst
bevorstehenden Abreise Sr. Maj. des Kaisers sind
uns folgende Details aus zuverlässiger Quelle
bekannt geworden. Die Reise wird am 8. d. M.
angetreten werden, und beiläufig 14 Tage in
Auspruch nehmen. Jn Gratz und Laibach wird
Se. Maj. einen Tag, in Triest 4 Tage ver-
weilen. Nach einem kurzen Ausfluge nach Peta
erfolgt die Rückreise auf derselben Route. -- Aus
glaubwürdiger Quelle erfährt der „Spiegel“, daß
in Bälde eine authentische Geschichte des Feld-
zugs der k. k. Armee in Ungarn unter dem Com-
mando des Baron Haynau in prachtvoller Aus-
stattung, mit genauen Karten und Plänen ver-
sehen, und aus einer competenten militärischen
Feder fließend, in Pesth im Drucke erscheinen
werde.

Triest, 6. Mai. Nach einiger Verspätung ist
nun das Dampfschiff aus der Levante eingetroffen.
Aus dem Piräeus erhalten wir die Notiz von der
endlichen Beilegung des englisch=hellenischen Zwi-
stes, einer traurigen Beilegung! Aus Mittheilun-
gen die der „Vaubau[unleserliches Material] “ am 24. für die Herren
Gros und Thouvenel und von Seite des Herrn
Tricupis für die griechische Regierung gebracht,
ging hervor, daß Griechenland aus der Vermitte-
lung wenig oder gar nichts zu hoffen hatte. Hr.
Wyse drang auf Erfüllung der von ihm aufer-
[Spaltenumbruch][unleserliches Material – 5 Zeichen fehlen]egren Bedingungen. Die griechische Regierung
zögerte. Hr. Wyse kündigte den Wiederbeginn
der Gewaltmaßregeln für den 25. an, und wirk-
lich begann wieder die Blokade. Das Ministe-
rium rief die Kammern zusammen, und man be-
schloß, da Griechenland nirgends Hilfe fand, nach-
zugeben. Hr. Wyse forderte 30,000 Drachmen
für Hrn. Finlay sammt Jnteressen bis 4. April;
600 Pf. St. für Pacifico sammt Jnteressen zu
12 Proc., also 17,538 Dr.; 6756 Dr. für die
vier geplunderten jonischen Fahrzeuge in Salamis
sammt Jnteressen, also 9,583. 52 Dr.; sodann
2946. 97 Dr. für die in Patras und Pyrgos
beschäftigten Jonier, und 120,000 Dr. für Paci-
fico zur Vergütung seiner Verluste, die Forderung
an Portugal nicht eingerechnet. Für letztere de-
ponirt Griechenland 150,000 Dr. Für die be-
leidigte englische Flagge in Patras wird offlcielle
Entschuldigung geleistet. Die Noten des Hrn.
Londos an Hrn. Wyse vom 25. und 27. entspra-
chen diesen Forderungen, und enthielten einen
Schein über Dr. 330,068. 49. Der englische
Gesandte ist wieder in Athen. Die Flotte geht
nach Ncapel, um die Forderungen für in Sici-
lien beschädigte Engländer einzutreiben. Der „ Jn-
flexible “ ist nach Toulon. Jm Piräeus ist noch
der „Odin“ und „Firebrand“. Am 29. kamen die
bisher mit Beschlag belegten Schiffe von Salamis
nach dem Piräeus.

   

Südsteiermark. Auf alle Güter des Grafen
Clemens von Brandis werden Liguorianer als
Missionsprediger berufen, also nach Windan,
Schleinitz, Freiheim, Freienstein cc., auch im Pet-
tauer Felde werden sie beim Jubiläum der Kirche
Cerna gora ( Maria Neustift ) erwartet, und ein
Pfarrer der Bezirkshauptmannschaft Marburg
soll bereits erbötig sein, ihnen ein Haus zu
bauen.

England.

London, 4. Mai. An einem der geistlichen
Gerichtshöfe gibt es einen Posten, der wohl das
Non=plus=ultra einer reichen Sinecure ist; es ist
die Stelle eines Registrators an dem Prärogativ-
Gerichtshofe zu Canterbury, womit gar keine Ar-
beit und ein Gehalt von 12,000 Pf. verbunden
ist. Der Erzbischof hat die Stelle zu besetzen,
und es ist interessant zu sehen, wie die letzten
Erzbischöfe ihr Recht gebraucht haben. Erzbischof
Moore gab diese Stelle seinen beiden Söhnen;
Manners Soutton seinem Enkel, einem Knaben
von 10--12 Jahren; sein Nachfolger Howley
weigerte sich, die Stelle zu besetzen, -- ein sel-
tenes Beispiel von Uneigennützigkeit; der jetzige
Erzbischof, Sumner, hat sie seinem Sohne, einem
jungen Manne, der im Tempel studirt, gegeben.
Sir C. Hall brachte die Sache im Unterhause
kürzlich zur Sprache und die Stelle wird wahr-
scheinlich abgeschafft.

Frankreich.

Paris, 6. Mai. Ein Vorfall hat gestern
großes Aufsehen unter der Bevölkerung des dem
Jnvalidenhause zunächst angrenzenden Stadttheils
erregt. Als nämlich der Präsident der Republik
aus dem Dom der Jnvaliden, in welchem die ge-
bräuchliche Trauerfeier zum Andenken an Napo-
leons Sterbetag stattgefunden hatte, eben heraus-
trat, umringte ihn eine Masse Neugieriger mit
dem lauten Ruf: „ Vive l'Empereur! Vive
Napoleon! Vive le premier Consul
!“

Paris, 6. Mai. Dieser Tage ward zu Lyon
das Leichenbegängniß eines thätigen Mitgliedes
der Sozialisten = Partei abgehalten. Eine Masse
seiner Meinungsgenossen, aber kein Geistlicher,
folgte dem Leichenwagen. Zu St. Just wurde
der Zug so tobend und drohend, daß der Posten
an der Kaserne unter die Waffen trat, worauf
die Soldaten gröblich beschimpft wurden. Auf
dem Kirchhofe kam es zwischen Mitgliedern des
Zuges zum Handgemenge, und als die Leiche
ins Grab gelegt war, erfolgte ein ernster Kampf,
in dessen Mitte eine Art Leichenrede gesprochen
ward. Noch nie wurde der Kirchhof so schmäh-
lich entweiht. Viele der Bessergesinnten aus dem
[Spaltenumbruch] Zuge eilten entrüstet heim, die übrigen gingen in
die Wirthshäuser oder unterhielten sich mit Jn-
sultirung friedlicher Vorbeigehenden. Wäre nicht
die Polizei eingeschritten, so hätten noch weit är-
gere Erzesse stattgefunden.

Paris, 8. Mai. Der General Gemeau hat
seinen Posten in Lyon, auf dem er durch den Ge-
neral de Castellane ersetzt wird, verlassen. Gemeau
äußerte in seiner Abschiedsrede an eine Deputa-
tion Lyoner Einwohner: „Jch gehe nach Rom,
weil ich dort den Schlußstein des socialen Ge-
bäudes selbst aufrecht zu erhalten glaube. Denn
meiner Ueberzeugung nach sind der Papst, die
Kirche, kurz die Religion, die wahren Grundlagen
unserer Civilisation.“

C Paris, 8. Mai. Jn der heutigen Sitz-
ung wird endlich das neue Wahlgesetz vom Mi-
nister des Jnnern vorgelegt und die Dringlichkeit
dafür begehrt werden. Schon bei der Vorfrage
erwartet man leidenschaftliche Debatten. Da die
allgemeinen Wahlen erst in zwei Jahren Statt
sinden, auch keine Ersatzwahl in Aussicht steht,
ist die Dringlichkeitsforderung nur eine Sonde
für die eigentliche Abstimmung über das Gesetz.
Anderseits ist die Annahme des Gesetzes sicher,
wenn die Dringlichkeit zugestanden wird, d. h.
wenn man die vorläufige Prüfung des Staats-
raths verwirft und eine Lesung statt dreier fest-
setzt. Außer Berryer, den sein Amt als Bericht-
erstatter des Budgets fesselte, war kein Mitglied
der Siebzehnerkommission anwesend. Nur Reuois
d'Azy kam um 3 Uhr, flüsterte dem Präsidenten
einige Worte in's Ohr und verschwand. Die
Kommission hielt gestern Nachts eine lange Sitz-
ung, in welcher die vom Minister Baroche ab-
gefaßte Motivirung des Entwurfs noch bedeutend
gemildert wurde. -- Die Linke soll beschlossen
haben, nach Vorlage der Wahlreform wie bei
Larochejouquelin's Antrage die Vorfrage zu be-
gehren. -- L'Evenement enthält folgendes: Die
Bedingung eines zweijährigen Aufenthals, welcher
vorgeschlagen ist, würde zuerst den Präsidenten
der Republik seines Wahlrechtes verlustig
machen, da selber erst seit September 1848 in
Paris angekommen ist.

Dupin ist denn heute doch nach dem Depar-
tement Nièvre abgereist, wo er auf seiner Besi-
tzung Raffigny 8--14 Tage verweilen wird. Man
deutet diese Beharrlichkeit des Prasidenten, auf
Urlaub zu gehen, als ein kluges Ausweichen vor
den Dingen, so da während dieser Zeit kommen
dürften. -- „L'Opinion publique“ zeigt die ge-
stern Abend erfolgte Abreise Persigny's nach Ber-
lin an. Damit verschwinden alle auf ihn bezüg-
lichen Gerüchte. -- Le Siècle versichert, in al-
len Verwaltungszweigen habe man jetzt eine Menge
Beamten abgesetzt, und ihnen als alleiniges Mo-
tiv bezeichnet: Carlier habe sie als des Socialis-
mus verdächtig denuncirt. -- Heute kam ein Ka-
binetskurier mit Depeschen aus St. Petersburg
an. Es wurde sofort Ministerrath gehalten. --
Dupin hat den Vicepräsidenten General Bedeau
ersucht, im Fall energische Maßregeln zu ergreifen
wären, das Präsidium zu übernehmen. Ein Mit-
glied der Rechten bemerkte darüber: „Wir haben
zwar drei afrikanische Generale; aber Lamoricière
kommt zu früh, Cavaignac zu spät, und Bedeau
gar nicht!“ -- Die Repräsentanten kommen heute
ungewöhnlich zeitlich und zahlreich. Die Unterre-
dungen sind sehr lebhaft. Man drängt sich auf
den Tribunen. Die diplomatische Tribune ist nur
von Damen besetzt, kein einziger Diplomat zuge-
gen. Eugène Sue erscheint zum Erstenmal in der
Nationalversammlung; er nimmt zwischen Flotte
und Vidal Platz. -- Gesetzgebende Ver-
sammlung;
Sitzung vom 8. Mai. Den Vorsitz
führt General Bedeau. Minister Baroche legt
den Gesetzes=Entwurf über Wahlreform nieder,
fordert die Dringlichkeit und begehrt das Wort.
( Bewegung. ) Die Regierung hat sich bemüßigt
gesehen, wegen Beunruhigung der öffentlichen Mei-
nung durch das bestehende Wahlgesetz auf dessen
Abänderung anzutragen ( Lesen! Lesen! ) Die ge-
fährlichste Bestimmung sei der nur sechsmonatliche
Aufenthalt. So könne ein Wähler nach der Reihe

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[0003] wird raisonnirt und gezecht, die Theilnehmer ver- nachläßigen ihre Familien, vergeuden ihr Geld, werden am Ende arbeitsscheu, und versinken all- mälig immer tiefer und tiefer in den Schlamm physischer und moralischer Unbehaglichkeit, aus dem sie ihrer Ansicht nach nichts zu reuen vermag, als der Umsturz des Bestehenden. Jn diesen Ver- sammlungen, die sich dem Uneingeweihten als ein- fache Wirthshausgesellschaften darstellen, gibt es nur Brüder und Schwestern, jede sonstige Höf- lichkeitsformel ist verpönt; es wird auch, so lange im sog. Extrazimmer noch Fremde, d. h. verdäch- tige Gäste sich befinden, nichts gesprochen, was irgend verfänglich wäre. Erst wenn die „soliden“ Gäste sich entfernt haben, dann spendet man sich gegenseitig den Weihekuß, und die Agitation be- ginnt. Charakteristisch ist, daß dieselben Leute, die in den abendlichen Zusammenkünften sich dutzen, am Tage und auf der Straße ganz fremd gegen einander thun, und durch gar nichts verrathen, daß sie Mitglieder ein und derselben Propaganda sind. Wohin das führen soll, ist nicht abzusehen; die Behörden können nicht füglich dagegen ein- schreiten, weil die Betreffenden selbst den Schein des Geheimnißvollen vermeiden, u. man am Ende den Leuten weder den Besuch der Gasthäuser, noch Visiten bei einem guten Freunde verbieten kann. Seit die Verordnungen in kirchlichen Angelegen- heiten erschienen sind, und die Spottlust der Wie- ner die Läßigen im Glauben mit Schreckbildern aller Art neckt, mit dem großen Bann, dem klei- nen Bann, mit der gezwungenen Ablieferung der Beichtzettel an die kathol. Seelsorger, mit Kir- chenstrafen im Büßerhemde ec., treiben die Ver- brüderten ihr gefährliches Spiel wo möglich noch energischer und setzen alle Künste der Ueberredung in Bewegung, um der neuen Lehre Freunde zu gewinnen. Die hiesige loyale Presse, um nicht illiberal zu scheinen, schweigt über diese inneren Zustände, entweder weil sie nicht sattsam unter- richtet ist von der Großartigkeit dieser Umtriebe, oder weil sie fürchtet, von den oppositionellen Journalen überschrieen und des Denuncianten- thums verdächtigt zu werden. Gegen Agitationen von dieser Ausdehnung und Beschaffenheit nützt kein Ausnahmszustand, ja er ist sogar ein Hin- derniß zur Bekämpfung derselben, weil er jeder unbefangenen ehrlichen Association hemmend in den Weg tritt, und den wahrhaften Menschen- freunden den Weg abschneidet, die Massen aufzu- klären über die Gefährlichkeit der Bestrebungen dieser geheimen Gesellschaften an öffentlichen Or- ten. Heute wurde ein hiesiges Winkelblatt -- die „Nationalzeitschrift“ -- mit Beschlag belegt, weil sie in einem Artikel zu beweisen suchte: die kathol. Religion sei die dümmste, ergo die beste im absolutistischen Sinne. ( D. V.=Blt. ) Wien, 6. Mai. Jn Betreff der demnächst bevorstehenden Abreise Sr. Maj. des Kaisers sind uns folgende Details aus zuverlässiger Quelle bekannt geworden. Die Reise wird am 8. d. M. angetreten werden, und beiläufig 14 Tage in Auspruch nehmen. Jn Gratz und Laibach wird Se. Maj. einen Tag, in Triest 4 Tage ver- weilen. Nach einem kurzen Ausfluge nach Peta erfolgt die Rückreise auf derselben Route. -- Aus glaubwürdiger Quelle erfährt der „Spiegel“, daß in Bälde eine authentische Geschichte des Feld- zugs der k. k. Armee in Ungarn unter dem Com- mando des Baron Haynau in prachtvoller Aus- stattung, mit genauen Karten und Plänen ver- sehen, und aus einer competenten militärischen Feder fließend, in Pesth im Drucke erscheinen werde. Triest, 6. Mai. Nach einiger Verspätung ist nun das Dampfschiff aus der Levante eingetroffen. Aus dem Piräeus erhalten wir die Notiz von der endlichen Beilegung des englisch=hellenischen Zwi- stes, einer traurigen Beilegung! Aus Mittheilun- gen die der „Vaubau_ “ am 24. für die Herren Gros und Thouvenel und von Seite des Herrn Tricupis für die griechische Regierung gebracht, ging hervor, daß Griechenland aus der Vermitte- lung wenig oder gar nichts zu hoffen hatte. Hr. Wyse drang auf Erfüllung der von ihm aufer- _____egren Bedingungen. Die griechische Regierung zögerte. Hr. Wyse kündigte den Wiederbeginn der Gewaltmaßregeln für den 25. an, und wirk- lich begann wieder die Blokade. Das Ministe- rium rief die Kammern zusammen, und man be- schloß, da Griechenland nirgends Hilfe fand, nach- zugeben. Hr. Wyse forderte 30,000 Drachmen für Hrn. Finlay sammt Jnteressen bis 4. April; 600 Pf. St. für Pacifico sammt Jnteressen zu 12 Proc., also 17,538 Dr.; 6756 Dr. für die vier geplunderten jonischen Fahrzeuge in Salamis sammt Jnteressen, also 9,583. 52 Dr.; sodann 2946. 97 Dr. für die in Patras und Pyrgos beschäftigten Jonier, und 120,000 Dr. für Paci- fico zur Vergütung seiner Verluste, die Forderung an Portugal nicht eingerechnet. Für letztere de- ponirt Griechenland 150,000 Dr. Für die be- leidigte englische Flagge in Patras wird offlcielle Entschuldigung geleistet. Die Noten des Hrn. Londos an Hrn. Wyse vom 25. und 27. entspra- chen diesen Forderungen, und enthielten einen Schein über Dr. 330,068. 49. Der englische Gesandte ist wieder in Athen. Die Flotte geht nach Ncapel, um die Forderungen für in Sici- lien beschädigte Engländer einzutreiben. Der „ Jn- flexible “ ist nach Toulon. Jm Piräeus ist noch der „Odin“ und „Firebrand“. Am 29. kamen die bisher mit Beschlag belegten Schiffe von Salamis nach dem Piräeus. ( A. Z. ) Südsteiermark. Auf alle Güter des Grafen Clemens von Brandis werden Liguorianer als Missionsprediger berufen, also nach Windan, Schleinitz, Freiheim, Freienstein cc., auch im Pet- tauer Felde werden sie beim Jubiläum der Kirche Cerna gora ( Maria Neustift ) erwartet, und ein Pfarrer der Bezirkshauptmannschaft Marburg soll bereits erbötig sein, ihnen ein Haus zu bauen. England. London, 4. Mai. An einem der geistlichen Gerichtshöfe gibt es einen Posten, der wohl das Non=plus=ultra einer reichen Sinecure ist; es ist die Stelle eines Registrators an dem Prärogativ- Gerichtshofe zu Canterbury, womit gar keine Ar- beit und ein Gehalt von 12,000 Pf. verbunden ist. Der Erzbischof hat die Stelle zu besetzen, und es ist interessant zu sehen, wie die letzten Erzbischöfe ihr Recht gebraucht haben. Erzbischof Moore gab diese Stelle seinen beiden Söhnen; Manners Soutton seinem Enkel, einem Knaben von 10--12 Jahren; sein Nachfolger Howley weigerte sich, die Stelle zu besetzen, -- ein sel- tenes Beispiel von Uneigennützigkeit; der jetzige Erzbischof, Sumner, hat sie seinem Sohne, einem jungen Manne, der im Tempel studirt, gegeben. Sir C. Hall brachte die Sache im Unterhause kürzlich zur Sprache und die Stelle wird wahr- scheinlich abgeschafft. Frankreich. Paris, 6. Mai. Ein Vorfall hat gestern großes Aufsehen unter der Bevölkerung des dem Jnvalidenhause zunächst angrenzenden Stadttheils erregt. Als nämlich der Präsident der Republik aus dem Dom der Jnvaliden, in welchem die ge- bräuchliche Trauerfeier zum Andenken an Napo- leons Sterbetag stattgefunden hatte, eben heraus- trat, umringte ihn eine Masse Neugieriger mit dem lauten Ruf: „ Vive l'Empereur! Vive Napoleon! Vive le premier Consul!“ Paris, 6. Mai. Dieser Tage ward zu Lyon das Leichenbegängniß eines thätigen Mitgliedes der Sozialisten = Partei abgehalten. Eine Masse seiner Meinungsgenossen, aber kein Geistlicher, folgte dem Leichenwagen. Zu St. Just wurde der Zug so tobend und drohend, daß der Posten an der Kaserne unter die Waffen trat, worauf die Soldaten gröblich beschimpft wurden. Auf dem Kirchhofe kam es zwischen Mitgliedern des Zuges zum Handgemenge, und als die Leiche ins Grab gelegt war, erfolgte ein ernster Kampf, in dessen Mitte eine Art Leichenrede gesprochen ward. Noch nie wurde der Kirchhof so schmäh- lich entweiht. Viele der Bessergesinnten aus dem Zuge eilten entrüstet heim, die übrigen gingen in die Wirthshäuser oder unterhielten sich mit Jn- sultirung friedlicher Vorbeigehenden. Wäre nicht die Polizei eingeschritten, so hätten noch weit är- gere Erzesse stattgefunden. Paris, 8. Mai. Der General Gemeau hat seinen Posten in Lyon, auf dem er durch den Ge- neral de Castellane ersetzt wird, verlassen. Gemeau äußerte in seiner Abschiedsrede an eine Deputa- tion Lyoner Einwohner: „Jch gehe nach Rom, weil ich dort den Schlußstein des socialen Ge- bäudes selbst aufrecht zu erhalten glaube. Denn meiner Ueberzeugung nach sind der Papst, die Kirche, kurz die Religion, die wahren Grundlagen unserer Civilisation.“ C Paris, 8. Mai. Jn der heutigen Sitz- ung wird endlich das neue Wahlgesetz vom Mi- nister des Jnnern vorgelegt und die Dringlichkeit dafür begehrt werden. Schon bei der Vorfrage erwartet man leidenschaftliche Debatten. Da die allgemeinen Wahlen erst in zwei Jahren Statt sinden, auch keine Ersatzwahl in Aussicht steht, ist die Dringlichkeitsforderung nur eine Sonde für die eigentliche Abstimmung über das Gesetz. Anderseits ist die Annahme des Gesetzes sicher, wenn die Dringlichkeit zugestanden wird, d. h. wenn man die vorläufige Prüfung des Staats- raths verwirft und eine Lesung statt dreier fest- setzt. Außer Berryer, den sein Amt als Bericht- erstatter des Budgets fesselte, war kein Mitglied der Siebzehnerkommission anwesend. Nur Reuois d'Azy kam um 3 Uhr, flüsterte dem Präsidenten einige Worte in's Ohr und verschwand. Die Kommission hielt gestern Nachts eine lange Sitz- ung, in welcher die vom Minister Baroche ab- gefaßte Motivirung des Entwurfs noch bedeutend gemildert wurde. -- Die Linke soll beschlossen haben, nach Vorlage der Wahlreform wie bei Larochejouquelin's Antrage die Vorfrage zu be- gehren. -- L'Evenement enthält folgendes: Die Bedingung eines zweijährigen Aufenthals, welcher vorgeschlagen ist, würde zuerst den Präsidenten der Republik seines Wahlrechtes verlustig machen, da selber erst seit September 1848 in Paris angekommen ist. Dupin ist denn heute doch nach dem Depar- tement Nièvre abgereist, wo er auf seiner Besi- tzung Raffigny 8--14 Tage verweilen wird. Man deutet diese Beharrlichkeit des Prasidenten, auf Urlaub zu gehen, als ein kluges Ausweichen vor den Dingen, so da während dieser Zeit kommen dürften. -- „L'Opinion publique“ zeigt die ge- stern Abend erfolgte Abreise Persigny's nach Ber- lin an. Damit verschwinden alle auf ihn bezüg- lichen Gerüchte. -- Le Siècle versichert, in al- len Verwaltungszweigen habe man jetzt eine Menge Beamten abgesetzt, und ihnen als alleiniges Mo- tiv bezeichnet: Carlier habe sie als des Socialis- mus verdächtig denuncirt. -- Heute kam ein Ka- binetskurier mit Depeschen aus St. Petersburg an. Es wurde sofort Ministerrath gehalten. -- Dupin hat den Vicepräsidenten General Bedeau ersucht, im Fall energische Maßregeln zu ergreifen wären, das Präsidium zu übernehmen. Ein Mit- glied der Rechten bemerkte darüber: „Wir haben zwar drei afrikanische Generale; aber Lamoricière kommt zu früh, Cavaignac zu spät, und Bedeau gar nicht!“ -- Die Repräsentanten kommen heute ungewöhnlich zeitlich und zahlreich. Die Unterre- dungen sind sehr lebhaft. Man drängt sich auf den Tribunen. Die diplomatische Tribune ist nur von Damen besetzt, kein einziger Diplomat zuge- gen. Eugène Sue erscheint zum Erstenmal in der Nationalversammlung; er nimmt zwischen Flotte und Vidal Platz. -- Gesetzgebende Ver- sammlung; Sitzung vom 8. Mai. Den Vorsitz führt General Bedeau. Minister Baroche legt den Gesetzes=Entwurf über Wahlreform nieder, fordert die Dringlichkeit und begehrt das Wort. ( Bewegung. ) Die Regierung hat sich bemüßigt gesehen, wegen Beunruhigung der öffentlichen Mei- nung durch das bestehende Wahlgesetz auf dessen Abänderung anzutragen ( Lesen! Lesen! ) Die ge- fährlichste Bestimmung sei der nur sechsmonatliche Aufenthalt. So könne ein Wähler nach der Reihe

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 113. Würzburg, 11. Mai 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische113_1850/3>, abgerufen am 27.04.2024.