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Badener Zeitung. Nr. 58, Baden (Niederösterreich), 21.07.1909.

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Nr. 58 Mittwoch Badener Zeitung 21. Juli 1909

[Spaltenumbruch]

des Deutschtums angesehen werden, dann ist
dies das Grabgeläute deutscher Kultur in
Oesterreich.

Wir haben dies geschrieben, um jene
Deutschen, welche ihr heiligstes Gut wirklich
verteidigen wollen, inständigst zu bitten,
die wirkliche "Freie Schule" mit
aller Kraft zu unterstützen
und wir
hielten es geradezu für eine Ehrensache der
"Badener Zeitung", uns in diesem Sinne
vor aller Welt zu äußern.





Lokal-Nachrichten.
-- Hofnachricht.

Erzherzog Rainer und
Erzherzogin Marie, die in den letzten Tagen den
Besuch der Herzogin Robert v. Württemberg,
einer Tochter des Erzherzogs Albrecht, hatten, sind
Dienstag nach einem dreiwöchentlichen Aufenthalt nach
Schloß Hernstein übersiedelt, woselbst sie den Rest
des Sommers zu verbringen gedenken. -- Gestern
Dienstag traf Erzherzogin Isabella mit ihren
Töchtern im Schlosse Weilburg zum Sommeraufent-
halte ein. Ihr Gemahl Erzherzog Friedrich weilt
bekanntlich derzeit zur Kur in Karlsbad und soll nach
Beendigung derselben ebenfalls nach Baden kommen.

-- Todesfälle.

In Klosterneuburg starb
Samstag der dem hiesigen Postamte zugeteilt ge-
wesene Postoffizial Herr Johann Gosch nach einem
langen Leiden im 49. Lebensjahre. -- Montag ver-
schied hier die Arztenswitwe Frau Barbara Kohl
geb. Pfundner im hohen Alter von 84 Jahren.

-- Personalnachricht.

In Baden sind zum
Kurgebrauche, resp. Sommerfrische eingetroffen: Marie
Gräfin Grundemann ("Grüner Baum"), Bertha
Gräfin Orsich-Slavetisch, der königl. bayrische
Gesandte Heinrich Freiherr von Fischer, Leopoldine
Baronin Funkel v. Aschbrunn mit Frau Rosa
Baronin Funkel v. Aschbrunn (Josefihof), Ernst
Graf Thurn (Grüner Baum), Prinz Egon von
Thurn und Taxis (Grüner Baum), Fürstin
Hermanze Gagarin mit Prinzessin Maria Valesca
Gagarin.

-- Promotionen.

Morgen Donnerstag,
3/411 Uhr vormittags, findet in Wien im Festsaale
der Universität die Promotion des Herrn Richard
Bernkopp, Sohnes des Oberlehrers Herrn Ignaz
Bernkopp in Tribuswinkel, zum Doktor beider
Rechte statt. -- Dienstag mittags promovierte an der
gleichen Universität der am hiesigen Gymnasium tätige
Supplent Herr Kuppe zum Doktor der Philosophie.


[Spaltenumbruch]
-- Aerztliche Nachricht.

Zahnarzt Dr.
F. Smolcic ordiniert wie früher Baden, Kaiser
Franz Josefstraße 51, täglich persönlich.

-- Rosenfest.

Also am letzten Samstag spielte
sich das Rosenfest ab -- mit allen Konsequenzen. Pardon,
das heißt, man mußte wieder einmal zugestehen, daß
es so viele der Spielarten an Rosen gibt, als ihrer
Frauennamen im Kalender stehen. Und weil denn alle
diese dem lieben Gott sehr aus Herz gewachsen sind,
wie sie da vom Neujahrs- bis zum Silvestertage
sämtlich heißen, so verscheuchte er die dunklen Wolken
von seinem schmunzelnden Angesicht und hatte ein
Einsehen. Wohin? Nun denn, in die fabelhaft schön
erleuchteten Alleen, wo doch so reizende Rosen aller
Züchtungen auf- und abwandelten, mit den Tautropfen
(um 500 Kronen das Stück) im Ohrläppchen, jede
einzelne hübsch eingehüllt in ihren Tüll-, Mousselin-
oder Battistkelch, und sich auf ihrem zartbestrumpften
Doppelstengelchen wiegend, in schüchterner Abwehr der
Bienen, Wespen und Hummeln, die sie umbummeln.
Und da wären wir denn unversehens schon bei den
Konsequenzen angelangt. So dir geschenkt ein
Knösplein was, so begieße es fürsorglich ein wenig
mit Walzermusik und stell' es in ein Champagnerglas
und du wirst sehen, was es alles Schönes -- --
"treibt". Merkwürdig, wie's doch bei all diesen
Sommerfesten in der ersten schwachen Stunde so
furchtbar sittsam und zurückhälterisch zugeht, wenn
die duftenden Zentifolien noch so ausschauen, als ob
sie nicht bis hundert zählen könnten, wenn sich die
Strohwitwer noch nicht recht an eine Surrogattin
herantrauen und wenn das "Mädchen aus der Ge-
sellschaft" mit der fünfeckigsten Geberde der Welt aus
ihrem momentanen Zeltleben heraustritt und dem
ahnungslosen Vorbeiziehenden mit der keuschen Bitte
im Wege lagert: "Eine Rose, bitte, junger Herr, eine
Rose; kostet nur eine Krone!" ..... Enttäuscht
wirft man der Flehenden einen umflorten Blick zu
und denkt sich im Stillen: Also auch du nicht ohne
Dornen! Dann aber, wenn die Koriandoli die Luft
verfinstern und die Rosen alle Zucht vergessen und
zu wilden werden, wenn sie sich im Sturme der
Leidenschaft mit Wonne entblättern lassen und manches
Röslein zerzaust das gekräuselte Köpfchen trotzig in
die Höhe wirft, dann erst werden sie ihres kurzen
Daseins inne, vergessen mit eins das Stechen und
verlegen sich aufs Betäuben. -- Tanz gab's und Scherz,
Walzertraum und schwüle Julinacht, weiße, höfliche
Manschetten und entzückende Prinzeßkleidchen mit
Oberlicht, kostbare Varietäten und Hundsrosen, Augen-
duelle und Militärmusik, gefüllte Kassen und leere
Portemonnaies, gehobene Stimmung und ebensolche
Spitzenjupons, sehnende Herzen und hie und da auch
gähnende Mündchen. Der Jubel und die Fröhlichkeit
dauerten bis zu jener Frühstunde, da die daheimge-
bliebenen Rosen schon langsam mit der Morgen-
[Spaltenumbruch] toilette begannen, während jene erst vom Balle müde
heimgeschleift wurden, den bunten Schmetterlingsflitter
von den Blättern schüttelten, sich die so leicht ge-
brochenen Dornen wieder zurecht richteten und ach,
so dringend ein wenig des Auffrischens bedurften.
Man würde sicherlich nach durchtanzter Nacht die
Frauen nicht mit Rosen vergleichen, wenn man sich
nicht mit Walzerklängen im Ohre heimlich fragen
müßte, wo denn eigentlich der Unterschied stecke
zwischen einer Marschall Niel und einer "Geschiedenen
Frau", zwischen einer "Lustigen Witwe" und einer
Pompadour?

Das Fest wurde von unserem rührigen Ver-
schönerungsvereine unter der Leitung seines Präses-
stellvertreters des GR. La[s]chitz unter Mitwirkung
von Damen aus der Gesellschaft veranstaltet. In den
sechs Zelten fungierten die Damen: Lina König,
Vilma Haidner, Mathilde Hanft, Emma König, Hansi
Sukfüll, Mitzi Hanausek, Gusti Prager, Josefine und
Valerie Schmidt. Paula Blau, Tilly Halpern, Cer-
line Balten, Re[s]a v. Rothenburg, Laura Wally, Else
Haßmann, Bertha Klein, Risa Klein, Julie Scheck,
Lena und Lotte Scheck, M. Watzenauer, Karoline
Bähr, Emma Herlitschka, Grete Porndo[r]fer, Mitzi
Schwarz, Fanni Weber, Fritzi Weislein, Kohllieb
Elsa Alten, Ottilie Alten, Amelie, Grete und Olga
Braun. Um 10 Uhr nachts war Blumen-Prämien-
verteilung, bei welcher auf folgende Besitzer der
Eintrittskarten Prämien entfielen: Nr. 3548, 400,
3514, 1054, 3802, 2501, 3737, 4451, 880, 4413,
1380, 2139, 1891, 1336, 1971.

-- Die Mode für Auto und Reise.

Eine
zarte, feine Schöne, die für Freude und Sonnen-
schein geschaffen schien, bleibt verlassen in Paris
zurück, da alle Welt auf Reisen geht: die Lingerie-
toilette.
Die Mode hat ihr große Versprechungen
gemacht und sie hatte sich denn auch recht kokett und
allerliebst für den Sommer herausgeputzt. Nun fragt
niemand nach ihr. Gleichgültig streift sie ein Blick
der Dame, die den Modesalon besucht, um noch
schnell vor der Abreise einen warmen Mantel zu be-
schaffen. Im letzten Sommer galt es, bei Fernfahrten
im Automobil dem Staub Trotz zu bieten, und
so ward der Tussormantel als geeignet befunden.
Jetzt muß man unter warmen Hüllen Schutz vor
Regen und kühler Temperatur suchen. Rauhaarige
Stoffe
aus schottischen und aus englischen
Wollgeweben
scheinen dem stärksten Wetter stand-
halten zu können und ihre matten bedeckten Farben-
mischungen besitzen nichts von der Empfindlichkeit
sonstiger Sommermodedinge. Die bekannte Nordfolk-
form ist für den Zuschnitt erkoren. Mit ihren doppelt
übereinander tretenden Vorderteilen gewährt sie die
Wärme, die der Julihimmel bis jetzt noch v[e]rsagt.
Die Weite dieser Fasson bietet Bequemlichkeit genug,
doch ein Gürtel faßt die Falten im Rücken zusammen




[Spaltenumbruch]

Knabe so schwer, begriff nur langsam und die Lehrer
zweifelten oft an ihm". Lätitia rühmte ihre Söhne
Josef und Lucian und klagte viel über Maria Louise.
Prokesch nahm beim Abschied den Eindruck einer
braven, schwergekränkten, heldenmütigen Frau mit sich.
Am 22. Juli hatte er nochmals Audienz beim Papste,
den er als guten, aber kindischen und seine Zeit ver-
tändelnden Mann vermerkt. Er verließ am 24. Juli
Rom und [e]rfährt in Bologna am 1. August den
Tod Reichstadt's.

Bei seiner Rückkehr am 11. August empfängt
er aus der Hand Metternich's, als ein Andenken an
den Papst, eine Dose in Brillanten.

Am 30. August war das Begräbnis der Mutter
von Fanny Elßler. Prokesch trägt unter seinen
Tagebuchnotizen unterm 17. September ein: "Auch
Fanny ist gealtert".

Auf Autoren-Honorare wirft die Tatsache ein
Licht, daß Gerold Prokesch für seine Reichstadt-
Broschüre 10 Dukaten anbot, dieser aber darüber so
entrüstet war, daß er das Manuskript sofort an
Schneller sandte.

Am 25. November 1832 fand im Hause des
Hofrates Kiesewetter die Vermählung von dessen
Tochter Irene mit Prokesch statt. Als Beistände fun-
gierten vier Oberste: Graf Paar, Graf Schlick, Peter
Zanini und Baron Schön.

Am 25. Dezember wurde im Hause des Hof-
rates Kleyle der Weihnachtsbaum angezündet, bei
welcher Gelegenheit Prokesch den Lustspieldichter
Bauernfeld kennen lernte.

Im Jahre 1833, vom Februar bis September,
unternahm Prokesch eine Reise nach Egypten, er
brachte davon für die Menagerie von Schönbrunn
Antilopen und einen Hermaphroditbock mit.

Am 16. September desselben Jahres war Prokesch
bei der Zusammenkunft des Kaiser Franz mit Kaiser
[Spaltenumbruch] Nikolaus in Münchengrätz zugegen. Er schildert Kaiser
Nikolaus als einen schönen Mann mit vieler mili-
tärischer Haltung, er dürfte nicht unterrichtet, aber
kräftigeren Schlages als unsere Prinzen sein. Diese
Zusammenkunft trägt dem Fürsten Metternich eine
Dose mit dem Porträt des Kaisers im Werte von
26.000 Rubel und Prokesch das Komthurkreuz des
Annenordens in Brillanten ein.

Im Jahre 1834 macht Prokesch mit dem bayri-
schen Kronprinzen Max einen Ausflug nach Brünn.
Er macht einen sehr unterrichteten und anregenden
Eindruck. Er klagt über feine und Otto's (Königs von
Griechenland) Erziehung, schildert letzteren durch
Pfäfferei fast verdummt. Während des rührenden
Empfanges in Syra war er vor Skrupel totenblaß,
ob seine letzte Beichte wohl giltig war. Einen komi-
schen Eindruck macht auf Prokesch der König von
Bayern mit seinen gewaltsamen und heftigen Bewe-
gungen, er faßt Prokesch oft am Rocke, bis dieser ihn
zuletzt in einen Winkel manövriert, um ihn zur Ruhe
zu zwingen. Dessenungeachtet gewinnt er bei näherem
Umgange.

Am 18. Oktober 1834 reist Prokesch in den
Orient, wo er bis 1849 blieb, dann den Gesandten-
posten in Berlin und Frankfurt versah und Ende
1855 Internuntius in Konstantinopel wurde. Er starb
am 26. Oktober 1876.

Nun noch ein paar Schlaglichter aus den Tage-
büchern zur Illustration des gesellschaftlichen und
schöngeistigen Wien des Vormärz.

Man besuchte viel das Theater, dessen Reper-
toire ein für den heutigen Geschmack unseres blasierten
Publikums kein passendes gewesen wäre, so verzeichnet
Prokesch unterm 20. Mai 1830: in Kotzebues
"Menschenhaß und Reue" gewesen, was mich rührt.
Am 1. November wurde Raupachs "Schuld und
Sühne" aufgeführt. Anläßlich einer Aufführung von
[Spaltenumbruch] "Don Carlos" raisonnierte Prokesch summarisch:
Schlechte Aufführung, Korn vergreift den Marquis
Posa, die Demoiselle Gley (nachmalige Rettich) die
Eboli und Demoiselle Peche die Elisabeth.

Dagegen scheinen die Opernvorstellungen auf
Prokesch mehr Eindruck gemacht zu haben. Er hört
in "Othello" die berühmte Pasta und Rubini singen,
rühmt unterm 21. Jänner 1831 von Rossinis:
"Wilhelm Tell" "schöne Musik, treffliche Chöre".
Mit Paar und Irene Kiesewetter besucht er im Josef-
städter-Theater Bellinis liebliche Oper "Die Kapuletts
und Montagues", in der Sabine Heinefetter, auch
eine Gesangsheroine, den Romeo sang.

Im Hause seines Schwiegervaters, des Hofrates
Kiesewetter, wurde viel musiziert, dort war auch
Baron Schönstein, ein damals berühmter Schubert-
Sänger, ein gern gesehener Gast. Irene Kiesewetter,
die nachmalige Gattin Prokeschs, spielte vortrefflich
Klavier und studierte, wie eine Tagebucheintragung
vom 15. Dezember 1830 entnehmen läßt, auch
Generalbaß. Es wurde klassische Musik gemacht:
Beethoven, Jenger: Pastoral-Symphonie, Mozart, ja,
selbst alte Musik, Psalmen von Marcello, wird auf-
geführt. Auch im Hause der Geschwister Fröhlich wird
die Musik kultiviert, u. zw. sogar alte Musik von
Kaldara und Adolfini. Die Zuhörer sind Maler,
Dichter, Musiker.

Im dritten Gesellschaftskonzert wurde im Jahre
1831 Beethovens Pastoral-Symphonie vortrefflich
aufgeführt, dann sang die Tochter der Schauspielerin
Löwe eine Arie aus Bellinis: "La straniera" und
Thalberg trug ein von ihm verfaßtes Klavierkonzert
vor. Sowohl Lachner als Randhartinger haben Ge-
dichte Prokeschs in Musik gesetzt. Ja selbst Irene
Kiesewetter komponierte ein Lied: "Das Leiermädchen",
dessen Text von Prokesch herrührte. Wirft man noch
einen Blick auf die von Prokesch verzeichnete Lektüre,


Nr. 58 Mittwoch Badener Zeitung 21. Juli 1909

[Spaltenumbruch]

des Deutſchtums angeſehen werden, dann iſt
dies das Grabgeläute deutſcher Kultur in
Oeſterreich.

Wir haben dies geſchrieben, um jene
Deutſchen, welche ihr heiligſtes Gut wirklich
verteidigen wollen, inſtändigſt zu bitten,
die wirkliche „Freie Schule“ mit
aller Kraft zu unterſtützen
und wir
hielten es geradezu für eine Ehrenſache der
„Badener Zeitung“, uns in dieſem Sinne
vor aller Welt zu äußern.





Lokal-Nachrichten.
Hofnachricht.

Erzherzog Rainer und
Erzherzogin Marie, die in den letzten Tagen den
Beſuch der Herzogin Robert v. Württemberg,
einer Tochter des Erzherzogs Albrecht, hatten, ſind
Dienstag nach einem dreiwöchentlichen Aufenthalt nach
Schloß Hernſtein überſiedelt, woſelbſt ſie den Reſt
des Sommers zu verbringen gedenken. — Geſtern
Dienstag traf Erzherzogin Iſabella mit ihren
Töchtern im Schloſſe Weilburg zum Sommeraufent-
halte ein. Ihr Gemahl Erzherzog Friedrich weilt
bekanntlich derzeit zur Kur in Karlsbad und ſoll nach
Beendigung derſelben ebenfalls nach Baden kommen.

Todesfälle.

In Kloſterneuburg ſtarb
Samstag der dem hieſigen Poſtamte zugeteilt ge-
weſene Poſtoffizial Herr Johann Goſch nach einem
langen Leiden im 49. Lebensjahre. — Montag ver-
ſchied hier die Arztenswitwe Frau Barbara Kohl
geb. Pfundner im hohen Alter von 84 Jahren.

Perſonalnachricht.

In Baden ſind zum
Kurgebrauche, reſp. Sommerfriſche eingetroffen: Marie
Gräfin Grundemann („Grüner Baum“), Bertha
Gräfin Orſich-Slavetiſch, der königl. bayriſche
Geſandte Heinrich Freiherr von Fiſcher, Leopoldine
Baronin Funkel v. Aſchbrunn mit Frau Roſa
Baronin Funkel v. Aſchbrunn (Joſefihof), Ernſt
Graf Thurn (Grüner Baum), Prinz Egon von
Thurn und Taxis (Grüner Baum), Fürſtin
Hermanze Gagarin mit Prinzeſſin Maria Valesca
Gagarin.

Promotionen.

Morgen Donnerstag,
¾11 Uhr vormittags, findet in Wien im Feſtſaale
der Univerſität die Promotion des Herrn Richard
Bernkopp, Sohnes des Oberlehrers Herrn Ignaz
Bernkopp in Tribuswinkel, zum Doktor beider
Rechte ſtatt. — Dienstag mittags promovierte an der
gleichen Univerſität der am hieſigen Gymnaſium tätige
Supplent Herr Kuppe zum Doktor der Philoſophie.


[Spaltenumbruch]
Aerztliche Nachricht.

Zahnarzt Dr.
F. Smolcič ordiniert wie früher Baden, Kaiſer
Franz Joſefſtraße 51, täglich perſönlich.

Roſenfeſt.

Alſo am letzten Samstag ſpielte
ſich das Roſenfeſt ab — mit allen Konſequenzen. Pardon,
das heißt, man mußte wieder einmal zugeſtehen, daß
es ſo viele der Spielarten an Roſen gibt, als ihrer
Frauennamen im Kalender ſtehen. Und weil denn alle
dieſe dem lieben Gott ſehr aus Herz gewachſen ſind,
wie ſie da vom Neujahrs- bis zum Silveſtertage
ſämtlich heißen, ſo verſcheuchte er die dunklen Wolken
von ſeinem ſchmunzelnden Angeſicht und hatte ein
Einſehen. Wohin? Nun denn, in die fabelhaft ſchön
erleuchteten Alleen, wo doch ſo reizende Roſen aller
Züchtungen auf- und abwandelten, mit den Tautropfen
(um 500 Kronen das Stück) im Ohrläppchen, jede
einzelne hübſch eingehüllt in ihren Tüll-, Mouſſelin-
oder Battiſtkelch, und ſich auf ihrem zartbeſtrumpften
Doppelſtengelchen wiegend, in ſchüchterner Abwehr der
Bienen, Weſpen und Hummeln, die ſie umbummeln.
Und da wären wir denn unverſehens ſchon bei den
Konſequenzen angelangt. So dir geſchenkt ein
Knöſplein was, ſo begieße es fürſorglich ein wenig
mit Walzermuſik und ſtell’ es in ein Champagnerglas
und du wirſt ſehen, was es alles Schönes — —
„treibt“. Merkwürdig, wie’s doch bei all dieſen
Sommerfeſten in der erſten ſchwachen Stunde ſo
furchtbar ſittſam und zurückhälteriſch zugeht, wenn
die duftenden Zentifolien noch ſo ausſchauen, als ob
ſie nicht bis hundert zählen könnten, wenn ſich die
Strohwitwer noch nicht recht an eine Surrogattin
herantrauen und wenn das „Mädchen aus der Ge-
ſellſchaft“ mit der fünfeckigſten Geberde der Welt aus
ihrem momentanen Zeltleben heraustritt und dem
ahnungsloſen Vorbeiziehenden mit der keuſchen Bitte
im Wege lagert: „Eine Roſe, bitte, junger Herr, eine
Roſe; koſtet nur eine Krone!“ ..... Enttäuſcht
wirft man der Flehenden einen umflorten Blick zu
und denkt ſich im Stillen: Alſo auch du nicht ohne
Dornen! Dann aber, wenn die Koriandoli die Luft
verfinſtern und die Roſen alle Zucht vergeſſen und
zu wilden werden, wenn ſie ſich im Sturme der
Leidenſchaft mit Wonne entblättern laſſen und manches
Röslein zerzauſt das gekräuſelte Köpfchen trotzig in
die Höhe wirft, dann erſt werden ſie ihres kurzen
Daſeins inne, vergeſſen mit eins das Stechen und
verlegen ſich aufs Betäuben. — Tanz gab’s und Scherz,
Walzertraum und ſchwüle Julinacht, weiße, höfliche
Manſchetten und entzückende Prinzeßkleidchen mit
Oberlicht, koſtbare Varietäten und Hundsroſen, Augen-
duelle und Militärmuſik, gefüllte Kaſſen und leere
Portemonnaies, gehobene Stimmung und ebenſolche
Spitzenjupons, ſehnende Herzen und hie und da auch
gähnende Mündchen. Der Jubel und die Fröhlichkeit
dauerten bis zu jener Frühſtunde, da die daheimge-
bliebenen Roſen ſchon langſam mit der Morgen-
[Spaltenumbruch] toilette begannen, während jene erſt vom Balle müde
heimgeſchleift wurden, den bunten Schmetterlingsflitter
von den Blättern ſchüttelten, ſich die ſo leicht ge-
brochenen Dornen wieder zurecht richteten und ach,
ſo dringend ein wenig des Auffriſchens bedurften.
Man würde ſicherlich nach durchtanzter Nacht die
Frauen nicht mit Roſen vergleichen, wenn man ſich
nicht mit Walzerklängen im Ohre heimlich fragen
müßte, wo denn eigentlich der Unterſchied ſtecke
zwiſchen einer Marſchall Niel und einer „Geſchiedenen
Frau“, zwiſchen einer „Luſtigen Witwe“ und einer
Pompadour?

Das Feſt wurde von unſerem rührigen Ver-
ſchönerungsvereine unter der Leitung ſeines Präſes-
ſtellvertreters des GR. La[ſ]chitz unter Mitwirkung
von Damen aus der Geſellſchaft veranſtaltet. In den
ſechs Zelten fungierten die Damen: Lina König,
Vilma Haidner, Mathilde Hanft, Emma König, Hanſi
Sukfüll, Mitzi Hanauſek, Guſti Prager, Joſefine und
Valerie Schmidt. Paula Blau, Tilly Halpern, Cer-
line Balten, Re[ſ]a v. Rothenburg, Laura Wally, Elſe
Haßmann, Bertha Klein, Riſa Klein, Julie Scheck,
Lena und Lotte Scheck, M. Watzenauer, Karoline
Bähr, Emma Herlitſchka, Grete Porndo[r]fer, Mitzi
Schwarz, Fanni Weber, Fritzi Weislein, Kohllieb
Elſa Alten, Ottilie Alten, Amelie, Grete und Olga
Braun. Um 10 Uhr nachts war Blumen-Prämien-
verteilung, bei welcher auf folgende Beſitzer der
Eintrittskarten Prämien entfielen: Nr. 3548, 400,
3514, 1054, 3802, 2501, 3737, 4451, 880, 4413,
1380, 2139, 1891, 1336, 1971.

Die Mode für Auto und Reiſe.

Eine
zarte, feine Schöne, die für Freude und Sonnen-
ſchein geſchaffen ſchien, bleibt verlaſſen in Paris
zurück, da alle Welt auf Reiſen geht: die Lingerie-
toilette.
Die Mode hat ihr große Verſprechungen
gemacht und ſie hatte ſich denn auch recht kokett und
allerliebſt für den Sommer herausgeputzt. Nun fragt
niemand nach ihr. Gleichgültig ſtreift ſie ein Blick
der Dame, die den Modeſalon beſucht, um noch
ſchnell vor der Abreiſe einen warmen Mantel zu be-
ſchaffen. Im letzten Sommer galt es, bei Fernfahrten
im Automobil dem Staub Trotz zu bieten, und
ſo ward der Tuſſormantel als geeignet befunden.
Jetzt muß man unter warmen Hüllen Schutz vor
Regen und kühler Temperatur ſuchen. Rauhaarige
Stoffe
aus ſchottiſchen und aus engliſchen
Wollgeweben
ſcheinen dem ſtärkſten Wetter ſtand-
halten zu können und ihre matten bedeckten Farben-
miſchungen beſitzen nichts von der Empfindlichkeit
ſonſtiger Sommermodedinge. Die bekannte Nordfolk-
form iſt für den Zuſchnitt erkoren. Mit ihren doppelt
übereinander tretenden Vorderteilen gewährt ſie die
Wärme, die der Julihimmel bis jetzt noch v[e]rſagt.
Die Weite dieſer Faſſon bietet Bequemlichkeit genug,
doch ein Gürtel faßt die Falten im Rücken zuſammen




[Spaltenumbruch]

Knabe ſo ſchwer, begriff nur langſam und die Lehrer
zweifelten oft an ihm“. Lätitia rühmte ihre Söhne
Joſef und Lucian und klagte viel über Maria Louiſe.
Prokeſch nahm beim Abſchied den Eindruck einer
braven, ſchwergekränkten, heldenmütigen Frau mit ſich.
Am 22. Juli hatte er nochmals Audienz beim Papſte,
den er als guten, aber kindiſchen und ſeine Zeit ver-
tändelnden Mann vermerkt. Er verließ am 24. Juli
Rom und [e]rfährt in Bologna am 1. Auguſt den
Tod Reichſtadt’s.

Bei ſeiner Rückkehr am 11. Auguſt empfängt
er aus der Hand Metternich’s, als ein Andenken an
den Papſt, eine Doſe in Brillanten.

Am 30. Auguſt war das Begräbnis der Mutter
von Fanny Elßler. Prokeſch trägt unter ſeinen
Tagebuchnotizen unterm 17. September ein: „Auch
Fanny iſt gealtert“.

Auf Autoren-Honorare wirft die Tatſache ein
Licht, daß Gerold Prokeſch für ſeine Reichſtadt-
Broſchüre 10 Dukaten anbot, dieſer aber darüber ſo
entrüſtet war, daß er das Manuſkript ſofort an
Schneller ſandte.

Am 25. November 1832 fand im Hauſe des
Hofrates Kieſewetter die Vermählung von deſſen
Tochter Irene mit Prokeſch ſtatt. Als Beiſtände fun-
gierten vier Oberſte: Graf Paar, Graf Schlick, Peter
Zanini und Baron Schön.

Am 25. Dezember wurde im Hauſe des Hof-
rates Kleyle der Weihnachtsbaum angezündet, bei
welcher Gelegenheit Prokeſch den Luſtſpieldichter
Bauernfeld kennen lernte.

Im Jahre 1833, vom Februar bis September,
unternahm Prokeſch eine Reiſe nach Egypten, er
brachte davon für die Menagerie von Schönbrunn
Antilopen und einen Hermaphroditbock mit.

Am 16. September desſelben Jahres war Prokeſch
bei der Zuſammenkunft des Kaiſer Franz mit Kaiſer
[Spaltenumbruch] Nikolaus in Münchengrätz zugegen. Er ſchildert Kaiſer
Nikolaus als einen ſchönen Mann mit vieler mili-
täriſcher Haltung, er dürfte nicht unterrichtet, aber
kräftigeren Schlages als unſere Prinzen ſein. Dieſe
Zuſammenkunft trägt dem Fürſten Metternich eine
Doſe mit dem Porträt des Kaiſers im Werte von
26.000 Rubel und Prokeſch das Komthurkreuz des
Annenordens in Brillanten ein.

Im Jahre 1834 macht Prokeſch mit dem bayri-
ſchen Kronprinzen Max einen Ausflug nach Brünn.
Er macht einen ſehr unterrichteten und anregenden
Eindruck. Er klagt über feine und Otto’s (Königs von
Griechenland) Erziehung, ſchildert letzteren durch
Pfäfferei faſt verdummt. Während des rührenden
Empfanges in Syra war er vor Skrupel totenblaß,
ob ſeine letzte Beichte wohl giltig war. Einen komi-
ſchen Eindruck macht auf Prokeſch der König von
Bayern mit ſeinen gewaltſamen und heftigen Bewe-
gungen, er faßt Prokeſch oft am Rocke, bis dieſer ihn
zuletzt in einen Winkel manövriert, um ihn zur Ruhe
zu zwingen. Deſſenungeachtet gewinnt er bei näherem
Umgange.

Am 18. Oktober 1834 reiſt Prokeſch in den
Orient, wo er bis 1849 blieb, dann den Geſandten-
poſten in Berlin und Frankfurt verſah und Ende
1855 Internuntius in Konſtantinopel wurde. Er ſtarb
am 26. Oktober 1876.

Nun noch ein paar Schlaglichter aus den Tage-
büchern zur Illuſtration des geſellſchaftlichen und
ſchöngeiſtigen Wien des Vormärz.

Man beſuchte viel das Theater, deſſen Reper-
toire ein für den heutigen Geſchmack unſeres blaſierten
Publikums kein paſſendes geweſen wäre, ſo verzeichnet
Prokeſch unterm 20. Mai 1830: in Kotzebues
„Menſchenhaß und Reue“ geweſen, was mich rührt.
Am 1. November wurde Raupachs „Schuld und
Sühne“ aufgeführt. Anläßlich einer Aufführung von
[Spaltenumbruch] „Don Carlos“ raiſonnierte Prokeſch ſummariſch:
Schlechte Aufführung, Korn vergreift den Marquis
Poſa, die Demoiſelle Gley (nachmalige Rettich) die
Eboli und Demoiſelle Peche die Eliſabeth.

Dagegen ſcheinen die Opernvorſtellungen auf
Prokeſch mehr Eindruck gemacht zu haben. Er hört
in „Othello“ die berühmte Paſta und Rubini ſingen,
rühmt unterm 21. Jänner 1831 von Roſſinis:
„Wilhelm Tell“ „ſchöne Muſik, treffliche Chöre“.
Mit Paar und Irene Kieſewetter beſucht er im Joſef-
ſtädter-Theater Bellinis liebliche Oper „Die Kapuletts
und Montagues“, in der Sabine Heinefetter, auch
eine Geſangsheroine, den Romeo ſang.

Im Hauſe ſeines Schwiegervaters, des Hofrates
Kieſewetter, wurde viel muſiziert, dort war auch
Baron Schönſtein, ein damals berühmter Schubert-
Sänger, ein gern geſehener Gaſt. Irene Kieſewetter,
die nachmalige Gattin Prokeſchs, ſpielte vortrefflich
Klavier und ſtudierte, wie eine Tagebucheintragung
vom 15. Dezember 1830 entnehmen läßt, auch
Generalbaß. Es wurde klaſſiſche Muſik gemacht:
Beethoven, Jenger: Paſtoral-Symphonie, Mozart, ja,
ſelbſt alte Muſik, Pſalmen von Marcello, wird auf-
geführt. Auch im Hauſe der Geſchwiſter Fröhlich wird
die Muſik kultiviert, u. zw. ſogar alte Muſik von
Kaldara und Adolfini. Die Zuhörer ſind Maler,
Dichter, Muſiker.

Im dritten Geſellſchaftskonzert wurde im Jahre
1831 Beethovens Paſtoral-Symphonie vortrefflich
aufgeführt, dann ſang die Tochter der Schauſpielerin
Löwe eine Arie aus Bellinis: „La straniera“ und
Thalberg trug ein von ihm verfaßtes Klavierkonzert
vor. Sowohl Lachner als Randhartinger haben Ge-
dichte Prokeſchs in Muſik geſetzt. Ja ſelbſt Irene
Kieſewetter komponierte ein Lied: „Das Leiermädchen“,
deſſen Text von Prokeſch herrührte. Wirft man noch
einen Blick auf die von Prokeſch verzeichnete Lektüre,


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Röslein zerzau&#x017F;t das gekräu&#x017F;elte Köpfchen trotzig in<lb/>
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[3/0003] Nr. 58 Mittwoch Badener Zeitung 21. Juli 1909 des Deutſchtums angeſehen werden, dann iſt dies das Grabgeläute deutſcher Kultur in Oeſterreich. Wir haben dies geſchrieben, um jene Deutſchen, welche ihr heiligſtes Gut wirklich verteidigen wollen, inſtändigſt zu bitten, die wirkliche „Freie Schule“ mit aller Kraft zu unterſtützen und wir hielten es geradezu für eine Ehrenſache der „Badener Zeitung“, uns in dieſem Sinne vor aller Welt zu äußern. Baden, am 20. Juli 1909. Lokal-Nachrichten. — Hofnachricht. Erzherzog Rainer und Erzherzogin Marie, die in den letzten Tagen den Beſuch der Herzogin Robert v. Württemberg, einer Tochter des Erzherzogs Albrecht, hatten, ſind Dienstag nach einem dreiwöchentlichen Aufenthalt nach Schloß Hernſtein überſiedelt, woſelbſt ſie den Reſt des Sommers zu verbringen gedenken. — Geſtern Dienstag traf Erzherzogin Iſabella mit ihren Töchtern im Schloſſe Weilburg zum Sommeraufent- halte ein. Ihr Gemahl Erzherzog Friedrich weilt bekanntlich derzeit zur Kur in Karlsbad und ſoll nach Beendigung derſelben ebenfalls nach Baden kommen. — Todesfälle. In Kloſterneuburg ſtarb Samstag der dem hieſigen Poſtamte zugeteilt ge- weſene Poſtoffizial Herr Johann Goſch nach einem langen Leiden im 49. Lebensjahre. — Montag ver- ſchied hier die Arztenswitwe Frau Barbara Kohl geb. Pfundner im hohen Alter von 84 Jahren. — Perſonalnachricht. In Baden ſind zum Kurgebrauche, reſp. Sommerfriſche eingetroffen: Marie Gräfin Grundemann („Grüner Baum“), Bertha Gräfin Orſich-Slavetiſch, der königl. bayriſche Geſandte Heinrich Freiherr von Fiſcher, Leopoldine Baronin Funkel v. Aſchbrunn mit Frau Roſa Baronin Funkel v. Aſchbrunn (Joſefihof), Ernſt Graf Thurn (Grüner Baum), Prinz Egon von Thurn und Taxis (Grüner Baum), Fürſtin Hermanze Gagarin mit Prinzeſſin Maria Valesca Gagarin. — Promotionen. Morgen Donnerstag, ¾11 Uhr vormittags, findet in Wien im Feſtſaale der Univerſität die Promotion des Herrn Richard Bernkopp, Sohnes des Oberlehrers Herrn Ignaz Bernkopp in Tribuswinkel, zum Doktor beider Rechte ſtatt. — Dienstag mittags promovierte an der gleichen Univerſität der am hieſigen Gymnaſium tätige Supplent Herr Kuppe zum Doktor der Philoſophie. — Aerztliche Nachricht. Zahnarzt Dr. F. Smolcič ordiniert wie früher Baden, Kaiſer Franz Joſefſtraße 51, täglich perſönlich. — Roſenfeſt. Alſo am letzten Samstag ſpielte ſich das Roſenfeſt ab — mit allen Konſequenzen. Pardon, das heißt, man mußte wieder einmal zugeſtehen, daß es ſo viele der Spielarten an Roſen gibt, als ihrer Frauennamen im Kalender ſtehen. Und weil denn alle dieſe dem lieben Gott ſehr aus Herz gewachſen ſind, wie ſie da vom Neujahrs- bis zum Silveſtertage ſämtlich heißen, ſo verſcheuchte er die dunklen Wolken von ſeinem ſchmunzelnden Angeſicht und hatte ein Einſehen. Wohin? Nun denn, in die fabelhaft ſchön erleuchteten Alleen, wo doch ſo reizende Roſen aller Züchtungen auf- und abwandelten, mit den Tautropfen (um 500 Kronen das Stück) im Ohrläppchen, jede einzelne hübſch eingehüllt in ihren Tüll-, Mouſſelin- oder Battiſtkelch, und ſich auf ihrem zartbeſtrumpften Doppelſtengelchen wiegend, in ſchüchterner Abwehr der Bienen, Weſpen und Hummeln, die ſie umbummeln. Und da wären wir denn unverſehens ſchon bei den Konſequenzen angelangt. So dir geſchenkt ein Knöſplein was, ſo begieße es fürſorglich ein wenig mit Walzermuſik und ſtell’ es in ein Champagnerglas und du wirſt ſehen, was es alles Schönes — — „treibt“. Merkwürdig, wie’s doch bei all dieſen Sommerfeſten in der erſten ſchwachen Stunde ſo furchtbar ſittſam und zurückhälteriſch zugeht, wenn die duftenden Zentifolien noch ſo ausſchauen, als ob ſie nicht bis hundert zählen könnten, wenn ſich die Strohwitwer noch nicht recht an eine Surrogattin herantrauen und wenn das „Mädchen aus der Ge- ſellſchaft“ mit der fünfeckigſten Geberde der Welt aus ihrem momentanen Zeltleben heraustritt und dem ahnungsloſen Vorbeiziehenden mit der keuſchen Bitte im Wege lagert: „Eine Roſe, bitte, junger Herr, eine Roſe; koſtet nur eine Krone!“ ..... Enttäuſcht wirft man der Flehenden einen umflorten Blick zu und denkt ſich im Stillen: Alſo auch du nicht ohne Dornen! Dann aber, wenn die Koriandoli die Luft verfinſtern und die Roſen alle Zucht vergeſſen und zu wilden werden, wenn ſie ſich im Sturme der Leidenſchaft mit Wonne entblättern laſſen und manches Röslein zerzauſt das gekräuſelte Köpfchen trotzig in die Höhe wirft, dann erſt werden ſie ihres kurzen Daſeins inne, vergeſſen mit eins das Stechen und verlegen ſich aufs Betäuben. — Tanz gab’s und Scherz, Walzertraum und ſchwüle Julinacht, weiße, höfliche Manſchetten und entzückende Prinzeßkleidchen mit Oberlicht, koſtbare Varietäten und Hundsroſen, Augen- duelle und Militärmuſik, gefüllte Kaſſen und leere Portemonnaies, gehobene Stimmung und ebenſolche Spitzenjupons, ſehnende Herzen und hie und da auch gähnende Mündchen. Der Jubel und die Fröhlichkeit dauerten bis zu jener Frühſtunde, da die daheimge- bliebenen Roſen ſchon langſam mit der Morgen- toilette begannen, während jene erſt vom Balle müde heimgeſchleift wurden, den bunten Schmetterlingsflitter von den Blättern ſchüttelten, ſich die ſo leicht ge- brochenen Dornen wieder zurecht richteten und ach, ſo dringend ein wenig des Auffriſchens bedurften. Man würde ſicherlich nach durchtanzter Nacht die Frauen nicht mit Roſen vergleichen, wenn man ſich nicht mit Walzerklängen im Ohre heimlich fragen müßte, wo denn eigentlich der Unterſchied ſtecke zwiſchen einer Marſchall Niel und einer „Geſchiedenen Frau“, zwiſchen einer „Luſtigen Witwe“ und einer Pompadour? T—g. Das Feſt wurde von unſerem rührigen Ver- ſchönerungsvereine unter der Leitung ſeines Präſes- ſtellvertreters des GR. Laſchitz unter Mitwirkung von Damen aus der Geſellſchaft veranſtaltet. In den ſechs Zelten fungierten die Damen: Lina König, Vilma Haidner, Mathilde Hanft, Emma König, Hanſi Sukfüll, Mitzi Hanauſek, Guſti Prager, Joſefine und Valerie Schmidt. Paula Blau, Tilly Halpern, Cer- line Balten, Reſa v. Rothenburg, Laura Wally, Elſe Haßmann, Bertha Klein, Riſa Klein, Julie Scheck, Lena und Lotte Scheck, M. Watzenauer, Karoline Bähr, Emma Herlitſchka, Grete Porndorfer, Mitzi Schwarz, Fanni Weber, Fritzi Weislein, Kohllieb Elſa Alten, Ottilie Alten, Amelie, Grete und Olga Braun. Um 10 Uhr nachts war Blumen-Prämien- verteilung, bei welcher auf folgende Beſitzer der Eintrittskarten Prämien entfielen: Nr. 3548, 400, 3514, 1054, 3802, 2501, 3737, 4451, 880, 4413, 1380, 2139, 1891, 1336, 1971. — Die Mode für Auto und Reiſe. Eine zarte, feine Schöne, die für Freude und Sonnen- ſchein geſchaffen ſchien, bleibt verlaſſen in Paris zurück, da alle Welt auf Reiſen geht: die Lingerie- toilette. Die Mode hat ihr große Verſprechungen gemacht und ſie hatte ſich denn auch recht kokett und allerliebſt für den Sommer herausgeputzt. Nun fragt niemand nach ihr. Gleichgültig ſtreift ſie ein Blick der Dame, die den Modeſalon beſucht, um noch ſchnell vor der Abreiſe einen warmen Mantel zu be- ſchaffen. Im letzten Sommer galt es, bei Fernfahrten im Automobil dem Staub Trotz zu bieten, und ſo ward der Tuſſormantel als geeignet befunden. Jetzt muß man unter warmen Hüllen Schutz vor Regen und kühler Temperatur ſuchen. Rauhaarige Stoffe aus ſchottiſchen und aus engliſchen Wollgeweben ſcheinen dem ſtärkſten Wetter ſtand- halten zu können und ihre matten bedeckten Farben- miſchungen beſitzen nichts von der Empfindlichkeit ſonſtiger Sommermodedinge. Die bekannte Nordfolk- form iſt für den Zuſchnitt erkoren. Mit ihren doppelt übereinander tretenden Vorderteilen gewährt ſie die Wärme, die der Julihimmel bis jetzt noch verſagt. Die Weite dieſer Faſſon bietet Bequemlichkeit genug, doch ein Gürtel faßt die Falten im Rücken zuſammen Knabe ſo ſchwer, begriff nur langſam und die Lehrer zweifelten oft an ihm“. Lätitia rühmte ihre Söhne Joſef und Lucian und klagte viel über Maria Louiſe. Prokeſch nahm beim Abſchied den Eindruck einer braven, ſchwergekränkten, heldenmütigen Frau mit ſich. Am 22. Juli hatte er nochmals Audienz beim Papſte, den er als guten, aber kindiſchen und ſeine Zeit ver- tändelnden Mann vermerkt. Er verließ am 24. Juli Rom und erfährt in Bologna am 1. Auguſt den Tod Reichſtadt’s. Bei ſeiner Rückkehr am 11. Auguſt empfängt er aus der Hand Metternich’s, als ein Andenken an den Papſt, eine Doſe in Brillanten. Am 30. Auguſt war das Begräbnis der Mutter von Fanny Elßler. Prokeſch trägt unter ſeinen Tagebuchnotizen unterm 17. September ein: „Auch Fanny iſt gealtert“. Auf Autoren-Honorare wirft die Tatſache ein Licht, daß Gerold Prokeſch für ſeine Reichſtadt- Broſchüre 10 Dukaten anbot, dieſer aber darüber ſo entrüſtet war, daß er das Manuſkript ſofort an Schneller ſandte. Am 25. November 1832 fand im Hauſe des Hofrates Kieſewetter die Vermählung von deſſen Tochter Irene mit Prokeſch ſtatt. Als Beiſtände fun- gierten vier Oberſte: Graf Paar, Graf Schlick, Peter Zanini und Baron Schön. Am 25. Dezember wurde im Hauſe des Hof- rates Kleyle der Weihnachtsbaum angezündet, bei welcher Gelegenheit Prokeſch den Luſtſpieldichter Bauernfeld kennen lernte. Im Jahre 1833, vom Februar bis September, unternahm Prokeſch eine Reiſe nach Egypten, er brachte davon für die Menagerie von Schönbrunn Antilopen und einen Hermaphroditbock mit. Am 16. September desſelben Jahres war Prokeſch bei der Zuſammenkunft des Kaiſer Franz mit Kaiſer Nikolaus in Münchengrätz zugegen. Er ſchildert Kaiſer Nikolaus als einen ſchönen Mann mit vieler mili- täriſcher Haltung, er dürfte nicht unterrichtet, aber kräftigeren Schlages als unſere Prinzen ſein. Dieſe Zuſammenkunft trägt dem Fürſten Metternich eine Doſe mit dem Porträt des Kaiſers im Werte von 26.000 Rubel und Prokeſch das Komthurkreuz des Annenordens in Brillanten ein. Im Jahre 1834 macht Prokeſch mit dem bayri- ſchen Kronprinzen Max einen Ausflug nach Brünn. Er macht einen ſehr unterrichteten und anregenden Eindruck. Er klagt über feine und Otto’s (Königs von Griechenland) Erziehung, ſchildert letzteren durch Pfäfferei faſt verdummt. Während des rührenden Empfanges in Syra war er vor Skrupel totenblaß, ob ſeine letzte Beichte wohl giltig war. Einen komi- ſchen Eindruck macht auf Prokeſch der König von Bayern mit ſeinen gewaltſamen und heftigen Bewe- gungen, er faßt Prokeſch oft am Rocke, bis dieſer ihn zuletzt in einen Winkel manövriert, um ihn zur Ruhe zu zwingen. Deſſenungeachtet gewinnt er bei näherem Umgange. Am 18. Oktober 1834 reiſt Prokeſch in den Orient, wo er bis 1849 blieb, dann den Geſandten- poſten in Berlin und Frankfurt verſah und Ende 1855 Internuntius in Konſtantinopel wurde. Er ſtarb am 26. Oktober 1876. Nun noch ein paar Schlaglichter aus den Tage- büchern zur Illuſtration des geſellſchaftlichen und ſchöngeiſtigen Wien des Vormärz. Man beſuchte viel das Theater, deſſen Reper- toire ein für den heutigen Geſchmack unſeres blaſierten Publikums kein paſſendes geweſen wäre, ſo verzeichnet Prokeſch unterm 20. Mai 1830: in Kotzebues „Menſchenhaß und Reue“ geweſen, was mich rührt. Am 1. November wurde Raupachs „Schuld und Sühne“ aufgeführt. Anläßlich einer Aufführung von „Don Carlos“ raiſonnierte Prokeſch ſummariſch: Schlechte Aufführung, Korn vergreift den Marquis Poſa, die Demoiſelle Gley (nachmalige Rettich) die Eboli und Demoiſelle Peche die Eliſabeth. Dagegen ſcheinen die Opernvorſtellungen auf Prokeſch mehr Eindruck gemacht zu haben. Er hört in „Othello“ die berühmte Paſta und Rubini ſingen, rühmt unterm 21. Jänner 1831 von Roſſinis: „Wilhelm Tell“ „ſchöne Muſik, treffliche Chöre“. Mit Paar und Irene Kieſewetter beſucht er im Joſef- ſtädter-Theater Bellinis liebliche Oper „Die Kapuletts und Montagues“, in der Sabine Heinefetter, auch eine Geſangsheroine, den Romeo ſang. Im Hauſe ſeines Schwiegervaters, des Hofrates Kieſewetter, wurde viel muſiziert, dort war auch Baron Schönſtein, ein damals berühmter Schubert- Sänger, ein gern geſehener Gaſt. Irene Kieſewetter, die nachmalige Gattin Prokeſchs, ſpielte vortrefflich Klavier und ſtudierte, wie eine Tagebucheintragung vom 15. Dezember 1830 entnehmen läßt, auch Generalbaß. Es wurde klaſſiſche Muſik gemacht: Beethoven, Jenger: Paſtoral-Symphonie, Mozart, ja, ſelbſt alte Muſik, Pſalmen von Marcello, wird auf- geführt. Auch im Hauſe der Geſchwiſter Fröhlich wird die Muſik kultiviert, u. zw. ſogar alte Muſik von Kaldara und Adolfini. Die Zuhörer ſind Maler, Dichter, Muſiker. Im dritten Geſellſchaftskonzert wurde im Jahre 1831 Beethovens Paſtoral-Symphonie vortrefflich aufgeführt, dann ſang die Tochter der Schauſpielerin Löwe eine Arie aus Bellinis: „La straniera“ und Thalberg trug ein von ihm verfaßtes Klavierkonzert vor. Sowohl Lachner als Randhartinger haben Ge- dichte Prokeſchs in Muſik geſetzt. Ja ſelbſt Irene Kieſewetter komponierte ein Lied: „Das Leiermädchen“, deſſen Text von Prokeſch herrührte. Wirft man noch einen Blick auf die von Prokeſch verzeichnete Lektüre,

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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 58, Baden (Niederösterreich), 21.07.1909, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener058_1909/3>, abgerufen am 24.11.2024.