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Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 7. Rudolstadt, 14. Februar 1848.

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[Spaltenumbruch] Regel sind die bloß durch die Wärme erzeugten Fieber nicht von Be-
deutung, und wenn ein davon Befallener bei Zeiten ärztliche Hülfe
sucht, ist er auch schnell davon befreit. Katarrhe, Rheumatismen, Ent-
zündungen ec. gehören zu den Seltenheiten, sowie überhaupt im Winter,
wo bei Euch diese Krankheiten am häufigsten vorkommen, hier fast
gar keine Kranken sind. Sogar im Winter, während dessen wir
die beschwerliche Landreise machten, hatten wir nur sehr wenige Kranke.
Es glauben Viele, jeder neue Ankömmling müsse das Fieber be-
kommen, was aber durchaus irrig ist. Jch, sowie viele Andere,
waren stets gesund,
und ich kann nicht sagen, daß ich mich, so lange
ich hier im Lande bin, je länger als ein Mal einen halben Tag un-
wohl befand. Daß die Wärme aber ein gutes Mittel gegen Corpulenz
ist, davon habe ich den besten Beweis an mir gesehen; schon auf dem
Schiffe fing ich an magerer zu werden, und fuhr darin dermaßen fort,
daß ich jetzt schlanker bin, als ich je war, und eben so war es mit
mehreren Anderen der Fall. Meine Röcke sind mir alle so weit, daß
ich sie gar nicht mehr anziehen kann, und meine Fräcke könnte ich als
Mäntel gebrauchen.

An der Küste, besonders in Galveston ist es sehr ungesund,
wie das überhaupt überall an heißen Seeküsten der Fall ist, wozu der
Mangel an Quellen, überhaupt gutem Wasser, Manches beiträgt. Die
Amerikaner sehen meist blaß und ungesund aus, was aber hauptsäch-
lich daran liegt, daß dieselben sich mit Medicamenten ruiniren. Wenn
ein Amerikaner krank ist, so kommt es ihm mehr darauf an, daß die
Krankheit schnell unterdrückt, als daß sie vollständig geheilt werde,
weßhalb denn die amerikanischen Aerzte, die überdieß zuweilen Quack-
salber sind, diesen Kranken ungeheure Dosen von sehr stark wirkenden
Arzneimitteln geben, wodurch die Krankheit augenblicklich unterdrückt
wird, aber dadurch nicht getilgt ist, und eben dadurch und besonders
durch die fürchterlichen Gaben von Calomel ruiniren diese Leute ihre
Gesundheit entsetzlich. An und für sich muß man allerdings hier grö-
ßere Gaben von Arzneimitteln anwenden als in Europa, aber dennoch
nimmt ein Amerikaner auf einmal so viel Calomel, wie ich 4 -- 6
Personen zusammen nicht gebe. Eben solche Quantitäten essen sie von
China und andern Arzneimitteln. Jm Allgemeinen kennen die hiesigen
amerikanischen Aerzte nur wenige Medicamente, die sie aber stets und
bei allen Krankheiten gebrauchen.

Was das Land nun anbelangt, so ist dasselbe sehr schön, der
Boden ist zum Ackerbau ausgezeichnet; ganz besonders schön ist das
Land in unserer Umgebung, die schönste schwarze Gartenerde, welche
in Frankfurt gut bezahlt werden würde als Blumenerde. Größten-
theils besteht Texas, so weit ich es bis jetzt gesehen und was ich sonst
davon gehört habe, aus Prairien ( Wiesenland ) ; dem Laufe der Flüsse
und Bäche entlang findet sich Holz, mehr oder weniger dick zusam-
menstehend, jedoch nur seltener dichte Wälder von größerem Umfang
bildend; es wird dieß mit dem Namen "bottom" von den Amerika-
nern bezeichnet. Hier am Fuße der Gebirge werden diese bottom schon
breiter und dichter, jedoch kommen sie noch lange nicht den nordame-
rikanischen Urwäldern gleich. Besonders für den Neuling haben sie,
wo sie noch in ihrem Urzustand sind, d. h. wo noch kein Holz darin
gehauen ist, vielen Reiz. Die Flußbetten sind nämlich alle sehr tief,
die Ufer sehr hoch und mehr oder weniger steil, und nun zu beiden
Seiten diese herrlichen Bäume, besonders längs der Guadalupe, wo
der bottom fast nur aus Cedern, Cypressen, Platanen ec. besteht. Jch
sah an den meisten Stellen diese Bäume von ungeheurer Höhe und
oft auch sehr dick. Platanen von 60 bis 80 /, Cedern und Cypressen
noch höher; mehrmals sah ich letztere von 4 bis 6 / unten im Durch-
messer und dabei wohl über 100 / hoch. Zwischen diesen Riesenbäumen
und an ihnen heran ziehen sich nun sehr viele Schlinggewächse und Wein-
stöcke von bedeutender Stärke; öfters sah ich Stämme derselben von
1 / 2 / und mehr im Durchmesser. Der wilden Trauben gibt es hier sehr
viele Arten und die meisten sind recht schmackhaft, wenn auch natür-
lich nicht so gut und süß wie die cultivirten in Europa; sicherlich
[Spaltenumbruch] ließen sich diese wilden Reben leicht veredeln und müßten einen recht
guten Wein liefern, was wir hoffentlich auch noch in Zukunft ver-
suchen werden; vor der Hand benutzen wir sie zu Essig und kochen
sie zu Compot.

Was nun die oben erwähnten Prairien betrifft, so gibt es hier
zu Lande einige von sehr bedeutender Ausdehnung, von 20 bis 30
englischen Meilen, von welchen bekanntlich drei auf eine Wegstunde
gehen. Diese großen Prairien können vorerst noch nicht bebaut wer-
den, da es in der Mitte derselben dem einzelnen Farmer am Wasser
fehlen würde, und bei der großen Menge unbebauten Landes baut sich
Jeder nur am Wasser an, und werden vorzüglich nur solche Plätze
aufgesucht, wo gutes Wasser in hinreichender Menge, gutes Gras für
das Vieh und hinreichend Holz zum Bauen und Umzäunen vorhanden
ist. Jm Frühjahr gewähren diese großen Prairien einen ausgezeichnet
schönen Anblick, wenn sie in ihrem vollen Blumenflor prangen, und
zwar macht es sich ausgezeichnet gut, daß man sie auf großen Strecken
immer in verschiedenen Farben blühen sieht, da gewöhnlich von der-
selben Blumenart viele auf einem Platze stehen und auf einem andern
Platze wieder anders blühende Blumen. Eben so wechseln die Prai-
rien im Sommer immer nach Verlauf von mehreren Wochen ihre
Farben, je nachdem diese oder jene Blumen zur Blüte gelangen. Daß
die Blumen geruchlos hier seien, wie öfter in Büchern geschrieben
wird, habe ich durchaus falsch gefunden, indem es sehr wenige Blu-
men gibt, welche keinen Geruch haben, und fast alle duften ausge-
zeichnet schön und lieblich. Nur zuweilen ist der Geruch schwächer
und, wie es mir schien, besonders beim Norder. Unter diesen herr-
lichen Blumen wären die meisten werth, bei Euch in Treibhäusern
aufbewahrt zu werden, wie es denn mit manchen auch wohl der Fall
ist. Mich dauerten oft die schönen Blumen, wenn ich darüber hin-
wegritt. -- Jch glaube nicht, daß man irgendwo besseres
Land zum Ackerbau finden kann;
wenn auch das Land in den
gebirgigen Gegenden steiniger ist, so ist es doch immer noch nicht so
schlimm, daß es nicht umzuhacken wäre und eine gute Ernte verspräche.

Was die Einwohner Texas' betrifft, so sind natürlich der größte
Theil aus den vereinigten Staaten eingewanderte Amerikaner, und
zwar sind die meisten erst seit einigen Jahren oder noch kürzerer Zeit
hier wohnhaft. Diese Amerikaner sind nun ein eigenthümliches Volk,
theilweise führen sie ein vollständiges Nomadenleben, ziehen oft mit
ihrer Haushaltung, mit ihren Viehheerden ec. von einem Platze zu dem
anderen. Einen Sinn für ihre Heimath im engeren Sinne besitzen
sie durchaus nicht, wiewohl sie das Vaterland im Großen sehr hoch
halten. Man sieht hier unendlich viele junge Männer, welche ihre
Heimath verließen, um hier ihr Glück zu machen; selten wird man
einen solchen von seinem Geburtsort sprechen hören, und zum Heim-
weh ist er zu selbstständig. Jndem ein junger Mann das Vaterhaus
verläßt, trennt er sich auch ganz von ihm, er steht vollständig auf
eigenen Füßen und meistens bekümmert man sich von beiden Seiten
auch weiter nicht mehr viel um einander. Daher hört man auch
höchst selten einen jungen Amerikaner von seinen Eltern oder Geschwi-
stern sprechen. Jm Allgemeinen scheint mir bei den Amerikanern wenig
der Verstand, der praktische Sinn zu dominiren. Vielleicht tragen die
politischen Verhältnisse mit dazu bei; denn schon mit dem siebenzehnten
Jahre wird hier ein Jüngling als selbstständig vor Gericht betrachtet,
und mit dem einundzwanzigsten ist er sogar wahlfähig. Die Mädchen
heirathen gewöhnlich im vierzehnten oder fünfzehnten Jahre, und da
hier so unendlich viele junge Männer einwandern, ist eine alte Jungfer
eine unerhörte Seltenheit. Diese freien Jnstitutionen haben aber auch
einen besonders günstigen Einfluß auf die Kinder, indem dieselben
bei weitem gesetzter und im Betragen anständiger sind als in Europa;
die Knaben haben durchaus nicht das Flegelhafte und Tölpelhafte wie
oft in Deutschland. Wenn man mit einem Jungen von circa 12
Jahren spricht, so wird man nie finden, daß derselbe verlegen ist; er
behandelt den Fremden eben so artig und auf dieselbe Weise wie es

[Spaltenumbruch] Regel sind die bloß durch die Wärme erzeugten Fieber nicht von Be-
deutung, und wenn ein davon Befallener bei Zeiten ärztliche Hülfe
sucht, ist er auch schnell davon befreit. Katarrhe, Rheumatismen, Ent-
zündungen ec. gehören zu den Seltenheiten, sowie überhaupt im Winter,
wo bei Euch diese Krankheiten am häufigsten vorkommen, hier fast
gar keine Kranken sind. Sogar im Winter, während dessen wir
die beschwerliche Landreise machten, hatten wir nur sehr wenige Kranke.
Es glauben Viele, jeder neue Ankömmling müsse das Fieber be-
kommen, was aber durchaus irrig ist. Jch, sowie viele Andere,
waren stets gesund,
und ich kann nicht sagen, daß ich mich, so lange
ich hier im Lande bin, je länger als ein Mal einen halben Tag un-
wohl befand. Daß die Wärme aber ein gutes Mittel gegen Corpulenz
ist, davon habe ich den besten Beweis an mir gesehen; schon auf dem
Schiffe fing ich an magerer zu werden, und fuhr darin dermaßen fort,
daß ich jetzt schlanker bin, als ich je war, und eben so war es mit
mehreren Anderen der Fall. Meine Röcke sind mir alle so weit, daß
ich sie gar nicht mehr anziehen kann, und meine Fräcke könnte ich als
Mäntel gebrauchen.

An der Küste, besonders in Galveston ist es sehr ungesund,
wie das überhaupt überall an heißen Seeküsten der Fall ist, wozu der
Mangel an Quellen, überhaupt gutem Wasser, Manches beiträgt. Die
Amerikaner sehen meist blaß und ungesund aus, was aber hauptsäch-
lich daran liegt, daß dieselben sich mit Medicamenten ruiniren. Wenn
ein Amerikaner krank ist, so kommt es ihm mehr darauf an, daß die
Krankheit schnell unterdrückt, als daß sie vollständig geheilt werde,
weßhalb denn die amerikanischen Aerzte, die überdieß zuweilen Quack-
salber sind, diesen Kranken ungeheure Dosen von sehr stark wirkenden
Arzneimitteln geben, wodurch die Krankheit augenblicklich unterdrückt
wird, aber dadurch nicht getilgt ist, und eben dadurch und besonders
durch die fürchterlichen Gaben von Calomel ruiniren diese Leute ihre
Gesundheit entsetzlich. An und für sich muß man allerdings hier grö-
ßere Gaben von Arzneimitteln anwenden als in Europa, aber dennoch
nimmt ein Amerikaner auf einmal so viel Calomel, wie ich 4 -- 6
Personen zusammen nicht gebe. Eben solche Quantitäten essen sie von
China und andern Arzneimitteln. Jm Allgemeinen kennen die hiesigen
amerikanischen Aerzte nur wenige Medicamente, die sie aber stets und
bei allen Krankheiten gebrauchen.

Was das Land nun anbelangt, so ist dasselbe sehr schön, der
Boden ist zum Ackerbau ausgezeichnet; ganz besonders schön ist das
Land in unserer Umgebung, die schönste schwarze Gartenerde, welche
in Frankfurt gut bezahlt werden würde als Blumenerde. Größten-
theils besteht Texas, so weit ich es bis jetzt gesehen und was ich sonst
davon gehört habe, aus Prairien ( Wiesenland ) ; dem Laufe der Flüsse
und Bäche entlang findet sich Holz, mehr oder weniger dick zusam-
menstehend, jedoch nur seltener dichte Wälder von größerem Umfang
bildend; es wird dieß mit dem Namen „bottom“ von den Amerika-
nern bezeichnet. Hier am Fuße der Gebirge werden diese bottom schon
breiter und dichter, jedoch kommen sie noch lange nicht den nordame-
rikanischen Urwäldern gleich. Besonders für den Neuling haben sie,
wo sie noch in ihrem Urzustand sind, d. h. wo noch kein Holz darin
gehauen ist, vielen Reiz. Die Flußbetten sind nämlich alle sehr tief,
die Ufer sehr hoch und mehr oder weniger steil, und nun zu beiden
Seiten diese herrlichen Bäume, besonders längs der Guadalupe, wo
der bottom fast nur aus Cedern, Cypressen, Platanen ec. besteht. Jch
sah an den meisten Stellen diese Bäume von ungeheurer Höhe und
oft auch sehr dick. Platanen von 60 bis 80 /, Cedern und Cypressen
noch höher; mehrmals sah ich letztere von 4 bis 6 / unten im Durch-
messer und dabei wohl über 100 / hoch. Zwischen diesen Riesenbäumen
und an ihnen heran ziehen sich nun sehr viele Schlinggewächse und Wein-
stöcke von bedeutender Stärke; öfters sah ich Stämme derselben von
1 / 2 / und mehr im Durchmesser. Der wilden Trauben gibt es hier sehr
viele Arten und die meisten sind recht schmackhaft, wenn auch natür-
lich nicht so gut und süß wie die cultivirten in Europa; sicherlich
[Spaltenumbruch] ließen sich diese wilden Reben leicht veredeln und müßten einen recht
guten Wein liefern, was wir hoffentlich auch noch in Zukunft ver-
suchen werden; vor der Hand benutzen wir sie zu Essig und kochen
sie zu Compot.

Was nun die oben erwähnten Prairien betrifft, so gibt es hier
zu Lande einige von sehr bedeutender Ausdehnung, von 20 bis 30
englischen Meilen, von welchen bekanntlich drei auf eine Wegstunde
gehen. Diese großen Prairien können vorerst noch nicht bebaut wer-
den, da es in der Mitte derselben dem einzelnen Farmer am Wasser
fehlen würde, und bei der großen Menge unbebauten Landes baut sich
Jeder nur am Wasser an, und werden vorzüglich nur solche Plätze
aufgesucht, wo gutes Wasser in hinreichender Menge, gutes Gras für
das Vieh und hinreichend Holz zum Bauen und Umzäunen vorhanden
ist. Jm Frühjahr gewähren diese großen Prairien einen ausgezeichnet
schönen Anblick, wenn sie in ihrem vollen Blumenflor prangen, und
zwar macht es sich ausgezeichnet gut, daß man sie auf großen Strecken
immer in verschiedenen Farben blühen sieht, da gewöhnlich von der-
selben Blumenart viele auf einem Platze stehen und auf einem andern
Platze wieder anders blühende Blumen. Eben so wechseln die Prai-
rien im Sommer immer nach Verlauf von mehreren Wochen ihre
Farben, je nachdem diese oder jene Blumen zur Blüte gelangen. Daß
die Blumen geruchlos hier seien, wie öfter in Büchern geschrieben
wird, habe ich durchaus falsch gefunden, indem es sehr wenige Blu-
men gibt, welche keinen Geruch haben, und fast alle duften ausge-
zeichnet schön und lieblich. Nur zuweilen ist der Geruch schwächer
und, wie es mir schien, besonders beim Norder. Unter diesen herr-
lichen Blumen wären die meisten werth, bei Euch in Treibhäusern
aufbewahrt zu werden, wie es denn mit manchen auch wohl der Fall
ist. Mich dauerten oft die schönen Blumen, wenn ich darüber hin-
wegritt. -- Jch glaube nicht, daß man irgendwo besseres
Land zum Ackerbau finden kann;
wenn auch das Land in den
gebirgigen Gegenden steiniger ist, so ist es doch immer noch nicht so
schlimm, daß es nicht umzuhacken wäre und eine gute Ernte verspräche.

Was die Einwohner Texas' betrifft, so sind natürlich der größte
Theil aus den vereinigten Staaten eingewanderte Amerikaner, und
zwar sind die meisten erst seit einigen Jahren oder noch kürzerer Zeit
hier wohnhaft. Diese Amerikaner sind nun ein eigenthümliches Volk,
theilweise führen sie ein vollständiges Nomadenleben, ziehen oft mit
ihrer Haushaltung, mit ihren Viehheerden ec. von einem Platze zu dem
anderen. Einen Sinn für ihre Heimath im engeren Sinne besitzen
sie durchaus nicht, wiewohl sie das Vaterland im Großen sehr hoch
halten. Man sieht hier unendlich viele junge Männer, welche ihre
Heimath verließen, um hier ihr Glück zu machen; selten wird man
einen solchen von seinem Geburtsort sprechen hören, und zum Heim-
weh ist er zu selbstständig. Jndem ein junger Mann das Vaterhaus
verläßt, trennt er sich auch ganz von ihm, er steht vollständig auf
eigenen Füßen und meistens bekümmert man sich von beiden Seiten
auch weiter nicht mehr viel um einander. Daher hört man auch
höchst selten einen jungen Amerikaner von seinen Eltern oder Geschwi-
stern sprechen. Jm Allgemeinen scheint mir bei den Amerikanern wenig
der Verstand, der praktische Sinn zu dominiren. Vielleicht tragen die
politischen Verhältnisse mit dazu bei; denn schon mit dem siebenzehnten
Jahre wird hier ein Jüngling als selbstständig vor Gericht betrachtet,
und mit dem einundzwanzigsten ist er sogar wahlfähig. Die Mädchen
heirathen gewöhnlich im vierzehnten oder fünfzehnten Jahre, und da
hier so unendlich viele junge Männer einwandern, ist eine alte Jungfer
eine unerhörte Seltenheit. Diese freien Jnstitutionen haben aber auch
einen besonders günstigen Einfluß auf die Kinder, indem dieselben
bei weitem gesetzter und im Betragen anständiger sind als in Europa;
die Knaben haben durchaus nicht das Flegelhafte und Tölpelhafte wie
oft in Deutschland. Wenn man mit einem Jungen von circa 12
Jahren spricht, so wird man nie finden, daß derselbe verlegen ist; er
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Wenn ein Amerikaner krank ist, so kommt es ihm mehr darauf an, daß die Krankheit schnell unterdrückt, als daß sie vollständig geheilt werde, weßhalb denn die amerikanischen Aerzte, die überdieß zuweilen Quack- salber sind, diesen Kranken ungeheure Dosen von sehr stark wirkenden Arzneimitteln geben, wodurch die Krankheit augenblicklich unterdrückt wird, aber dadurch nicht getilgt ist, und eben dadurch und besonders durch die fürchterlichen Gaben von Calomel ruiniren diese Leute ihre Gesundheit entsetzlich. An und für sich muß man allerdings hier grö- ßere Gaben von Arzneimitteln anwenden als in Europa, aber dennoch nimmt ein Amerikaner auf einmal so viel Calomel, wie ich 4 -- 6 Personen zusammen nicht gebe. Eben solche Quantitäten essen sie von China und andern Arzneimitteln. Jm Allgemeinen kennen die hiesigen amerikanischen Aerzte nur wenige Medicamente, die sie aber stets und bei allen Krankheiten gebrauchen. Was das Land nun anbelangt, so ist dasselbe sehr schön, der Boden ist zum Ackerbau ausgezeichnet; ganz besonders schön ist das Land in unserer Umgebung, die schönste schwarze Gartenerde, welche in Frankfurt gut bezahlt werden würde als Blumenerde. Größten- theils besteht Texas, so weit ich es bis jetzt gesehen und was ich sonst davon gehört habe, aus Prairien ( Wiesenland ) ; dem Laufe der Flüsse und Bäche entlang findet sich Holz, mehr oder weniger dick zusam- menstehend, jedoch nur seltener dichte Wälder von größerem Umfang bildend; es wird dieß mit dem Namen „bottom“ von den Amerika- nern bezeichnet. Hier am Fuße der Gebirge werden diese bottom schon breiter und dichter, jedoch kommen sie noch lange nicht den nordame- rikanischen Urwäldern gleich. Besonders für den Neuling haben sie, wo sie noch in ihrem Urzustand sind, d. h. wo noch kein Holz darin gehauen ist, vielen Reiz. Die Flußbetten sind nämlich alle sehr tief, die Ufer sehr hoch und mehr oder weniger steil, und nun zu beiden Seiten diese herrlichen Bäume, besonders längs der Guadalupe, wo der bottom fast nur aus Cedern, Cypressen, Platanen ec. besteht. Jch sah an den meisten Stellen diese Bäume von ungeheurer Höhe und oft auch sehr dick. Platanen von 60 bis 80 /, Cedern und Cypressen noch höher; mehrmals sah ich letztere von 4 bis 6 / unten im Durch- messer und dabei wohl über 100 / hoch. Zwischen diesen Riesenbäumen und an ihnen heran ziehen sich nun sehr viele Schlinggewächse und Wein- stöcke von bedeutender Stärke; öfters sah ich Stämme derselben von 1 / 2 / und mehr im Durchmesser. Der wilden Trauben gibt es hier sehr viele Arten und die meisten sind recht schmackhaft, wenn auch natür- lich nicht so gut und süß wie die cultivirten in Europa; sicherlich ließen sich diese wilden Reben leicht veredeln und müßten einen recht guten Wein liefern, was wir hoffentlich auch noch in Zukunft ver- suchen werden; vor der Hand benutzen wir sie zu Essig und kochen sie zu Compot. Was nun die oben erwähnten Prairien betrifft, so gibt es hier zu Lande einige von sehr bedeutender Ausdehnung, von 20 bis 30 englischen Meilen, von welchen bekanntlich drei auf eine Wegstunde gehen. Diese großen Prairien können vorerst noch nicht bebaut wer- den, da es in der Mitte derselben dem einzelnen Farmer am Wasser fehlen würde, und bei der großen Menge unbebauten Landes baut sich Jeder nur am Wasser an, und werden vorzüglich nur solche Plätze aufgesucht, wo gutes Wasser in hinreichender Menge, gutes Gras für das Vieh und hinreichend Holz zum Bauen und Umzäunen vorhanden ist. Jm Frühjahr gewähren diese großen Prairien einen ausgezeichnet schönen Anblick, wenn sie in ihrem vollen Blumenflor prangen, und zwar macht es sich ausgezeichnet gut, daß man sie auf großen Strecken immer in verschiedenen Farben blühen sieht, da gewöhnlich von der- selben Blumenart viele auf einem Platze stehen und auf einem andern Platze wieder anders blühende Blumen. Eben so wechseln die Prai- rien im Sommer immer nach Verlauf von mehreren Wochen ihre Farben, je nachdem diese oder jene Blumen zur Blüte gelangen. Daß die Blumen geruchlos hier seien, wie öfter in Büchern geschrieben wird, habe ich durchaus falsch gefunden, indem es sehr wenige Blu- men gibt, welche keinen Geruch haben, und fast alle duften ausge- zeichnet schön und lieblich. Nur zuweilen ist der Geruch schwächer und, wie es mir schien, besonders beim Norder. Unter diesen herr- lichen Blumen wären die meisten werth, bei Euch in Treibhäusern aufbewahrt zu werden, wie es denn mit manchen auch wohl der Fall ist. Mich dauerten oft die schönen Blumen, wenn ich darüber hin- wegritt. -- Jch glaube nicht, daß man irgendwo besseres Land zum Ackerbau finden kann; wenn auch das Land in den gebirgigen Gegenden steiniger ist, so ist es doch immer noch nicht so schlimm, daß es nicht umzuhacken wäre und eine gute Ernte verspräche. Was die Einwohner Texas' betrifft, so sind natürlich der größte Theil aus den vereinigten Staaten eingewanderte Amerikaner, und zwar sind die meisten erst seit einigen Jahren oder noch kürzerer Zeit hier wohnhaft. Diese Amerikaner sind nun ein eigenthümliches Volk, theilweise führen sie ein vollständiges Nomadenleben, ziehen oft mit ihrer Haushaltung, mit ihren Viehheerden ec. von einem Platze zu dem anderen. Einen Sinn für ihre Heimath im engeren Sinne besitzen sie durchaus nicht, wiewohl sie das Vaterland im Großen sehr hoch halten. Man sieht hier unendlich viele junge Männer, welche ihre Heimath verließen, um hier ihr Glück zu machen; selten wird man einen solchen von seinem Geburtsort sprechen hören, und zum Heim- weh ist er zu selbstständig. Jndem ein junger Mann das Vaterhaus verläßt, trennt er sich auch ganz von ihm, er steht vollständig auf eigenen Füßen und meistens bekümmert man sich von beiden Seiten auch weiter nicht mehr viel um einander. Daher hört man auch höchst selten einen jungen Amerikaner von seinen Eltern oder Geschwi- stern sprechen. Jm Allgemeinen scheint mir bei den Amerikanern wenig der Verstand, der praktische Sinn zu dominiren. Vielleicht tragen die politischen Verhältnisse mit dazu bei; denn schon mit dem siebenzehnten Jahre wird hier ein Jüngling als selbstständig vor Gericht betrachtet, und mit dem einundzwanzigsten ist er sogar wahlfähig. Die Mädchen heirathen gewöhnlich im vierzehnten oder fünfzehnten Jahre, und da hier so unendlich viele junge Männer einwandern, ist eine alte Jungfer eine unerhörte Seltenheit. Diese freien Jnstitutionen haben aber auch einen besonders günstigen Einfluß auf die Kinder, indem dieselben bei weitem gesetzter und im Betragen anständiger sind als in Europa; die Knaben haben durchaus nicht das Flegelhafte und Tölpelhafte wie oft in Deutschland. Wenn man mit einem Jungen von circa 12 Jahren spricht, so wird man nie finden, daß derselbe verlegen ist; er behandelt den Fremden eben so artig und auf dieselbe Weise wie es

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Zitationshilfe: Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 7. Rudolstadt, 14. Februar 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer07_1848/3>, abgerufen am 24.04.2024.