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Allgemeine Zeitung. Nr. 80. Augsburg (Bayern), 21. März 1871.

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[Spaltenumbruch] tungsvolle Worte, indem er sagte: "Keine Facultät dürfe die andere hem-
men, keine sie klemmen, denn man sage ja literarum universitas und nicht
diversitas."

Was speciell die theologischen Facultäten anbelangt, so gab ihnen
Graf Thun, um dem Episkopat sich freundlich zu zeigen, eine Einrichtung
welche das bisherige Band derselben mit den Universitäten lockerte, und
letztere mit dem Verlust eines bisher integrirenden Theils derselben be-
drohte -- ein Umstand der aber nicht nur mit Gleichgültigkeit hingenom-
men wurde, sondern manchen Professoren Veranlassung war laut den Ruf
nach völliger Beseitigung zu erheben, und solange dieß nicht angieng sich
in entschiedener Mißachtung der an Talent und Wissen ebenbürtiger Glie-
der dieser gedrückten Facultät zu ergehen. Ein Vorgang wie in Bonn, wo
die Universität sich der gemaßregelten Professoren der katholisch=theologi-
schen Facultät warm angenommen, ist in Oesterreich undenkbar.

Haben diese von oben ausgegangenen Mißgriffe ein gesundes Wachsen
und Gedeihen nicht gefördert, so trugen auch die Universitäten selbst das
ihrige dazu bei. Es zeigte sich bald, und trat bei verschiedenen Anlässen
immer deutlicher hervor, daß sie von einem schätzenswerthen Gute, nämlich
dem Rechte der freien Selbstbestimmung, den rechten Gebrauch im allge-
meinen Jnteresse der Wissenschaft zu machen nicht verstanden haben; es
hat sich nur eine bedenkliche Cliquenwirthschaft herausgebildet, für die es
freilich an Mäntelchen nicht fehlt. Die Zeit, sagt man, dränge zur Partei-
Bildung; es können mithin auch die Universitäten diesem Drange sich nicht
entziehen. Die Wissenschaft muß allerdings, um der Zeit und ihren Be-
dürfnissen zu entsprechen, von den Parteien Kenntniß nehmen; aber sich
mitten in dieselben hineinstürzen, in ihnen völlig aufgehen und das oft
wüste Treiben derselben auf den eigenen Boden verpflanzen, scheint doch
kaum die richtige Aufgabe der Wissenschaft und ihrer Vertreter zu sein.
Und so sehen wir die Clique nach innen und außen in voller Thätigkeit.
Sie beherrscht das ganze Leben der Universität, sie wählt Rector und
Dekane, beeinflußt die Vorschläge zur Besetzung erledigter Lehrämter, und
wehe dem Manne der es verschmäht sich vor ihr zu beugen -- er ist in sei-
ner Jsolirung verloren, mag er auch an Charakter und Wissen ausgezeich-
net dastehen. Die Clique ist aber auch nach außen thätig, und sucht ihre
Glieder in die verschiedenen Vertretungskörper zu bringen, wo sie, nicht
immer zum Vortheile des Lehrstuhles, der darüber vernachlässigt wird, mit
ihrem Lichte leuchten wollen, dabei aber durch pedantische Rechthaberei oft
mehr schaden als nützen.

Endlich muß noch des Verhältnisses gedacht werden in welchem sich
die Universitätsprofessoren in Wien zu denen in der Provinz befinden.
Am Sitze der Regierung lebend, verschmähten sie es nie sich dort Respect
zu verschaffen, um gelegentlich Einfluß üben zu können. Dadurch gewöhn-
ten sie sich aber sich selbst Patriciern gleich zu achten, die nach allen Seiten
Vorrechte beanspruchen dürfen, während sie ihre Collegen in den Provin-
zen wie Plebejer behandelten, bei denen jeder Wunsch nach gleicher Be-
handlung als Selbstüberhebung betrachtet wurde. An diesem Uebelstand
konnte auch unsere dem Nivelliren so günstige Zeit bisher nichts ändern.

Jst aber dieser ungesunde Zustand der Fortbildung der Wissenschaft
überhaupt abträglich, so kommt dazu noch weiter der unvermeidliche
schlimme Einfluß auf die akademische Jugend. Was soll aus derselben
werden wenn ihre Herren und Meister, in Parteien gespalten, oft mit
kleinlicher Feindschaft sich verfolgen, und den Gemeingeist so weit verläug-
nen daß sie jeden innern Vorgang zu einer öffentlichen Angelegenheit hin-
aufschrauben? Dafür ist aber auch die Disciplin unter den Studenten
auf bedauerliche Weise gelockert, und es hat ein so unwissenschaftlicher
Geist Platz gegriffen, daß die Klagen über Unbrauchbarkeit der absolvirten
Jugend in den praktischen Richtungen des Lebens immer lauter werden.
Die Hörsäle sind fast verödet, Rigorosen und Staatsprüfung zeigen eine
sehr mangelhafte Vorbereitung; dagegen werden die Bewohner einer Uni-
versitätsstadt an den Anfang eines Studienjahres immer recht lebhaft er-
innert durch vermehrte nächtliche Ruhestörungen, durch Zeitungsberichte
über erregte Comite=Wahlen zu der großen Anzahl von Bällen im näch-
sten Fasching und durch Mittheilungen über Commerse und andere Unter-
haltungen.

Wie könnte es aber auch, bei dem großen Mißbrauche welcher bezüglich
der verspäteten Aufnahme von Hörern sich nach und nach eingeschlichen,
anders kommen? Das Gesetz erlaubt diese nur in besonderen Fällen, und
auch nur so lange als die Vorlesungen noch nicht so weit fortgeschritten
sind daß der neu Eintretende eine Einbuße erlitte. Erfahrungsmäßig wer-
den aber solche Gesuche bis Weihnachten in der Regel, öfter sogar bis in
den Januar hinein, zustimmend erledigt. Wer aber in drei oder vier Mona-
ten noch nichts verloren hat, der dürfte überhaupt nichts verlieren, wenn
er auch gar nicht frequentirt.

Es sind bisher Uebelstände besprochen worden welche in den unmittel-
bar betheiligten Kreisen schon lange Gegenstand einer ernsten, aber auch
[Spaltenumbruch] unfruchtbaren Erörterung sind, weil bisher theils der Muth, theils der
Wille gefehlt hat laut auf die Quelle hinzuweisen und auf Beseitigung der-
selben zu dringen. Wir meinen das Jnstitut der Collegiengelder, welches
in Oesterreich sich nicht bewährt, Professoren und Studenten auf gleiche
Weise demoralisirt hat. Nimmt man die Jugend wie sie eben ist, mit
ihren unklaren und einseitigen Anschauungen, mit dem ihr so oft eigenen
Dünkel, so liegt die Gefahr nahe daß die Grundbedingung eines gedeih-
lichen Unterrichts, Achtung vor dem Lehrer, abgeschwächt wird, und wohl
ganz verloren geht, wenn der Zuhörer denselben wie jeden andern für eine
gelieferte Arbeit zahlen muß; und wenn der Docent, um diese Erwerbs-
quelle im Fluß zu erhalten, die Gränzen der erlaubten Nachsicht überschrei-
tet, so müssen Zucht und Ordnung zur leeren Phrase werden, und es darf
sich niemand mehr wundern wenn der Student sagt: "Wenn ich nur zahle,
so ist alles gut," und somit sind die Gegner dieser Neuerung sehr gerecht-
fertigt.

Wie täuschend und seicht waren aber auch die Gründe die man dafür
ins Feld stellte. Es müsse auch auf diese Weise ein festeres Band zwischen
Oesterreich und Deutschland geknüpft werden, meinten große Politiker; nun
hat die Erfahrung gezeigt daß das Jnstitut der Collegiengelder unsern
Ausschluß aus Deutschland nicht verhüten konnte. "Da auch die besten
Kräfte ins Stocken gerathen, so müssen die einzelnen Docenten fortwährend
in gegenseitiger Aemulation erhalten werden; dazu empfehlen sich aber
vorzugsweise Collegiengelder," sagten andere. Verdient aber derjenige der
eines solchen Reizmittels bedarf noch den Namen eines Mannes der Wis-
senschaft? Nimmermehr! Ein Mann der Wissenschaft kann nur derjenige
sein der den in seinem Jnnern glühenden göttlichen Funken erkannt, ge-
pflegt und zur erleuchtenden und erwärmenden Flamme angefacht hat.
Ein solcher ist auch erhaben über die Aussicht auf größeren oder geringeren
Erwerb, und überzeugt daß seine Gabe nicht wie eine Waare feilgeboten
und verkauft werden kann. Er wird vielmehr in seiner vom Staate ge-
sicherten unabhängigen Stellung als wahrer Menschenfreund bereit sein
mit seinem Licht allen die es wünschen vorzuleuchten, ohne eine Entschädi-
gung dafür von ihnen zu verlangen. Feuchtersleben hat dieß richtig erkannt;
er sagt in seinem Entwurfe §. 67.: "Ordentliche Professoren beziehen Ge-
halte die ihnen eine den Localverhältnissen entsprechende anständige Exi-
stenz sichern." Und um die Mittel dazu zu beschaffen wurden in demselben
§. die damals üblichen gar nicht drückenden Unterrichtsgelder beibehalten.
Dafür aber heißt es §. 76.: "Für die öffentlichen Collegien sind keine Honorare
zu bezahlen." Hätten wir diese Bestimmungen beibehalten, Zucht, Würde,
Ordnung und ein wissenschaftlicher Geist würden uns erhalten, den Eltern
mancher Kummer erspart und dem praktischen Leben tauglichere Kräfte
zugeführt worden sein. Ja, noch heute würden die meisten Professoren
einem Gehalte der als Compensation für diese prekäre Einnahme gelten
könnte den Vorzug geben, denn nicht alle erfreuen sich, bei sonst gleichen
Leistungen und Pflichten, einer materiell günstigen Lage. Während die
Träger von Fächern welche Gegenstand der Staatsprüfung und der Rigo-
rosen sind, besonders an den juridischen und medicinischen Facultäten,
Schätze sammeln können, steht den philosophischen und theologischen Pro-
fessoren oft die Sorge um die täglichen Lebensbedürfnisse zur Seite. Da-
her kommt es denn auch daß die ersteren so schwer überzeugt werden können
wie nöthig es schon lange gewesen wäre sich und dem Lehrstuhle die nöthige
Ruhe zu gönnen.

Endlich wurde als Vertheidigung auch der Umstand angeführt daß
die so wichtige Pflanzschule künftiger Professoren, das Privatdocententhum,
ohne das Jnstitut der Collegiengelder nicht bestehen könne. Die Erfah-
rung hat diese Anschauung als eine irrige dargethan, denn selbst an gro-
ßen Universitäten können Privatdocenten von den Collegiengeldern allein
nicht leben, wenn nicht ein anderes Einkommen ihnen zu Gebote steht,
welches aber oft auf ihre wissenschaftliche Thätigkeit wieder lähmend ein-
wirkt. Feuchtersleben dachte auch an eine Pflanzschule künftiger Profes-
soren, und sagt in §. 69. seines Entwurfs: "Außerordentliche Professuren
sind Vorstufen für die ordentlichen. Zu außerordentlichen Professoren
werden jüngere Männer zu ihrer Aufmunterung befördert welche sich be-
reits durch vorzügliche Leistungen hervorgethan. Sie werden dadurch zu
Staatsbeamten und können Gehalte und Remunerationen beziehen."

Die nun so naheliegende Frage: was wird der Reichsrath mit der
ihm zugesagten neuen Redaction der betreffenden Vorlage machen? kann
man vielleicht heute schon beantworten mit: wenig oder gar nichts. Solche
Reformarbeiten können nur bei einer fertigen und gesicherten innern Lage mit
Erfolg in Angriff genommen werden, und müssen in eine Zeit fallen in welcher
das Bedürfniß nach ihnen zur Anstrengung der Kräfte drängt. Wird aber für
Oesterreich diese Zeit noch kommen, und wird es dann möglich sein die Uni-
versitäten als Pflegestätten deutscher Cultur zu reformiren? Krakau ist
bereits polonisirt, Lemberg zur Hälfte, um es bald ganz zu werden. Prag
hat schon mit der Tschechisirung den Anfang gemacht und wartet auf die

[Spaltenumbruch] tungsvolle Worte, indem er sagte: „Keine Facultät dürfe die andere hem-
men, keine sie klemmen, denn man sage ja literarum universitas und nicht
diversitas.“

Was speciell die theologischen Facultäten anbelangt, so gab ihnen
Graf Thun, um dem Episkopat sich freundlich zu zeigen, eine Einrichtung
welche das bisherige Band derselben mit den Universitäten lockerte, und
letztere mit dem Verlust eines bisher integrirenden Theils derselben be-
drohte -- ein Umstand der aber nicht nur mit Gleichgültigkeit hingenom-
men wurde, sondern manchen Professoren Veranlassung war laut den Ruf
nach völliger Beseitigung zu erheben, und solange dieß nicht angieng sich
in entschiedener Mißachtung der an Talent und Wissen ebenbürtiger Glie-
der dieser gedrückten Facultät zu ergehen. Ein Vorgang wie in Bonn, wo
die Universität sich der gemaßregelten Professoren der katholisch=theologi-
schen Facultät warm angenommen, ist in Oesterreich undenkbar.

Haben diese von oben ausgegangenen Mißgriffe ein gesundes Wachsen
und Gedeihen nicht gefördert, so trugen auch die Universitäten selbst das
ihrige dazu bei. Es zeigte sich bald, und trat bei verschiedenen Anlässen
immer deutlicher hervor, daß sie von einem schätzenswerthen Gute, nämlich
dem Rechte der freien Selbstbestimmung, den rechten Gebrauch im allge-
meinen Jnteresse der Wissenschaft zu machen nicht verstanden haben; es
hat sich nur eine bedenkliche Cliquenwirthschaft herausgebildet, für die es
freilich an Mäntelchen nicht fehlt. Die Zeit, sagt man, dränge zur Partei-
Bildung; es können mithin auch die Universitäten diesem Drange sich nicht
entziehen. Die Wissenschaft muß allerdings, um der Zeit und ihren Be-
dürfnissen zu entsprechen, von den Parteien Kenntniß nehmen; aber sich
mitten in dieselben hineinstürzen, in ihnen völlig aufgehen und das oft
wüste Treiben derselben auf den eigenen Boden verpflanzen, scheint doch
kaum die richtige Aufgabe der Wissenschaft und ihrer Vertreter zu sein.
Und so sehen wir die Clique nach innen und außen in voller Thätigkeit.
Sie beherrscht das ganze Leben der Universität, sie wählt Rector und
Dekane, beeinflußt die Vorschläge zur Besetzung erledigter Lehrämter, und
wehe dem Manne der es verschmäht sich vor ihr zu beugen -- er ist in sei-
ner Jsolirung verloren, mag er auch an Charakter und Wissen ausgezeich-
net dastehen. Die Clique ist aber auch nach außen thätig, und sucht ihre
Glieder in die verschiedenen Vertretungskörper zu bringen, wo sie, nicht
immer zum Vortheile des Lehrstuhles, der darüber vernachlässigt wird, mit
ihrem Lichte leuchten wollen, dabei aber durch pedantische Rechthaberei oft
mehr schaden als nützen.

Endlich muß noch des Verhältnisses gedacht werden in welchem sich
die Universitätsprofessoren in Wien zu denen in der Provinz befinden.
Am Sitze der Regierung lebend, verschmähten sie es nie sich dort Respect
zu verschaffen, um gelegentlich Einfluß üben zu können. Dadurch gewöhn-
ten sie sich aber sich selbst Patriciern gleich zu achten, die nach allen Seiten
Vorrechte beanspruchen dürfen, während sie ihre Collegen in den Provin-
zen wie Plebejer behandelten, bei denen jeder Wunsch nach gleicher Be-
handlung als Selbstüberhebung betrachtet wurde. An diesem Uebelstand
konnte auch unsere dem Nivelliren so günstige Zeit bisher nichts ändern.

Jst aber dieser ungesunde Zustand der Fortbildung der Wissenschaft
überhaupt abträglich, so kommt dazu noch weiter der unvermeidliche
schlimme Einfluß auf die akademische Jugend. Was soll aus derselben
werden wenn ihre Herren und Meister, in Parteien gespalten, oft mit
kleinlicher Feindschaft sich verfolgen, und den Gemeingeist so weit verläug-
nen daß sie jeden innern Vorgang zu einer öffentlichen Angelegenheit hin-
aufschrauben? Dafür ist aber auch die Disciplin unter den Studenten
auf bedauerliche Weise gelockert, und es hat ein so unwissenschaftlicher
Geist Platz gegriffen, daß die Klagen über Unbrauchbarkeit der absolvirten
Jugend in den praktischen Richtungen des Lebens immer lauter werden.
Die Hörsäle sind fast verödet, Rigorosen und Staatsprüfung zeigen eine
sehr mangelhafte Vorbereitung; dagegen werden die Bewohner einer Uni-
versitätsstadt an den Anfang eines Studienjahres immer recht lebhaft er-
innert durch vermehrte nächtliche Ruhestörungen, durch Zeitungsberichte
über erregte Comité=Wahlen zu der großen Anzahl von Bällen im näch-
sten Fasching und durch Mittheilungen über Commerse und andere Unter-
haltungen.

Wie könnte es aber auch, bei dem großen Mißbrauche welcher bezüglich
der verspäteten Aufnahme von Hörern sich nach und nach eingeschlichen,
anders kommen? Das Gesetz erlaubt diese nur in besonderen Fällen, und
auch nur so lange als die Vorlesungen noch nicht so weit fortgeschritten
sind daß der neu Eintretende eine Einbuße erlitte. Erfahrungsmäßig wer-
den aber solche Gesuche bis Weihnachten in der Regel, öfter sogar bis in
den Januar hinein, zustimmend erledigt. Wer aber in drei oder vier Mona-
ten noch nichts verloren hat, der dürfte überhaupt nichts verlieren, wenn
er auch gar nicht frequentirt.

Es sind bisher Uebelstände besprochen worden welche in den unmittel-
bar betheiligten Kreisen schon lange Gegenstand einer ernsten, aber auch
[Spaltenumbruch] unfruchtbaren Erörterung sind, weil bisher theils der Muth, theils der
Wille gefehlt hat laut auf die Quelle hinzuweisen und auf Beseitigung der-
selben zu dringen. Wir meinen das Jnstitut der Collegiengelder, welches
in Oesterreich sich nicht bewährt, Professoren und Studenten auf gleiche
Weise demoralisirt hat. Nimmt man die Jugend wie sie eben ist, mit
ihren unklaren und einseitigen Anschauungen, mit dem ihr so oft eigenen
Dünkel, so liegt die Gefahr nahe daß die Grundbedingung eines gedeih-
lichen Unterrichts, Achtung vor dem Lehrer, abgeschwächt wird, und wohl
ganz verloren geht, wenn der Zuhörer denselben wie jeden andern für eine
gelieferte Arbeit zahlen muß; und wenn der Docent, um diese Erwerbs-
quelle im Fluß zu erhalten, die Gränzen der erlaubten Nachsicht überschrei-
tet, so müssen Zucht und Ordnung zur leeren Phrase werden, und es darf
sich niemand mehr wundern wenn der Student sagt: „Wenn ich nur zahle,
so ist alles gut,“ und somit sind die Gegner dieser Neuerung sehr gerecht-
fertigt.

Wie täuschend und seicht waren aber auch die Gründe die man dafür
ins Feld stellte. Es müsse auch auf diese Weise ein festeres Band zwischen
Oesterreich und Deutschland geknüpft werden, meinten große Politiker; nun
hat die Erfahrung gezeigt daß das Jnstitut der Collegiengelder unsern
Ausschluß aus Deutschland nicht verhüten konnte. „Da auch die besten
Kräfte ins Stocken gerathen, so müssen die einzelnen Docenten fortwährend
in gegenseitiger Aemulation erhalten werden; dazu empfehlen sich aber
vorzugsweise Collegiengelder,“ sagten andere. Verdient aber derjenige der
eines solchen Reizmittels bedarf noch den Namen eines Mannes der Wis-
senschaft? Nimmermehr! Ein Mann der Wissenschaft kann nur derjenige
sein der den in seinem Jnnern glühenden göttlichen Funken erkannt, ge-
pflegt und zur erleuchtenden und erwärmenden Flamme angefacht hat.
Ein solcher ist auch erhaben über die Aussicht auf größeren oder geringeren
Erwerb, und überzeugt daß seine Gabe nicht wie eine Waare feilgeboten
und verkauft werden kann. Er wird vielmehr in seiner vom Staate ge-
sicherten unabhängigen Stellung als wahrer Menschenfreund bereit sein
mit seinem Licht allen die es wünschen vorzuleuchten, ohne eine Entschädi-
gung dafür von ihnen zu verlangen. Feuchtersleben hat dieß richtig erkannt;
er sagt in seinem Entwurfe §. 67.: „Ordentliche Professoren beziehen Ge-
halte die ihnen eine den Localverhältnissen entsprechende anständige Exi-
stenz sichern.“ Und um die Mittel dazu zu beschaffen wurden in demselben
§. die damals üblichen gar nicht drückenden Unterrichtsgelder beibehalten.
Dafür aber heißt es §. 76.: „Für die öffentlichen Collegien sind keine Honorare
zu bezahlen.“ Hätten wir diese Bestimmungen beibehalten, Zucht, Würde,
Ordnung und ein wissenschaftlicher Geist würden uns erhalten, den Eltern
mancher Kummer erspart und dem praktischen Leben tauglichere Kräfte
zugeführt worden sein. Ja, noch heute würden die meisten Professoren
einem Gehalte der als Compensation für diese prekäre Einnahme gelten
könnte den Vorzug geben, denn nicht alle erfreuen sich, bei sonst gleichen
Leistungen und Pflichten, einer materiell günstigen Lage. Während die
Träger von Fächern welche Gegenstand der Staatsprüfung und der Rigo-
rosen sind, besonders an den juridischen und medicinischen Facultäten,
Schätze sammeln können, steht den philosophischen und theologischen Pro-
fessoren oft die Sorge um die täglichen Lebensbedürfnisse zur Seite. Da-
her kommt es denn auch daß die ersteren so schwer überzeugt werden können
wie nöthig es schon lange gewesen wäre sich und dem Lehrstuhle die nöthige
Ruhe zu gönnen.

Endlich wurde als Vertheidigung auch der Umstand angeführt daß
die so wichtige Pflanzschule künftiger Professoren, das Privatdocententhum,
ohne das Jnstitut der Collegiengelder nicht bestehen könne. Die Erfah-
rung hat diese Anschauung als eine irrige dargethan, denn selbst an gro-
ßen Universitäten können Privatdocenten von den Collegiengeldern allein
nicht leben, wenn nicht ein anderes Einkommen ihnen zu Gebote steht,
welches aber oft auf ihre wissenschaftliche Thätigkeit wieder lähmend ein-
wirkt. Feuchtersleben dachte auch an eine Pflanzschule künftiger Profes-
soren, und sagt in §. 69. seines Entwurfs: „Außerordentliche Professuren
sind Vorstufen für die ordentlichen. Zu außerordentlichen Professoren
werden jüngere Männer zu ihrer Aufmunterung befördert welche sich be-
reits durch vorzügliche Leistungen hervorgethan. Sie werden dadurch zu
Staatsbeamten und können Gehalte und Remunerationen beziehen.“

Die nun so naheliegende Frage: was wird der Reichsrath mit der
ihm zugesagten neuen Redaction der betreffenden Vorlage machen? kann
man vielleicht heute schon beantworten mit: wenig oder gar nichts. Solche
Reformarbeiten können nur bei einer fertigen und gesicherten innern Lage mit
Erfolg in Angriff genommen werden, und müssen in eine Zeit fallen in welcher
das Bedürfniß nach ihnen zur Anstrengung der Kräfte drängt. Wird aber für
Oesterreich diese Zeit noch kommen, und wird es dann möglich sein die Uni-
versitäten als Pflegestätten deutscher Cultur zu reformiren? Krakau ist
bereits polonisirt, Lemberg zur Hälfte, um es bald ganz zu werden. Prag
hat schon mit der Tschechisirung den Anfang gemacht und wartet auf die

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[1354/0010] tungsvolle Worte, indem er sagte: „Keine Facultät dürfe die andere hem- men, keine sie klemmen, denn man sage ja literarum universitas und nicht diversitas.“ Was speciell die theologischen Facultäten anbelangt, so gab ihnen Graf Thun, um dem Episkopat sich freundlich zu zeigen, eine Einrichtung welche das bisherige Band derselben mit den Universitäten lockerte, und letztere mit dem Verlust eines bisher integrirenden Theils derselben be- drohte -- ein Umstand der aber nicht nur mit Gleichgültigkeit hingenom- men wurde, sondern manchen Professoren Veranlassung war laut den Ruf nach völliger Beseitigung zu erheben, und solange dieß nicht angieng sich in entschiedener Mißachtung der an Talent und Wissen ebenbürtiger Glie- der dieser gedrückten Facultät zu ergehen. Ein Vorgang wie in Bonn, wo die Universität sich der gemaßregelten Professoren der katholisch=theologi- schen Facultät warm angenommen, ist in Oesterreich undenkbar. Haben diese von oben ausgegangenen Mißgriffe ein gesundes Wachsen und Gedeihen nicht gefördert, so trugen auch die Universitäten selbst das ihrige dazu bei. Es zeigte sich bald, und trat bei verschiedenen Anlässen immer deutlicher hervor, daß sie von einem schätzenswerthen Gute, nämlich dem Rechte der freien Selbstbestimmung, den rechten Gebrauch im allge- meinen Jnteresse der Wissenschaft zu machen nicht verstanden haben; es hat sich nur eine bedenkliche Cliquenwirthschaft herausgebildet, für die es freilich an Mäntelchen nicht fehlt. Die Zeit, sagt man, dränge zur Partei- Bildung; es können mithin auch die Universitäten diesem Drange sich nicht entziehen. Die Wissenschaft muß allerdings, um der Zeit und ihren Be- dürfnissen zu entsprechen, von den Parteien Kenntniß nehmen; aber sich mitten in dieselben hineinstürzen, in ihnen völlig aufgehen und das oft wüste Treiben derselben auf den eigenen Boden verpflanzen, scheint doch kaum die richtige Aufgabe der Wissenschaft und ihrer Vertreter zu sein. Und so sehen wir die Clique nach innen und außen in voller Thätigkeit. Sie beherrscht das ganze Leben der Universität, sie wählt Rector und Dekane, beeinflußt die Vorschläge zur Besetzung erledigter Lehrämter, und wehe dem Manne der es verschmäht sich vor ihr zu beugen -- er ist in sei- ner Jsolirung verloren, mag er auch an Charakter und Wissen ausgezeich- net dastehen. Die Clique ist aber auch nach außen thätig, und sucht ihre Glieder in die verschiedenen Vertretungskörper zu bringen, wo sie, nicht immer zum Vortheile des Lehrstuhles, der darüber vernachlässigt wird, mit ihrem Lichte leuchten wollen, dabei aber durch pedantische Rechthaberei oft mehr schaden als nützen. Endlich muß noch des Verhältnisses gedacht werden in welchem sich die Universitätsprofessoren in Wien zu denen in der Provinz befinden. Am Sitze der Regierung lebend, verschmähten sie es nie sich dort Respect zu verschaffen, um gelegentlich Einfluß üben zu können. Dadurch gewöhn- ten sie sich aber sich selbst Patriciern gleich zu achten, die nach allen Seiten Vorrechte beanspruchen dürfen, während sie ihre Collegen in den Provin- zen wie Plebejer behandelten, bei denen jeder Wunsch nach gleicher Be- handlung als Selbstüberhebung betrachtet wurde. An diesem Uebelstand konnte auch unsere dem Nivelliren so günstige Zeit bisher nichts ändern. Jst aber dieser ungesunde Zustand der Fortbildung der Wissenschaft überhaupt abträglich, so kommt dazu noch weiter der unvermeidliche schlimme Einfluß auf die akademische Jugend. Was soll aus derselben werden wenn ihre Herren und Meister, in Parteien gespalten, oft mit kleinlicher Feindschaft sich verfolgen, und den Gemeingeist so weit verläug- nen daß sie jeden innern Vorgang zu einer öffentlichen Angelegenheit hin- aufschrauben? Dafür ist aber auch die Disciplin unter den Studenten auf bedauerliche Weise gelockert, und es hat ein so unwissenschaftlicher Geist Platz gegriffen, daß die Klagen über Unbrauchbarkeit der absolvirten Jugend in den praktischen Richtungen des Lebens immer lauter werden. Die Hörsäle sind fast verödet, Rigorosen und Staatsprüfung zeigen eine sehr mangelhafte Vorbereitung; dagegen werden die Bewohner einer Uni- versitätsstadt an den Anfang eines Studienjahres immer recht lebhaft er- innert durch vermehrte nächtliche Ruhestörungen, durch Zeitungsberichte über erregte Comité=Wahlen zu der großen Anzahl von Bällen im näch- sten Fasching und durch Mittheilungen über Commerse und andere Unter- haltungen. Wie könnte es aber auch, bei dem großen Mißbrauche welcher bezüglich der verspäteten Aufnahme von Hörern sich nach und nach eingeschlichen, anders kommen? Das Gesetz erlaubt diese nur in besonderen Fällen, und auch nur so lange als die Vorlesungen noch nicht so weit fortgeschritten sind daß der neu Eintretende eine Einbuße erlitte. Erfahrungsmäßig wer- den aber solche Gesuche bis Weihnachten in der Regel, öfter sogar bis in den Januar hinein, zustimmend erledigt. Wer aber in drei oder vier Mona- ten noch nichts verloren hat, der dürfte überhaupt nichts verlieren, wenn er auch gar nicht frequentirt. Es sind bisher Uebelstände besprochen worden welche in den unmittel- bar betheiligten Kreisen schon lange Gegenstand einer ernsten, aber auch unfruchtbaren Erörterung sind, weil bisher theils der Muth, theils der Wille gefehlt hat laut auf die Quelle hinzuweisen und auf Beseitigung der- selben zu dringen. Wir meinen das Jnstitut der Collegiengelder, welches in Oesterreich sich nicht bewährt, Professoren und Studenten auf gleiche Weise demoralisirt hat. Nimmt man die Jugend wie sie eben ist, mit ihren unklaren und einseitigen Anschauungen, mit dem ihr so oft eigenen Dünkel, so liegt die Gefahr nahe daß die Grundbedingung eines gedeih- lichen Unterrichts, Achtung vor dem Lehrer, abgeschwächt wird, und wohl ganz verloren geht, wenn der Zuhörer denselben wie jeden andern für eine gelieferte Arbeit zahlen muß; und wenn der Docent, um diese Erwerbs- quelle im Fluß zu erhalten, die Gränzen der erlaubten Nachsicht überschrei- tet, so müssen Zucht und Ordnung zur leeren Phrase werden, und es darf sich niemand mehr wundern wenn der Student sagt: „Wenn ich nur zahle, so ist alles gut,“ und somit sind die Gegner dieser Neuerung sehr gerecht- fertigt. Wie täuschend und seicht waren aber auch die Gründe die man dafür ins Feld stellte. Es müsse auch auf diese Weise ein festeres Band zwischen Oesterreich und Deutschland geknüpft werden, meinten große Politiker; nun hat die Erfahrung gezeigt daß das Jnstitut der Collegiengelder unsern Ausschluß aus Deutschland nicht verhüten konnte. „Da auch die besten Kräfte ins Stocken gerathen, so müssen die einzelnen Docenten fortwährend in gegenseitiger Aemulation erhalten werden; dazu empfehlen sich aber vorzugsweise Collegiengelder,“ sagten andere. Verdient aber derjenige der eines solchen Reizmittels bedarf noch den Namen eines Mannes der Wis- senschaft? Nimmermehr! Ein Mann der Wissenschaft kann nur derjenige sein der den in seinem Jnnern glühenden göttlichen Funken erkannt, ge- pflegt und zur erleuchtenden und erwärmenden Flamme angefacht hat. Ein solcher ist auch erhaben über die Aussicht auf größeren oder geringeren Erwerb, und überzeugt daß seine Gabe nicht wie eine Waare feilgeboten und verkauft werden kann. Er wird vielmehr in seiner vom Staate ge- sicherten unabhängigen Stellung als wahrer Menschenfreund bereit sein mit seinem Licht allen die es wünschen vorzuleuchten, ohne eine Entschädi- gung dafür von ihnen zu verlangen. Feuchtersleben hat dieß richtig erkannt; er sagt in seinem Entwurfe §. 67.: „Ordentliche Professoren beziehen Ge- halte die ihnen eine den Localverhältnissen entsprechende anständige Exi- stenz sichern.“ Und um die Mittel dazu zu beschaffen wurden in demselben §. die damals üblichen gar nicht drückenden Unterrichtsgelder beibehalten. Dafür aber heißt es §. 76.: „Für die öffentlichen Collegien sind keine Honorare zu bezahlen.“ Hätten wir diese Bestimmungen beibehalten, Zucht, Würde, Ordnung und ein wissenschaftlicher Geist würden uns erhalten, den Eltern mancher Kummer erspart und dem praktischen Leben tauglichere Kräfte zugeführt worden sein. Ja, noch heute würden die meisten Professoren einem Gehalte der als Compensation für diese prekäre Einnahme gelten könnte den Vorzug geben, denn nicht alle erfreuen sich, bei sonst gleichen Leistungen und Pflichten, einer materiell günstigen Lage. Während die Träger von Fächern welche Gegenstand der Staatsprüfung und der Rigo- rosen sind, besonders an den juridischen und medicinischen Facultäten, Schätze sammeln können, steht den philosophischen und theologischen Pro- fessoren oft die Sorge um die täglichen Lebensbedürfnisse zur Seite. Da- her kommt es denn auch daß die ersteren so schwer überzeugt werden können wie nöthig es schon lange gewesen wäre sich und dem Lehrstuhle die nöthige Ruhe zu gönnen. Endlich wurde als Vertheidigung auch der Umstand angeführt daß die so wichtige Pflanzschule künftiger Professoren, das Privatdocententhum, ohne das Jnstitut der Collegiengelder nicht bestehen könne. Die Erfah- rung hat diese Anschauung als eine irrige dargethan, denn selbst an gro- ßen Universitäten können Privatdocenten von den Collegiengeldern allein nicht leben, wenn nicht ein anderes Einkommen ihnen zu Gebote steht, welches aber oft auf ihre wissenschaftliche Thätigkeit wieder lähmend ein- wirkt. Feuchtersleben dachte auch an eine Pflanzschule künftiger Profes- soren, und sagt in §. 69. seines Entwurfs: „Außerordentliche Professuren sind Vorstufen für die ordentlichen. Zu außerordentlichen Professoren werden jüngere Männer zu ihrer Aufmunterung befördert welche sich be- reits durch vorzügliche Leistungen hervorgethan. Sie werden dadurch zu Staatsbeamten und können Gehalte und Remunerationen beziehen.“ Die nun so naheliegende Frage: was wird der Reichsrath mit der ihm zugesagten neuen Redaction der betreffenden Vorlage machen? kann man vielleicht heute schon beantworten mit: wenig oder gar nichts. Solche Reformarbeiten können nur bei einer fertigen und gesicherten innern Lage mit Erfolg in Angriff genommen werden, und müssen in eine Zeit fallen in welcher das Bedürfniß nach ihnen zur Anstrengung der Kräfte drängt. Wird aber für Oesterreich diese Zeit noch kommen, und wird es dann möglich sein die Uni- versitäten als Pflegestätten deutscher Cultur zu reformiren? Krakau ist bereits polonisirt, Lemberg zur Hälfte, um es bald ganz zu werden. Prag hat schon mit der Tschechisirung den Anfang gemacht und wartet auf die

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  • langes s (?): in Frakturschrift als s transkribiert, in Antiquaschrift beibehalten.
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert.
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert.
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst.
  • Zeichensetzung: DTABf-getreu.



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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 80. Augsburg (Bayern), 21. März 1871, S. 1354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_augsburg80_1871/10>, abgerufen am 28.04.2024.