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Allgemeine Zeitung. Nr. 47. Augsburg (Bayern), 16. Februar 1871.

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[Spaltenumbruch] rung ist zur Berichterstattung aufgefordert worden. -- Heute hat der Bun-
desrath eine Commission, bestehend aus Landammann Heer, Nationalrath
Stämpfli, Jngenieur Koller, Director Stoll und Director Grandjean, für
Berathung eines vom eidgenössischen Departement des Jnnern ausgearbei-
teten Gesetzentwurfs über den Betrieb und Vau von Eisenbahnen ein-
gesetzt. Bekanntlich hat die Bundesversammlung die Vorlage eines solchen
Gesetzes beantragt.

Frankreich.

#./ Aus dem Elsaß, 14 Febr. Unsere Presse müht sich sichtlich
ab einen localeren Charakter zu gewinnen. Die von den Ereignissen un-
berührt gebliebenen Blätter sind noch ebenso abgeschmackt und leer wie
früher; die von den deutschen Behörden beeinflußten werden von den Ein-
heimischen, die ja allein über die vorübergehenden und örtlichen Jnteressen
zu berichten vermögen, nur selten einer Correspondenz gewürdigt. Doch
ist im ganzen ein Fortschritt bemerkbar, und namentlich der "Straßburger
Zeitung," dem officiösen Organ, ist es gelungen die Rubrik "Locales,"
unter der sie anfangs nur von Diebstählen, Betrunkenen und Selbstmor-
den zu berichten hatte, jetzt regelmäßig mit kleinen Mittheilungen aus
Mülhausen, Zabern, Weißenburg u. s. w. auszufüllen. Cine Angelegen-
heit die sie neulich angeregt hat, ist auch für weitere Kreise von Jnteresse.
Von der früher in Frankreich allgemeinen Käuflichkeit der Aemter ist ein
Rest noch in Geltung, die Käuflichkeit der Stellen der Notare, Anwälte,
Gerichtschreiber und Gerichtsvollzieher. Der Mißbrauch wurde im Jahr
1816 neu sanctionirt, als die französische Regierung zur Bezahlung der
von den deutschen Mächten geforderten Contribution Geld brauchte, zu
diesem Zweck die Cautionen der genannten und einiger weiteren Katego-
rien erhöhte, und ihnen die Verkäuflichkeit ihrer Plätze als Aequivalent
gewährte. Der Gesammtwerth dieser Stellen in dem an Deutschland ab-
zutretenden Gebiete wird auf fünf Millionen Franken veranschlagt -- eine
Summe die erklärlich macht wenn die Elsäßer der Entscheidung, ob bei der zu
erwartenden Abschaffung der Käuflichkeit den jetzigen Besitzern Entschädigung
geleistet werde, mit Spannung entgegensehen. Von einer Pflicht zur Abfin-
dung seitens Deutschlands kann wohl nicht die Rede sein, da in Deutschland
die Ernennung der Beamten als ein unveräußerliches Souveränetätsrecht an-
gesehen wird, und die deutsche Regierung das Veräußerungsrecht der der-
maligen Stellenbesitzer als gültig nicht anerkennen kann. Zweifelhafter
liegt die Zweckmäßigkeitsfrage. Die Bedrohten haben die Stellen alle in
gutem Glauben gekauft, dafür ihr Vermögen ganz oder größtentheils hin-
gegeben, und bilden eine zahlreiche und einflußreiche Classe, die man nicht
gern zum Feinde hat. Daneben kann aber nicht übersehen werden daß ge-
rade die Classe der Anwälte, Notare u. s. w. es ist welche der deutschen
Verwaltung bisher die consequenteste Opposition gemacht hat, und voraus-
sichtlich unter allen Umständen auch fernerhin machen wird. Wenn die
Gerichtssprache deutsch wird, werden diese Herren, die der deutschen Sprache
nur unvollkommen mächtig sind, von vielen Clienten ihren aus dem Reich
herüberkommenden Concurrenten bald nachgesetzt, und dadurch in ihrem
von der Mehrzahl der Gebildeten gehegten Zorn über Deutschland noch
bestärkt werden. Die fähigsten Oppositionsmitglieder stellt der Juristen-
stand überall und in Frankreich vorab. Es könnte der Fall eintreten daß
die Entschädigungsgelder zur politischen Agitation verwendet werden, und
die Abfindung käme dann darauf hinaus daß, um einer antideutschen
kleinen Classe eine Wohlthat zu erweisen, den uns geneigten Bauern und
überhaupt der Masse der Bevölkerung, die den Mißstand lange genug ge-
tragen hat, in Form von Steuern das dazu nöthige Geld abgenommen
werden müßte. Solche Erwägungen könnten es rechtfertigen wenn ein-
fach der Rechtsstandpunkt festgehalten, und den Betheiligten überlassen
würde ihre Entschädigungsansprüche bei der französischen Regierung anzu-
bringen oder in das französisch bleibende Gebiet überzusiedeln.

Jtalien.


sym7 Florenz, 12. Febr. Die Zeitungen, zumal die radicalen, bringen
Telegramme aus Nizza, wonach der Conflict zwischen der italienisch ge-
sinnten Bürgerschaft und den französischen Behörden bereits zu Blutver-
gießen geführt hat. Letztere hatten das secessionistische Blatt "Jl Diritto,"
worin die in meinem Briefe vom 7 d. erwähnte Adresse der Nizzarden an
Garibaldi erschienen war, unterdrückt, und dadurch kam es zum Losbruch.
Die Nachrichten über den Ausfall der nizzardischen Wahlen lauten wider-
sprechend. Die ersten Telegramme berichteten daß die vier Candidaten
der Secessionisten, darunter Garibaldi, gewählt worden, und daß der fran-
zösische Candidat Dufraisse durchgefallen sei. Heute aber ist ein anderes
Telegramm angelangt, wonach neben drei Namen der secessionistischen Liste,
worunter Garibaldi, auch Dufraisse gesiegt hätte. Jedenfalls werden wir
in der nächsten Zeit viel von Nizza hören. Garibaldi, der in das Verblei-
ben seiner Vaterstadt unter französischer Herrschaft sich wohl geschickt hätte
wenn diese Herrschaft nur den Namen der Republik trug, dürfte plötzlich
wieder ein eifriger Nizzarder Localpatriot werden, wenn die Dinge in[Spaltenumbruch]
Frankreich die Richtung der Wiederherstellung der Monarchie einschlagen
sollten. Und das scheint ja in der That der Fall zu sein, wofern man nach
den bis jetzt bekannt gewordenen Wahlergebnissen urtheilen darf. Auch
müssen die paar tausend rothbehemdeten Jtaliener nicht vergessen werden
welche noch in Frankreich stehen, und denen es leicht einfallen könnte, sich
für die Enttäuschungen die sie als Frankreichs Verbündete haben schlucken
müssen, durch die Vefreiung Nizza's vom französischen Joch entschädigen
zu wollen. Die italienische Regierung befindet sich in sehr ungemüthlicher
Stimmung. Sie möchte gern wie der Vogel Strauß den Kopf unter die
Flügel stecken, um nur von dieser dummen nizzardischen Geschichte nichts
zu sehen. Es ist aber auch eine Schmach und Schande: haben diese Niz-
zarden vor kaum zehn Jahren ihre heißen Wünsche für die Vereinigung
mit Frankreich kund gegeben, kund gegeben in untrüglichem Plebiscit, und
nun kommen sie plötzlich und behaupten sie wollten nicht zu Frankreich gehören,
sie seien Jtaliener. Und das eben in dem Augenblick da Hr. Bonghi ( in dem
schon erwähnten Aufsatz über den "Bismarckismo" ) nachweist daß die Ab-
tretung Nizza's an Frankreich die edelste Bethätigung gewesen sei jenes
neuen von den lateinischen Nationen geschaffenen Rechtes friedlicher An-
nexionen und aus der Tiefe des Volksgewissens hervorgehender Plebiscite
-- eines Rechtes welches die alles Gerechtigkeitssinnes baren Germanen
nicht durch freiwillige Abtretung des linken Rheinufers haben anerkennen
wollen.

== Rom, 11 Febr. Prinz Humbert ist als Befehlshaber des hier
und in den Provinzen garnisonirenden ersten Armeecorps so thätig wie
der k. Commissarius Gadda als Civilgouverneur. Dieser hat in einem
Aufrufe die Römer um ein vertrauensvolles Entgegenkommen und ein-
müthiges Zusammenwirken für denselben Zweck ersucht, dann werde alles
gut gehen. Lamarmora's Abgang wird von keiner Partei bedauert -- oleum et operam perdidit -- er will künftig seine Zeit militärischen Stu-
dien widmen, besonders einer Geschichte der Taktik, vor allem aber einen
ausführlichen Bericht über die Schlacht bei Custoza beendigen, da
seine damalige Vefehlsführung nun schon seit fünf Jahren der Gegenstand
bitterer Kritik gewesen ist. Die Klerikalen haben er und seine Räthe am
wenigsten befriedigt; der "Osservatore Romano" vom 9 Febr. betheuert:
"Die piemontesischen Proconsuln schädigten Rom in allen seinen Jnter-
essen und immer mit dem erlogenen Namen von Freiheit auf den Lippen;
sie haben mehr geschadet als die Barbaren, die es in den vergangenen
Jahrhunderten einnahmen und ausplünderten." Auch die "Perseveranza"
kann nicht begreifen wie die Vertreter der Regierung in Rom so viele Menschen
von der Liebe zu der neuen Verfassung in so kurzer Frist abwendig machen konn-
ten. Der neueste Fehlgriff Sella's ist die an die Vertreter des Municipiums
gerichtete Forderung von 3,300,000 Lire als jährliche Consumtionssteuer. Eine
nach Florenz gesandte Deputation, bei welcher sich der jüdische Kaufmann
Alatri befand, hat mit ihren Gegenvorstellungen nichts ausgerichtet, denn
dort braucht man Geld, viel Geld. -- Kaum hatte der Papst das Decret
vom 3 d. M. über die Verlegung der Hauptstadt hierher in der officiellen
Zeitung gelesen, als er die um ihn waren entließ. Es scheint er wollte sich
in der Einsamkeit gegen seine Gewohnheit ganz dem Schmerze überlassen.
Am nächstfolgenden Tage war er bei Tische so schweigsam daß es auffiel,
nur kurze Bemerkungen fielen von seinem Munde, denen man anmerkte
daß die Seele Fassung suchte. Als das von Monsignor Charvaz ihm ver-
machte Dintenfaß, dessen Pius VI sich während seiner Gefangenschaft in
Valence bediente, neulich überbracht wurde, erinnerte er an das Diptychon
desselben Papstes, dessen Anblick ihn 1848 zu der Reise nach Gaeta be-
stimmte. Pius IX würde zweifelsohne auch jetzt noch die Stadt verlassen,
wenn er in seinem Siechthum hoffen könnte einige hundert Meilen auf der
Eisenbahn und eine Strecke Meeres ohne Gefahr zurückzulegen. -- Jch hatte
gehofft heute am Eröffnungstag Jhren Lesern eine glänzende Carnevals-
scene vorzuführen, denn die dazu gemachten Vorbereitungen waren außer-
ordentliche. Lange vorher war die Parole des Tags gegeben: " il primo
carnevale di Roma libera
," ein Fasching des freigewordenen Roms;
solche Schlagworte verfehlten hier nie ihre Wirkung. Gestern strahlte die
Stadt im goldenen Sonnenschein, warum sollte man gleiches nicht auch
heute erwarten? Allein schon vor Tagesanbruch öffneten sich wasserschwere
Wolken, es regnete ohne aufzuhören, die Freude war für heute vereitelt.
Die Klerikalen reiben sich die Hände und lachen dazu wie Kinder. Ein
Nachtrag des Quästors verbietet das Tragen der Gesichtsmasken in den
Straßen während der Nacht.

Verschiedenes.

^ München, 14 Febr. Se. Maj. der König hat bereits mehrfach
Veranlassung genommen der opferwilligen Theilnahme welche in allen Kreisen
der Bevölkerung zu Gunsten der im Felde stehenden deutschen Krieger sich kund-
gegeben hat, den huldvollen Ausdruck allerhöchster Anerkennung zuzuwenden.
Neuerdings wurde dieselbe der Frau Gräfin v. Bernstorff zutheil, welche für
die in den Festungen und auf den Jnseln der Westküste Frankreichs internirten

[Spaltenumbruch] rung ist zur Berichterstattung aufgefordert worden. -- Heute hat der Bun-
desrath eine Commission, bestehend aus Landammann Heer, Nationalrath
Stämpfli, Jngenieur Koller, Director Stoll und Director Grandjean, für
Berathung eines vom eidgenössischen Departement des Jnnern ausgearbei-
teten Gesetzentwurfs über den Betrieb und Vau von Eisenbahnen ein-
gesetzt. Bekanntlich hat die Bundesversammlung die Vorlage eines solchen
Gesetzes beantragt.

Frankreich.

#./ Aus dem Elsaß, 14 Febr. Unsere Presse müht sich sichtlich
ab einen localeren Charakter zu gewinnen. Die von den Ereignissen un-
berührt gebliebenen Blätter sind noch ebenso abgeschmackt und leer wie
früher; die von den deutschen Behörden beeinflußten werden von den Ein-
heimischen, die ja allein über die vorübergehenden und örtlichen Jnteressen
zu berichten vermögen, nur selten einer Correspondenz gewürdigt. Doch
ist im ganzen ein Fortschritt bemerkbar, und namentlich der „Straßburger
Zeitung,“ dem officiösen Organ, ist es gelungen die Rubrik „Locales,“
unter der sie anfangs nur von Diebstählen, Betrunkenen und Selbstmor-
den zu berichten hatte, jetzt regelmäßig mit kleinen Mittheilungen aus
Mülhausen, Zabern, Weißenburg u. s. w. auszufüllen. Cine Angelegen-
heit die sie neulich angeregt hat, ist auch für weitere Kreise von Jnteresse.
Von der früher in Frankreich allgemeinen Käuflichkeit der Aemter ist ein
Rest noch in Geltung, die Käuflichkeit der Stellen der Notare, Anwälte,
Gerichtschreiber und Gerichtsvollzieher. Der Mißbrauch wurde im Jahr
1816 neu sanctionirt, als die französische Regierung zur Bezahlung der
von den deutschen Mächten geforderten Contribution Geld brauchte, zu
diesem Zweck die Cautionen der genannten und einiger weiteren Katego-
rien erhöhte, und ihnen die Verkäuflichkeit ihrer Plätze als Aequivalent
gewährte. Der Gesammtwerth dieser Stellen in dem an Deutschland ab-
zutretenden Gebiete wird auf fünf Millionen Franken veranschlagt -- eine
Summe die erklärlich macht wenn die Elsäßer der Entscheidung, ob bei der zu
erwartenden Abschaffung der Käuflichkeit den jetzigen Besitzern Entschädigung
geleistet werde, mit Spannung entgegensehen. Von einer Pflicht zur Abfin-
dung seitens Deutschlands kann wohl nicht die Rede sein, da in Deutschland
die Ernennung der Beamten als ein unveräußerliches Souveränetätsrecht an-
gesehen wird, und die deutsche Regierung das Veräußerungsrecht der der-
maligen Stellenbesitzer als gültig nicht anerkennen kann. Zweifelhafter
liegt die Zweckmäßigkeitsfrage. Die Bedrohten haben die Stellen alle in
gutem Glauben gekauft, dafür ihr Vermögen ganz oder größtentheils hin-
gegeben, und bilden eine zahlreiche und einflußreiche Classe, die man nicht
gern zum Feinde hat. Daneben kann aber nicht übersehen werden daß ge-
rade die Classe der Anwälte, Notare u. s. w. es ist welche der deutschen
Verwaltung bisher die consequenteste Opposition gemacht hat, und voraus-
sichtlich unter allen Umständen auch fernerhin machen wird. Wenn die
Gerichtssprache deutsch wird, werden diese Herren, die der deutschen Sprache
nur unvollkommen mächtig sind, von vielen Clienten ihren aus dem Reich
herüberkommenden Concurrenten bald nachgesetzt, und dadurch in ihrem
von der Mehrzahl der Gebildeten gehegten Zorn über Deutschland noch
bestärkt werden. Die fähigsten Oppositionsmitglieder stellt der Juristen-
stand überall und in Frankreich vorab. Es könnte der Fall eintreten daß
die Entschädigungsgelder zur politischen Agitation verwendet werden, und
die Abfindung käme dann darauf hinaus daß, um einer antideutschen
kleinen Classe eine Wohlthat zu erweisen, den uns geneigten Bauern und
überhaupt der Masse der Bevölkerung, die den Mißstand lange genug ge-
tragen hat, in Form von Steuern das dazu nöthige Geld abgenommen
werden müßte. Solche Erwägungen könnten es rechtfertigen wenn ein-
fach der Rechtsstandpunkt festgehalten, und den Betheiligten überlassen
würde ihre Entschädigungsansprüche bei der französischen Regierung anzu-
bringen oder in das französisch bleibende Gebiet überzusiedeln.

Jtalien.


sym7 Florenz, 12. Febr. Die Zeitungen, zumal die radicalen, bringen
Telegramme aus Nizza, wonach der Conflict zwischen der italienisch ge-
sinnten Bürgerschaft und den französischen Behörden bereits zu Blutver-
gießen geführt hat. Letztere hatten das secessionistische Blatt „Jl Diritto,“
worin die in meinem Briefe vom 7 d. erwähnte Adresse der Nizzarden an
Garibaldi erschienen war, unterdrückt, und dadurch kam es zum Losbruch.
Die Nachrichten über den Ausfall der nizzardischen Wahlen lauten wider-
sprechend. Die ersten Telegramme berichteten daß die vier Candidaten
der Secessionisten, darunter Garibaldi, gewählt worden, und daß der fran-
zösische Candidat Dufraisse durchgefallen sei. Heute aber ist ein anderes
Telegramm angelangt, wonach neben drei Namen der secessionistischen Liste,
worunter Garibaldi, auch Dufraisse gesiegt hätte. Jedenfalls werden wir
in der nächsten Zeit viel von Nizza hören. Garibaldi, der in das Verblei-
ben seiner Vaterstadt unter französischer Herrschaft sich wohl geschickt hätte
wenn diese Herrschaft nur den Namen der Republik trug, dürfte plötzlich
wieder ein eifriger Nizzarder Localpatriot werden, wenn die Dinge in[Spaltenumbruch]
Frankreich die Richtung der Wiederherstellung der Monarchie einschlagen
sollten. Und das scheint ja in der That der Fall zu sein, wofern man nach
den bis jetzt bekannt gewordenen Wahlergebnissen urtheilen darf. Auch
müssen die paar tausend rothbehemdeten Jtaliener nicht vergessen werden
welche noch in Frankreich stehen, und denen es leicht einfallen könnte, sich
für die Enttäuschungen die sie als Frankreichs Verbündete haben schlucken
müssen, durch die Vefreiung Nizza's vom französischen Joch entschädigen
zu wollen. Die italienische Regierung befindet sich in sehr ungemüthlicher
Stimmung. Sie möchte gern wie der Vogel Strauß den Kopf unter die
Flügel stecken, um nur von dieser dummen nizzardischen Geschichte nichts
zu sehen. Es ist aber auch eine Schmach und Schande: haben diese Niz-
zarden vor kaum zehn Jahren ihre heißen Wünsche für die Vereinigung
mit Frankreich kund gegeben, kund gegeben in untrüglichem Plebiscit, und
nun kommen sie plötzlich und behaupten sie wollten nicht zu Frankreich gehören,
sie seien Jtaliener. Und das eben in dem Augenblick da Hr. Bonghi ( in dem
schon erwähnten Aufsatz über den „Bismarckismo“ ) nachweist daß die Ab-
tretung Nizza's an Frankreich die edelste Bethätigung gewesen sei jenes
neuen von den lateinischen Nationen geschaffenen Rechtes friedlicher An-
nexionen und aus der Tiefe des Volksgewissens hervorgehender Plebiscite
-- eines Rechtes welches die alles Gerechtigkeitssinnes baren Germanen
nicht durch freiwillige Abtretung des linken Rheinufers haben anerkennen
wollen.

== Rom, 11 Febr. Prinz Humbert ist als Befehlshaber des hier
und in den Provinzen garnisonirenden ersten Armeecorps so thätig wie
der k. Commissarius Gadda als Civilgouverneur. Dieser hat in einem
Aufrufe die Römer um ein vertrauensvolles Entgegenkommen und ein-
müthiges Zusammenwirken für denselben Zweck ersucht, dann werde alles
gut gehen. Lamarmora's Abgang wird von keiner Partei bedauert -- oleum et operam perdidit -- er will künftig seine Zeit militärischen Stu-
dien widmen, besonders einer Geschichte der Taktik, vor allem aber einen
ausführlichen Bericht über die Schlacht bei Custoza beendigen, da
seine damalige Vefehlsführung nun schon seit fünf Jahren der Gegenstand
bitterer Kritik gewesen ist. Die Klerikalen haben er und seine Räthe am
wenigsten befriedigt; der „Osservatore Romano“ vom 9 Febr. betheuert:
„Die piemontesischen Proconsuln schädigten Rom in allen seinen Jnter-
essen und immer mit dem erlogenen Namen von Freiheit auf den Lippen;
sie haben mehr geschadet als die Barbaren, die es in den vergangenen
Jahrhunderten einnahmen und ausplünderten.“ Auch die „Perseveranza“
kann nicht begreifen wie die Vertreter der Regierung in Rom so viele Menschen
von der Liebe zu der neuen Verfassung in so kurzer Frist abwendig machen konn-
ten. Der neueste Fehlgriff Sella's ist die an die Vertreter des Municipiums
gerichtete Forderung von 3,300,000 Lire als jährliche Consumtionssteuer. Eine
nach Florenz gesandte Deputation, bei welcher sich der jüdische Kaufmann
Alatri befand, hat mit ihren Gegenvorstellungen nichts ausgerichtet, denn
dort braucht man Geld, viel Geld. -- Kaum hatte der Papst das Decret
vom 3 d. M. über die Verlegung der Hauptstadt hierher in der officiellen
Zeitung gelesen, als er die um ihn waren entließ. Es scheint er wollte sich
in der Einsamkeit gegen seine Gewohnheit ganz dem Schmerze überlassen.
Am nächstfolgenden Tage war er bei Tische so schweigsam daß es auffiel,
nur kurze Bemerkungen fielen von seinem Munde, denen man anmerkte
daß die Seele Fassung suchte. Als das von Monsignor Charvaz ihm ver-
machte Dintenfaß, dessen Pius VI sich während seiner Gefangenschaft in
Valence bediente, neulich überbracht wurde, erinnerte er an das Diptychon
desselben Papstes, dessen Anblick ihn 1848 zu der Reise nach Gaëta be-
stimmte. Pius IX würde zweifelsohne auch jetzt noch die Stadt verlassen,
wenn er in seinem Siechthum hoffen könnte einige hundert Meilen auf der
Eisenbahn und eine Strecke Meeres ohne Gefahr zurückzulegen. -- Jch hatte
gehofft heute am Eröffnungstag Jhren Lesern eine glänzende Carnevals-
scene vorzuführen, denn die dazu gemachten Vorbereitungen waren außer-
ordentliche. Lange vorher war die Parole des Tags gegeben: „ il primo
carnevale di Roma libera
,“ ein Fasching des freigewordenen Roms;
solche Schlagworte verfehlten hier nie ihre Wirkung. Gestern strahlte die
Stadt im goldenen Sonnenschein, warum sollte man gleiches nicht auch
heute erwarten? Allein schon vor Tagesanbruch öffneten sich wasserschwere
Wolken, es regnete ohne aufzuhören, die Freude war für heute vereitelt.
Die Klerikalen reiben sich die Hände und lachen dazu wie Kinder. Ein
Nachtrag des Quästors verbietet das Tragen der Gesichtsmasken in den
Straßen während der Nacht.

Verschiedenes.

◬ München, 14 Febr. Se. Maj. der König hat bereits mehrfach
Veranlassung genommen der opferwilligen Theilnahme welche in allen Kreisen
der Bevölkerung zu Gunsten der im Felde stehenden deutschen Krieger sich kund-
gegeben hat, den huldvollen Ausdruck allerhöchster Anerkennung zuzuwenden.
Neuerdings wurde dieselbe der Frau Gräfin v. Bernstorff zutheil, welche für
die in den Festungen und auf den Jnseln der Westküste Frankreichs internirten

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[787/0007] rung ist zur Berichterstattung aufgefordert worden. -- Heute hat der Bun- desrath eine Commission, bestehend aus Landammann Heer, Nationalrath Stämpfli, Jngenieur Koller, Director Stoll und Director Grandjean, für Berathung eines vom eidgenössischen Departement des Jnnern ausgearbei- teten Gesetzentwurfs über den Betrieb und Vau von Eisenbahnen ein- gesetzt. Bekanntlich hat die Bundesversammlung die Vorlage eines solchen Gesetzes beantragt. Frankreich. #./ Aus dem Elsaß, 14 Febr. Unsere Presse müht sich sichtlich ab einen localeren Charakter zu gewinnen. Die von den Ereignissen un- berührt gebliebenen Blätter sind noch ebenso abgeschmackt und leer wie früher; die von den deutschen Behörden beeinflußten werden von den Ein- heimischen, die ja allein über die vorübergehenden und örtlichen Jnteressen zu berichten vermögen, nur selten einer Correspondenz gewürdigt. Doch ist im ganzen ein Fortschritt bemerkbar, und namentlich der „Straßburger Zeitung,“ dem officiösen Organ, ist es gelungen die Rubrik „Locales,“ unter der sie anfangs nur von Diebstählen, Betrunkenen und Selbstmor- den zu berichten hatte, jetzt regelmäßig mit kleinen Mittheilungen aus Mülhausen, Zabern, Weißenburg u. s. w. auszufüllen. Cine Angelegen- heit die sie neulich angeregt hat, ist auch für weitere Kreise von Jnteresse. Von der früher in Frankreich allgemeinen Käuflichkeit der Aemter ist ein Rest noch in Geltung, die Käuflichkeit der Stellen der Notare, Anwälte, Gerichtschreiber und Gerichtsvollzieher. Der Mißbrauch wurde im Jahr 1816 neu sanctionirt, als die französische Regierung zur Bezahlung der von den deutschen Mächten geforderten Contribution Geld brauchte, zu diesem Zweck die Cautionen der genannten und einiger weiteren Katego- rien erhöhte, und ihnen die Verkäuflichkeit ihrer Plätze als Aequivalent gewährte. Der Gesammtwerth dieser Stellen in dem an Deutschland ab- zutretenden Gebiete wird auf fünf Millionen Franken veranschlagt -- eine Summe die erklärlich macht wenn die Elsäßer der Entscheidung, ob bei der zu erwartenden Abschaffung der Käuflichkeit den jetzigen Besitzern Entschädigung geleistet werde, mit Spannung entgegensehen. Von einer Pflicht zur Abfin- dung seitens Deutschlands kann wohl nicht die Rede sein, da in Deutschland die Ernennung der Beamten als ein unveräußerliches Souveränetätsrecht an- gesehen wird, und die deutsche Regierung das Veräußerungsrecht der der- maligen Stellenbesitzer als gültig nicht anerkennen kann. Zweifelhafter liegt die Zweckmäßigkeitsfrage. Die Bedrohten haben die Stellen alle in gutem Glauben gekauft, dafür ihr Vermögen ganz oder größtentheils hin- gegeben, und bilden eine zahlreiche und einflußreiche Classe, die man nicht gern zum Feinde hat. Daneben kann aber nicht übersehen werden daß ge- rade die Classe der Anwälte, Notare u. s. w. es ist welche der deutschen Verwaltung bisher die consequenteste Opposition gemacht hat, und voraus- sichtlich unter allen Umständen auch fernerhin machen wird. Wenn die Gerichtssprache deutsch wird, werden diese Herren, die der deutschen Sprache nur unvollkommen mächtig sind, von vielen Clienten ihren aus dem Reich herüberkommenden Concurrenten bald nachgesetzt, und dadurch in ihrem von der Mehrzahl der Gebildeten gehegten Zorn über Deutschland noch bestärkt werden. Die fähigsten Oppositionsmitglieder stellt der Juristen- stand überall und in Frankreich vorab. Es könnte der Fall eintreten daß die Entschädigungsgelder zur politischen Agitation verwendet werden, und die Abfindung käme dann darauf hinaus daß, um einer antideutschen kleinen Classe eine Wohlthat zu erweisen, den uns geneigten Bauern und überhaupt der Masse der Bevölkerung, die den Mißstand lange genug ge- tragen hat, in Form von Steuern das dazu nöthige Geld abgenommen werden müßte. Solche Erwägungen könnten es rechtfertigen wenn ein- fach der Rechtsstandpunkt festgehalten, und den Betheiligten überlassen würde ihre Entschädigungsansprüche bei der französischen Regierung anzu- bringen oder in das französisch bleibende Gebiet überzusiedeln. Jtalien. sym7 Florenz, 12. Febr. Die Zeitungen, zumal die radicalen, bringen Telegramme aus Nizza, wonach der Conflict zwischen der italienisch ge- sinnten Bürgerschaft und den französischen Behörden bereits zu Blutver- gießen geführt hat. Letztere hatten das secessionistische Blatt „Jl Diritto,“ worin die in meinem Briefe vom 7 d. erwähnte Adresse der Nizzarden an Garibaldi erschienen war, unterdrückt, und dadurch kam es zum Losbruch. Die Nachrichten über den Ausfall der nizzardischen Wahlen lauten wider- sprechend. Die ersten Telegramme berichteten daß die vier Candidaten der Secessionisten, darunter Garibaldi, gewählt worden, und daß der fran- zösische Candidat Dufraisse durchgefallen sei. Heute aber ist ein anderes Telegramm angelangt, wonach neben drei Namen der secessionistischen Liste, worunter Garibaldi, auch Dufraisse gesiegt hätte. Jedenfalls werden wir in der nächsten Zeit viel von Nizza hören. Garibaldi, der in das Verblei- ben seiner Vaterstadt unter französischer Herrschaft sich wohl geschickt hätte wenn diese Herrschaft nur den Namen der Republik trug, dürfte plötzlich wieder ein eifriger Nizzarder Localpatriot werden, wenn die Dinge in Frankreich die Richtung der Wiederherstellung der Monarchie einschlagen sollten. Und das scheint ja in der That der Fall zu sein, wofern man nach den bis jetzt bekannt gewordenen Wahlergebnissen urtheilen darf. Auch müssen die paar tausend rothbehemdeten Jtaliener nicht vergessen werden welche noch in Frankreich stehen, und denen es leicht einfallen könnte, sich für die Enttäuschungen die sie als Frankreichs Verbündete haben schlucken müssen, durch die Vefreiung Nizza's vom französischen Joch entschädigen zu wollen. Die italienische Regierung befindet sich in sehr ungemüthlicher Stimmung. Sie möchte gern wie der Vogel Strauß den Kopf unter die Flügel stecken, um nur von dieser dummen nizzardischen Geschichte nichts zu sehen. Es ist aber auch eine Schmach und Schande: haben diese Niz- zarden vor kaum zehn Jahren ihre heißen Wünsche für die Vereinigung mit Frankreich kund gegeben, kund gegeben in untrüglichem Plebiscit, und nun kommen sie plötzlich und behaupten sie wollten nicht zu Frankreich gehören, sie seien Jtaliener. Und das eben in dem Augenblick da Hr. Bonghi ( in dem schon erwähnten Aufsatz über den „Bismarckismo“ ) nachweist daß die Ab- tretung Nizza's an Frankreich die edelste Bethätigung gewesen sei jenes neuen von den lateinischen Nationen geschaffenen Rechtes friedlicher An- nexionen und aus der Tiefe des Volksgewissens hervorgehender Plebiscite -- eines Rechtes welches die alles Gerechtigkeitssinnes baren Germanen nicht durch freiwillige Abtretung des linken Rheinufers haben anerkennen wollen. == Rom, 11 Febr. Prinz Humbert ist als Befehlshaber des hier und in den Provinzen garnisonirenden ersten Armeecorps so thätig wie der k. Commissarius Gadda als Civilgouverneur. Dieser hat in einem Aufrufe die Römer um ein vertrauensvolles Entgegenkommen und ein- müthiges Zusammenwirken für denselben Zweck ersucht, dann werde alles gut gehen. Lamarmora's Abgang wird von keiner Partei bedauert -- oleum et operam perdidit -- er will künftig seine Zeit militärischen Stu- dien widmen, besonders einer Geschichte der Taktik, vor allem aber einen ausführlichen Bericht über die Schlacht bei Custoza beendigen, da seine damalige Vefehlsführung nun schon seit fünf Jahren der Gegenstand bitterer Kritik gewesen ist. Die Klerikalen haben er und seine Räthe am wenigsten befriedigt; der „Osservatore Romano“ vom 9 Febr. betheuert: „Die piemontesischen Proconsuln schädigten Rom in allen seinen Jnter- essen und immer mit dem erlogenen Namen von Freiheit auf den Lippen; sie haben mehr geschadet als die Barbaren, die es in den vergangenen Jahrhunderten einnahmen und ausplünderten.“ Auch die „Perseveranza“ kann nicht begreifen wie die Vertreter der Regierung in Rom so viele Menschen von der Liebe zu der neuen Verfassung in so kurzer Frist abwendig machen konn- ten. Der neueste Fehlgriff Sella's ist die an die Vertreter des Municipiums gerichtete Forderung von 3,300,000 Lire als jährliche Consumtionssteuer. Eine nach Florenz gesandte Deputation, bei welcher sich der jüdische Kaufmann Alatri befand, hat mit ihren Gegenvorstellungen nichts ausgerichtet, denn dort braucht man Geld, viel Geld. -- Kaum hatte der Papst das Decret vom 3 d. M. über die Verlegung der Hauptstadt hierher in der officiellen Zeitung gelesen, als er die um ihn waren entließ. Es scheint er wollte sich in der Einsamkeit gegen seine Gewohnheit ganz dem Schmerze überlassen. Am nächstfolgenden Tage war er bei Tische so schweigsam daß es auffiel, nur kurze Bemerkungen fielen von seinem Munde, denen man anmerkte daß die Seele Fassung suchte. Als das von Monsignor Charvaz ihm ver- machte Dintenfaß, dessen Pius VI sich während seiner Gefangenschaft in Valence bediente, neulich überbracht wurde, erinnerte er an das Diptychon desselben Papstes, dessen Anblick ihn 1848 zu der Reise nach Gaëta be- stimmte. Pius IX würde zweifelsohne auch jetzt noch die Stadt verlassen, wenn er in seinem Siechthum hoffen könnte einige hundert Meilen auf der Eisenbahn und eine Strecke Meeres ohne Gefahr zurückzulegen. -- Jch hatte gehofft heute am Eröffnungstag Jhren Lesern eine glänzende Carnevals- scene vorzuführen, denn die dazu gemachten Vorbereitungen waren außer- ordentliche. Lange vorher war die Parole des Tags gegeben: „ il primo carnevale di Roma libera,“ ein Fasching des freigewordenen Roms; solche Schlagworte verfehlten hier nie ihre Wirkung. Gestern strahlte die Stadt im goldenen Sonnenschein, warum sollte man gleiches nicht auch heute erwarten? Allein schon vor Tagesanbruch öffneten sich wasserschwere Wolken, es regnete ohne aufzuhören, die Freude war für heute vereitelt. Die Klerikalen reiben sich die Hände und lachen dazu wie Kinder. Ein Nachtrag des Quästors verbietet das Tragen der Gesichtsmasken in den Straßen während der Nacht. Verschiedenes. ◬ München, 14 Febr. Se. Maj. der König hat bereits mehrfach Veranlassung genommen der opferwilligen Theilnahme welche in allen Kreisen der Bevölkerung zu Gunsten der im Felde stehenden deutschen Krieger sich kund- gegeben hat, den huldvollen Ausdruck allerhöchster Anerkennung zuzuwenden. Neuerdings wurde dieselbe der Frau Gräfin v. Bernstorff zutheil, welche für die in den Festungen und auf den Jnseln der Westküste Frankreichs internirten

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 47. Augsburg (Bayern), 16. Februar 1871, S. 787. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_augsburg47_1871/7>, abgerufen am 27.04.2024.