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Allgemeine Zeitung. Nr. 47. Augsburg (Bayern), 16. Februar 1871.

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[Spaltenumbruch] erstandenen deutschen Reichs auf der Grundlage des Rechts und der Frei-
heit in kirchlicher wie in politischer Beziehung handle.

Oesterreichisch=ungartsche Monarchie.

* Wien, 14 Febr. Die officiöse "W. Abendpost" veranstaltet eine
Auswahl von Aeußerungen der Provincialpresse welche dem neuen Mini-
sterium mehr oder weniger günstig lauten. Wie uns geschrieben wird, hat
die eigentliche Redaction des officiösen Blattes an diesem Florilegium kei-
nen Antheil genommen. Außerdem bringt die "W. Abendpost" ein Mit-
getheilt, worin die in der "Allg. Ztg." Nr. 42 gebrachten Enthüllungen
über die Entstehungsgeschichte des Ministeriums Hohenwart als " willkür-
liche Erfindungen" charakterisirt werden. Bezüglich der Angabe unseres
Gewährmannes daß der gegenwärtige Handelsminister Dr. Schäffle die
bekannten ( gegen den Reichskanzler Grafen Beust gerichteten ) diffamiren-
den Artikel des "Oekonomist" geschrieben habe, erklärt die "W. Abendp."
auf das bestimmteste "daß der Handelsminister jede Beziehung zur Autor-
schaft der betreffenden Artikel mit seinem Ehrenwort abgelehnt habe." Es
kommt der Redaction der "Allg. Ztg." begreiflicherweise nicht bei ein so
bestimmtes und augenscheinlich autorisirtes Dementi anzuzweifeln. Unsere
Quelle mag in diesem Punkt einer irrthümlichen Muthmaßung zu kategorischen
Ausdruck gegeben haben; im übrigen aber müssen wir, durch vielfältige Er-
fahrungen gegen officiöse Abläugnungen mißtrauisch gemacht, es unserem als
zuverlässig erprobten Bürgen überlassen ob er sich selbst zu dementiren innere
Nöthigung empfindet. -- Wie man dem "Pester Lloyd" schreibt, soll Graf
Hohenwart gegenüber dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses sich
geäußert haben wie wünschenswerth es sei daß das Parlament seine Ar-
beiten möglichst beschleunige und so rasch als denkbar mit dem Budget zu
Ende komme. Es handle sich dabei in vorderster Reihe um die Delega-
tionen, die bereits im Mai d. J. zusammentreten sollen um rechtzeitig mit
dem gemeinsamen Budget für 1872 zu Stande zu kommen. Dieser Termin
-- fügte der Minister hinzu -- gehöre mit zu den von der Regierung auf-
gestellten Principien, und bilde einen der Punkte des Regierungsprogramms
das vom Kaiser die Genehmigung erhalten. -- Das Abendblatt der amt-
lichen "Grazer Ztg." veröffentlicht ein Circular des Ministerpräsidenten
Grafen Hohenwart an die Landeschefs. Dasselbe betont die Fernhaltung
von dem Parteigetriebe, eine wahrhaft freisinnige Politik, die strenge
Durchführung der Gesetze und die Wahrung der Gesetzes=Autorität. --
Auf den 19 war schon seit längerer Zeit eine Versammlung der Verfassungs-
partei nach Linz anberaumt gewesen. Wegen des am 20 Febr. erfolgenden
Zusammentritts des Reichsraths und vorher nothwendiger Clubbesprechun-
gen ist dieser Parteitgag nunmehr auf den 26 d. M. nach Wien verlegt
worden. -- Die Erzherzogin Marie Annunziata ist an einem Lungenlei-
den so schwer erkrankt, daß das amtliche Bulletin ernsten Befürchtun-
gen Raum gibt. Die Kräfte seien in Folge intensiven Fiebers mehr und
mehr im Sinken.


sym13 Wten, 14 Febr. Die Stellung des Leiters der auswärtigen
Politik erscheint für den Augenblick wohl als eine unerquickliche, aber nicht
als bedroht; das könnte sie erst dann werden wenn sich ergeben sollte --
wofür bis jetzt alle Anhaltspunkte fehlen -- daß die Wendung der Dinge
im Jnnern auch die Kreise der auswärtigen Politik zu stören berechnet sei.
Daß freilich diese Wendung im Jnnern größere Kreise zu ziehen beginnt,
wird weiter durch die Ernennung Toths in Ungarn zum Minister des
Jnnern, Paulers zum Cultus= und Unterrichtsminister und Pejacsevichs
zum croatisch=slavonischen Minister bestätigt; denn obgleich nur drei neue
Mitglieder des Cabinets, nicht ein neues Cabinet geschaffen worden, leidet
es doch keinen Zweifel daß dieselben ein Pfahl im Fleische der Deak-
Partei sind, und daß sie die bisher nur langsam vorschreitende Zerbröcke-
lung dieser Partei und der aus ihr hervorgegangenen Regierung wesent-
lich beschleunigen werden und vielleicht sollen. -- Eine Aeußerung aus
Florenz, welche der Besorgniß Raum gegeben daß der Cabinetswechsel in
Oesterreich eine Aenderung in der Stellung der Monarchie zur römischen
Frage in sich schließen möchte, ist dem Vernehmen nach sofort mit der be-
stimmten Erklärung beantwortet worden: daß Graf Trauttmansdorff keine
anderen Jnstructionen erhalten habe, und erhalten werde, als durch den in
den Depeschen des Rothbuchs genau bezeichneten Standpunkt bedingt
erscheinen.

B. Pest, 12 Febr. Die Ministerernennungen welche das heutige
ungarische Amtsblatt veröffentlicht, entsprechen vollkommen dem System das
sich Andrassy gebildet hat, und das er folgerichtig durchzuführen bestrebt ist,
so oft ein Ministerportefeuille vergeben werden soll, dem System nämlich
nur von ihm abhängige, politisch wenig bedeutende Männer in das Mini-
sterium aufzunehmen, wie schon merkwürdigerweise die Vorschläge an den
Monarchen zur Besetzung der Ministerposten durchaus nicht im Minister-
rath, wie man wohl glauben sollte, berathen werden, sondern einfach durch
den Ministerpräsidenten erfolgen. Graf Pejacsevich, zum Minister für
Croatien ernannt, ist ein liebenswürdiger Cavalier, dem Hause Andrassy
höchst befreundet, bis jetzt aber mehr auf dem Felde des Sport als dem
der Politik heimisch. Hr. v. Toth, der bis jetzt Unterstaatssecretär im Mi-
nisterium, des Jnnern gewesen, tritt nunmehr an die Spitze dieses Mini-
steriums das er seit der Erkrankung des Ministers Rajner ohnedieß eigent-[Spaltenumbruch]
lich geleitet hat. Seine rasche Laufbahn verdankt er einzig und allein dem
Grafen Andrassy, im Abgeordnetenhause steht er an der Spitze der ministe-
riellen Partei, der Mameluken, wie er denn überhaupt Parteimann im
strengsten Sinn des Wortes ist, so daß ihm die Existenz der Linken allein
schon ein Verbrechen scheint. Toth besitzt viel parlamentarische Beredsam-
keit, einen gewissen nüchternen Verstand mit lebhaftem Sinn für das prak-
tische Geschäft. Das Municipalgesetz stammte aus seiner Feder, nur hätte
er dem Comitat noch etwas weniger Autonomie gewähren mögen. Er ist
der Ansicht, die er einmal im Parlament ausgesprochen, daß der Centra-
lismus für die Regierung sehr bequem sei. Wie von Toth wird Graf An-
dr assy auch von dem neuernannten Cultus = und Unterrichtsminister Hrn.
Pauler keine Opposition in der hohen Politik zu gewärtigen haben. Ein
tüchtiger, etwas trockener akademischer Lehrer wie er ist, mit einer Kathe-
derberedsamkeit die lebhaft an jene Hasners erinnert, hält man nicht viel
von der Energie und Unabhängigkeit Paulers gegenüber dem hohen Kle-
rus. Pauler scheint uns entschieden klerikal gefärbt zu sein; er wußte die
Pester Universität bis heut' in den Banden der alten Bestimmungen aus
der Concordatszeit zu erhalten, und was er in dem Katholikencongreß
gesprochen, war gerade auch nicht im Sinne der liberalen Laienwelt.
Diese klerikale Färbung scheint jedoch eben den Grafen Andrassy zur Wahl
Paulers bestimmt zu haben, gilt es doch in dem gegenwärtigen Augen-
blick, wo die Klerikalen wieder vordrängen, auch mit diesem Lager Füh-
lung zu behalten. Jedenfalls wird der katholische Klerus mit der Ernen-
nung Paulers einverstanden sein, weniger die liberale öffentliche Mei-
nung, noch weniger die Protestanten. Für Eötvös einen würdigen Nach-
folger zu finden war eben nicht leicht, aber etwas mehr hätte sich Graf An-
dr assy schon anstrengen dürfen. Nun besitzt das ungarische Ministerium
nur noch zwei unabhängige Mitglieder, Horvath und Gorove; die übri-
gen sind bereits sämmtlich Geschöpfe Andrassy 's und ihm ergeben. Auf
diese Art gelangen wir bald zu einem Ministerium aus einem Guß, d. h.
zu einer Regierung wo Andrassy allein noch Minister, der Rest aber zu
Bureauchefs, die man artigerweise Minister nennt, herabgesunken sein
wird. Mit Bezug auf das Land scheint es uns etwas gefährlich das ganze
System auf einen Mann und einen Kopf zu concentriren. Mit dem
Sturz dieses einen fällt dann auch das ganze System. -- Die Vorgänge
jenseits der Leitha werden natürlich hier viel besprochen, im ganzen ziem-
lich objectiv. Ungarn wird auch in seiner Objectivität verharren solange
drüben nichts gegen Ungarn geplant wird. Ungarn in den Kreis ihrer
politischen Reconstructionen einzubeziehen mögen sich jedoch die Herren
drüben wohl hüten, es könnte hier ein Sturm losbrechen stärker als jener
letzte, dessen Erinnerung aus dem Gedächtniß mancher Planmacher in Wien
bereits verschwunden zu sein scheint.

Schweiz.

Bern, 13 Febr. Jn seiner heutigen Sitzung beschloß der
Bundesrath auf Antrag des Militärdepartements den General Herzog zur
Entlassung der aufgebotenen eidgenössischen Truppen bis auf zwei Brigaden,
welche unter das Commando des Obersten Meier von Bern gestellt sind,
zu ermächtigen. Da es sich augenblicklich nur noch um die Handhabung
des Polizeidienstes an der Westgränze von St. Cergues bis Genf handelt,
sind zwei Brigaden vollständig ausreichend. Die Entlassung des großen
Stabes ist dem Ermessen des Generals Herzog anheimgestellt. -- Endlich
hat man über die Zahl der internirten Mannschaften der Ostarmee be-
stimmte Angaben. Die vom eidgenössischen Militärdepartement entworfene
Liste der Jnternirten zeigt -- vertheilt auf die Kantone -- folgende Zahlen:
Officiere: Zürich 392, St. Gallen 150, Luzern 539, Baden 364, Jnter-
laken 290, Freiburg 53, im ganzen 1788. Mannschaften: Zürich 8857,
Bern 21,328, Luzern 5086, Uri 383, Schwyz 911, Obwalden 350, Nied-
walden 359, Glarus 607, Zug 640, Freiburg 4426, Solothurn 2263,
Baselstadt 1309, Baselland 1412, Schaffhausen 1057, Appenzell
A. Rh. 1191, St. Gallen 5692, Graubünden 1025, Aargau 6392,
Thurgau 3200, Waadt 10,000, Wallis 1060, Neuenburg 1092,
Genf 1149, im ganzen 79,789 -- also zusammen 81,577 Mann.
Demnach ist die bei dem Conventionsabschluß am 1 Febr. angenommene An-
zahl von ungefähr 84,000 Mann schließlich doch noch fast erreicht worden.
Gewiß keine geringe Last! Trotz den großen Schwierigkeiten welche die Jn-
ternirung namentlich zur jetzigen Jahreszeit machen mußte, ist dieselbe
jedoch in bester Ordnung vor sich gegangen, was der Umsichtigkeit und der
organisatorischen Fähigkeit der eidgenössischen Militärverwaltung, an deren
Spitze Bundesrath Welti steht, alle Ehre macht. Ein auf der Kanzlei dieses
Departements eingerichtetes "Auskunftsbureau," das mit Vermittlung
der Correspondenz der Jnternirten beauftragt ist, wird noch eine Liste der-
selben mit ihrem Namen, Geburtsorten ec. ausarbeiten. -- Von der 15 Mil-
lionen=Anleihe sind bis heute 7 Millionen gedeckt worden. -- Aus dem
Kanton Wallis berichtet man dem Bundesrath über neue Umtriebe der
Jesuiten. Jn Fully sollen sie eine Mission abhalten. Die dortige Regie-

[Spaltenumbruch] erstandenen deutschen Reichs auf der Grundlage des Rechts und der Frei-
heit in kirchlicher wie in politischer Beziehung handle.

Oesterreichisch=ungartsche Monarchie.

* Wien, 14 Febr. Die officiöse „W. Abendpost“ veranstaltet eine
Auswahl von Aeußerungen der Provincialpresse welche dem neuen Mini-
sterium mehr oder weniger günstig lauten. Wie uns geschrieben wird, hat
die eigentliche Redaction des officiösen Blattes an diesem Florilegium kei-
nen Antheil genommen. Außerdem bringt die „W. Abendpost“ ein Mit-
getheilt, worin die in der „Allg. Ztg.“ Nr. 42 gebrachten Enthüllungen
über die Entstehungsgeschichte des Ministeriums Hohenwart als „ willkür-
liche Erfindungen“ charakterisirt werden. Bezüglich der Angabe unseres
Gewährmannes daß der gegenwärtige Handelsminister Dr. Schäffle die
bekannten ( gegen den Reichskanzler Grafen Beust gerichteten ) diffamiren-
den Artikel des „Oekonomist“ geschrieben habe, erklärt die „W. Abendp.“
auf das bestimmteste „daß der Handelsminister jede Beziehung zur Autor-
schaft der betreffenden Artikel mit seinem Ehrenwort abgelehnt habe.“ Es
kommt der Redaction der „Allg. Ztg.“ begreiflicherweise nicht bei ein so
bestimmtes und augenscheinlich autorisirtes Dementi anzuzweifeln. Unsere
Quelle mag in diesem Punkt einer irrthümlichen Muthmaßung zu kategorischen
Ausdruck gegeben haben; im übrigen aber müssen wir, durch vielfältige Er-
fahrungen gegen officiöse Abläugnungen mißtrauisch gemacht, es unserem als
zuverlässig erprobten Bürgen überlassen ob er sich selbst zu dementiren innere
Nöthigung empfindet. -- Wie man dem „Pester Lloyd“ schreibt, soll Graf
Hohenwart gegenüber dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses sich
geäußert haben wie wünschenswerth es sei daß das Parlament seine Ar-
beiten möglichst beschleunige und so rasch als denkbar mit dem Budget zu
Ende komme. Es handle sich dabei in vorderster Reihe um die Delega-
tionen, die bereits im Mai d. J. zusammentreten sollen um rechtzeitig mit
dem gemeinsamen Budget für 1872 zu Stande zu kommen. Dieser Termin
-- fügte der Minister hinzu -- gehöre mit zu den von der Regierung auf-
gestellten Principien, und bilde einen der Punkte des Regierungsprogramms
das vom Kaiser die Genehmigung erhalten. -- Das Abendblatt der amt-
lichen „Grazer Ztg.“ veröffentlicht ein Circular des Ministerpräsidenten
Grafen Hohenwart an die Landeschefs. Dasselbe betont die Fernhaltung
von dem Parteigetriebe, eine wahrhaft freisinnige Politik, die strenge
Durchführung der Gesetze und die Wahrung der Gesetzes=Autorität. --
Auf den 19 war schon seit längerer Zeit eine Versammlung der Verfassungs-
partei nach Linz anberaumt gewesen. Wegen des am 20 Febr. erfolgenden
Zusammentritts des Reichsraths und vorher nothwendiger Clubbesprechun-
gen ist dieser Parteitgag nunmehr auf den 26 d. M. nach Wien verlegt
worden. -- Die Erzherzogin Marie Annunziata ist an einem Lungenlei-
den so schwer erkrankt, daß das amtliche Bulletin ernsten Befürchtun-
gen Raum gibt. Die Kräfte seien in Folge intensiven Fiebers mehr und
mehr im Sinken.


sym13 Wten, 14 Febr. Die Stellung des Leiters der auswärtigen
Politik erscheint für den Augenblick wohl als eine unerquickliche, aber nicht
als bedroht; das könnte sie erst dann werden wenn sich ergeben sollte --
wofür bis jetzt alle Anhaltspunkte fehlen -- daß die Wendung der Dinge
im Jnnern auch die Kreise der auswärtigen Politik zu stören berechnet sei.
Daß freilich diese Wendung im Jnnern größere Kreise zu ziehen beginnt,
wird weiter durch die Ernennung Tóths in Ungarn zum Minister des
Jnnern, Paulers zum Cultus= und Unterrichtsminister und Pejacsevichs
zum croatisch=slavonischen Minister bestätigt; denn obgleich nur drei neue
Mitglieder des Cabinets, nicht ein neues Cabinet geschaffen worden, leidet
es doch keinen Zweifel daß dieselben ein Pfahl im Fleische der Deak-
Partei sind, und daß sie die bisher nur langsam vorschreitende Zerbröcke-
lung dieser Partei und der aus ihr hervorgegangenen Regierung wesent-
lich beschleunigen werden und vielleicht sollen. -- Eine Aeußerung aus
Florenz, welche der Besorgniß Raum gegeben daß der Cabinetswechsel in
Oesterreich eine Aenderung in der Stellung der Monarchie zur römischen
Frage in sich schließen möchte, ist dem Vernehmen nach sofort mit der be-
stimmten Erklärung beantwortet worden: daß Graf Trauttmansdorff keine
anderen Jnstructionen erhalten habe, und erhalten werde, als durch den in
den Depeschen des Rothbuchs genau bezeichneten Standpunkt bedingt
erscheinen.

B. Pest, 12 Febr. Die Ministerernennungen welche das heutige
ungarische Amtsblatt veröffentlicht, entsprechen vollkommen dem System das
sich Andrássy gebildet hat, und das er folgerichtig durchzuführen bestrebt ist,
so oft ein Ministerportefeuille vergeben werden soll, dem System nämlich
nur von ihm abhängige, politisch wenig bedeutende Männer in das Mini-
sterium aufzunehmen, wie schon merkwürdigerweise die Vorschläge an den
Monarchen zur Besetzung der Ministerposten durchaus nicht im Minister-
rath, wie man wohl glauben sollte, berathen werden, sondern einfach durch
den Ministerpräsidenten erfolgen. Graf Pejacsevich, zum Minister für
Croatien ernannt, ist ein liebenswürdiger Cavalier, dem Hause Andrássy
höchst befreundet, bis jetzt aber mehr auf dem Felde des Sport als dem
der Politik heimisch. Hr. v. Tóth, der bis jetzt Unterstaatssecretär im Mi-
nisterium, des Jnnern gewesen, tritt nunmehr an die Spitze dieses Mini-
steriums das er seit der Erkrankung des Ministers Rajner ohnedieß eigent-[Spaltenumbruch]
lich geleitet hat. Seine rasche Laufbahn verdankt er einzig und allein dem
Grafen Andrássy, im Abgeordnetenhause steht er an der Spitze der ministe-
riellen Partei, der Mameluken, wie er denn überhaupt Parteimann im
strengsten Sinn des Wortes ist, so daß ihm die Existenz der Linken allein
schon ein Verbrechen scheint. Tóth besitzt viel parlamentarische Beredsam-
keit, einen gewissen nüchternen Verstand mit lebhaftem Sinn für das prak-
tische Geschäft. Das Municipalgesetz stammte aus seiner Feder, nur hätte
er dem Comitat noch etwas weniger Autonomie gewähren mögen. Er ist
der Ansicht, die er einmal im Parlament ausgesprochen, daß der Centra-
lismus für die Regierung sehr bequem sei. Wie von Tóth wird Graf An-
dr ássy auch von dem neuernannten Cultus = und Unterrichtsminister Hrn.
Pauler keine Opposition in der hohen Politik zu gewärtigen haben. Ein
tüchtiger, etwas trockener akademischer Lehrer wie er ist, mit einer Kathe-
derberedsamkeit die lebhaft an jene Hasners erinnert, hält man nicht viel
von der Energie und Unabhängigkeit Paulers gegenüber dem hohen Kle-
rus. Pauler scheint uns entschieden klerikal gefärbt zu sein; er wußte die
Pester Universität bis heut' in den Banden der alten Bestimmungen aus
der Concordatszeit zu erhalten, und was er in dem Katholikencongreß
gesprochen, war gerade auch nicht im Sinne der liberalen Laienwelt.
Diese klerikale Färbung scheint jedoch eben den Grafen Andrássy zur Wahl
Paulers bestimmt zu haben, gilt es doch in dem gegenwärtigen Augen-
blick, wo die Klerikalen wieder vordrängen, auch mit diesem Lager Füh-
lung zu behalten. Jedenfalls wird der katholische Klerus mit der Ernen-
nung Paulers einverstanden sein, weniger die liberale öffentliche Mei-
nung, noch weniger die Protestanten. Für Eötvös einen würdigen Nach-
folger zu finden war eben nicht leicht, aber etwas mehr hätte sich Graf An-
dr ássy schon anstrengen dürfen. Nun besitzt das ungarische Ministerium
nur noch zwei unabhängige Mitglieder, Horváth und Gorove; die übri-
gen sind bereits sämmtlich Geschöpfe Andrássy 's und ihm ergeben. Auf
diese Art gelangen wir bald zu einem Ministerium aus einem Guß, d. h.
zu einer Regierung wo Andrássy allein noch Minister, der Rest aber zu
Bureauchefs, die man artigerweise Minister nennt, herabgesunken sein
wird. Mit Bezug auf das Land scheint es uns etwas gefährlich das ganze
System auf einen Mann und einen Kopf zu concentriren. Mit dem
Sturz dieses einen fällt dann auch das ganze System. -- Die Vorgänge
jenseits der Leitha werden natürlich hier viel besprochen, im ganzen ziem-
lich objectiv. Ungarn wird auch in seiner Objectivität verharren solange
drüben nichts gegen Ungarn geplant wird. Ungarn in den Kreis ihrer
politischen Reconstructionen einzubeziehen mögen sich jedoch die Herren
drüben wohl hüten, es könnte hier ein Sturm losbrechen stärker als jener
letzte, dessen Erinnerung aus dem Gedächtniß mancher Planmacher in Wien
bereits verschwunden zu sein scheint.

Schweiz.

⨁ Bern, 13 Febr. Jn seiner heutigen Sitzung beschloß der
Bundesrath auf Antrag des Militärdepartements den General Herzog zur
Entlassung der aufgebotenen eidgenössischen Truppen bis auf zwei Brigaden,
welche unter das Commando des Obersten Meier von Bern gestellt sind,
zu ermächtigen. Da es sich augenblicklich nur noch um die Handhabung
des Polizeidienstes an der Westgränze von St. Cergues bis Genf handelt,
sind zwei Brigaden vollständig ausreichend. Die Entlassung des großen
Stabes ist dem Ermessen des Generals Herzog anheimgestellt. -- Endlich
hat man über die Zahl der internirten Mannschaften der Ostarmee be-
stimmte Angaben. Die vom eidgenössischen Militärdepartement entworfene
Liste der Jnternirten zeigt -- vertheilt auf die Kantone -- folgende Zahlen:
Officiere: Zürich 392, St. Gallen 150, Luzern 539, Baden 364, Jnter-
laken 290, Freiburg 53, im ganzen 1788. Mannschaften: Zürich 8857,
Bern 21,328, Luzern 5086, Uri 383, Schwyz 911, Obwalden 350, Nied-
walden 359, Glarus 607, Zug 640, Freiburg 4426, Solothurn 2263,
Baselstadt 1309, Baselland 1412, Schaffhausen 1057, Appenzell
A. Rh. 1191, St. Gallen 5692, Graubünden 1025, Aargau 6392,
Thurgau 3200, Waadt 10,000, Wallis 1060, Neuenburg 1092,
Genf 1149, im ganzen 79,789 -- also zusammen 81,577 Mann.
Demnach ist die bei dem Conventionsabschluß am 1 Febr. angenommene An-
zahl von ungefähr 84,000 Mann schließlich doch noch fast erreicht worden.
Gewiß keine geringe Last! Trotz den großen Schwierigkeiten welche die Jn-
ternirung namentlich zur jetzigen Jahreszeit machen mußte, ist dieselbe
jedoch in bester Ordnung vor sich gegangen, was der Umsichtigkeit und der
organisatorischen Fähigkeit der eidgenössischen Militärverwaltung, an deren
Spitze Bundesrath Welti steht, alle Ehre macht. Ein auf der Kanzlei dieses
Departements eingerichtetes „Auskunftsbureau,“ das mit Vermittlung
der Correspondenz der Jnternirten beauftragt ist, wird noch eine Liste der-
selben mit ihrem Namen, Geburtsorten ec. ausarbeiten. -- Von der 15 Mil-
lionen=Anleihe sind bis heute 7 Millionen gedeckt worden. -- Aus dem
Kanton Wallis berichtet man dem Bundesrath über neue Umtriebe der
Jesuiten. Jn Fully sollen sie eine Mission abhalten. Die dortige Regie-

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[786/0006] erstandenen deutschen Reichs auf der Grundlage des Rechts und der Frei- heit in kirchlicher wie in politischer Beziehung handle. Oesterreichisch=ungartsche Monarchie. * Wien, 14 Febr. Die officiöse „W. Abendpost“ veranstaltet eine Auswahl von Aeußerungen der Provincialpresse welche dem neuen Mini- sterium mehr oder weniger günstig lauten. Wie uns geschrieben wird, hat die eigentliche Redaction des officiösen Blattes an diesem Florilegium kei- nen Antheil genommen. Außerdem bringt die „W. Abendpost“ ein Mit- getheilt, worin die in der „Allg. Ztg.“ Nr. 42 gebrachten Enthüllungen über die Entstehungsgeschichte des Ministeriums Hohenwart als „ willkür- liche Erfindungen“ charakterisirt werden. Bezüglich der Angabe unseres Gewährmannes daß der gegenwärtige Handelsminister Dr. Schäffle die bekannten ( gegen den Reichskanzler Grafen Beust gerichteten ) diffamiren- den Artikel des „Oekonomist“ geschrieben habe, erklärt die „W. Abendp.“ auf das bestimmteste „daß der Handelsminister jede Beziehung zur Autor- schaft der betreffenden Artikel mit seinem Ehrenwort abgelehnt habe.“ Es kommt der Redaction der „Allg. Ztg.“ begreiflicherweise nicht bei ein so bestimmtes und augenscheinlich autorisirtes Dementi anzuzweifeln. Unsere Quelle mag in diesem Punkt einer irrthümlichen Muthmaßung zu kategorischen Ausdruck gegeben haben; im übrigen aber müssen wir, durch vielfältige Er- fahrungen gegen officiöse Abläugnungen mißtrauisch gemacht, es unserem als zuverlässig erprobten Bürgen überlassen ob er sich selbst zu dementiren innere Nöthigung empfindet. -- Wie man dem „Pester Lloyd“ schreibt, soll Graf Hohenwart gegenüber dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses sich geäußert haben wie wünschenswerth es sei daß das Parlament seine Ar- beiten möglichst beschleunige und so rasch als denkbar mit dem Budget zu Ende komme. Es handle sich dabei in vorderster Reihe um die Delega- tionen, die bereits im Mai d. J. zusammentreten sollen um rechtzeitig mit dem gemeinsamen Budget für 1872 zu Stande zu kommen. Dieser Termin -- fügte der Minister hinzu -- gehöre mit zu den von der Regierung auf- gestellten Principien, und bilde einen der Punkte des Regierungsprogramms das vom Kaiser die Genehmigung erhalten. -- Das Abendblatt der amt- lichen „Grazer Ztg.“ veröffentlicht ein Circular des Ministerpräsidenten Grafen Hohenwart an die Landeschefs. Dasselbe betont die Fernhaltung von dem Parteigetriebe, eine wahrhaft freisinnige Politik, die strenge Durchführung der Gesetze und die Wahrung der Gesetzes=Autorität. -- Auf den 19 war schon seit längerer Zeit eine Versammlung der Verfassungs- partei nach Linz anberaumt gewesen. Wegen des am 20 Febr. erfolgenden Zusammentritts des Reichsraths und vorher nothwendiger Clubbesprechun- gen ist dieser Parteitgag nunmehr auf den 26 d. M. nach Wien verlegt worden. -- Die Erzherzogin Marie Annunziata ist an einem Lungenlei- den so schwer erkrankt, daß das amtliche Bulletin ernsten Befürchtun- gen Raum gibt. Die Kräfte seien in Folge intensiven Fiebers mehr und mehr im Sinken. sym13 Wten, 14 Febr. Die Stellung des Leiters der auswärtigen Politik erscheint für den Augenblick wohl als eine unerquickliche, aber nicht als bedroht; das könnte sie erst dann werden wenn sich ergeben sollte -- wofür bis jetzt alle Anhaltspunkte fehlen -- daß die Wendung der Dinge im Jnnern auch die Kreise der auswärtigen Politik zu stören berechnet sei. Daß freilich diese Wendung im Jnnern größere Kreise zu ziehen beginnt, wird weiter durch die Ernennung Tóths in Ungarn zum Minister des Jnnern, Paulers zum Cultus= und Unterrichtsminister und Pejacsevichs zum croatisch=slavonischen Minister bestätigt; denn obgleich nur drei neue Mitglieder des Cabinets, nicht ein neues Cabinet geschaffen worden, leidet es doch keinen Zweifel daß dieselben ein Pfahl im Fleische der Deak- Partei sind, und daß sie die bisher nur langsam vorschreitende Zerbröcke- lung dieser Partei und der aus ihr hervorgegangenen Regierung wesent- lich beschleunigen werden und vielleicht sollen. -- Eine Aeußerung aus Florenz, welche der Besorgniß Raum gegeben daß der Cabinetswechsel in Oesterreich eine Aenderung in der Stellung der Monarchie zur römischen Frage in sich schließen möchte, ist dem Vernehmen nach sofort mit der be- stimmten Erklärung beantwortet worden: daß Graf Trauttmansdorff keine anderen Jnstructionen erhalten habe, und erhalten werde, als durch den in den Depeschen des Rothbuchs genau bezeichneten Standpunkt bedingt erscheinen. B. Pest, 12 Febr. Die Ministerernennungen welche das heutige ungarische Amtsblatt veröffentlicht, entsprechen vollkommen dem System das sich Andrássy gebildet hat, und das er folgerichtig durchzuführen bestrebt ist, so oft ein Ministerportefeuille vergeben werden soll, dem System nämlich nur von ihm abhängige, politisch wenig bedeutende Männer in das Mini- sterium aufzunehmen, wie schon merkwürdigerweise die Vorschläge an den Monarchen zur Besetzung der Ministerposten durchaus nicht im Minister- rath, wie man wohl glauben sollte, berathen werden, sondern einfach durch den Ministerpräsidenten erfolgen. Graf Pejacsevich, zum Minister für Croatien ernannt, ist ein liebenswürdiger Cavalier, dem Hause Andrássy höchst befreundet, bis jetzt aber mehr auf dem Felde des Sport als dem der Politik heimisch. Hr. v. Tóth, der bis jetzt Unterstaatssecretär im Mi- nisterium, des Jnnern gewesen, tritt nunmehr an die Spitze dieses Mini- steriums das er seit der Erkrankung des Ministers Rajner ohnedieß eigent- lich geleitet hat. Seine rasche Laufbahn verdankt er einzig und allein dem Grafen Andrássy, im Abgeordnetenhause steht er an der Spitze der ministe- riellen Partei, der Mameluken, wie er denn überhaupt Parteimann im strengsten Sinn des Wortes ist, so daß ihm die Existenz der Linken allein schon ein Verbrechen scheint. Tóth besitzt viel parlamentarische Beredsam- keit, einen gewissen nüchternen Verstand mit lebhaftem Sinn für das prak- tische Geschäft. Das Municipalgesetz stammte aus seiner Feder, nur hätte er dem Comitat noch etwas weniger Autonomie gewähren mögen. Er ist der Ansicht, die er einmal im Parlament ausgesprochen, daß der Centra- lismus für die Regierung sehr bequem sei. Wie von Tóth wird Graf An- dr ássy auch von dem neuernannten Cultus = und Unterrichtsminister Hrn. Pauler keine Opposition in der hohen Politik zu gewärtigen haben. Ein tüchtiger, etwas trockener akademischer Lehrer wie er ist, mit einer Kathe- derberedsamkeit die lebhaft an jene Hasners erinnert, hält man nicht viel von der Energie und Unabhängigkeit Paulers gegenüber dem hohen Kle- rus. Pauler scheint uns entschieden klerikal gefärbt zu sein; er wußte die Pester Universität bis heut' in den Banden der alten Bestimmungen aus der Concordatszeit zu erhalten, und was er in dem Katholikencongreß gesprochen, war gerade auch nicht im Sinne der liberalen Laienwelt. Diese klerikale Färbung scheint jedoch eben den Grafen Andrássy zur Wahl Paulers bestimmt zu haben, gilt es doch in dem gegenwärtigen Augen- blick, wo die Klerikalen wieder vordrängen, auch mit diesem Lager Füh- lung zu behalten. Jedenfalls wird der katholische Klerus mit der Ernen- nung Paulers einverstanden sein, weniger die liberale öffentliche Mei- nung, noch weniger die Protestanten. Für Eötvös einen würdigen Nach- folger zu finden war eben nicht leicht, aber etwas mehr hätte sich Graf An- dr ássy schon anstrengen dürfen. Nun besitzt das ungarische Ministerium nur noch zwei unabhängige Mitglieder, Horváth und Gorove; die übri- gen sind bereits sämmtlich Geschöpfe Andrássy 's und ihm ergeben. Auf diese Art gelangen wir bald zu einem Ministerium aus einem Guß, d. h. zu einer Regierung wo Andrássy allein noch Minister, der Rest aber zu Bureauchefs, die man artigerweise Minister nennt, herabgesunken sein wird. Mit Bezug auf das Land scheint es uns etwas gefährlich das ganze System auf einen Mann und einen Kopf zu concentriren. Mit dem Sturz dieses einen fällt dann auch das ganze System. -- Die Vorgänge jenseits der Leitha werden natürlich hier viel besprochen, im ganzen ziem- lich objectiv. Ungarn wird auch in seiner Objectivität verharren solange drüben nichts gegen Ungarn geplant wird. Ungarn in den Kreis ihrer politischen Reconstructionen einzubeziehen mögen sich jedoch die Herren drüben wohl hüten, es könnte hier ein Sturm losbrechen stärker als jener letzte, dessen Erinnerung aus dem Gedächtniß mancher Planmacher in Wien bereits verschwunden zu sein scheint. Schweiz. ⨁ Bern, 13 Febr. Jn seiner heutigen Sitzung beschloß der Bundesrath auf Antrag des Militärdepartements den General Herzog zur Entlassung der aufgebotenen eidgenössischen Truppen bis auf zwei Brigaden, welche unter das Commando des Obersten Meier von Bern gestellt sind, zu ermächtigen. Da es sich augenblicklich nur noch um die Handhabung des Polizeidienstes an der Westgränze von St. Cergues bis Genf handelt, sind zwei Brigaden vollständig ausreichend. Die Entlassung des großen Stabes ist dem Ermessen des Generals Herzog anheimgestellt. -- Endlich hat man über die Zahl der internirten Mannschaften der Ostarmee be- stimmte Angaben. Die vom eidgenössischen Militärdepartement entworfene Liste der Jnternirten zeigt -- vertheilt auf die Kantone -- folgende Zahlen: Officiere: Zürich 392, St. Gallen 150, Luzern 539, Baden 364, Jnter- laken 290, Freiburg 53, im ganzen 1788. Mannschaften: Zürich 8857, Bern 21,328, Luzern 5086, Uri 383, Schwyz 911, Obwalden 350, Nied- walden 359, Glarus 607, Zug 640, Freiburg 4426, Solothurn 2263, Baselstadt 1309, Baselland 1412, Schaffhausen 1057, Appenzell A. Rh. 1191, St. Gallen 5692, Graubünden 1025, Aargau 6392, Thurgau 3200, Waadt 10,000, Wallis 1060, Neuenburg 1092, Genf 1149, im ganzen 79,789 -- also zusammen 81,577 Mann. Demnach ist die bei dem Conventionsabschluß am 1 Febr. angenommene An- zahl von ungefähr 84,000 Mann schließlich doch noch fast erreicht worden. Gewiß keine geringe Last! Trotz den großen Schwierigkeiten welche die Jn- ternirung namentlich zur jetzigen Jahreszeit machen mußte, ist dieselbe jedoch in bester Ordnung vor sich gegangen, was der Umsichtigkeit und der organisatorischen Fähigkeit der eidgenössischen Militärverwaltung, an deren Spitze Bundesrath Welti steht, alle Ehre macht. Ein auf der Kanzlei dieses Departements eingerichtetes „Auskunftsbureau,“ das mit Vermittlung der Correspondenz der Jnternirten beauftragt ist, wird noch eine Liste der- selben mit ihrem Namen, Geburtsorten ec. ausarbeiten. -- Von der 15 Mil- lionen=Anleihe sind bis heute 7 Millionen gedeckt worden. -- Aus dem Kanton Wallis berichtet man dem Bundesrath über neue Umtriebe der Jesuiten. Jn Fully sollen sie eine Mission abhalten. Die dortige Regie-

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 47. Augsburg (Bayern), 16. Februar 1871, S. 786. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_augsburg47_1871/6>, abgerufen am 21.11.2024.